I. Die Klage gegen den Bescheid vom 5. September 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Oktober 2007 wird abgewiesen.
II. Der Bescheid vom 20. September 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. November 2007 wird aufgehoben.
III. Die Beklagte hat dem Kläger die Hälfte der außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist eine zweite Absenkung wegen Vereitelung eines Arbeitsverhältnisses und weitere Absenkung mit 100 % Minderung des Arbeitslosengeldes II (Alg II).
Der Kläger, geboren 1955, bezieht nach vorangegangenem Bezug von Sozialhilfe seit 01.01.2005 Alg II und aus einer selbständigen Tätigkeit – jedenfalls seit Anfang 2005 – kein den Lebensbedarf abdeckendes Einkommen. So wurde z. B. für März 2007 ein Gewinn von 23,67 EUR angegeben, für Mai 2007 11,11 EUR, für Juni 2007 28,26 EUR und für August 2007 37,70 EUR.
Weiter macht der Kläger durchgehend gesundheitliche Einschränkungen geltend, verweigert aber die Mitwirkung zur Abklärung des Leistungsvermögens.
Die Beklagte hatte mit Bescheid vom 26.03.2007 eine Absenkung festgestellt, weil sich der Kläger geweigert hat, eine Eingliederungsvereinbarung zu unterschreiben.
Der Widerspruch war mit Widerspruchsbescheid vom 26.07.2007 (mit zutreffender Rechtsfolgenbelehrung) zurückgewiesen worden. Diese Entscheidung wurde bestandskräftig.
Am 21.08.2007 erhielt der Kläger mit zutreffender Rechtsfolgenbelehrung ein Angebot als Elektroinstallateur. Dieses Angebot entsprach seiner Berufsausbildung und ist auch Gegenstand der selbständigen Tätigkeit.
Mit Schreiben vom 07.08.2007 teilte der Arbeitgeber mit, dass der Kläger sich telefonisch beworben habe und das Angebot abgelehnt hatte. Per E-Mail wurden vom Arbeitgeber folgende ergänzende Angaben gemacht:
"Herr P. hat sich gestern bei uns telefonisch gemeldet. Zu seiner telefonischen Bewerbung möchten wir folgende Stellungnahme abgeben.
– Herr P. hat uns seine "Situation" dar gelegt, dass er seine Selbständigkeit sicher nicht aufgeben wird. Das Sozialamt will ihn da zu etwas zwingen was er nicht will. Er will keine feste Arbeit.
– Wir haben ihm, ab heute, einen festen Arbeitsvertrag angeboten. Diesen hat er abgelehnt.
– Ebenso forderte Herr P. uns auf, dass wir doch auf den VV vermerkten sollen, dass nicht er die Stelle abgelehnt hat sondern er für diese total ungeeignet sei. Mit den Worten "andere Zeitarbeiten haben das auch schon gemacht". Diese haben wir ihm auch am Telefon gesagt, dass wir so etwas nicht machen.
– Zudem würde er, wenn er arbeiten würde spätestens am 3. Tag krank sein. Weil er ja u.a. Bluthochdruck hätte und egal welche Arbeiten auch immer nicht ausführen könne. Daraufhin haben wir ihm eine leichte sitzende Tätigkeit angeboten. Diese hat er auch abgelehnt.
– Als letztes wollte er dann noch wissen wieviel "so ein Zeitarbeiter" kostet. Diese Auskunft haben wir mit der Begründung "telefonisch Preise zu nennen, hat uns unsere GL untersagt". Seine Antwort war dann "dann können Sie Ihrer GL ausrichten, dass Sie einen Kunden weniger haben".
Nach dieser Aussage hat er dann aufgelegt."
Der Kläger gab ebenfalls am 07.08.2007 eine Stellungnahme dahingehend ab, dass er nicht eingestellt worden sei, weil er nicht gewollt habe. Er habe bei dem Telefongespräch erfahren, dass er nicht mit einer Rücksichtnahme auf seine Probleme und Konditionen rechnen könne.
