I. Der Bescheid vom 19. Januar 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. Februar 2004 wird aufgehoben.
II. Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist die Feststellung einer Minderung wegen verspäteter Meldung.
Der Kläger, geboren 1965, hatte in den letzten Jahren mit saisonalen Unterbrechungen bei der K. S. Dachdeckerei GmbH gearbeitet, zuletzt vom 03.11.2003 bis 31.12.2003.
Der Kläger meldete sich am 22.12.2003 bei der Agentur für Arbeit Augsburg arbeitslos. Nach der Arbeitsbescheinigung des Arbeitgebers vom 05.01.2004 war das Arbeitsverhältnis bis 31.12.2003 befristet gewesen.
Mit Bescheid vom 19.01.2004 wurde daraufhin ein Verstoß gegen die Meldepflicht nach § 37 b Sozialgesetzbuch, Drittes Buch (SGB III) ab 10.11.2003 festgestellt und eine Minderung nach § 140 SGB III in Höhe von 1.050,00 EUR.
Dagegen legte der Kläger am 29.01.2004 Widerspruch ein. Auf Rückfrage der Beklagten (wegen eines auf den 15.12.2003 datierten Kündigungsschreibens zum 31.12.2003) wurde vom Arbeitgeber nochmals bestätigt, dass das Arbeitsverhältnis ab dem 03.11.2003 befristet gewesen sei.
Daraufhin wurde auch der Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 05.02.2004 zurückgewiesen.
Dagegen legte der Kläger am 19.02.2004 Klage zum Sozialgericht Augsburg ein unter Vorlage des Arbeitsvertrages vom 27.10.2003. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass er die gesetzliche Neuregelung nicht gekannt habe. Im Übrigen sei eine Verlängerung des befristeten Vertrages im Gespräch gewesen. Erst mit dem Schreiben des Arbeitgebers vom 15.12.2003 sei klar gewesen, dass es bei der Befristung verbleibe.
Vom Termin zur mündlichen Verhandlung vom 07.09.2004 wurde der Kläger ordnungsgemäß benachrichtigt. Die Vertreterin der Beklagten beantragte im Termin die Klageabweisung.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den Inhalt der Leistungsakte der Beklagten sowie der Klageakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist auch begründet.
Beim letzten Arbeitsverhältnis des Klägers bei der S. GmbH handelte es sich um ein befristetes Arbeitsverhältnis. Soweit der Arbeitgeber wegen einer evtl. angesprochenen Verlängerung der Befristung "sicherheitshalber" zusätzlich eine Kündigung zum 31.12.2003 ausgesprochen hat, ändert dies nichts daran, dass es sich um ein von Anfang an befristetes Arbeitsverhältnis gehandelt hat.
Für den im Verfahren streitigen Sachverhalt besteht keine klare und eindeutige Regelung, auf die der Vorwurf einer Pflichtverletzung mit der Rechtsfolge der Minderung des Anspruchs auf Arbeitslosengeld gestützt werden könnte.
Hat sich der Arbeitslose entgegen § 37 b nicht unverzüglich arbeitssuchend gemeldet, so mindert sich das Arbeitslosengeld, das dem Arbeitslosen aufgrund des Anspruchs zusteht, der nach der Pflichtverletzung entstanden ist. Die Minderung beträgt bei einem Bemessungsentgelt bis zu 700,00 EUR 35,00 EUR für jeden Tag der verspäteten Meldung. Die Minderung ist auf den Betrag begrenzt, der sich bei einer Verspätung von 30 Tagen errechnet (§ 140 SGB III).
Personen, deren Versicherungspflichtverhältnis endet, sind verpflichtet, sich unverzüglich nach Kenntnis des Beendigungszeitpunktes persönlich beim Arbeitsamt arbeitssuchend zu melden (§ 37 b Satz 1 SGB III). Im Fall eines befristeten Arbeitsverhältnisses hat die Meldung jedoch frühestens drei Monate vor dessen Beendigung zu erfolgen (§ 37 b Satz 2 SGB III).
Für Fälle des befristeten Arbeitsverhältnisses ist eine echte Ausnahme geregelt. Die Regelung des § 37 b Satz 2 bleibt unbefriedigend und gibt Rätsel auf (Spellbrink in Hennig, Kommentar SGB III, § 37 b RdNr. 55). In der Gesetzesbegründung ist kein plausibler Grund für die Sonderbehandlung bzw. Bevorzugung befristeter Arbeitsverhältnisse genannt.
In der Gesetzesbegründung zu § 37 b (Bundestags-Drucksache 15/25 S. 27) ist nur formuliert: Bei befristeten Arbeitsverhältnissen soll die Meldung jedoch nicht früher als drei Monate vor Ablauf des Arbeitsverhältnisses erfolgen.
Jede juristische Interpretation beginnt mit dem Wortlaut. Bei der Formulierung "jedoch frühestens" handelt es sich nicht um einen unbestimmten Rechtsbegriff, sondern um eine präzise Wortbedeutung nämlich "nicht früher als". Ausgehend vom Wortlaut kann bei befristeten Arbeitsverhältnissen die Meldung erst drei Monate vor Ablauf der Befristung erfolgen. Ein "spätester" Zeitpunkt, der als Pflichtverletzung zu werten ist, ist nach dem Gesetzeswortlaut für befristete Beschäftigungsverhältnisse nicht geregelt. Denkbar ist nun zum einen ein Formulierungsfehler, dass der Gesetzgeber nämlich "spätestens" formulieren wollte. Denkbar ist aber auch, dass der Gesetzgeber eine Privilegierung dahingehend schaffen wollte, dass er der Rechtswirklichkeit Rechnung getragen hat. Faktisch werden erste Arbeitsverhältnisse heute in der Regel nur als befristete Arbeitsverhältnisse von Arbeitgebern angeboten, um den Arbeitnehmer "risikolos" kennen lernen zu können.
Ausgehend von einem Formulierungsfehler könnte man einer Lösung mit der Leseart näher kommen, die das vom Gesetzgeber nicht begründete Füllwort "frühestens" schlichtweg negiert (Spellbrink a.a.O. RdNr. 58). Dagegen spricht aber Mehrfaches.
Die Gesetzesauslegung darf nicht zum Gegenteil von dem führen, was der klare Wortlaut des Gesetzes besagt. Die Auslegung muss den zulässigen juristischen Methoden folgen. Der Weg zu einer Entscheidung muss nachvollziehbar sein, damit Willkür und Unkorrektheit des Entscheidenden (möglichst) ausgeschlossen sind. Ausgangspunkt ist für die Interpretation die Wortinterpretation, die bei Bedarf zur Satz- und grammatikalisch-logischen Interpretation zu erweitern ist, ergänzt durch die historisch-subjektive Auslegung und die teleologisch-objektive Auslegung. Das Ergebnis einer solchen Auslegung kann auch die Korrektur des Gesetzestextes sein. Es kommt die sog. Lückenschließung in Betracht. Zu unterscheiden ist die echte Lücke (der Gesetzgeber hat einen Fall "vergessen" – sog. Regelungslücke). Es gibt dann noch die sog. Wertungslücke (unechte Lücke). Diese liegt vor, wenn zwar eine gesetzliche Regelung vorliegt, diese Regelung aber nicht mehr den aktuellen Erfordernissen entspricht. Es handelt sich dann um einen Fall von berichtigender Auslegung im Sinn einer teleologischen Reduktion.
Eine solche teleologische Reduktion im Sinn des Weglassens des Wortes "frühestens" ist aber nach § 31 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) ausgeschlossen, da ein Verstoß gegen § 37 b SGB III als Pflichtverletzung mit einer nicht unerheblichen pauschalen Schadensausgleichskonsequenz für den Versicherten geregelt ist. Nach § 31 SGB I dürfen Pflichten in den Sozialleistungsbereichen nur begründet werden, soweit es ein Gesetz vorschreibt oder zulässt. Dieses Legalitätsprinzip verbietet es die Formulierung "frühestens" in ihr Gegenteil "spätestens" oder eine gleichgeartete Regelung (Weglassen von "frühestens") umzudeuten.
Damit war dem Klageantrag zu entsprechen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG). Es war der Erfolg der Klage zu berücksichtigen.
Erstellt am: 27.03.2007
Zuletzt verändert am: 27.03.2007