I. Die Beklagte wird unter Abänderung des Bescheides vom 16. Juni 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. Februar 2010 verurteilt, im Zeitraum 19. Mai 2009 bis 30. November 2009 für die private Pflegeversicherung einen Zuschuss von 35,83 Euro (für den Vollmonat) zu gewähren (statt 17,79 Euro).
II. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
III. Die Beklagte hat 1/10 der außergerichtlichen Kosten zu tragen.
IV. Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Höhe des von der Beklagten zu übernehmenden Anteils vom Beitrag zur privaten Krankenversicherung und Pflegeversicherung im Bewilligungszeitraum 19.05.2009 bis 30.11.2009.
Der Kläger, geboren 1945, ist als Selbstständiger (Marketingberatung u.a.) tätig. Er stellte nach Umzug und Verlagerung der Betriebsstätte nach K. am 19.05.2009 wegen Gewinneinbußen Antrag auf Arbeitslosengeld II.
Zum 01.02.2009 hatte sich der Kläger bei der INTER Krankenversicherung aG versichert (Krankenversicherung, Pflegeversicherung – Gesamtbetrag 510,60 EUR).
Am 25.05.2009 wurde von der AOK Bayern bestätigt, dass der Kläger mit Bezug von Arbeitslosengeld II nicht versicherungspflichtig in der gesetzlichen Krankenversicherung werde.
Zum 01.06.2009 änderte der Kläger seinen Tarif. Sein Beitrag zur Krankenversicherung beträgt nun 284,81 EUR (Höhe des halben Basistarifs). In der Pflegeversicherung fällt ein monatlicher Beitrag von 35,83 EUR an.
Mit Bescheid vom 16.06.2009 bewilligte die Beklagte Arbeitslosengeld für die Zeit vom 19.05.2009 bis 30.11.2009 in gesetzlicher Höhe. Für den Vollmonat wurde ein Zuschuss zur privaten Krankenversicherung in Höhe von 129,54 EUR bewilligt, für die private Pflegeversicherung ein Zuschuss von 17,79 EUR.
Dagegen legte der Kläger am 16.07.2009 Widerspruch ein. Zur Begründung machte der Kläger geltend, dass es nicht sein könne, dass die offene Differenz zwischen Beitragsschuld und Zuschuss aus dem Regelsatz zu finanzieren sei.
Der Widerspruch wurde im Weiteren mit Widerspruchsbescheid vom 03.02.2010 unter Bezug auf den Wortlaut der gesetzlichen Regelung zurückgewiesen.
Dagegen legte der Kläger am 23.02.2010 Klage zum Sozialgericht Augsburg ein unter Bezug auf seinem Anliegen stattgebende Rechtsprechung.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 18.05.2010 beantragte der Kläger, die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 16.06.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.02.2010 zu verurteilen, einen Zuschuss zur privaten Krankenversicherung und Pflegeversicherung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen zu gewähren.
Von der Beklagten wurde die Klageabweisung beantragt.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den Inhalt der Verwaltungsakte der Beklagten sowie der Klageakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist nur im entschiedenen Umfang begründet.
Für Bezieher von Arbeitslosengeld II, die in der gesetzlichen Krankenversicherung nicht versicherungspflichtig sind und die für den Fall der Krankheit bei einem privaten Krankenversicherungsunternehmen versichert sind, gilt § 12 Abs. 1c Satz 5 und 6 des Versicherungsaufsichtsgesetzes (- VAG -, § 26 Abs. 2 Nr. 1 SGB II).
Seit 01.01.2009 müssen private Krankenversicherungen einen Basistarif anbieten. Würde allein durch die Zahlung des Beitrags in Höhe des Basistarifs Hilfebedürftigkeit nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) eintreten, vermindert sich der Beitrag für die Dauer der Hilfebedürftigkeit um die Hälfte (§ 12 Abs. 1c Satz 4 VAG). Dies gilt entsprechend, wenn unabhängig von der Höhe des zu zahlenden Beitrags Hilfebedürftigkeit nach SGB II besteht. Dann zahlt der zuständige Träger den Betrag, der auch für einen Bezieher von Arbeitslosengeld II in der gesetzlichen Krankenversicherung zu tragen ist (§ 12 Abs. 1c Satz 6 VAG).
