Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 20. Juni 2002 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Im Streit ist die Zahlung von Arbeitslosengeld (Alg) für die Zeit ab 01. September 1999.
Der im Jahre 1941 geborene Kläger erlernte den Beruf des Bäckers sowie des Hotelkaufmanns. In den Jahren 1970 bis 1973 war er als Kellner, Hotelgeschäftsführer und Restaurantchef tätig. In der Zeit vom 02.07.1973 bis 01.10.1995 führte er den Hotel- und Restaurantbetrieb des Golfhotels T. Bei der Ausübung dieser Tätigkeit als selbstständiger Unternehmer arbeitete der Kläger eng mit dem im Juni 1999 verstorbenen Gemüsehändler und Buchhalter X zusammen, der Mindergesellschafter (Anteile in Höhe von 10% = 6000,- DM), aber allein vertretungsberechtigter Geschäftsführer der im Jahre 1984 gegründeten X GmbH war. Gegenstand dieses Unternehmens war der Handel und Import von Obst, Gemüse, Südfrüchten und Kartoffeln sowie der Betrieb von gastronomischen Einrichtungen aller Art und Großküchen. Im Zeitpunkt des Todes des X war diese GmbH vermögenslos.
Am 01.12.1995 nahm der Kläger eine Tätigkeit als Geschäftsführer bei der B GmbH in S auf, deren einziger Gesellschafter die X GmbH war. Gegenstand der B GmbH war der Betrieb eines Hotels und eines Restaurants. Der Kläger, der nach eigenen Angaben wegen hoher Schulden gegenüber der Finanzverwaltung die B GmbH nicht selbst übernehmen konnte, stellte X die nach dem Gesellschaftsvertrag der B GmbH vom 16.10.1995 zu leistende Stammeinlage in Höhe von 50.000,- DM zur Verfügung, die er aus einer Lebensversicherung herausgelöst hatte. Hiervon leitete X lediglich einen Betrag von 40.000,- DM an die GmbH weiter. Trotz der in der Folgezeit auftretenden erheblichen Liquiditätsprobleme der GmbH wurde das Stammkapital in Höhe von 10.000,- DM nie eingezahlt.
Nachdem der Kläger zunächst angegeben hatte (schriftlich gegenüber dem Arbeitsamt am 18.10.1999), ein Arbeitsvertrag sei nicht geschlossen worden, legte er später einen schriftlichen "Anstellungsvertrag" mit Datum vom 01.07.1996 vor. Nach dem Inhalt des vom Kläger unterschriebenen Anstellungsvertrages wurde der Kläger als Geschäftsführer eingestellt und nahm seine Tätigkeit zum 01.07.1996 auf. Er hatte Anspruch auf ein monatliches Gehalt in Höhe von 3000,- DM und – bei entsprechend erfolgreichem Geschäftsverlauf – eine Tantieme in Höhe von 25 v.H. des Jahresüberschusses vor Abzug von erfolgsabhängigen Betriebssteuern. Weiter war vorgesehen, dass der Kläger die zum Pachtobjekt des Restaurantbetriebs gehörende Wohnung nutzen könne, wobei der Mietpreis von ihm persönlich entrichtet oder mit den Gehaltsforderungen verrechnet werden sollte.
Wegen wirtschaftlicher Schwierigkeiten erhielt die B GmbH von der Lebensgefährtin des Klägers G bis Ende 1997 Darlehen über 250.000,- DM. Durch Notarvertrag vom 09.02.1998 (UR.Nr. 183/1998 Notar Dr. C in S) unterwarfen sich die GmbH und der Kläger als Gesamtschuldner der Zwangsvollstreckung in das gesamte Vermögen.
Wegen Zahlungsschwierigkeiten der B GmbH erhielt der Kläger von November 1995 bis Januar 1996, März bis Dezember 1996, Januar bis August 1997 und März/April 1998 sowie von Mai 1999 bis August 1999 (offenbar im Gegensatz zu den übrigen Arbeitnehmern der GmbH) kein Arbeitsentgelt. Am 11.07.1999 stellte der Kläger in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer den Geschäftsbetrieb ein. Am 26.11.1999 wurde das Insolvenzverfahren eröffnet (Beschluss des AG Köln, Az.: 71 IN 255/99).
