I. Die Klage gegen den Bescheid vom 11. Mai 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Juli 2007 wird abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist die Rücknahme von Bewilligungsbescheiden, weil die Leistung für Unterkunft/Heizung unzutreffend zu nieder angesetzt gewesen sei.
Der Kläger, geboren 1953, hatte mehrere Jahre Arbeitslosenhilfe bezogen und daneben für die seit Juni 2000 angemietete Wohnung in A. (An der B., 53,97 qm Wohnfläche, 3 Zimmer, Küche, Bad) Wohngeld (zuletzt 96,00 EUR monatlich) erhalten. Seit 01.01.2005 bezieht der Kläger Arbeitslosen- geld II (Alg II). Anfangs hatte die Beklagte die Kosten der Unterkunft/Heizung in tatsächlicher Höhe (404,87 EUR) bewilligt.
Nach mehrfachem Hinweis auf die Unangemessenheit der Wohnung im Sinn von § 22 Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) wurden erstmals mit Bescheid vom 23.03.2006 für die Zeit vom 01.04.2006 bis 30.09.2006 nur noch die für den Zuständigkeitsbereich der Beklagten festgelegten Leistungen für einen 1-Personen-Haushalt in Höhe von 335,64 EUR monatlich bewilligt (Unterkunft und Heizung). Die Weiterbewilligung in gleicher Höhe erfolgte mit Bescheid vom 28.08.2006 für die Zeit vom 01.10.2006 bis 31.03.2007, mit Bescheid vom 12.03.2007 für den Zeitraum 01.04.2007 bis 30.09.2007. Alle Bescheide wurden bestandskräftig.
Am 09.05.2007 beantragte der Kläger die Rücknahme der Bewilligungsbescheide nach § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X), weil die Leistungen für Unterkunft/Heizung seit 01.04.2006 zu nieder festgelegt worden seien.
Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 11.05.2007 die Rücknahme ab.
Der Widerspruch vom 13.06.2007 wurde im Weiteren mit Widerspruchsbescheid vom 09.07.2007 zurückgewiesen.
Dagegen legte der Kläger am 13.08.2007 Klage zum Sozialgericht Augsburg ein unter Aufschlüsselung der aus seiner Sicht nachzuzahlenden Beträge für Unterkunft/Heizung. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die Angemessenheitsbestimmung durch die Beklagte nicht den Vorgaben der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) entspreche. Die Berechnung beruhe auf unzutreffenden Grundlagen. Zu den von der Beklagten angesetzten Werten bestünden in A. keine realen Unterkunftsalternativen. Bei der Pauschalierung der Heizkosten seien die zwischenzeitlichen Preissteigerungen nicht berücksichtigt.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 14.11.2007 beantragte der Kläger,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 11.05.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.07.2007 zur Rücknahme der Bescheide vom 23.03.2006, 28.08.2006 und 12.03.2007 insoweit zu verurteilen, als 1.641,41 EUR für Unterkunft und 421,92 EUR für Heizung nachzubewilligen sind.
Die Vertreterin der Beklagten beantragte im Termin
die Klageabweisung.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den Inhalt der Leistungsakte der Beklagten sowie der Klageakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist nicht begründet.
Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Dies gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Betroffene vorsätzlich in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat (§ 44 Abs. 1 SGB X). Für das Verfahren nach dem SGB II gilt das SGB X (§ 40 Abs. 1 Satz 1 SGB II, § 1 Satz 1 SGB X). Nach anfänglichen Zweifeln im Hinblick auf die gegenteilige Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) zum Bundessozialhilfegesetz (BSHG) ist die Anwendbarkeit von § 44 SGB X zwischenzeitlich anerkannt.
Die angegriffenen Bescheide sind aber in diesem Sinne nicht fehlerhaft. Die Beklagte hat zutreffend eine Rücknahme nach § 44 SGB X abgelehnt.
Nach § 22 Abs. 1 SGB II werden Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind. Unangemessen höhere Kosten sind nur für einen Übergangszeitraum von in der Regel sechs Monaten zu bewilligen. Dieser "Übergangszeitraum" war bei einem Leistungsbezug seit 01.01.2005 jedenfalls ab 01.04.2006 ausgeschöpft. Der Kläger war mehrfach im davor liegenden Zeitraum über die Unangemessenheit informiert worden. § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II enthält lediglich eine Zumutbarkeitsregelung, die es verhindern soll, dass der Leistungsberechtigte nicht sofort bei Eintritt der Hilfebedürftigkeit gezwungen wird, seine bisherige Wohnung aufzugeben. Umfangreiche und detaillierte Belehrungen sind nicht gefordert. So hat es das BSG für ausreichend erachtet, wenn bei Bezug von Sozialhilfe vor dem 01.01.2005 vom früheren Leistungsträger auf die unangemessenen Kosten aufmerksam gemacht worden war (Urteil, BSG vom 07.11.2006, B 7b AS 10/06 R).
