I. Die Klage gegen den Bescheid vom 4. März 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. September 2005 wird abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist, ob die Verwertung einer Lebensversicherung auf der Basis eines Fondsparplans eine unzumutbare Härte wäre.
Der Kläger, geb. 1983, hatte bis 01.06.2003 Arbeitslosengeld bezogen. Nach einer Umschulung zum Bürokaufmann durch die Agentur für Arbeit bis 31.01.2005 beantragte der Kläger zum 25.02.2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II).
Der Kläger wohnte bei Antragstellung im Haus der Eltern. Es bestanden folgende Vermögenspositionen:
Guthaben in Höhe von 5.151,38 EUR auf einem Bausparkonto bei der Deutschen Bausparkasse B. Lebensversicherung mit Berufsunfähigkeitszusatzversicherung bei der Z. Lebensversicherung AG mit einem Rückkaufwert von 230,35 EUR. Der Kläger hatte in diese Versicherung 2.336,76 EUR einbezahlt.
Lebensversicherung auf der Basis eines Fondsparplans bei M. M. (Versicherungsbeginn 01.07.1999 Laufzeit 20 Jahre). In diese Versicherung hat der Kläger 11.810,70 EUR einbezahlt. Der Rückkaufwert betrug bei Antragstellung 8.365,05 EUR.
Mit Bescheid vom 04.03.2005 lehnte die Beklagte die Gewährung von Leistungen wegen fehlender Hilfebedürftigkeit ab.
Dagegen legte der Kläger am 29.03.2005 Widerspruch ein mit der Begründung, dass ein Härtefall anzuerkennen sei. Bei Auflösung der beiden Lebensversicherungen entstehe ihm ein Gesamtschaden von 5.632,33 EUR. Im Weiteren wurde der Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 14.09.2005 zurückgewiesen.
Dagegen legte der Kläger am 12.10.2005 Klage zum Sozialgericht Augsburg ein.
Zwischenzeitlich wurde die Lebensversicherung bei der Z. Lebensversicherung abgewickelt (Auszahlbetrag 214,28 EUR). Zum 06.11.2005 wurde auch die Bausparsumme frei.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 24.01.2006 beantragte der Kläger,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 04.03.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.09.2005 zu verurteilen, Arbeitslosengeld II in gesetzlicher Höhe unter Außerachtlassung des Vermögens zu gewähren.
Der Vertreter der Beklagten beantragte im Termin die Klageabweisung.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den Inhalt der Verwaltungsakte der Beklagten sowie der Klageakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist nicht begründet. Der Anspruch auf Arbeitslosengeld II setzt Hilfebedürftigkeit voraus (§ 19 SGB II). Hilfebedürftig ist, wer seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Mitteln, vor allem nicht aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann (§ 9 Abs. 1 SGB II). Als Vermögen sind alle verwertbaren Vermögensgegenstände zu berücksichtigen (§ 12 Abs. 1 SGB II). Vom Vermögen sind abzusetzen ein Grundfreibetrag in Höhe von 200,00 EUR je vollendetem Lebensjahr des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen und ein weiterer Freibetrag für notwendige Anschaffungen in Höhe von 750,00 EUR (§ 12 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 4 SGB II). Beim Kläger betrug dieser Freibetrag bei Antragstellung 4.950,00 EUR.
Vom Vermögen sind weiter abzusetzen geldwerte Ansprüche, die der Altersvorsorge dienen, soweit der Inhaber sie vor dem Eintritt in den Ruhestand aufgrund einer vertraglichen Vereinbarung nicht verwerten kann und der Wert der geldwerten Ansprüche 200,00 EUR je vollendetem Lebensjahr nicht übersteigt (§ 12 Abs. 2 Nr. 3 SGB II). Bei der Lebensversicherung M. M. handelt es sich nicht um eine solche "geschützte" Lebensversicherung, da der Vertrag zum 30.06.2019 fällig wird. Es handelt sich auch nicht um eine Altersvorsorge im Sinn von § 12 Abs. 2 Nr. 2 SGB II (sog. Riester-Rente).
