I. Der Bescheid vom 27. Dezember 2004 und 18. März 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. April 2005 wird dahingehend abgeändert, dass die Bewilligung für März 2005 in Höhe von 496,89 Euro zu belassen ist.
II. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
III. Die Beklagte hat den Klägern die außergerichtlichen Kosten zu einem Viertel zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist die Berücksichtigung von Unterhaltszahlungen des Klägers zu 2 an seine beiden Kinder aus erster Ehe (je 284,00 EUR monatlich).
Die Klägerin zu 1, geboren 1952, beantragte am 02.11.2004 Arbeitslosengeld II (Alg-II). Bei der bis 31.12.2004 gewährten Arbeitslosenhilfe waren offensichtlich die Unterhaltszahlungen des Ehemanns als einkommensmindernd berücksichtigt worden entsprechend der Dienstanweisung der Agentur für Arbeit zu § 193 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) a. F.
Der Kläger zu 2 steht in einem Beschäftigungsverhältnis bei der L. (monatlich brutto 2.141,06 EUR). Das Ehepaar bewohnt eine Dienstwohnung der L … In der Wohnung lebt auch die Mutter der Klägerin zu 1. Die Wohnung hat 89,93 qm. Die Miete beträgt monatlich 282,00 EUR zuzüglich Vorauszahlung für Betriebskosten in Höhe von 70,00 EUR monatlich und Vorauszahlung für Heizkosten in Höhe von 60,00 EUR monatlich. Ein berücksichtigungsfähiges Vermögen besteht nicht.
Mit Bescheid vom 23.12.2004 bewilligte die Beklagte monatlich für den Zeitraum 01.01.2005 bis 30.04.2005 496,89 EUR Leistungen. Dabei wurden die Unterhaltszahlungen an die beiden Kinder einkommensmindernd berücksichtigt.
Gegen den Bewilligungsbescheid legten die Kläger zu 1 und 2 am 03.01.2005 Widerspruch ein. Mit Schreiben vom 04.03.2005 wurden die Kläger von der Beklagten dazu angehört, dass die Leistungsbewilligung ab 01.03.2005 aufzuheben sei, weil die Unterhaltszahlungen an die Kinder fälschlicherweise berücksichtigt worden seien.
Mit Bescheid vom 18.03.2005 wurde die Alg-II-Bewilligung ab 01.03.2005 völlig aufgehoben. Dieser Bescheid wurde Gegenstand des anhängigen Widerspruchsverfahrens.
Zur Begründung des Widerspruchs wurde im Weiteren vom Bevollmächtigten der Kläger am 04.04.2005 auf die einschlägige Dienstanweisung Bezug genommen. Weiter wurde dargelegt, dass der Kläger zu 2 eine Abänderungsklage gegenüber seinen Kindern betreibe mit dem Ziel der Herabsetzung der Unterhaltsverpflichtung.
Im Weiteren wurde der Widerspruch gestützt auf § 45 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) mit Widerspruchsbescheid vom 06.04.2005 zurückgewiesen.
Dagegen legten die Kläger am 13.04.2005 Klage zum Sozialgericht Augsburg ein.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 02.06.2005 stellte der Bevollmächtigte der Kläger den Antrag:
1. Die Beklagte wird verurteilt, unter Abänderung des Bescheides vom 23.12.2004 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 18.03.2005 in der Form des Widerspruchsbescheides vom 06.04.2005 den Klägern Arbeitslosengeld II nach den gesetzlichen Vorschriften unter Anrechnung der Unterhaltszahlungen an A. S. und G. S. zu gewähren.
2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte auch über den 30.04.2005 hinaus verpflichtet ist, bei der Berechnung der Leistungen des Arbeitslosengeldes II die Unterhaltsleistungen im oben bezeichneten Sinne zu berücksichtigen.
Der Vertreter der Beklagten beantragte im Termin
die Klageabweisung.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den Inhalt der Leistungsakte der Beklagten sowie der Klageakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist nur im entschiedenen Umfang begründet.
Erwerbsfähige Hilfebedürftige erhalten als Alg-II Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts einschließlich der angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung (§ 19 Satz 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Zweites Buch – SGB II). Hilfebedürftig ist, wer seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, vor allem nicht aus dem zu berücksichtigenden Einkommen sichern kann (§ 9 Abs. 1 SGB II). Bei Personen, die in einer Bedarfsgemeinschaft leben, sind auch das Einkommen des Partners zu berücksichtigen (§ 9 Abs. 2 Satz 1 SGB II). Zur Bedarfsgemeinschaft gehört als Partner des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen der nicht dauernd getrennt lebende Ehegatte (§ 7 Abs. 3 Nr. 3 a SGB II). Als Einkommen zu berücksichtigen sind Einnahmen in Geld (§ 11 Abs. 1 SGB II). Die Absetzbeträge vom Einkommen sind in § 11 Abs. 2 SGB II und in der Alg-II-/Sozialgeld-Verordnung – Alg-II-V – vom 20.10.2004 abschließend geregelt, und zwar auch für den Fall der Anrechnung des Einkommens des Partners nach § 9 Abs. 2 SGB II.