Der Kläger hatte sich bereits am 01.09.1999 bei der Beklagten arbeitslos gemeldet und die Zahlung von Alg beantragt. Im Feststellungsbogen zur versicherungsrechtlichen Beurteilung seiner Tätigkeit gab er an, er sei als Geschäftsführer alleinvertretungsberechtigt gewesen. Er habe ca. 40 Stunden wöchentlich gearbeitet und seinen Urlaub nicht genehmigen lassen müssen. Anders als ein fremder Arbeitnehmer habe er nicht dem Direktionsrecht (Weisungsrecht) der Gesellschaft bezüglich Zeit, Ort und Art der Beschäftigung unterlegen. Den Betrieb habe er geleitet und sei praktisch "Mädchen für alles" gewesen. Sein Tagesablauf sei durch die anfallenden Arbeiten bestimmt gewesen. Er habe den "Betriebsablauf" festgelegt, Einkäufe getätigt, die kaufmännischen Arbeiten erledigt, Gäste empfangen, bei Personalengpässen bedient und die Kasse abgerechnet.
Die Beklagte lehnte die Bewilligung von Alg mit Bescheid vom 12.10.2000 ab: Der Kläger sei nicht versicherungspflichtig, sondern selbstständig tätig gewesen. Nach seinen Angaben sei das Weisungsrecht des Arbeitgebers in seinem Fall nicht ausgeübt worden. Er habe seine Tätigkeit frei gestalten, Personal selbstständig einstellen können und für längere Zeit kein Arbeitsentgelt erhalten. Mit seinem hiergegen am 10.11.1999 eingelegten Widerspruch machte der Kläger geltend, er sei als Arbeitnehmer beschäftigt gewesen. Seine Tätigkeit habe er den betrieblichen Erfordernissen anpassen müssen. Er habe gegenüber X Rechenschaft ablegen und dessen Direktiven nachkommen müssen, wobei dieser bei Differenzen auch mit Kündigung gedroht habe. Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 18.06.2001 zurück: Gegen die Arbeitnehmereigenschaft des Klägers spreche, dass er über längere Zeiträume nicht vergütet worden sei. Auch habe er das Gründungskapital der Gesellschaft X zur Verfügung gestellt. Weiter habe die Gesellschaft von der Lebensgefährtin des Klägers ein Darlehen in Höhe von 250.000,- DM erhalten, dessen Rückzahlung mit einem notariellen Schuldanerkenntnis des Klägers gesichert worden sei. Ferner habe sich der Kläger als Gesamtschuldner der Zwangsvollstreckung unterworfen.
Mit der am 07.09.2001 bei dem Sozialgericht (SG) Köln erhobenen Klage hat der Kläger geltend gemacht, er habe sein Gehalt für viele Monate nicht erhalten, weil es der Gesellschaft finanziell schlecht gegangen sei. Die anderen Arbeitnehmer seien vorrangig bezahlt worden. Wegen der günstigen Bedingungen hätten er und X entschieden, die B GmbH zu übernehmen. Auf Anraten des X habe er davon abgesehen, die Gesellschaft selbst zu gründen. X habe die Bürotätigkeiten und kaufmännischen Arbeiten ausgeführt und sei täglich zwei Stunden im Hotel gewesen. Er habe ihm ständig in Personalangelegenheiten hineingeredet, wie er sich auch während der selbstständigen Tätigkeit (des Klägers) im Golfclub in alle Angelegenheiten eingemischt und dort die kaufmännischen Arbeiten ausgeführt habe.
