Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 24. Juli 2002 wird zurückgewiesen. Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Zahlung von Insolvenzgeld (InsG).
Das Beschäftigungsverhältnis des Klägers endete durch seine mündliche Kündigung zum 20.09.2000. Er gab an, gegen seinen Arbeitgeber für die Zeit von Juni bis September 2000 eine der Lohnforderung in Höhe von 11.500,- DM zu haben einen Rechtsstreit vor dem Arbeitsgericht C seit dem 28.11.2000 zu führen. In diesem war er durch einen Rechtsanwalt vertreten. In der Sitzung am 25.04.2001, an der der Kläger und sein Bevollmächtigter teilnahmen, wurde ihnen der Beschluss des Amtsgerichts C1 vom 30.03.2001 vorgelegt, mit dem die Eröffnung des Insolvenzverfahrens betreffend den Arbeitgeber mangels Masse abgelehnt worden war. In einem weiteren Verhandlungstermin am 13.06.2001 gab das Arbeitsgericht der Klage statt. Der Arbeitgeber nahm die dagegen gerichtete Berufung zurück. Das erstinstanzliche Urteil, in dessen Tatbestand der Beschluss des Amtsgerichts C1 vom 30.03.2000 ausdrücklich festgehalten war, wurde dem Bevollmächtigten am 05.07.2001 zugestellt. Dieser forderte den Kläger daraufhin auf, möglichst sofort den Antrag auf Bewilligung von InsG beim Arbeitsamt zu stellen, um nicht eine möglicherweise zwischenzeitlich angelaufene Frist zu versäumen.
Der Kläger stellte den Antrag am 17.07.2001, den die Beklagte durch Bescheid vom 21.08.2001 ablehnte. Sie führte aus, der Kläger habe die Antragsfrist, die vom 31.03. bis 31.05.2001 laufe, versäumt. Er habe nämlich am 25.04.2001 vom Insolvenzereignis anläßlich des Arbeitsgerichtstermins in C1 erfahren. Damit habe er ausreichend Gelegenheit gehabt, den Antrag fristgemäß zu stellen. Da er die Frist somit fahrlässig versäumt habe, sei ihm keine Nachfrist einzuräumen (§§ 183 Abs. 1 Nr. 2, 324 Abs. 3 Sozialgesetzbuch – Arbeitsförderung – (SGB III). Der Kläger erhob gegen diesen Bescheid am 27.08.2001 Widerspruch und führte aus, er habe die Antragsfrist nicht fahrlässig versäumt, so dass ihm die Nachfrist einzuräumen sei. Er habe sich darauf verlassen können, dass ihm der Bevollmächtigte über das arbeitsrechtliche Mandat hinaus alle erforderlichen Hinweise geben würde, um den geltend gemachten InsG-Anspruch zu verwirklichen. Dessen Verschulden müsse er sich nicht anrechnen lassen. Die Beklagte wies den Widerspruch durch Bescheid vom 06.09.2001 mit der bisherigen Begründung zurück (zugestellt am 07.09.2001).
Hiergegen richtet sich die am 20.09.2001 erhobene Klage. Der Kläger hat zu deren Begründung erneut vorgetragen, er habe die Versäumung der Antragsfrist nicht zu vertreten. Er habe erst im Juli 2000 erfahren, dass er zur Wahrung seines Lohnanspruchs einen InsG-Antrag beim Arbeitsamt stellen müsse. Er sei davon ausgegangen, dass sein damaliger Prozessbevollmächtigter hierauf hinweisen würde. Dessen Unterlassen sei ihm nicht zuzurechnen.
Der Kläger hat schriftsätzlich beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 21.08.2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.09.2001 zu verurteilen, ihm Insolvenzgeld nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.
Die Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat die angefochtenen Bescheide für Rechtens gehalten.
Die Beteiligten hatten sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung nach § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) einverstanden erklärt.
Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil ohne mündliche Verhandlung am 24.07.2002 abgewiesen. Es hat sich zur Begründung der Auffassung der Beklagten angeschlossen, dass der Kläger anläßlich des Verhandlungstermins am 25.04.2001 vor dem Arbeitsgericht C1 von dem Insolvenzereignis am 30.03.2001 erfahren habe. Er habe somit ausreichend Zeit gehabt, fristgemäß den Antrag auf Zahlung von InsG zu stellen. Die am 31.05.2001 abgelaufene Frist habe der Kläger fahrlässig versäumt, weil ihn auch nicht die Unkenntnis darüber, den Anspruch auf InsG innerhalb einer Ausschlussfrist geltend machen zu müssen, entlaste (BSG – Urteil vom 10.04.1985 – Az.: 10 RAr 11/84 – = SozR 4100 § 141 e Nr. 8).
Gegen das am 01.08.2002 zugestellte Urteil richtet sich die am 06.08.2002 eingelegte Berufung des Klägers. Er verbleibt zu deren Begründung bei seiner Auffassung, er habe die Antragsfrist nicht fahrlässig versäumt. Er selbst habe sich um die Durchsetzung seiner Ansprüche mit der erforderlichen Sorgfalt bemüht. Die Versäumung dieser Frist sei aufgrund einer entschuldbaren Fehlinterpretation seines damaligen Bevollmächtigten im Arbeitsgerichtsverfahren geschehen. Dieser sei zwar nur zur Durchführung der arbeitsrechtlichen Ansprüche beauftragt gewesen, habe aber zumindest im Rahmen der anwaltlichen Beratung auf die Notwendigkeit einer rechtzeitigen InsG-Beantragung hinweisen müssen. Ein derartiges Verschulden müsse er sich nicht zurechnen lassen.
Der Kläger beantragt schriftsätzlich,
das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 24.07.2002 zu ändern und nach dem Klageantrag erster Instanz zu erkennen.
Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung nach § 124 Abs. 2 SGG einverstanden erklärt. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der vorbereitenden Schriftsätze sowie der Verwaltungsakte der Beklagten – Az.: 000 – und der Akte des Arbeitsgerichts C1 – Az: 000 = 000 LAG I – Bezug genommen, die der Entscheidungsfindung zugrunde gelegen haben.
Entscheidungsgründe:
Der Senat hat aufgrund des Einverständnisses der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung nach § 124 Abs. 2 SGG entschieden.
Die zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet.
Der Senat nimmt zunächst auf die zutreffend dargelegten Rechtsgrundlagen im angefochtenen Urteil Bezug (§ 153 Abs. 2 SGG). Er lässt es aber dahinstehen, ob der Auffassung des Sozialgerichts hinsichtlich des persönlichen Verschuldens des Klägers zu folgen und das zitierte Urteil des Bundessozialgerichts (BSG SozR 4100 § 141 e Nr. 8) auf den vorliegenden Sachverhalt bezogen auf die Person des Klägers ohne weiteres zu übertragen ist. Zweifel bestehen insofern, als nach dem Sachverhalt des BSG-Urteils der dortige Kläger wohl keinen Rechtsanwalt mit der Wahrnehmung seiner Interessen vor dem Arbeitsgericht beauftragt, er also nicht von Anfang an rechtskundigen Rat gesucht hatte und es damit allein auf dessen persönliche Unkenntnis angekommen war.
