I. Unter Abänderung des Bescheides vom 19. Oktober 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Oktober 2006 ist nur ein monatliches Einkommen des Klägers zu 1. in Höhe von 581,60 EUR zu berücksichtigen und die Erstattungsforderung entsprechend zu reduzieren.
II. Die Beklagte hat den Klägern die außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist die Aufhebung der Leistungsbewilligung aus Bescheid vom 21.11.2005 (betreffend den Zeitraum 01.12.2005 bis 31.05.2006) für die Zeit ab 01.01.2006.
Die Beklagte hatte zuletzt mit Bescheid vom 16.11.2005 für die Kläger Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) für den Zeitraum 01.12.2005 bis 31.05.2006 bewilligt. Am 21.01.2002 zeigte der Kläger zu 1. über seinen Bevollmächtigten die Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit ab 16.01.2006 an. Angegeben wurde eine monatliche Nettogewinnerwartung von 3.500,00 EUR bei Betriebskosten von 990,00 EUR. Im Weiteren wurden die vorläufigen Erfolgsrechnungen für die Monat Januar bis Mai 2006 über den Bevollmächtigten (auch Steuerberater des Klägers zu 1) vorgelegt mit vorläufigen Ergebnissen:
Januar 2006 Gewinn 355,29 EUR
Februar 2006 4.339,30 EUR
März 2006 1.894,35 EUR
April 2006 212,21 EUR
Verlust Mai 2006 157,36 EUR.
Die Beklagte forderte die der kurzfristigen Erfolgsrechnung zugrunde liegenden Unterlagen an und zog die Richtigkeit der kurzfristigen Erfolgsrechnung in Zweifel.
Nach Anhörung ergingen am 17.08.2006 mehrere Aufhebungsbescheide zum Zeitraum Januar bis Mai 2006. Auf Widerspruch wurde schließlich unter Rücknahme der Bescheide vom 17.08.2006 die Leistungsbewilligung mit Bescheid vom 19.10.2006 für die Zeit vom 01.01.2006 bis 31.05.2006 insgesamt aufgehoben und eine Erstattung von 6.140,35 EUR geltend gemacht. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass nur 20 % der Bertriebseinnahmen als Betriebsausgaben einkommensmindernd berücksichtigt werden könnten, damit wegen der Einnahmen aus selbständiger Tätigkeit ab Aufnahme der selbständigen Tätigkeit keine Hilfebedürftigkeit mehr vorgelegen habe.
Dagegen legte der Kläger zu 1. für die Bedarfsgemeinschaft durch seinen Bevollmächtigten am 20.11.2006 Klage zum Sozialgericht Augsburg ein. Vorgelegt wurde die Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 Einkommensteuergesetz (EStG) für den Zeitraum vom 01.01.2006 bis 31.12.2006 mit einem ausgewiesenen monatlichen Gewinn von 727,00 EUR.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 12.06.2007 wurde der Kläger zu 1. zum Sachverhalt befragt. Insoweit wird auf die Terminsniederschrift Bezug genommen.
Der Bevollmächtigte der Kläger beantragte im Termin,
den Bescheid vom 19.10.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.10.2006 dahingehend zu ändern, dass für die Zeit von Januar 2006 bis Mai 2006 nur ein monatlicher Einkommenszufluss aus selbständiger Tätigkeit mit 727,00 EUR (brutto) berücksichtigt wird.
Die Vertreterin der Beklagten beantragte im Termin die Klageabweisung.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den Inhalt der Leistungsakte der Beklagten sowie der Klageakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist im entschiedenen Umfang begründet.
Arbeitslosengeld II erhalten erwerbsfähige Hilfbedürftige (§ 19 SGB II). Nicht erwerbsfähige Angehörige, die mit erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in einer Bedarfsgemeinschaft leben, erhalten Sozialgeld (§ 28 SGB II). Hilfebedürftig ist, wer seinen Lebensunterhalt und den Lebensunterhalt der mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Mitteln, vor allem nicht aus zu berücksichtigendem Einkommen sichern kann (§ 9 Abs. 1 SGB II). Dabei ist bei Ehegatten das Einkommen des anderen Ehegatten zu berücksichtigen und bei unverheirateten Kindern das Einkommen der Eltern (§ 9 Abs. 2 SGB II). Als Einkommen zu berücksichtigen sind Einnahmen in Geld (§ 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II). Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales kann durch Rechtsverordnung bestimmen, wie das Einkommen im Einzelnen zu berechnen ist (§ 13 SGB II). Dies ist durch die Arbeitslosengeld II-/Sozialgeldverordnung – Alg II-V erfolgt (für den streitigen Zeitraum in der Fassung der 1. Verordnung zur Änderung der Alg II-V vom 22.08.2005 – BGBl I S. 2499). Bei der Berechnung des Einkommens aus Gewerbebetrieb ist nach § 2a Abs. 1 Alg II-V vom Arbeitseinkommen im Sinn von § 15 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) auszugehen. Welche Einnahmen zum Einkommen aus Gewerbebetrieb gehören, bestimmt sich nach § 15 Abs. 1 EStG. Nur wenn eine Feststellung des Arbeitseinkommens nicht möglich ist, ist zur Bestimmung des Arbeitseinkommens von den Bruttoeinnahmen eine Betriebsausgabenpauschale in Höhe von 20 % abzusetzen. (§ 2a Abs. 1 Satz 3 Alg II-V). Nach § 15 Abs. 1 SGB IV in der Fassung durch das ASRG vom 29.07.1994 (BGBl I S. 1889) ist Arbeitseinkommen der nach den allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften des Einkommensteuerrechtes ermittelte Gewinn. Einkommen ist als Arbeitseinkommen zu werten, wenn es als solches nach dem Einommensteuerrecht zu bewerten ist.