Das Sozialgericht hat dem Kläger Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich der versäumten Klagefrist gewährt, die Klage aber als unbegründet abgewiesen: Unter Berücksichtigung der in der Rechtsprechung entwickelten Kriterien zu dem Begriff des Versicherungspflichtverhältnisses sei die Beklagte zu Recht zu dem Ergebnis gelangt, dass der Kläger bei der B GmbH nicht als Arbeitnehmer beschäftigt, sondern vielmehr selbstständig gewesen sei. Er habe die B GmbH als selbstständiger Unternehmer übernehmen wollen, wobei er von der Gründung der Gesellschaft nach seiner eigenen Einlassung nur deshalb abgesehen habe, weil er beim Finanzamt erheblich verschuldet gewesen sei. Im Unterschied zu X sei der Kläger im Hotel- und Restaurantbetrieb einschlägig vorgebildet und berufserfahren gewesen. Maßgeblich für die versicherungsrechtliche Beurteilung des Klägers sei auch, dass die Lebensgefährtin des Klägers der GmbH ein Darlehen von 250.000,- DM gewährt und der Kläger zu dessen Sicherung ein notarielles Schuldanerkenntnis unterzeichnet habe. Es könne dahinstehen, ob die Lebensgefährtin des Klägers sich zur Darlehensgabe auf sein Betreiben oder auf Veranlassung des X hin entschlossen habe. Die Tatsache, dass der Kläger der GmbH als Schuldner beigetreten und sich mit ihr zusammen der Zwangsvollstreckung unterworfen habe, belege, dass er selbst ein hohes eigenes wirtschaftliches Interesse am Überleben der GmbH gehabt habe und ein gleichermaßen hohes wirtschaftliches Risiko zu tragen bereit gewesen sei. In dieser Überzeugung sehe das Gericht sich auch dadurch bestätigt, dass der Kläger für 26 Monate (von 44 Monaten) seiner Tätigkeit keine Vergütung erhalten und dies auch ohne weiteres hingenommen habe. Eine andere versicherungsrechtliche Beurteilung komme auch dann nicht in Betracht, wenn sich X entsprechend den Behauptungen des Klägers zuweilen über Gebühr in dessen Angelegenheiten als Geschäftsführer gemischt habe. Dieses Verhalten habe X nicht erstmalig im M-hof, sondern auch schon zuvor während der selbstständigen Tätigkeit des Klägers im Golfclub in T an den Tag gelegt. Der Kläger könne sich auch nicht darauf berufen, für seine Arbeitnehmereigenschaft spreche, dass er nicht Gesellschafter der GmbH sei.
Denn auch bei einem GmbH-Geschäftsführer ohne Kapitalbeteiligung könnten nach der Rechtsprechung des BSG die Verhältnisse – wie hier – so liegen, dass Selbstständigkeit angenommen werden müsse.
Gegen das ihm am 11.07.2002 zugestellte Urteil richtet sich die am 25.07.2002 eingelegte Berufung des Klägers. Er macht geltend, es könne dahingestellt bleiben, ob er seine Angaben im Feststellungsbogen erst korrigiert habe, nachdem er deren rechtliche Relevanz erkannt habe. Die ursprünglichen Erklärungen hätten darauf beruht, dass er vor Aufnahme seiner Tätigkeit in der B GmbH Vorstellungen von seiner Rolle in dem Geschäftsbetrieb gehabt habe, die sich tatsächlich gegenüber X nicht hätten durchsetzen lassen. Trotz der Kapitallage habe X sich in die Geschäftsführertätigkeiten eingemischt, was Schreiben des Steuerbevollmächtigten H vom 28.08.2001, der H oHG – Versicherungsmakler und Finanzdienstleister – vom 30.07.2001, der Kreissparkasse L vom 13.07.2001 und des Angestellten C vom 19.07.2001 belegten.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 20.06.2002 abzuändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 12.10.2000 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 18.06.2001 zu verurteilen, ihm ab 01.09.1999 Arbeitslosengeld nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie macht geltend, äußerst fragwürdig sei, ob man de facto von einer Fremdgeschäftsführertätigkeit im Sinne der BSG-Rechtsprechung ausgehen könne, wenn bei Eröffnung der Gesellschaft ein Strohmann mit dem Kapital des Geschäftsführers die Gesellschaft gründe. Arbeitsleistungen und Bereitschaft des Klägers hätten sich ausschließlich nach den betrieblichen Belangen gerichtet. Aus dem Umstand, dass der Kläger viel Wert auf die Meinung von X gelegt habe, ergebe sich keine Abhängigkeit von dessen Weisungen. Die Situation der gegenseitigen Erpressbarkeit zeige allenfalls, dass beide zur ordentlichen Führung des Betriebes aufeinander angewiesen gewesen seien. Sie habe jedoch keinen der beiden in die Lage versetzt, dem Anderen gegenüber eine erhobene und damit weisungsgebundene Position einzunehmen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, der Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Insolvenzakte des Amtsgerichts Köln (71 IN 255/99) Bezug genommen, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Das SG hat – nach der für den Senat bindenden Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich der versäumten Klagefrist (§ 202 des Sozialgerichtsgesetzes – SGG – i.V.m. §§ 512, 557 Abs. 2 der Zivilprozessordnung – ZPO -) – zu Recht die Klage als unbegründet abgewiesen, da der Kläger keinen Anspruch auf Alg hat.