Im vorliegenden Fall muss sich jedenfalls aber auch der vom Kläger beauftragte damalige Bevollmächtigte vorhalten lassen, durch sein Verhalten zur fahrlässigen Versäumung der Antragsfrist für InsG beigetragen zu haben. Denn im Rahmen des dem Rechtsanwalt erteilten Auftrags ist dieser verpflichtet, den Kläger als seinen Auftraggeber umfassend zu belehren und seine Belange in jeder Richtung wahrzunehmen. Er hat ihm diejenigen Schritte anzuraten, die geeignet sind, den angestrebten Erfolg herbeizuführen, und Nachteile zu verhindern, soweit sie vorhersehbar und vermeidbar sind. Dazu hat ein Anwalt seinem Mandanten den sichersten Weg vorzuschlagen und ihn über mögliche Risiken aufzuklären, damit der Mandant eine sachgerechte Entscheidung treffen kann; Zweifel und Bedenken, zu denen die Sachlage Anlass gibt, muss der Anwalt darlegen und mit seinem Auftraggeber erörtern (vgl. Urteil des BGH vom 17.09.1998 – IX ZR 291/97 in VersR 99, 442 ff). Der damalige Bevollmächtigte hat dies unterlassen und damit die Durchsetzung des klägerischen Lohnanspruchs fahrlässig behindert. Dass der Auftrag des Klägers gezielt auf die Verwirklichung seines Anspruchs erteilt worden ist, haben der Kläger und sein Bevollmächtigter selbst vorgetragen. Dies ergibt sich zudem auch aus dem Umstand, dass der Kläger und sein damaliger Bevollmächtigter gemeinsam die Sitzungstermine beim Arbeitsgericht zur Durchsetzung des Lohnanspruchs wahrgenommen und entsprechende sachdienliche Erklärungen abgegeben haben (vgl. Sitzungsniederschriften vom 22.12.2000 und 25.04.2001). Es ist zwar nicht zu beanstanden, dass zunächst allein der Weg zum Arbeitsgericht eingeschlagen worden ist. Nachdem aber dort im Kammertermin ausweislich des Sitzungsprotokolls am 25.04.2001 ausdrücklich auf den Beschluss des Amtsgerichts C1 vom 30.03.2001 über die Abweisung der Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse betreffend den Arbeitgeber hingewiesen worden ist, hätte der Bevollmächtigte seiner Beratungspflicht im oben dargelegten Sinn umgehend nachkommen müssen. Denn damit hat die Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers offen auf der Hand gelegen und die Tatsache, dass die Verwirklichung des klägerischen Lohnanspruchs dort in hohem Maße gefährdet gewesen ist. Es hätte dem Bevollmächtigten daher sofort klar sein müssen, dass in diesem Zusammenhang bezogen auf das InsG eine Antragsfrist zu wahren gewesen wäre. Selbst wenn er sich nicht zu einer eigenen Antragstellung als Bevollmächtigter als beauftragt angesehen haben sollte, hätte er den Kläger sofort und nicht erst nach Abschluss des Arbeitsgerichtsverfahrens zur eigenständigen Antragstellung bei der Beklagten veranlassen müssen, damit durch dessen Tätigwerden im Rahmen der Verwirklichung eines ausstehenden Lohnanspruchs mögliche Nachteile abgewendet werden. Dabei entfällt die Beratungspflicht auch nicht durch die Wahrnehmung eines "rein arbeitsrechtlichen" Mandats. Auch hierbei ging es in erster Linie um die Durchsetzung von Lohnansprüchen des Klägers. Die Insolvenz des Arbeitgebers weist zwangsläufig den Weg in anderweitige Lohn-(ersatz)ansprüche. Insolvenzgeld ist dabei so naheliegend, dass auch ein rein arbeitsrechtliches Mandat zumindest den Hinweis auf diese Ersatzmöglichkeit ohne weiteres erschließt.
Das Unterlassen dieser naheliegenden umfassenden Beratung des Klägers zur Vermeidung von Nachteilen bei der angestrebten Lohnverwirklichung verstößt daher gegen die geforderte Sorgfaltspflicht des Anwalts und hat fahrlässigerweise zur Versäumung der Antragsfrist auf InsG geführt. Da dem Kläger das Verhalten seines Bevollmächtigten zuzurechnen ist (§ 85 Abs. 2 ZPO), muss er sich auch dieses entgegenhalten lassen. Er hat daher keinen Anspruch auf Zahlung des InsG.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG).
Erstellt am: 06.05.2004
Zuletzt verändert am: 06.05.2004