Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 24.09.2001 geändert und die Klage abgewiesen. