I. Unter Aufhebung des Bescheides vom 20. November 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Dezember 2009 hat die Beklagte für die Zeit vom 3. September 2009 bis 28. Februar 2010 Arbeitslosengeld II und den Zuschuss zur Krankenversicherung entsprechend dem Ansatz im Bescheid vom 11. Januar 2010 vorläufig zu gewähren.
II. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
III. Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist ein Anspruch auf Arbeitslosengeld II für den Zeitraum 03.09.2009 bis 28.02.2010.
Die Kläger sind selbstständige Unternehmer in verschiedenen Bereichen. Der Kläger zu 1 (geboren 1961) betreibt seit 2000 mit einem Partner in der Form der Gesellschaft bürgerlichen Rechts die Firma C. (Auftragsvermittlung und Beratung von Baufirmen auf Erfolgshonorarbasis), daneben besteht ein Vertriebsvertrag mit der Firma M. (Lösungen für Elektrosmogbelastungen in Innenräumen) mit seltenen Ergebnissen. Aufgenommen ist ein Vertriebsvertrag mit der Firma C.S. (Photovoltaikanlagen) mit Vertragsanbahnungen aber bisher ohne Provisionszuflüsse.
Die Klägerin zu 2 bietet in angemieteten Räumen Dienstleistungen aus dem Bereich Wellness an, seit September 2009 ohne positive Ergebnisse; weiter werden Dienstleistungen aus dem Bürobereich angeboten, seit September 2009 mit Einnahmen um 300,00 EUR monatlich.
Die Kläger beantragten wegen der sehr ungünstigen Entwicklung ihrer selbstständigen Tätigkeit im Jahr 2009 am 03.09.2009 Arbeitslosengeld II.
Vor diesem Zeitpunkt und auch noch im Oktober und November 2009 hatte die Mutter der Klägerin zu 2 Überweisungen auf das Konto ihrer Tochter getätigt, die von der Beklagten als Einkommenszuflüsse erachtet wurden. Im August 2009 war eine auf den Namen der Klägerin zu 2 laufende Schiffsbeteiligung verkauft worden. Der Verkaufserlös war Anfang September 2009 vom Makler auf das Konto der Mutter der Klägerin zu 2 überwiesen worden. Dazu vorgelegt wurde eine Vereinbarung über Privatdarlehen zwischen Mutter und Tochter vom 21.02.2007, wonach wegen eines Darlehensbetrages von 30.500,00 EUR alle Rechte aus der Beteiligung an der "MS Columba" mit Nominalwert von 35.790,43 EUR an die Mutter verpfändet worden waren.
Beim Kläger zu 1 besteht noch in hälftiger Grundstücksgemeinschaft mit einem Partner hälftiges Eigentum an einer Eigentumswohnung in A … Der den Kläger zu 1 betreffende Anteil ist noch mit einem Darlehen von über 70.000,00 EUR belastet. Aus der Vermietung und Verpachtung des Objekts werden keine positiven Einkünfte bezogen.
Die Kläger bewohnen eine Dachgeschoßwohnung in A-Stadt, deren Kosten unter Abzug eines Büroanteils von 15 qm von der Beklagten als angemessen anerkannt sind (Gesamtbetrag 407,55 EUR). Der auf den Betrieb des Klägers zu 1 zu beziehende Anteil ist auf 100,23 EUR angesetzt.
Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 20.11.2009 eine Leistungsgewährung ab, weil der Bedarf durch anzurechnendes Einkommen (Zuwendungen der Mutter der Klägerin zu 2) und den Zuflüssen aus der selbstständigen Tätigkeit gedeckt sei. Dabei war beim Kläger zu 1 ein monatliches Einkommen aus Erwerbstätigkeit in Höhe von 145,52 EUR berücksichtigt, bei der Klägerin zu 2 ein monatliches Einkommen aus Erwerbstätigkeit in Höhe von 169,05 EUR.
Der Widerspruch vom 01.12.2009 wurde im Weiteren mit Widerspruchsbescheid vom 10.12.2009 zurückgewiesen. Hier wurde ergänzend darauf abgehoben, dass der Erlös aus dem Verkauf der Schiffsbeteiligung (Auszahlung Anfang September 2009) den Klägern zuzuordnen sei.