Nach § 117 Abs. 1 des Sozialgesetzbuchs – Arbeitsförderung – (SGB III) haben Anspruch auf Alg Arbeitnehmer, die arbeitslos sind (Nr. 1), sich beim Arbeitsamt arbeitslos gemeldet (Nr. 2) und die Anwartschaftszeit erfüllt haben (Nr. 3 ). Die Anwartschaftszeit hat nach § 123 SGB III erfüllt, wer in der Rahmenfrist mindestens 12 Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden hat. Sie beträgt gemäß § 124 SGB III drei Jahre und beginnt mit dem Tag vor der Erfüllung aller sonstigen Voraussetzungen für den Anspruch auf Alg. Zeiten eines Versicherungspflichtverhältnisses (§ 24 SGB III) sind insbesondere Zeiten, in denen Personen gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind (§ 25 SGB III), wobei Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung § 7 Abs. 1 des Sozialgesetzbuchs – Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung – (SGB IV) ist. Danach ist Beschäftigung die nicht selbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis (Satz 1). Versicherungspflichtiger Arbeitnehmer ist hiernach, wer von einem Arbeitgeber persönlich abhängig ist, bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb mithin derjenige, der in den Betrieb eingegliedert ist und einem Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt, das Zeit, Dauer und Ort der Arbeitsausführung umfasst. Demgegenüber wird die selbstständige Tätigkeit durch das Unternehmerrisiko und das Recht bzw. die Möglichkeit gekennzeichnet, über die eigene Arbeitskraft, über Arbeitsort und Arbeitszeit frei zu verfügen. In Zweifelsfällen kommt es darauf an, welche Merkmale im Rahmen einer Gesamtbetrachtung überwiegen. Dies richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls, wobei die vertragliche Ausgestaltung im Vordergrund steht, die allerdings zurücktritt, wenn die tatsächlichen Verhältnisse entscheidend davon abweichen (ständige Rechtsprechung, vgl. BSG, Urt. v. 21.04.1993 – 11 RAr 67/92 – SozR 3 – 4100 § 168 Nr. 11; BSG, Urt. v. 08.12.1994 – 11 RAr 49/94 – SozR 3 – 4100 § 168 Nr. 18; Urt. v. 04.06.1998 – B 12 KR 5/97 R – SozR 3 – 2400 § 7 Nr. 13; zuletzt wohl Urt. v. 12.02.2004 – B 12 KR 26/02 R, jeweils m.w.N.).