Mit dieser gesetzlichen Regelung entsteht eine Bedarfsunterdeckung, zu der zwischenzeitlich eine weite und völlig konträre Rechtsprechung besteht. Häufig wird eine vorläufige Verpflichtung zur vollständigen Beitragszahlung angenommen (LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 03.12.2009, L 15 AS 1048/09 B ER; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 18.01.2010, L 34 AS 2001/09 B ER).
Dem kann nicht gefolgt werden, da der Wortlaut der gesetzlichen Regelung eindeutig ist. Nach § 26 Abs. 2 Nr. 1 SGB II gilt § 12 Abs. 2c Satz 6 VAG. Es besteht keine "planwidrige Regelungslücke", die Voraussetzung für eine lückenfüllende Rechtsprechung wäre. Dem Gesetzgeber war die Bedarfsunterdeckung bekannt (Bundestagsdrucksache 16/13965, S. 25; vgl. insoweit auch LSG Niedersachsen-Bremen a.a.O.).
Das sog. Richterrecht kann nur einsetzen, wenn eine gesetzliche Regelung fehlt. Es greift nicht, wenn ein Richter mit dem Inhalt einer gesetzlichen Regelung nicht einverstanden ist, sie für sachwidrig oder ungerecht hält. Der Richter setzt dann seine Rechtsvorstellung an die Stelle des Gesetzes (Rüthers, Gesetzesbindung oder Methodenwahl ZRP 2/2008, S. 49).
Die gesetzliche Regelung ist unstreitig unbefriedigend. Eine Verfassungswidrigkeit und damit Vorlagepflicht zum Verfassungsgericht ist aber nicht anzunehmen, da die Versicherung zum halben Basistarif auch bei Beitragsrückständen gemäß § 193 Abs. 6 Satz 5 VVG wegen des Ruhensverbotes bestehen bleibt (Beschluss Bayer. Landessozialgericht vom 21.04.2010, L 7 AS 201/10 B ER).
Die Beklagte hat somit den Zuschuss zur privaten Krankenversicherung in zutreffender Höhe bewilligt.
Eine andere gesetzliche Regelung besteht aber für die private Pflegeversicherung. Für Bezieher von Arbeitslosengeld II, die in der Sozialpflegeversicherung nicht versicherungspflichtig sind, werden für die Dauer des Leistungsbezuges die Aufwendungen für eine angemessene private Pflegeversicherung im notwendigen Umfang übernommen (§ 26 Abs. 3 Satz 1 SGB II). Es besteht also Anspruch auf den Zuschuss für eine angemessene private Pflegeversicherung im notwendigen Umfang. Mit dieser vorrangigen gesetzlichen Regelung nach SGB II ist die Folgeregelung des § 110 Abs. 2 Satz 4 2. Halbsatz SGB XI nicht zu vereinbaren, wonach der zuständige Träger der Leistung nach SGB II den Beitrag zahlt, der auch für einen Bezieher von Arbeitslosengeld II in der sozialen Pflegeversicherung zu tragen ist. Mit dieser widersprüchlichen Regelung würde auch im Bereich der Pflegeversicherung eine Unterdeckung eintreten. Dies widerspricht dem Anspruch auf eine angemessene private Pflegeversicherung im notwendigen Umfang. Weiter ist nicht berücksichtigt, dass es sich bei der Pflegeversicherung um die "erste" allgemeine Versicherungspflicht handelt, die in einem Sozialgesetzbuch geregelt ist. Jeder ist versicherungspflichtig (§ 1 Abs. 2 Satz 2, 23 Abs. 1, § 20 Abs. 1 Satz 1 SGB XI). Hinzu kommt, dass zur Absicherung dieser uneingeschränkten Versicherungspflicht Ordnungswidrigkeitstatbestände geregelt sind (§ 121 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 6 SGB XI). Der Kläger hat diese Folge nachgewiesen.
Insgesamt besteht somit ein Anspruch auf einen Zuschuss in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen für die private Pflegeversicherung (35,83 EUR monatlich).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Es war der teilweise Erfolg der Klage zu berücksichtigen. Wegen der höchstrichterlich ungeklärten Rechtsfragen war die Berufung zuzulassen.
Erstellt am: 08.06.2010
Zuletzt verändert am: 08.06.2010