I. Die Klage gegen den Bescheid vom 16. Juni 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30. Juni 2005 wird abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger wendet sich dagegen, dass für den Bewilligungszeitraum ab 01.07.2005 von der Beklagten nicht mehr die tatsächlichen Kosten für Unterkunft und Heizung angesetzt werden, sondern nur noch die nach Beurteilung der Beklagten angemessenen.
Der Kläger, geb. 1944, bezog seit 1999 Arbeitslosenhilfe. Die Ehefrau des Klägers D. S., geb. 1939, bezieht seit 01.08.2004 von der LVA Schwaben eine Altersrente in Höhe von 99,18 EUR monatlich.
Das Ehepaar bewohnt eine Wohnung mit 4 Zimmern, Küche, Bad. Nach der Heizkostenabrechnung beträgt die Fläche 90 qm. Die Kaltmiete beläuft sich auf 469,00 EUR (Warmmiete 550,00 EUR).
Mit Schreiben vom 07.02.2005 wurde der Kläger darauf hingewiesen, dass die Kosten nicht angemessen im Sinn von § 22 des Sozialgesetzbuches Zweites Buch (SGB II) seien und ab 01.07.2005 nicht mehr übernommen würden, sondern nur noch die Kosten für eine angemessene Wohnung mit 60 qm Wohnfläche (angemessene Kaltmiete 300,00 EUR).
Am 02.06.2005 stellte der Kläger Antrag auf Fortzahlung von Arbeitslosengeld II ab 01.07.2005.
Mit Bescheid vom 16.06.2005 wurde für die Zeit vom 01.07. bis 30.11.2005 weiterbewilligt, dabei wurden die Leistungen für Unterkunft und Heizung mit 208,05 EUR monatlich angesetzt (Anteil des Klägers).
Dagegen legte der Kläger durch seinen Bevollmächtigten am 24.06.2005 Widerspruch ein. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass der Umzug unzumutbar sei wegen Alters und wegen verschiedener Investitionen in die Mietwohnung. Es handle sich nur um eine Überbrückungszeit bis zu der für 2007 zu erwartenden Altersrente des Klägers.
Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 30.06.2005 zurückgewiesen. Unter Einbeziehung der Mietobergrenze nach § 8 Wohngeldgesetz und des aktuellen Mietspiegels für Sonthofen, Immenstadt und Umgebung betrage die ortsübliche Vergleichsmiete für eine angemessene Wohnung (Gesamtkosten) 415,77 EUR. Der hälftige Anteil sei beim Kläger anzusetzen.
Dagegen legte der Kläger durch seinen Bevollmächtigten am 26.07.2005 Klage zum Sozialgericht Augsburg ein. Es wurde weiter geltend gemacht, dass die von der Beklagten als angemessen angesetzten Wohnungen auf dem Wohnungsmietmarkt nicht zu erreichen seien.
Der Bevollmächtigte des Klägers beantragte im Termin,
die Beklagte unter Abänderung des Bescheids vom 16.06.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30.06.2005 zu verurteilen, für die Zeit vom 01.07.2005 bis 30.11.2005 die Kosten für Unterkunft und Heizung weiter in Höhe von 300,11 EUR (statt 208,05 EUR) monatlich zu gewähren.
Die Vertreterin der Beklagten beantragte im Termin die Klageabweisung.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den Inhalt der Leistungsakte der Beklagten sowie der Klageakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist nicht begründet.
Leistungen für Unterkunft und Heizung werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind. Soweit die Aufwendungen für die Unterkunft den der Besonderheit des Einzelfalls angemessenen Umfang übersteigen, sind sie als Bedarf des alleinstehenden Hilfebedürftigen oder der Bedarfsgemeinschaft so lange zu berücksichtigen, wie es dem alleinstehenden Hilfsbedürftigen oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate (§ 22 Abs. 1 SGB II).
Mit der Regelung wird Bezug genommen auf die bisherigen Maßstäbe der Sozialhilfepraxis; die bezüglich der Angemessenheit und der Möglichkeit und Zumutbarkeit zur Kostensenkung zu beachtenden Voraussetzungen entsprechen den bisherigen sozialhilferechtlichen Regelungen (Bundestags-Drucksache 15/1516).
Insoweit ist also auf die bisherige Praxis und die Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte zurückzugreifen. Es ist aber nicht außer Acht zu lassen, dass durch die Neuregelung neue Zielsetzungen hinzugekommen sind, die bei der Interpretation einzubeziehen sind. Durch die Grundsicherung für Arbeitssuchende soll die Eigenverantwortung gestärkt werden. Das bisherige Konzept des Wohlfahrtsstaates ist wegen Ressourcenverknappung und wegen seiner bedingten Steuerungs- und Legitimationsfähigkeit an seine Grenzen gestoßen. Nachdem ein stetig zunehmender Teil der Ausgaben für den Sozialstaat über Kreditaufnahmen zu finanzieren ist, also zu Lasten der nachfolgenden Generation, hat der Gesetzgeber neue Konzepte umgesetzt, im SGB II das Konzept des aktivierenden Sozialstaates (vgl. Münder in LPK-SGB II, Einleitung RdNrn. 8, 9). Das Auffinden einer konkreten angemessenen Wohnung ist primär Eigenzuständigkeit des Leistungsempfängers, wobei es auch eigene Entscheidung ist, wo die Schwerpunkte für den Einsatz der zur Verfügung gestellten Gesamtmittel gesetzt wird.