Daraufhin stellte die Beklagte mit Bescheid vom 05.09.2007 eine zweite Absenkung (60 v. H.) für die Zeit vom 01.10.2007 bis 31.12.2007 fest.
Im Weiteren sprach der Kläger am 17.09.2007 persönlich im Zusammenhang mit einem weiteren nicht erfolgreichen Vermittlungsangebot vor. Nach dem Vermerk über die Vorsprache gab der Kläger an, weiter selbständig bleiben zu wollen. Der geforderte Gesundheitsbogen wurde nicht ausgefüllt.
Mit Bescheid vom 20.09.2007 entschied daraufhin die Beklagte eine Absenkung von 100 v. H. des Anspruchs auf Alg II für die Zeit vom 01.10.2007 bis 31.12.2007.
Der Kläger erhob gegen beide Bescheide sofort am 27.09.2007 Klage zum Sozialgericht.
Im Weiteren wurde der Widerspruch bezüglich des Bescheides vom 05.09.2007 mit Widerspruchsbescheid vom 10.10.2007 zurückgewiesen und der Widerspruch gegen den Bescheid vom 20.09.2007 mit Widerspruchsbescheid vom 06.11.2007.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 28.11.2007 beantragte der Kläger
die Aufhebung des Bescheides vom 05.09.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.10.2007.
Die Vertreterin der Beklagten beantragte im Termin
die Klageabweisung.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den Inhalt der Verwaltungsakte der Beklagten sowie der Klageakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klagen sind mit dem Erlass der Widerspruchsbescheide zulässig geworden.
Die Klage war bezüglich des zweiten Absenkungsbescheides vom 05.09.2007 abzuweisen.
Das Alg II wird in einer ersten Stufe um 30 v. H. der für den erwerbsfähigen Hilfebedürftigen nach § 20 SGB II maßgebenden Regelleistung abgesenkt, wenn der erwerbsfähige Hilfebedürftige sich trotz Belehrung über die Rechtsfolgen weigert, eine zumutbare Arbeit aufzunehmen (§ 31 Abs. 1 Nr. 1 c SGB II). Bei der ersten wiederholten Pflichtverletzung nach Abs. 1 wird das Alg II um 60 v. H. der für den erwerbsfähigen Hilfebedürftigen nach § 20 SGB II maßgebenden Regelleistung gemindert (§ 31 Abs. 3 Satz 1 SGB II). Nachdem eine erste Pflichtverletzung mit Bescheid vom 26.03.2007 bestandskräftig festgestellt ist, handelte es sich bezüglich der Ablehnung des Vermittlungsangebots als Elektroinstallateur um eine wiederholte Pflichtverletzung im Sinne von § 31 Abs. 3 Satz 1 SGB II. Der Kläger war auch aus der Eingliederungsvereinbarung über die Rechtsfolgen einer weiteren Weigerung belehrt. Das Angebot entsprach seiner Berufsausbildung. Der Kläger hat das Angebot sowohl nach eigener Einlassung wie auch nach der ausführlichen Auskunft des Arbeitgebers eindeutig abgelehnt, weil er seiner selbständigen Tätigkeit Vorrang einräumt. Die Androhung einer Erkrankung wäre allein schon ein Grund für eine Kündigung aus wichtigem Grund arbeitgeberseits. Bezüglich geltend gemachter gesundheitlicher Einschränkungen betreibt der Kläger im Übrigen ein widersprüchliches Verhalten (venire contra factum proprium). Angegebene gesundheitliche Einschränkungen sind so lange nicht berücksichtigungsfähig, als die Mitwirkung zur Klärung konkreter Leistungseinschränkungen verweigert wird.