Die Angemessenheit der Wohnkosten ist in mehreren Schritten zu prüfen. Zunächst bedarf es der Feststellung der Quadratmeterzahl der im Streitfall konkret betroffenen Wohnung. Im Fall des Klägers handelt es sich um eine Wohnung mit 53,97 qm und drei Zimmern. Bei der Wohnungsgröße ist die für Wohnberechtigte im sozialen Mietwohnungsbau anerkannte Wohnraumgröße zugrunde zu legen. Es ist auf die Grenzenfestlegungen der jeweiligen Bundesländer zurückzugreifen (Urteil, BSG vom 07.11.2006, B 7b AS 18/06 R). Die maßgebliche Wohnungsgröße ist somit der Bekanntmachung des Bayer. Staatsministeriums des Inneren vom 11.11.2002, Wohnraumförderungsbestimmungen 2003, AllMBl 2004, S. 984, 81) zu entnehmen. Die angemessene Größe der Wohnfläche beträgt danach höchstens bei einem 1-Personen-Haushalt für eine 1-Zimmer-Wohnung 40 qm, für eine 2-Zimmer-Wohnung 50 qm.
Es ist somit nicht zwangsläufig von dem Höchstbetrag von 50 qm auszugehen. Die konkrete Angemessenheitsgrenze erhält man, indem man die angemessene Fläche mit dem Wohnungsstandard, der sich im qm-Preis äußert, in Beziehung setzt. Bezüglich des Wohnstandards ist dem Hilfebedürftigen lediglich ein einfacher im unteren Segment liegender Ausstattungsgrad der Wohnung zuzuerkennen. Da es im Ergebnis allein auf die Kostenbelastung des Grundsicherungsträgers ankommt, kann dahinstehen, ob einzelne Faktoren wie Ausstattung, Lage usw. isoliert als angemessen anzusehen sind, solange der Grundsicherungsträger nicht mit unangemessen hohen Kosten belastet wird (Urteil, BSG vom 07.11.2006, B 7b AS 18/06 R).
Als räumlicher Vergleichsmaßstab ist in erster Linie der Wohnort des Hilfebedürftigen maßgebend. In den ersten Urteilen hat das BSG klar gestellt, dass bei kleineren Orten nicht nur der konkrete Wohnort maßgebend für die Bestimmung des Vergleichsmaßstabs ist. Nur angesprochen wurde ("kann es geboten sein"), dass im räumlichen Bereich größere Gebiete als Vergleichsgebiete zusammengefasst werden können, in größeren Städten demgegenüber eine getrennte Erfassung nach Stadtteilen in Betracht kommen kann. Soweit kein Mietspiegel nach §§ 558 c ff Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) vorliegt (wie im Fall Augsburgs) sollen grundsicherungsrelevante Mietspiegel oder Tabellen erstellt werden.
Dieser Vorgabe entspricht für den streitigen Zeitraum die Stichprobenerhebung der Beklagten zum Mietniveau bei Leistungsempfängern vom 27.06.2005. Ausgewertet wurden die Informationen zu den Mietaufwendungen von Empfängern von Arbeitslosengeld/Arbeitslosenhilfe (nicht Sozialhilfe) über das gesamte Gebiet der Stadt Augsburg. Dieses Ergebnis wurde dann pauschal um 25 v. H. angehoben, sodass ein mögliche Unbilligkeiten der Pauschalierung ausgleichender Zuschlag berücksichtigt ist. Für einen 1-Personen-Haushalt wurde dann zulässigerweise der Mischwert von 45 qm angesetzt. Für Kaltmiete zuzüglich Betriebskosten ergibt sich somit zutreffend ein Betrag von 301,64 EUR.
Eine Differenzierung nach Stadtteilen ist nach Beurteilung der Kammer im Fall der Stadt A. nicht veranlasst. Zum einen dürften bereits die sozialpolitischen Auswirkungen einer solchen Differenzierung nicht ausdiskutiert sein. Gerade A. ist erfolgreich bemüht, Unterschieden in verschiedenen Stadtteilen gegenzusteuern, jeden Ansatz einer Ghettobildung (wie in anderen Großstädten) gegenzusteuern.