Aus der Verpflichtung zur aktiven Mitwirkung an allen Maßnahmen zur Eingliederung in die Arbeit (§ 2 Abs. 1 Satz 2 SGB II) ergeben sich auch höhere Anforderungen an die örtliche Flexibilität. Zu berüksichtigen ist auch, dass die Neuregelung nur im Rahmen einer Massenverwaltung umzusetzen ist, da die Zahl der Betroffenen im Gegensatz zum bisherigen Bundessozialhilfegesetz (BSHG) erheblich angestiegen ist. Es sind vermehrt Gesichtspunkte der Prakitikabilität zu berücksichtigen. Insoweit ist es offensichtlich ein gesetzgeberisches Versehen, dass die Pauschalierungsmöglichkeit nur in § 29 Abs. 3 Satz 2 des Sozialgesetzbuches Zwölftes Buch (SGB XII) geregelt ist.
Die einzelnen Parameter für die Bestimmung der Angemessenheit können typisierend festgelegt werden. Preisbildende Faktoren für die Unterkunft sind vor allem Größe, Lage und Ausstattung. Hinsichtlich der Größe kann auf die Verwaltungsvorschriften des Wohnungsbindungsgesetzes über die Angemessenheit von Wohnungsgrößen im sozialen Wohnungsbau zurückgegriffen werden (BVerwGE 97, 110, 112). Für Bayern sind somit die Quadratmeterzahlen in der Bekanntmachung des Bayer. Staatsministeriums des Inneren zum Wohnungsbindungsgesetz vom 14. August 1992 (AllMBl S. 772) anzusetzen: Als angemessen ist höchstens die folgende Wohnungsgröße anzusehen: Für zwei Familienmitglieder 60 qm oder zwei Wohnräume (5.7.1. der IMBek). Diese Werte sind nur die Obergrenze. Im Einzelfall kann angezeigt sein, davon nach unten abzuweichen.
Hinsichtlich der Lage und Ausstattung sind Wohnungen maßgeblich, die im unteren Bereich der marktüblichen Wohnungsmieten liegen. Es können auch einfache Wohnungen, etwa mit Ofenheizung bedarfsdeckend sein (zur gleichgelagerten Regelung § 29 SGB XII, Gruber in Kommentar SGB XII § 29 RdNr. 24).
Für die Frage, ob die Kosten der Unterkunft (abstrakt) angemessen sind, kommt es allein auf das Produkt von angemessener Wohnfläche und angemessenem Quadratmeterpreis an. Die Vergrößerung eines der beiden Faktoren ist undschädlich, wenn sich der andere Faktor entsprechend so verkleinert, dass das Produkt dasselbe bleibt (Bay. VGH, Beschluss vom 29.04.1999, Az.: 12 CE 98.2658).
Die Besonderheiten des Wohnungsmarktes und die Unschärfe des ihn beherrschenden Preisbildungsmechanismus sowie der einzelnen Preisbildungsfaktoren bedingen Mietpreise, die sich in gewissen Spannbreiten bewegen, sodass das so ermittelte Maß des sozialhilferechtlich Angemessenen sich nur als gleichsam abstrakte Spannbreite bestimmen lässt (BVerwGE 97, 110, 113). Nach den ersten Erfahrungen ist der Wohnungsmarkt auch nach unten flexibel. Manche Vermieter sind bereit bei langjährigen zuverlässigen Mietern den Mietprteis auf das Angemessene abzusenken.
Für die konkret angemessenen Aufwendungen ist noch zu beachten, dass Wohnungen mit dem vom Leistungsträger als angemessen angesetzten Quadratmeterpreis auf dem Markt vorhanden sein müssen. Der Leistungsträger muss nicht eine Wohnungsnachweisung für den Einzelfall erbringen, sondern die nachvollziehbar gewonnenen regionalen Erfahrungswerte darlegen. Der Leistungsempfänger könnte das nur durch die substantiierte Darlegung widerlegen, dass eine derartige Unterkünftealternative nicht vorhanden ist (BVerwGE 101, 134, 138).
Die Beklagte hat aus dem aktuellen Mietspiegel dargelegt, dass auf dem Wohnungsmarkt Wohnungen vorhanden sind, die den Vorgaben zur Angemessenheit entsprechen. Der Kläger kann sich nicht nur auf den bisherigen Wohnsitz beschränken. Der Kläger hat demgegenüber nachhaltige Eigenbemühungen nicht dargelegt und nachgewiesen. Die Ehefrau des Klägers ist nach § 7 Abs. 4 von Leistungen nach SGB II ausgeschlossen, ist aber der Bedarfsgemeinschaft zuzurechnen (§ 7 Abs. 3 Nr. 3 a SGB II). Damit sind die Kosten für Unterkunft und Heizung beim Kläger zur Hälfte zu berücksichtigen. Es liegt auch kein vom Regelfall im Sinn von § 22 Abs. 1 SGB II wesentlich abweichender Sachverhalt vor. Es kann nicht jede mit einem Umzug verbundene Belastung berücksichtigt werden, sondern es muss sich um vom Durchschnitt abweichende besondere Belastungssituationen handeln wie Gebrechlichkeit bei hohem Alter, aktuelle schwere Erkrankung, Notwendigkeit einer behindertengerechten Wohnung und dergleichen. Eine Abweichung vom Regelfall liegt etwa auch vor, wenn in Kürze z. B. wegen Arbeitsaufnahme an einem anderen Ort sowieso die Wohnung gewechselt werden muss (Eicher/Spellbrink Kommentar SGB II § 22 RdNr 55). Der klägerseits angeführte Zeitraum bis zu einer möglichen Altersrente 2007 ist nicht mehr in diesem Sinne kurzzeitig.
Damit war die Klage mit der sich aus § 193 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) ergebenden Kostenfolge abzuweisen. Im Hinblick auf die vielen obergerichtlich noch nicht geklärten Rechtsfragen der Neuregelung war die Berufung zuzulassen.
Erstellt am: 30.05.2006
Zuletzt verändert am: 30.05.2006