Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Duisburg vom 30.04.2008 wird zurückgewiesen. Die Antragsgegnerin hat der Antragsstellerin auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu erstatten.
Gründe:
Die Antragsgegnerin bewilligte der Antragsstellerin ab dem 01.01.2008 Arbeitslosengeld und leistete dieses fort, als die Antragsstellerin ab dem 28.01.2008 an einer Weiterbildungsmaßnahme (modulare Qualifizierung für Kaufleute im Selbstlernzentrum) teilnahm. Nachdem die die Antragsstellerin behandelnde Gynäkologin ein Beschäftigungsverbot nach § 3 Abs. 1 Mutterschutzgesetz (MuSchG) ausgesprochen und der Maßnahmeträger den Abbruch der Maßnahme zum 08.02.2008 bestätigt hatte, hob die Beklagte die Bewilligung des Arbeitslosengeldes ab dem 08.02.2008 auf (Bescheid vom 20.02.2008, Widerspruchsbescheid vom 17.04.2008).
Die Klägerin hat hiergegen Klage vor dem Sozialgericht (SG) Duisburg erhoben und die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 20.02.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.04.2008 beantragt.
Mit Beschluss vom 30.04.2008 hat das SG antragsgemäß die aufschiebende Wirkung der Klage angeordnet.
Die dagegen gerichtete Beschwerde ist zulässig, aber nicht begründet.
Nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Die aufschiebende Wirkung der Klage entfällt hier nach § 86a Abs. 2 Nr. 2 SGG, soweit die laufende Leistung entzogen worden ist, worauf sich das vorliegende Verfahren allein noch bezieht, nachdem die Antragsgegnerin aufgrund rechtskräftigen Beschlusses des SG Duisburg vom 14.03.2008 bis zum Erlass des Widerspruchsbescheides Leistungen weiter gewährt hat. Das SG hat die aufschiebende Wirkung zu Recht angeordnet, weil das Aussetzungsinteresse der Antragsstellerin das Vollzugsinteresse der Antragsgegnerin überwiegt. Diese Frage beantwortet sich vorrangig nach den Erfolgsaussichten des Rechtsmittels in der Hauptsache (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Aufl., § 86b Rn. 12c). Nach der zum gegenwärtigen Zeitpunkt bestehenden Erkenntnislage spricht aber deutlich mehr für ein Obsiegen der Antragsstellerin als für deren Unterliegen.
Der angefochtene Bescheid wäre nur rechtmäßig, wenn in den Verhältnissen der Antragsstellerin mit Wirkung vom 08.02.2008 eine wesentliche Änderung im Sinne des § 48 Abs. 1 S. 1 SGB X eingetreten wäre. Dies setzt voraus, dass der ursprüngliche Bewilligungsbescheid durch Änderung der Verhältnisse rechtswidrig geworden ist, also die Behörde unter den nunmehr objektiv vorliegenden Verhältnissen den Verwaltungsakt nicht hätte nicht erlassen dürfen (vgl. BSG SozR 1300 § 48 Nr. 19, S. 36; Nr. 22, S. 50). Ist bei der Antragsstellerin am 08.02.2008 Arbeitsunfähigkeit im Sinne der gesetzlichen Krankenversicherung eingetreten, sind diese Voraussetzungen nicht erfüllt, weil ihr unter diesen Umständen für weitere sechs Wochen Arbeitslosengeld zugestanden hätte (§ 126 Abs. 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch – SGB III -). Da es insoweit allein auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt des Erlasses des Aufhebungsbescheides ankommt (BSG SozR 3-3870 § 4 Nr. 13 S. 53), ist es unerheblich, dass mit Ablauf der sechs Wochen die Aufhebung möglicherweise rechtmäßig gewesen wäre.
Allerdings hat nach einem Vermerk der Antragsgegnerin die behandelnde Gynäkologin Dr. C lediglich ein generelles Beschäftigungsverbot ohne bestehende Arbeitsunfähigkeit aussprechen wollen. Ob Arbeitsunfähigkeit vorliegt, ist jedoch von den Gerichten unter Heranziehung der Ärzte als sachverständige Zeugen zu klären (vgl. BSG SozR 3-4100 § 103 Nr. 19 S. 75). Ein in der Krankenversicherung der Arbeitslosen nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 SGB V versicherter Arbeitsloser ist arbeitsunfähig im Sinne von § 44 Abs. 1 S. 1 SGB V, wenn er aufgrund gesundheitlicher Einschränkungen nicht mehr in der Lage ist, Arbeiten zu verrichten, für die er sich der Arbeitsverwaltung zwecks Vermittlung zur Verfügung gestellt hat (BSG SozR 4-2500 § 44 Nr. 9 Rn. 17). Nach dem entsprechenden Vermerk hat Dr. C bei der Antragsstellerin eine psychische Situation festgestellt, bei der jede Unruhe zu vermeiden sei. Damit spricht aber viel dafür, dass die Antragsstellerin aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr in der Lage war, selbst einfachste Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt auszuüben, so dass Arbeitsunfähigkeit im beschriebenen Sinne eingetreten war.
Bestand dagegen das Beschäftigungsverbot nur für bestimmte Tätigkeiten, insbesondere für die zuletzt durchgeführte Weiterbildungsmaßnahme, worauf die schriftliche Bescheinigung von Dr. C vom 03.04.2008 deutet, so wäre die Verfügbarkeit der Antragsstellerin im Sinne des § 119 Abs. 1 SGB III nicht entfallen (in diese Richtung auch BSG SozR 3-4100 § 103 Nr. 19 S. 77f.). Soweit die Antragsgegnerin im angefochtenen Widerspruchsbescheid dargelegt hat, die Antragsstellerin habe mitgeteilt, sie selbst sehe sich nicht in der Lage, eine Arbeit aufzunehmen, kann dies nur dahingehend verstanden werden, dass ihre Einschränkung nur im Rahmen ärztlich festgestellter Beschäftigungsunmöglichkeit Geltung haben sollte und nicht für jede zumutbare Tätigkeit. In diesem Fall besteht der Anspruch auf Arbeitslosengeld aber uneingeschränkt fort, da die Gewährung des Arbeitslosengeldes bei Arbeitslosigkeit und Weiterbildung (§ 117 Abs. 1 SGB III) keinen unterschiedlichen Versicherungsfall darstellt (vgl. Brand in Niesel SGB III, 4. Aufl., § 117 Rn. 1), sondern lediglich durch § 124a Abs. 1 SGB III der Begriff der Arbeitslosigkeit in letzterem Fall erweitert wird.
Spricht damit unabhängig von der Frage der analogen Anwendung des Rechtsgedanken des § 11 Abs. 1 MuSchG (vgl. dazu Hessisches LSG Urt. v. 20.08.2007 – L 9 AL 35/04) deutlich mehr für die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides, so kann dem Vollzugsinteresse der Antragsgegnerin nicht mit Hinweis auf zweifelhafte Ansprüche der Antragsstellerin gegen den zuständigen Träger der Grundsicherungsleistungen für Arbeitssuchende nach dem SGB II der Vorrang eingeräumt werden.
Die Beschwerde ist vielmehr mit der auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG beruhenden Kostenentscheidung zurückzuweisen.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Erstellt am: 23.07.2008
Zuletzt verändert am: 23.07.2008