§ 11 SGB II regelt die Berücksichtigung von Einkommen im Wesentlichen wie im Sozialhilferecht (Bundestags-Drucksache 15/1516, S. 53; Eicher/Spellbrink Kommentar SGB II § 11 RdNr 6). Für die Interpretation des § 11 SGB II ist somit nicht eine entgegenstehende Praxis zu § 193 SGB III a. F. maßgebend. Soweit in einer Dienstanweisung der Agentur für Arbeit eine solche Weisung für das SGB II übernommen wurde, ist diese weder für den Vollzug noch in der Sache bindend. Mit Dienstanweisungen soll der gleichmäßige Vollzug eines Gesetzes sichergestellt werden. Es handelt sich immer um rechtlich nicht bindende Rechtsinterpretationen in der Regel des jeweiligen Verwaltungsträgers.
Für die Frage der Berücksichtigung von Unterhaltszahlungen ist somit an die Rechtsprechung zum Bundessozialhilfegesetz anzuknüpfen. Für eine einkommensmindernde Berücksichtigung von Unterhaltsleistungen bestand nach BSHG keine gesetzliche Grundlage (Beschluss Bundesverwaltungsgericht vom 02.07.1993, 5 B 165/92 NDV 1994, 42 bis 43; Urteil VGH Baden-Württemberg vom 12.06.1996, Az: 6 S 1678/95 FEVS 47, 364 bis 370).
Die Einkommens- und Vermögensberücksichtigung nach § 9 Abs. 2 SGB II ist eine Regelung allein des öffentlichen Rechts. Sie knüpft nicht an bürgerlich-rechtliche Unterhaltspflichten an (Eicher/Spellbrink a.a.O., § 9 RdNr 27).
Damit war der Bewilligungsbescheid vom 23.12.2004, in dem die Unterhaltszahlungen berücksichtigt waren, von Anfang an rechtswidrig gewesen. Die Bewilligung war nach §§ 45 SGB X, 330 Abs. 2 SGB III, 40 Abs. 1 Nr. 1 SGB II zurückzunehmen.
Nach § 45 Abs. 2 Satz 1 SGB X darf ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an der Rücknahme schutzwürdig ist. Mit dem Anhörungsschreiben vom 04.03.2005 waren die Kläger darüber informiert, dass die anfängliche Leistungsbewilligung aus der Sicht der Beklagten rechtswidrig war. Die Leistungsbewilligung konnte somit zum nächsten Auszahlungszeitraum (April 2005) zurückgenommen werden. Nicht möglich war jedoch die Rücknahme bereits ab 01.03.2005. Eine Rücknahme könnte sich nur auf § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X stützen. Danach kann die Leistungsbewilligung zurückgenommen werden, wenn der Begünstigte die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte. Angesichts der vorangegangenen Bewilligung von Arbeitslosenhilfe bei gleichem Sachverhalt konnten die Kläger nicht vorwerfbar wissen, dass die Leistungsbewilligung nach Alg-II von Anfang an rechtswidrig war. Damit war die Rücknahme auf den Monat April 2005 zu begrenzen.
In der Klage geltend gemacht ist nur die Frage der Berücksichtigung von Unterhaltszahlungen. Ansonsten sind keine Fehler bei der Berechnung vorgetragen oder ersichtlich. Die Kosten der Unterkunft wurden nach dem Kopfprinzip zutreffend durch drei geteilt und jeweils ein Drittel für die Kläger zu 1 und 2 berücksichtigt. Wegen der Abzugsbeträge nach § 11 Abs. 2 SGB II und § 3 Alg-II wird gemäß § 136 Abs. 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) auf die Begründung des Widerspruchsbescheides Bezug genommen, der die Kammer folgt.
Der Feststellungsantrag für die Zeit ab 01.05.2005 ist unzulässig, weil es sich um eine Elementenfeststellungsklage handeln würde. Ob Unterhaltszahlungen an die Kinder berücksichtigungsfähig sind, ist mit dem Urteil erstinstanzlich geklärt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Es war ein anteiliger Erfolg der Klage zu berücksichtigen.
Erstellt am: 19.07.2005
Zuletzt verändert am: 19.07.2005