I. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheids vom 6. April 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24. August 2005 und unter Aufhebung des Bescheids vom 27. Oktober 2005 (bezüglich Rücknahme) verurteilt, es bei der Leistungsbewilligung für C. A. für die Zeit vom 1. Januar 2005 bis 31. März 2005 zu belassen.
II. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
III. Die Beklagte hat dem Kläger 3/5 der außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Tatbestand:
Geltend gemacht ist die Rücknahme bzw. Einstellung der Leistungsbewilligung betreffend den Sohn C. (geboren 1990) für den Zeitraum 01.01.2005 bis 31.05.2005. Der Kläger hat die deutsche Staatsangehörigkeit, ebenso der Sohn C … Die Ehefrau hat die türkische Staatsangehörigkeit beibehalten.
Der Kläger hatte zum 01.01.2005 für sich, die Ehefrau und seine Kinder Antrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts gestellt. Bezüglich des Sohns C. wurde im Antragsformular angegeben, dass sich der Sohn zur Ausbildung an der Volksschule der S.-Universität befinde.
Die Beklagte bewilligte die gesetzlichen Leistungen mit Bescheid vom 16.12.2004 für den Kläger, die Ehefrau und alle Kinder. Beim Folgeantrag wurde der Beklagten bekannt, dass der Sohn schon seit Herbst 2003 die Schule in der Türkei besucht und nur in den Ferien bei den Eltern in Deutschland ist.
Mit Bescheid vom 06.04.2005 wurde die Leistungsbewilligung für den Sohn C. ab 01.01.2005 zurückgenommen, die Weiterbewilligung ab dem 01.04.2005 abgelehnt.
Dagegen legte der Kläger am 26.04.2005 Widerspruch ein. Der Sohn habe seinen gewöhnlichen Aufenthalt in A., werde im Juni 2006 nach Deutschland kommen und dann die Schule in Deutschland besuchen.
Im Weiteren wurde der Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 24.08.2005 zurückgewiesen. Der Sohn gehöre nicht zur Haushaltsgemeinschaft.
Dagegen legte der Kläger durch seine Bevollmächtigte am 20.09.2005 Klage zum Sozialgericht Augsburg ein.
Im Weiteren kam der Sohn C. im Juni 2005 wieder nach A. und besuchte die Volksschule in A.-O … Daraufhin wurden von der Beklagten mit Bescheid vom 27.10.2005 für C. wieder Leistungen bewilligt. Zwischenzeitlich ist der Sohn seit 20.12.2005 wieder an die Schule in der Türkei zurückgegangen.
Mit einem weiteren Bescheid vom 27.10.2005 wurde die Leistungsbewilligung – diesmal ausdrücklich auf § 45 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) gestützt – für die Zeit vom 01.01.2005 bis 31.03.2005 zurückgenommen und die entsprechende Erstattung geltend gemacht.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 17.01.2006 beantragte die Bevollmächtigte des Klägers,
die Beklagte unter (anteiliger) Aufhebung des Bescheids vom 06.04.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24.08.2005 und unter (anteiliger) Aufhebung des Bescheids vom 27.10.2005 (Rücknahme) zu verurteilen, für die Zeit vom 01.01.2005 bis 30.05.2005 die gesetzlichen Leistungen nach SGB II für den Sohn C. zu belassen bzw. zu gewähren.
Die Vertreterin der Beklagten beantragte im Termin
die Klageabweisung.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den Inhalt der Verwaltungsakte der Beklagten sowie der Klageakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist im entschiedenen Umfang begründet.
Für die Zeit vom 01.01.2005 bis 31.01.2005 lagen die Voraussetzungen für eine Rücknahme nach § 45 SGB X nicht vor.
Leistungsberechtigte für Leistungen nach SGB II sind Personen, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB II). Nicht erwerbsfähige Angehörige, die mit erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in Bedarfsgemeinschaft leben, erhalten Sozialgeld (§ 28 Abs. 1 Satz 1 SGB II). Zur Bedarfsgemeinschaft gehören die dem Haushalt angehörenden minderjährigen unverheirateten Kinder des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen (§ 7 Abs. 3 Nr. 4 SGB II). § 7 Abs. 3 Nr. 4 SGB II wurde durch das Kommunale Optionsgesetz vom 30.07.2004 (BGBl I, 2014) nochmals neu gefasst. Der Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit hat in seinem Abschlussbericht vom 28.04.2004 den Regelungsgehalt des neugefassten Absatz 3 Nr. 4 umschrieben (BT-Drucks. 15/2997, S. 24): Die Änderung enthält abschließend all diejenigen Fallkonstellationen, in denen minderjährige Kinder zur Bedarfsgemeinschaft gehören. Dies sind die dem Haushalt angehörenden minderjährigen unverheirateten Kinder des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen …
Das bedeutet, dass es sich um die unverheirateten im Haushalt lebenden Kinder handeln muss (vgl. Spellbrink in Eicher/Spellbrink, Kommentar SGB II § 7 RdNr. 30).
Bei einer auf Dauer angelegten Schulausbildung im Ausland ist diese Haushaltsaufnahme nur für die Zeiten der tatsächlichen Anwesenheit im Haushalt (z. B. in den Schulferien) zu bejahen. Dem Haushalt gehören die Kinder an, wenn sie sich in einem auf Dauer angelegten Erziehungs- und Betreuungsverhältnis familienhafter Art mit dem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen befinden. Die Wohnung, in der sich der Haushalt befindet, muss der Mittelpunkt der Rechtsbeziehungen des Kindes sein. Nur eine vorübergehende räumliche Trennung schließt die Einbeziehung in den Haushalt nicht aus (Löschau-Marschner, Zusammenlegung von Arbeitslosen und Sozialhilfe – Praxishandbuch, RdNr. 180). Der Sohn C. ist demgegenüber während der langen Abwesenheitszeiten im Ausland bei Verwandten untergebracht. Ein Erziehungs- und Betreuungsverhältnis familienhafter Art im Haushalt des Klägers besteht in diesen Zeiten nicht.
Es kann deswegen offen bleiben, ob die weitere Voraussetzung des gewöhnlichen Aufenthalts in der Bundesrepublik Deutschland erfüllt ist. Dies wird wohl im Anschluss an die Rechtsprechung zum gleichgelagerten Begriff im Kindergeldrecht eher zu bejahen sein (vgl. Felix, Kommentar Kindergeldrecht, § 63 Einkommensteuergesetz, RdNr. 165).
Ein weitergehender Anspruch ergibt sich auch nicht aus dem Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Türkei über soziale Sicherheit (BGBl. II 1965, S. 1170). In Art. 33 des Abkommens ist nur die Behandlung des Kindergelds für Arbeitnehmer geregelt. Die neuen Leistungen nach SGB II sind in das Abkommen nicht einbezogen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes. Es war der anteilige Erfolg der Klage zu berücksichtigen.
–
Erstellt am: 25.01.2006
Zuletzt verändert am: 25.01.2006