Diese von der Rechtssprechung entwickelten Grundsätze sind auch bei Organen juristischer Personen, zu denen – wie hier – auch der Geschäftsführer einer GmbH gehört, anzuwenden. Dementsprechend ist bei dem Geschäftsführer einer GmbH der auf Grund seiner Kapitalbeteiligung an der Gesellschaft auf diese beherrschenden Einfluss auszuüben vermag, ein die Arbeitnehmerschaft begründende Eingliederung und damit auch ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis regelmäßig zu verneinen. Dabei ist ein Schluss von den gesellschaftsrechtlichen Anteilsrechten auf die Möglichkeit der Beherrschung der Gesellschaft allerdings nur dann gerechtfertigt, wenn diesen gesellschaftsrechtlichen Beteiligungsrechten die tatsächlichen Einflussmöglichkeiten und insbesondere die Stimmverhältnisse in der Gesellschafterversammlung entsprechen (BSG, Urt. v. 08.12.1994 – aaO; Urt. v. 18.12.2001 – B 12 KR 10/01 R – SozR 3 – 2400 § 7 Nr. 20; Urt. v. 06.03.2003 – B 11 AL 25/02 R – SozR 4 – 2400 § 7 Nr. 1, jeweils m.w.N.). Umgekehrt wird beim Fremdgeschäftsführer, also bei einem ohne Gesellschaftsanteile handelnden Geschäftsführer, in der Regel davon ausgegangen, dass ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis vorliegt. Eine abweichende Beurteilung hiervon kommt wiederum nur dann in Betracht, wenn besondere Umstände den Schluss zulassen, es liege keine Weisungsgebundenheit vor (so ausdrücklich zuletzt BSG, Urt. v. 06.03.2003, aa0). Derartige Umstände hat die Rechtsprechung zum Beispiel dann bejaht, wenn – insbesondere bei Familiengesellschaften – ein Fremdgeschäftsführer in einer GmbH nach eigenem Willen "schalten und walten" kann, weil er die Gesellschafter persönlich dominiert oder weil sie wirtschaftlich von ihm abhängig sind (BSG, Urt. v. 18.12.2001, aa0). Ebenfalls gegen eine Arbeitnehmerschaft spricht es, wenn untypisch für Arbeitsverhältnisse auf Lohnzahlung verzichtet wird, der Gesellschaft und damit dem vermeintlichen Arbeitgeber Darlehen gegeben werden oder vertraglich zustehender Urlaub ohne Ausgleich nicht in Anspruch genommen wird (vgl. hierzu etwa BSG, Urt. v. 21.04.1993 – 11 RAr 67/92 – SozR 3 – 4100 § 168 Nr. 11; Urt. v. 17.05.2001 – B 12 KR 34/00 R – SozR 3 – 2400 § 7 Nr. 17). Die individuellen Umstände des Einzelfalls sind auch bei derartigen Fallkonstellationen im Rahmen einer Gesamtwürdigung der tatsächlichen Verhältnisse entscheidend.
Im Falle des Klägers setzt seine wirtschaftliche Verwobenheit mit der B GmbH die o.g. Regelvermutung außer Kraft, die lediglich eine Vorfrage der Feststellung beantwortet, ob der Geschäftsführer kraft seiner Gesellschafterrechte die für das Arbeitnehmerverhältnis typische Abhängigkeit von seinem Arbeitgeber vermeiden kann (BSG, Urt. v. 30.01.1997 – 10 RAr 6/95 -). So hat schon der Insolvenzverwalter Dr. E in seiner Stellungnahme für das Amtsgericht L vom 05.10.1999 zu Recht darauf hingewiesen, dass ein Treuhandverhältnis zwischen dem Kläger und der X GmbH und damit eine faktische Gesellschafterstellung des Klägers diskutiert werden müsse. Auf Grund des Umfangs seiner tatsächlichen Kapitalbeteiligung an der B GmbH auf der Grundlage der von ihm in vollem Umfang übernommenen Stammeinlage und des Darlehens seiner Lebensgefährtin in Höhe von 250.000,-DM habe der Kläger über die Existenz bzw. Nichtexistenz des Unternehmens maßgeblich bestimmen können. Dem stimmt der Senat voll inhaltlich zu. Umso mehr gilt dies nämlich, als letztlich der Kläger persönlich kraft notariellen Schuldanerkenntnisses für dieses Darlehen haftete. Diese Haftung hat sich nach Insolvenz der GmbH realisiert: Der Kläger hat zur Tilgung des Darlehens ihm gehörende Einrichtungsgegenstände und Antiquitäten an seine Lebensgefährtin übereignet. Dabei ist unbeachtlich, dass die übereigneten Gegenstände sich heute im gemeinsamen Haushalt befinden. Vielmehr kennzeichnet dies noch deutlicher das Ausmaß der bestehenden wechselseitigen finanziellen Verflechtungen zwischen dem Kläger, der GmbH und auch der Lebensgefährtin des Klägers. Zudem wird hierdurch schon klarer, dass es letztlich allein der Kläger war, der jegliches (Unternehmer-)Risiko getragen hat.