Nach § 2a Abs. 2 Alg II-V ist das Einkommen für das Kalenderjahr zu berechnen, in dem der Bedarfszeitraum liegt (Berechnungsjahr). Für jeden Bedarfszeitraum ist 1/12 für das Einkommen im Berechnungsjahr als Einkommen zu berücksichtigen. Bei längerem Bestehen des Gewerbebetriebs kann auf Vorjahresergebnisse zurückgegriffen werden (§ 2a Abs. 3 Alg II-V).
Nachdem für den streitigen Zeitraum eine durch einen Steuerberater erstellte Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG vorliegt konnte nicht auf § 2a Abs. 1 Satz 3 – Abzug einer Betriebsausgabenpauschale – zurückgegriffen werden.
Es war vielmehr nach der Vorgabe des § 2a Alg II-V auf die steuerrechtliche Gewinnermittlung zurückzugreifen. Vom Bevollmächtigten (der auch Steuerberater des Klägers zu 1) ist), wurde eine Gewinnermittlung vorgelegt. Für die Kammer bestand kein Grund, diese Gewinnermittlung in Zweifel zu ziehen. Steuerrechtlich ist das Ergebnis des Kalenderjahres 2006 anzusetzen. Es handelt sich zutreffend um eine Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG. Zur Gewinnermittlung durch Überschussrechnung sind Steuerpflichtige berechtigt, die nicht gesetzlich zur Buchführung und Bilanzierung verpflichtet sind und die auch nicht freiwillig Bücher führen (§ 4 Abs. 3 Satz 1 EStG). Damit sind Gewerbetreibende – wie der Kläger zu 1. – zur Überschussrechnung berechtigt, weil sie keine Vollkaufleute sind und nicht nach Steuerrecht (§ 141 Abgabenordnung) zur Buchführung verpflichtet sind bzw. sie freiwillig durchführen. Die Überschussrechnung ist für sog. Kleingewerbebetreibende vorgesehen. Die Überschussrechnung nach § 4 Abs. 3 EStG ist eine Geldverkehrsrechnung. Sie erleichtert dem Steuerpflichtigen die Gewinnermittlungen, indem auf die Darstellung von Vermögensumschichtungen verzichtet wird und an Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben angeknüpft wird, d.h. an Geschäftsvorgänge, die einfach zu erfassen sind. Der Gesetzgeber nimmt damit in Kauf, dass eine periodengerechte Gewinnermittlung nicht gewährleistet ist. Bei dieser Gewinnermittlung sind Betriebseinnahmen in Anlehnung an § 8 Abs. 1 EStG alle Zugänge in Geld oder Geldeswert, die durch den Betrieb veranlasst sind, Betriebsausgaben die entsprechenden betrieblich veranlassten Abflüsse in Geld oder Geldeswert.
Es war nachvollziehbar, dass bei der Art des Betriebes die Betriebsergebnisse saisonal sehr schwankend waren, sich der anfängliche "Höhenflug" über das Jahr 2006 nicht halten ließ. Als Einkommen war somit das monatliche Durchschnittsergebnis nach Steuerrecht zugrunde zu legen, korrigiert um den bei Einnahmen bis 800,00 EUR anzuwendenden Freibetrag von 20 v.H. (§ 30 Satz 2 Nr. 1 SGB II). Nachdem bei der Gewinnermittlung nach Steuerrecht der Freibetrag nach § 11 Abs. 2 Satz 2 SGB II nicht greifen kann, kann sich der Freibetrag nur auf das steuerrechtliche Gesamtergebnis der selbständigen Tätigkeit beziehen.
Aus dem Ergebnis der selbständigen Tätigkeit ist somit für die Bedarfsgemeinschaft die Hilfebedürftigkeit nur teilweise entfallen. Die Erstattungsforderung nach § 50 SGB X reduziert sich entsprechend.
Folgezeiträume ab 01.06.2006 sind nicht Gegenstand des Verfahrens geworden, weil § 96 SGG im Bereich SGB II nicht zur Abwendung kommt (Urteil BSG vom 23.11.2006 – B 11b AS 3/06 ER).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG). Es war der Erfolg der Klage zu berücksichtigen.
Erstellt am: 19.06.2007
Zuletzt verändert am: 19.06.2007