I. Die Klage gegen den Bescheid vom 19. April 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Mai 2007 wird abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Klägerin, geboren 1966, wendet sich gegen die Geltendmachung eines Ersatzanspruchs nach § 34 Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II).
Die Klägerin hatte sich am 16.11.2006 bei der Agentur für Arbeit Augsburg arbeitslos gemeldet. Es war ein seit 1999 bestehendes Arbeitsverhältnis bei der Firma L. Lebensmittelmärkte am 14.11.2006 fristlos vom Arbeitgeber gekündigt worden. In der Arbeitsbescheinigung war Diebstahl als Kündigungsgrund angegeben. Die Agentur für Arbeit stellte daraufhin mit Bescheid vom 18.01.2007 eine Sperrzeit vom 15.11.2006 bis 06.02.2007 fest.
Vom 01.12.2006 bis 29.12.2006 bestand ein neues Arbeitsverhältnis, das vom Arbeitgeber mit Schreiben vom 15.12.2006 in der Probezeit gekündigt worden war. Auf die neuerliche Arbeitslosmeldung der Klägerin vom 21.12.2006 wurde von der Agentur für Arbeit mit Bescheid vom 13.02.2007 eine weitere Sperrzeit nach § 44 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 Sozialgesetzbuch Drittes Buch – SGB III – (eine Woche) festgestellt und die vorgehend entschiedene Sperrzeit auf den 13.02.2007 verlängert. Beide Sperrzeitbescheide sind bestandskräftig.
Zum 04.01.2007 beantragte die Klägerin daraufhin Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach SGB II von der Beklagten. Die Klägerin bewohnte im Antragszeitpunkt zusammen mit der schwangeren, verheirateten Tochter, geboren 1988, eine 2-Zimmer-Wohnung (60,75 qm, 556,22 EUR "Warmmiete" incl. Tiefgarage – 25,56 EUR -). Nach Angaben der Klägerseite ist die Tochter im Mai 2007 ausgezogen.
Die Beklagte bewilligte mit Bescheiden vom 30.01.2007 und 19.02.2007 für die Zeit vom 04.01. bis 28.02.2007 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts.
Von der Agentur für Arbeit erhält die Klägerin seit 14.02.2007 Arbeitslosengeld "I" in Höhe von 783,00 EUR monatlich. Darüber hinaus erhält die Klägerin 27,00 EUR monatlich Wohngeld.
Mit Bescheid vom 19.02.2007 machte die Beklagte eine auf § 34 SGB II gestützte Erstattung in Höhe von 1.073,00 EUR geltend.
Dagegen legte die Klägerin am 27.02.2007 durch ihren Bevollmächtigten Widerspruch ein. Im Widerspruchsverfahren wurde eine Teilabhilfe dahingehend entschieden, dass die Erstattung nur Leistungen in rechtmäßiger Höhe betreffen könne, nicht die Überzahlung der Leistungen für Unterkunft/Heizung aus (rechtswidrigen, aber nicht korrigierbaren) Bewilligungen unter Nichtberücksichtigung der in der Wohnung mitlebenden volljährigen Tochter.
Mit neuem Erstattungsbescheid vom 19.04.2007 wurde die Erstattung auf 711,99 EUR abgesenkt. Dieser Bescheid wurde Gegenstand des anhängigen Widerspruchsverfahrens.
Der Widerspruch wurde mit Bescheid vom 11.05.2007 zurückgewiesen.
Vom 14.05.2007 bis 18.09.2007 nimmt die Klägerin (Kostenträger Agentur für Arbeit Augsburg) an einer Trainingsmaßnahme Verkauf teil.
Am 13.06.2007 erhob die Klägerin durch ihren Bevollmächtigten Klage zum Sozialgericht Augsburg. Die geltend gemachte Erstattung sei rechtswidrig, weil § 34 Abs. 1 Satz 2 SGB II nicht berücksichtigt sei. Zumindest für sechs Monate seit Auszug der Tochter seien die tatsächlichen Wohnungskosten zu berücksichtigen. Der Gesamtbedarf der Klägerin betrüge somit 849,22 EUR. Die Geltendmachung der Ersatzansprüche würde dazu führen, dass die Klägerin wieder auf Leistungen nach SGB II angewiesen wäre.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 01.08.2007 beantragte der Bevollmächtigte der Klägerin
die Aufhebung des Bescheides vom 19.04.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.05.2007.
Die Vertreterin der Beklagten beantragte im Termin die Klageabweisung.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten sowie der Klageakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist nicht begründet.
Wer nach Vollendung des 18. Lebensjahres grob fahrlässig die Voraussetzungen für seine Hilfebedürftigkeit ohne wichtigen Grund herbeigeführt hat, ist zum Ersatz der deswegen gezahlten Leistungen verpflichtet. Von der Geltendmachung des Ersatzanspruches ist abzusehen, soweit sie den Ersatzpflichtigen künftig von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach SGB II oder SGB XII abhängig machen würde (§ 34 Abs. 1 SGB II).