Den wahren Sinn dieser Firmenkonstellation bzw. des Zusammenwirkens des Klägers und des X erhellt insbesondere folgender Umstand: Wie der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem SG am 20.06.2002 und ansatzweise noch einmal vor dem Senat erklärt hat, ist X nur deshalb nach außen als Alleingesellschafter aufgetreten, weil er – der Kläger – selbst wegen seiner Schulden beim Finanzamt keinen neuen Betrieb habe eröffnen können. Andererseits wollte und musste der Kläger nach seiner Schilderung weiterarbeiten, weil er angesichts der schon aus der früheren unternehmerischen Tätigkeit resultierenden Schulden vor dem Nichts stand. Nur deshalb hat er nach seinen eigenen Angaben vor dem Senat diese "Konstruktion" (d.h. Rechtsform der GmbH mit ihm als Finanzier) mit X gewählt.
Nach seinen Schilderungen hat der Kläger auch die Entscheidung, dass die B GmbH trotz hoher Schulden weiter betrieben werden sollte, gemeinsam mit X getroffen. Entsprechend der langjährigen gemeinsamen Tätigkeit in dem Hotel- und Restaurantbetrieb im T kann auch in dem Zusammenwirken des Klägers und des X bei der B GmbH unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Falls vielmehr ein partnerschaftliches Zusammenwirken, nicht jedoch eine abhängige Beschäftigung des Klägers bei der X GmbH gesehen werden. Insbesondere ist ein für ein Arbeitnehmer-Arbeitgeber-Verhältnis typischer Interessengegensatz vor dem beschriebenen finanziellen Hintergrund nicht erkennbar.
Bei seiner Beurteilung geht der Senat – und deshalb war eine weitere Beweisaufnahme entbehrlich – dabei davon aus, dass sich X entsprechend dem Vortrag des Klägers im Berufungsverfahren und dem Inhalt des Schreibens des Steuerbevollmächtigten H, der H oHG, der Kreissparkasse L und des T C umfassend um kaufmännische und finanzielle Fragen, den Betriebsablauf, den Einkauf, den Personaleinsatz und andere Geschäftsführeraufgaben gekümmert und die Befugnisse des Klägers in diesen Bereichen teilweise auch erheblich beschnitten hat. Die gegen eine abhängige Beschäftigung sprechenden Umstände überwiegen jedoch. Zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen nimmt der Senat insofern Bezug auf die dargestellten Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils, denen er sich nach eigener Sach- und Rechtsprüfung in vollem Umfang anschließt (§ 153 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes – SGG -).
Hervorzuheben ist noch einmal der Verzicht auf Lohn in dem weit überwiegenden Zeitraum des vermeintlichen Beschäftigungsverhältnisses: Der Kläger hat den ausstehenden Lohn weder geltend gemacht noch irgendeine konkrete Absprache mit seinem "Arbeitgeber" getroffen, wann der rückständige Lohn gezahlt werden sollte. Es mag Konstellationen geben, in denen ein Lohnverzicht in Zeiten der Not des Arbeitgebers oder – wie hier – einer GmbH als Arbeitgeber ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis nicht ausschließt (vgl. z.B. BSG, Urt. v. 17.05.2001, – B 12 KR 34/00 R – SozR 3 – 2400 § 7 Nr. 17 m.w.N.). Hier stellt dieser Umstand lediglich einen weiteren Mosaikstein dar zu dem Tatbestand einer partnerschaftlichen Unternehmensführung zwischen dem Kläger und X.
Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass der Kläger selbst, nicht jedoch X den Anstellungsvertrag vom 01.07.1996 unterschrieben hat. Hierbei ist auffällig, dass der Insolvenzverwalter Dr. E in seinem Bericht vom 05.10.1999 davon ausging, dass ein schriftlicher Geschäftsführervertrag nicht existiere. Damit deckt es sich, dass der Kläger selbst zunächst von der Nichtexistenz eines derartigen schriftlichen Vertrages ausging, dies der Beklagten mitteilte und erst später im Laufe des Verfahrens einen nur von ihm unterzeichneten "Anstellungsvertrag" vorlegte.
In der Gesamtschau aller Umstände stellt sich damit heraus, dass wegen des Umfangs seiner Kapitalbeteiligung der Kläger am Unternehmerrisiko nicht nur teilgehabt, sondern es im vollen Umfang getragen hat. Bei ihm liegt ein wesentliches sozialtypisches Merkmal des Arbeitnehmerbegriffs nicht vor, da er eine angemessene Gegenleistung für die von ihm erbrachte Arbeit nicht erhalten hat. Allein die Bereitstellung einer Wohnung und gelegentliche Mahlzeiten stellen eine solche angemessene Gegenleistung nicht dar. Nicht nur vorübergehend, sondern für längere Zeiträume hat der Kläger auf wesentliche Teile seines Gehalts verzichtet, ohne diesen Entgeltverzicht lediglich als Darlehen für einen bestimmten, wirtschaftlich kritischen Zeitraum anzusehen und dies schriftlich festzuhalten. Er hat die ausstehenden Gehälter zu keinem Zeitpunkt mündlich oder schriftlich eingefordert. Derartige Gehaltsverzichte, welche sich nicht ausdrücklich auf den Fall der Not oder wirtschaftlichen Schwierigkeit der GmbH beschränken, sind für eine abhängige Beschäftigung untypisch. Weiteres Indiz für die Annahme einer selbstständigen Tätigkeit ist die dem Kläger eingeräumte Tantieme. Im Übrigen hat der Kläger auch hinsichtlich des bei Gründung der B GmbH der X GmbH überlassenen Geldbetrages in Höhe von 50.000,- DM keine schriftlichen Absprachen vorgelegt. Dieses Verhalten kann nur so gedeutet werden, dass er letztlich billigend in Kauf nahm, dass diese Geldbeträge in der B GmbH verblieben, da er diese als seinen eigenen Betrieb ansah. Arbeitnehmeruntypisch ist schließlich auch, dass der Kläger der B GmbH für deren Betrieb diverses Inventar (Teppiche, Möbel, Bett- und Tischwäsche, Dekoration) aus seiner vorhergehenden selbstständigen Tätigkeit im T zur Verfügung stellte. Dem Bericht des Insolvenzverwalters E vom 11.01.2000 für das Amtsgericht L ist weiter zu entnehmen, dass der Kläger am 13.01.1996 aus seinem persönlichen Eigentum u.a. einen Eichenschrank der Jahrhundertwende, einen Barockspiegel und ein Stilleben in die B verbrachte. Diese Gegenstände, deren Wert der Kläger mit 30.000,- DM angab, stellte er als Sicherheiten für die Forderungen einer Brauerei gegenüber der GmbH zur Verfügung. Der Umstand, dass der Kläger somit faktisch sein gesamtes Privatvermögen in die B GmbH einbrachte, belegt, dass er nach den tatsächlichen Verhältnissen weiterhin im Zusammenwirken mit X selbstständig tätig war.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, weil Gründe hierfür nicht vorliegen (§ 160 Abs. 2 Nrn 1 und 2 SGG).
Erstellt am: 31.10.2005
Zuletzt verändert am: 31.10.2005