Bezüglich der Einschränkung auf selbständige Tätigkeit liegt kein wichtiger Grund im Sinn auf § 31 Abs. 1 Satz 2 SGB II vor. Auf die Ausübung einer selbständigen Tätigkeit kann sich ein Antragsteller nur dann berufen, wenn er daraus seinen Lebensunterhalt bestreiten kann. Wenn der einmal gewählte Beruf keine Existenzsicherung bietet, ist eine Neuorientierung z. B. Wiederaufnahme der früheren abhängigen Beschäftigung geboten. Der erwerbsfähige Hilfebedürftige muss alle Möglichkeiten zur Beendigung oder Verringerung seiner Hilfebedürftigkeit ausschöpfen (§ 2 Abs. 1 Satz 1 SGB II). Nachdem auch nach eigener Einlassung der Lebensunterhalt schon seit vielen Jahren nicht mehr aus der selbständigen Tätigkeit gedeckt werden kann, ist die Aufnahme einer abhängigen Beschäftigung gefordert und zumutbar. Die jahrelange Einschränkung des Klägers auf seine selbständige Tätigkeit liefe ansonsten darauf hinaus, dass der Kläger die Konditionen für den Leistungsbezug nach SGB II selbst diktieren könnte. Dies widerspräche der gesetzlichen Vorgabe.
Begründet ist die Klage bezüglich des Bescheides vom 20.09.2007.
Nach § 31 Abs. 3 Satz 2 SGB II wird bei jeder weiteren wiederholten Pflichtverletzung nach Abs. 1 das Alg II um 100 v. H. gemindert.
Ausweislich des Bescheides vom 20.09.2007 hat die Beklagte die "dritte" Absenkung darauf gestützt, dass der Kläger der Pflicht nicht nachgekommen sei, alle Möglichkeiten zu nutzen, um den eigenen Lebensunterhalt aus eigenen Mitteln und Kräften zu bestreiten. Erst in der Widerspruchsbegründung wurde auch darauf abgehoben, dass entgegen der Eingliederungsvereinbarung kein Bewerbungsprotokoll geführt worden sei.
Die Absenkungen nach § 31 SGB II knüpfen an die Regelungen der Arbeitslosenhilfe an. Es sind Gedanken der Regelung des § 144 SGB III übertragen. Zusätzlich ist auch unmittelbar an die Regelung des § 144 SGB III angeknüpft. Die Absenkung knüpft somit an konkrete Pflichtverletzungen nach Maßgabe von § 31 Abs. 1 (auch Abs. 2) an. Schon wegen der Festlegung eines Absenkungszeitraums muss an ein konkretes Fehlverhalten angeknüpft werden. Die Beklagte hat demgegenüber an die generelle Verweigerung einer abhängigen Beschäftigung angeknüpft. Bei einer unzutreffenden Grundeinstellung ist aber kein konkreter Zeitpunkt feststellbar, an dem eine konkrete Pflichtverletzung festzumachen wäre. Entsprechendes gilt für das "Führen eines Bewerberprotokolls". Vonseiten der Beklagten wird an Regelungen des SGB III angeknüpft, die gerade nicht in das SGB II übernommen worden sind. Im Bereich des SGB III ist die subjektive Bereitschaft zur Aufnahme einer abhängigen Beschäftigung (Verfügbarkeit) Anspruchsvoraussetzung. Ein solcher genereller Wegfall des Anspruchs auf Alg II bei defizitärer Bereitschaft, die Hilfebedürftigkeit zu beseitigen, ist im SGB II gerade nicht geregelt. § 31 SGB II kann auch nicht dahingehend erweitert werden.
Nachdem die Beklagte nicht an eine konkrete Pflichtverletzung im Sinne von § 31 Abs. 1, 2 SGB II angeknüpft hat, fehlt eine Rechtsgrundlage für die "dritte" Absenkung. Insoweit war dem Klageantrag zu entsprechen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Es war der anteilige Erfolg der Klage zu berücksichtigen.
Erstellt am: 06.12.2007
Zuletzt verändert am: 06.12.2007