Die Regelung knüpft an den früheren § 92 a Bundessozialhilfegesetz (BSHG) an. Zugrunde liegt der Begriff des "sozialwidrigen Verhaltens". Darunter ist ein Tun zu verstehen, das aus der Sicht der Gemeinschaft, die als Solidargemeinschaft die Mittel für die Sozialleistung aufbringen muss, zu missbilligen ist (zu BSHG-Urteil Bundesverwaltungsgericht vom 14.01.1982, NDV 82, 283). Zwischen dem sozialwidrigen Verhalten und der Gewährung der Leistung muss ein ursächlicher Zusammenhang bestehen. Weiter müssen die Voraussetzungen für die Gewährung der Leistung zur Sicherung des Lebensunterhalts grob fahrlässig herbeigeführt worden sein. Subjektiv genügt, wenn sich die grobe Fahrlässigkeit auf die Umstände erstreckt, die die Voraussetzungen der Gewährung der Sozialleistungen sind. Nicht erforderlich ist, dass der schuldhaft Handelnde die Folgen seines Verhaltens – die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts – vorhersieht. Dem Handelnden muss zuzumuten gewesen sein, von seinem Verhalten Abstand zu nehmen (vgl. Wolf in Fichtner/Wenzel, Kommentar zur Grundsicherung, 3. Auflage, § 34 SGB II RdNr. 7 ff).
Die Klägerin hat die beiden Sperrzeiten verursacht und zu verantworten, die mit Bescheiden vom 18.01.2007 und 13.02.2007 durch die Agentur für Arbeit festgestellt worden sind. Beide Bescheide sind bestandskräftig. Wenn ohne Rechtsnachteile aus Sperrzeiten nach SGB III in Leistungen nach SGB II ausgewichen werden könnte, würden die Sperrzeitregelungen nach SGB III für durch die Sperrzeitentscheidung Hilfebedürftige leer laufen. Es würde somit unberechtigt eine Einstandspflicht der Gemeinschaft unter Leerlaufen der Regelung des § 144 SGB III eintreten. Die Erfüllung der Sperrzeiten erfordert einen subjektiven Tatbestand. Bei vorbestehender Vermögenslosigkeit muss klar sein, dass Leistungen nach SGB II in Betracht kommen, wenn die Leistungen nach SGB III ausfallen. Mit der Erfüllung von Sperrzeittatbeständen wird somit die Voraussetzung der Hilfebedürftigkeit ohne wichtigen Grund grob fahrlässig herbeigeführt.
Es war auch nicht gemäß § 34 Abs. 1 Satz 2 SGB II von der Geltendmachung des Ersatzanspruches abzusehen. Bei der Klägerin ist nicht zu erkennen, dass die Feststellung des Ersatzanspruches in Höhe von 711,99 EUR sie künftig von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach SGB II abhängig machen würde. Die Klägerin ist erst knapp über 40 Jahre alt. Sie hat langjährige Berufserfahrung im Verkauf. Diese Berufserfahrung wird durch die derzeit laufende Trainingsmaßnahme Verkauf aktualisiert. Es bestehen somit gute Aussichten, dass die Klägerin vor Ablauf des Arbeitslosengeld-"I"-Bezugs wieder in das Berufsleben eingegliedert werden kann, jedenfalls aber bei der derzeitigen günstigen Wirtschaftslage in absehbarer Zeit. Durch die Erstattungsregelung soll dem sozialwidrig Handelnden in angemessenem Umfang die finanzielle Auswirkung seines Tuns vor Augen geführt werden. Von der Feststellung der Erstattungspflicht unabhängig ist dann die Frage, ob und in welcher Höhe die Realisierung der festgestellten Ersatzforderung möglich ist (vgl. zur entsprechenden Regelung des § 92 a BSHG, Urteil OVG Nordrhein-Westfalen vom 22.05.2000, 16 a 5805/96). Ein theoretischer, minimaler Aufstockungsanspruch nach SGB II erfüllt nicht die Voraussetzungen nach § 34 Abs. 1 Satz 2 SGB II. Selbst bei Annahme, dass die aktuell bewohnte Wohnung noch als angemessen im Sinn von § 22 SGB II anzusetzen wäre, ergäbe sich nur ein Bedarf von 823,66 EUR, weil die Kosten des Tiefgaragenstellplatzes in Höhe von 25,56 EUR nicht Kosten der Unterkunft im Sinn von § 22 SGB II sein können. Die (zweifelhafte) Frage der Angemessenheit wäre zudem erst vom zuständigen Leistungsträger anzuerkennen. Es ergäbe sich insgesamt allenfalls kurzzeitig eine minimale für § 34 Abs. 1 Satz 2 SGB II nicht beachtliche Bedarfslücke.
Damit war die Klage mit der sich aus § 193 des Sozialgerichtsgesetzes ergebenden Kostenfolge abzuweisen.
Erstellt am: 29.08.2007
Zuletzt verändert am: 29.08.2007