Dagegen legten die Kläger durch ihren Bevollmächtigten am 17.12.2009 Klage zum Sozialgericht Augsburg ein.
Im Erörterungs- und Beweistermin vom 29.12.2009 bezüglich Verfahren S 1 AS 1568/09 ER wurde der Sachverhalt mit den Klägern erörtert und die Mutter der Klägerin zu 2 als Zeugin einvernommen. Insoweit wird auf die Terminsniederschrift Bezug genommen, die zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung vom 02.02.2010 gemacht wurde.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 02.02.2010 beantragte der Bevollmächtigte der Kläger,
die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 20.11.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.12.2009 zu verurteilen, Arbeitslosengeld II nach Maßgabe des Bescheides vom 11.01.2010 für die Zeit vom 03.09.2009 bis 28.02.2010 zu bewilligen mit einer Änderung dahin gehend, dass als weiterer Zuschuss zur Krankenversicherung für die Kläger 97,46 EUR monatlich zu leisten sind.
Die Vertreterin der Beklagten beantragte im Termin die Klageabweisung.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den Inhalt der Leistungsakte der Beklagten sowie der Klageakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist im entschiedenen Umfang begründet.
Leistungen nach SGB II erhalten Personen, die – neben weiteren Voraussetzungen – hilfebedürftig sind (§ 7 Abs. 1 SGB II). Leistungen erhalten auch Personen, die mit erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in einer Bedarfsgemeinschaft leben. Zur Bedarfsgemeinschaft gehört der nicht dauernd getrennt lebende Ehegatte (§ 7 Abs. 2, 3 SGB II). Hilfebedürftig ist, wer seinen Lebensunterhalt und den Lebensunterhalt der mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Person nicht oder nicht ausreichend aus zu berücksichtigendem Einkommen oder Vermögen sichern kann (§ 9 Abs. 1 SGB II). Bei Personen, die in einer Bedarfsgemeinschaft leben, sind auch das Einkommen und Vermögen des Partners zu berücksichtigen (§ 9 Abs. 2 Satz 1 SGB II).
Als Einkommen zu berücksichtigen sind Einnahmen in Geld oder Geldeswert mit in § 11 bzw. der Alg-II-V geregelten Ausnahmen (§ 11 SGB II). Als Vermögen sind alle verwertbaren Vermögensgegenstände zu berücksichtigen (§ 12 Abs. 1 SGB II).
Bei dem berücksichtigungsfähigen Einkommen muss es sich um Einkünfte handeln, die den Hilfebedürftigen endgültig zur Verwertung zur Verfügung stehen. Ein Darlehen, das an den Darlehensgeber zurückzuzahlen ist, stellt jedoch nur eine vorübergehend zur Verfügung gestellte Leistung dar – die ungeachtet des Umstandes, dass sie in Form von tatsächlichen Zahlungen in die Hand des Darlehensnehmers gelangt – nicht Mittel des eigenen Vermögens wird, weil sie von vornherein mit der Pflicht zur Rückzahlung belastet ist (Urteil Bundessozialgericht vom 13.06.1985, 7 RAr 27/84 – zur Arbeitslosenhilfe; Urteil Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen vom 11.12.2008, L 7 AS 62/08 zu § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II).
Bei den Zahlungen von Frau E. handelte es sich glaubhaft nicht um Schenkungen sondern um darlehensweise Zahlungen in besonderen Bedarfs- und Notsituationen der Tochter. Diese können nicht als Einkommen berücksichtigt werden.
Ebenso glaubhaft war die Schiffsbeteiligung der Tochter bereits 2007 sicherheitshalber abgetreten und glaubhaft erfolgte der Verkauf wegen des anhaltenden Kursverfalls der Beteiligung. Der Verkaufserlös ist nie den Klägern zugeflossen, sondern entsprechend der Sicherung vorausgegangener Darlehen berechtigterweise an die Darlehensgeberin ausgezahlt worden.
Der Anteil des Klägers zu 1 an der Eigentumswohnung in A. mindert für den streitigen Zeitraum jedenfalls nicht die Hilfebedürftigkeit. Zum einen werden keine positiven Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erzielt. Zum anderen kann das Objekt nicht im Bewilligungszeitraum verwertet werden (Urteil BSG vom 27.01.2009 – B 14 AS 52/07 R). Ob eine Verwertung ein positives Ergebnis brächte, ist überdies glaubhaft fraglich.