Nach § 12 Abs. 3 Nr. 6 SGB II sind weiter als Vermögen nicht zu berücksichtigen Sachen und Rechte, soweit ihre Verwertung offensichtlich unwirtschaftlich ist oder für den Betroffenen eine besondere Härte bedeuten würde. Auf diese Regelung bezieht sich der Kläger.
Von der Ausnahmevorschrift des § 12 Abs. 3 Nr. 6 SGB II werden nur atypische (ungewöhnliche) Fälle erfasst, bei denen aufgrund einer Gesamtbetrachtung besondere Umstände des Einzelfalls eine typische Vermögenslage deswegen zu einer besonderen Situation werden lassen, weil die soziale Stellung des Hilfesuchenden nachhaltig beeinträchtigt ist. Aspekte, die bereits in § 12 Abs. 2 Nr. 2 und Nr. 3 SGB II geregelt und berücksichtigt sind, können im Regelfall keine besondere Härte im Sinn von § 12 Abs. 3 Nr. 6 SGB II begründen (Urteil Bayerisches Landessozialgericht – BayLSG – vom 02.12.2005 L 7 AS 51/05).
Zu einer gleichgelagerten Regelung der früheren Arbeitslosenhilfe-Verordnung hatte das Bundessozialgericht (BSG) ausgeführt, dass der Verbrauch eigenen Vermögens nicht zu einer nachhaltigen sozialen Herabstufung führen soll, zur wesentlichen Beeinträchtigung der vorhandenen Lebensgrundlagen bzw. einem wirtschaftlichen Ausverkauf. Es könne nicht die Verschleuderung von Vermögenswerten abverlangt werden (Urteil BSG vom 25.04.2004 B 11 AL 69/01 R). Zu Lebensversicherungen hatte das BSG entschieden, dass Unwirtschaftlichkeit dann vorliege, wenn der Zugang zum Verkauf der Lebensversicherungen die eingezahlten Beiträge in einem nennenswerten Umfang entwerten würde (Urteil BSG vom 27.01.2005 B 7a/7 AL 34/04 R).
Der Gesetzgeber hat nun die Regelungen zu den Freibeträgen ins Gesetz übernommen (vorher Verordnung). Die systematisch in Absatz 3 des § 12 SGB II aufgenommene Regelung kann nun nur so interpretiert werden, dass die Regelung zu den Freibeträgen in § 12 Abs. 2 SGB II nicht ausgehebelt wird.
Der Kläger verliert bei der M. M. Versicherung 3.445,65 EUR gegenüber seinem Einzahlungsbetrag. Das sind 29,17 %. Dabei ist zu berücksichtigen, dass ein Teil des "Verlustes" eine "Leistung" der Lebensversicherung abgilt, die seit 1999 eine Risikoabdeckung übernommen hatte. Deswegen ist auch der "Verlust" bei der Z. Lebensversicherung nicht einzubeziehen, weil naturgemäß bei einer Berufsunfähigkeitsversicherung in jungen Jahren der gesamte Einzahlungsbetrag in die Risikoabdeckung fließt. Bei einer Berufsunfähigkeit in jungen Jahren müsste die Versicherung lebenslang Leistungen gewähren.
Beim Kläger ist außerdem anzusetzen, dass die Möglichkeiten einer Alterssicherung noch vielfältig und für viele Jahre bestehen. Unter Berücksichtigung der Gesamtumstände des Einzelfalls konnte somit eine besondere Härte im Sinn von § 12 Abs. 3 Nr. 6 SGB II nicht bejaht werden. Es handelt sich sicher um eine unbefriedigende Lösung für diejenigen, die in der Jugend sparsam und vorausschauend gehandelt haben. Gegenüber einer gesetzlichen Regelung fehlt den Gerichten aber die Kompetenz, Sozialgestaltung zu betreiben (Urteil BSG vom 27.05.2003 B 7 AL 104/02 R).
Damit war die Klage mit der sich aus § 193 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) ergebenden Kostenfolge abzuweisen.
Erstellt am: 05.06.2007
Zuletzt verändert am: 05.06.2007