Es ist auch noch zu diskutieren, ob eine Rechtsprechung, die zu sehr auf bisherige soziale Bindungen aus der bisherigen Wohnung, Wohnumfeld abstellt, den Zielvorgaben des SGB II entspricht. Eine Überbetonung des "Verbleiberechts" stellt eine bloße (statische) Fortsetzung der Rechtsprechung zum BSHG dar. Durch die Zusammenführung von Sozialhilfe und Arbeitslosenhilfe sollte jedoch berechtigterweise eine Dynamikkomponente in diesen Leistungsbereich aufgenommen werden. Ausgangspunkt der Reformgesetze war die berechtigte Erkenntnis, dass keine Gesellschaft zu Lasten der nachfolgenden Generation soziale Wohltaten verteilen darf. Vorgabe des SGB II ist die Forderung an den Einzelnen, unter Anspannung aller seiner Kräfte insbesondere durch Arbeit primär selbst für seinen Unterhalt zu sorgen. Diese gesetzliche Flexibilitätsanforderung wird durch Herabsetzung der Zumutbarkeit von Veränderungen konterkariert. Es ist auch wohl nicht nachvollziehbar und nicht grundgesetzkonform, wenn Leistungsbereiten, die Arbeitseinkommen nur knapp über der Grenze der Hilfebedürftigkeit erzielen, ungünstigere Wohn-, Lebensbedingungen selbstverständlich zugemutet werden, Leistungsbeziehern nach SGB II ebenso selbstverständlich günstigere.
Für den streitigen Zeitraum war somit die Festlegung der Angemessenheitsgrenze rechtlich nicht zu beanstanden. Es ist dann noch festzustellen, ob Wohnungen mit den angesetzten Angemessenheitsgrenzen in nennenswerter Zahl, nicht nur im Einzelfall, angeboten sind. Die Beklagte nimmt insoweit zutreffend auf die nachgewiesenen Angebote der Wohnungsbaugesellschaft der Stadt A. GmbH Bezug. Ebenso gibt es in nennenswerter Zahl in den allgemein zugänglichen Angeboten der regionalen Zeitungen und Annoncenblätter einschlägige Wohnungsangebote.
Bezüglich der Heizkosten besteht eine Angemessenheitsvermutung in dem Sinn, dass die im Mietvertrag bzw. in den Vorauszahlungsfestsetzungen des Energieversorgungsunternehmens festgesetzten laufenden Kosten als Angemessene im Sinn von § 22 SGB II zu berücksichtigen sind, es sei denn, es handelt sich um Fälle unwirtschaftlichen Heizverhaltens (Urteil, Bayer. LSG vom 30.04.2007, L 7 B 59/07 AS PKH). Aber auch insoweit waren die Bewilligungen der Beklagten für den streitigen Zeitraum nicht fehlerhaft im Sinn von § 44 SGB X. Es handelt sich nach den Ausführungen des Klägers für den streitigen Zeitraum nur um minimale Fehlbeträge (2006, 2,13 EUR monatlich; 2007, noch keine aussagekräftige Endabrechnung). Aus diesen Differenzen ergibt sich keine Fehlerhaftigkeit der Bewilligung für den streitigen Zeitraum, da die geringen Differenzen mit der (unangemessen) zu großen Wohnfläche von 53,97 EUR korrelieren.
Aus dem Grundsatz der Eigenverantwortung nach § 1 SGB II ist abzuleiten, dass primär dem Hilfebedürftigen und nicht der Verwaltung (und den Gerichten) die Suche nach einer angemessenen Wohnung überantwortet ist. Insoweit kann weiter auf die Rechtsprechung des BVerwG zurückgegriffen werden, dass der Leistungsempfänger substanziiert darzulegen hätte, dass eine andere bedarfsgerechte, kostengünstigere Unterkunft im Bedarfszeitraum auf dem örtlichen Wohnungsmarkt nicht gegeben war bzw. sie trotz ernsthafter und intensiver Bemühungen nicht auffindbar war (vgl. Anm. Dr. Fuchsloch zu den Urteilen des BSG vom 07.11.2006, SGB 2007, S. 551).
Der Kläger hat demgegenüber nach eigener Einlassung seine Wohnungssuchebemühungen schon in der Vergangenheit eingestellt.
Damit war die Klage mit der sich aus § 193 SGG ergebenden Kostenfolge abzuweisen.
Erstellt am: 20.12.2007
Zuletzt verändert am: 20.12.2007