Damit können als die Hilfebedürftigkeit mindernd nur die Erwerbseinkommen aus den diversen selbstständigen Tätigkeiten angesetzt werden. Es ist diesbezüglich nur eine Schätzung aus Anhaltspunkten möglich. Für die zu entscheidenden Monate liegen keine objektiven Fakten vor. Aus den unvollständigen Daten war für den Kläger zu 1 ein monatlicher Einkommenszufluss von etwa 200,00 EUR anzusetzen und für die Klägerin zu 2 ein solcher von 100,00 EUR. Bei dieser Schätzung konnte es nach den vorgelegten Unterlagen und Angaben zur weiteren Entwicklung der Einkommen im streitigen Zeitraum verbleiben.
Bei einem insoweit unstreitigen Gesamtbedarf von 1.053,55 EUR war somit unter Abzug eines Einkommens von 300,00 EUR monatlich eine Leistung in der entschiedenen Höhe vorläufig zuzuerkennen, wie es zutreffend im Bescheid vom 11.01.2010 umgesetzt wurde.
Nach Maßgabe von § 26 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3 SGB II besteht Anspruch auf Zuschuss zur Krankenversicherung bzw. Pflegeversicherung. Auch dieser Zuschuss zur Krankenversicherung wurde im Bescheid vom 11.01.2010 zutreffend angesetzt (bezüglich Pflegeversicherung wurde mit Teilanerkenntnis vom 02.02.2010 eine Regelung getroffen).
Für den beantragten höheren Zuschuss zur privaten Krankenversicherung der Kläger besteht keine gesetzliche Grundlage. Seit 01.01.2009 ist in § 12 des Gesetzes über die Beaufsichtigung der Versicherungsunternehmen (Versicherungsaufsichtsgesetz) eine substitutive Krankenversicherung geregelt. Es ist eine Versicherung zu einem Basistarif zu gewähren.
Entsteht allein durch die Zahlung des Beitrags Hilfebedürftigkeit im Sinn von SGB II, vermindert sich der Beitrag für die Dauer der Hilfebedürftigkeit um die Hälfte. Besteht auch bei einem nach diesem Satz verminderten Beitrag Hilfebedürftigkeit im Sinn von SGB II, beteiligt sich der zuständige Träger nach SGB II auf Antrag des Versicherten im erforderlichen Umfang, soweit dadurch Hilfebedürftigkeit vermieden wird. Besteht unabhängig von der Höhe des zu zahlenden Beitrags Hilfebedürftigkeit nach SGB II, gilt Satz 4 entsprechend; der zuständige Träger zahlt den Betrag, der auch für einen Bezieher von Arbeitslosengeld II in der gesetzlichen Krankenversicherung zu tragen ist (§ 12 Abs. 1c Satz 4 bis 6 Versicherungsaufsichtsgesetz). Die von den Klägern angestrebte volle Beitragsübernahme lässt sich nicht im Wege einer richterlichen Rechtsfortbildung realisieren. Denn diese setzte voraus, dass das Gesetz insoweit lückenhaft ist, es angesichts der erkennbaren Regelungsabsicht des Gesetzgebers "planwidrig" unvollständig ist, die Gerichte also nur das vom Gesetzgeber versehentlich unterbliebene Regelungsstück einfügen müssten (Urteil SG Berlin vom 27.11.2009, S 37 AS 31127/09). Gegenteilige Entscheidungen beruhen auf der Fehlinterpretation des Lückenbegriffes. Die gesetzgeberische Lücke wird mit einer sozialpolitischen Lücke verwechselt. Es besteht keinerlei richterliche Kompetenz zum Füllen sozialpolitischer Lücken nach jeweiliger angemaßter Beurteilungskompetenz; hierfür gibt es nur den Weg der Richtervorlagen nach Art. 100 Abs. 1 des Grundgesetzes. Aus Sicht der Kammer ist die Regelung nicht verfassungswidrig. Die verfassungsrechtlich gebotene Absicherung des Existenzminimums muss nicht die unbegrenzte Kostenübernahme von privaten Krankenversicherungen umfassen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Es war der weitgehende Erfolg der Klage zu berücksichtigen.
Erstellt am: 11.02.2010
Zuletzt verändert am: 11.02.2010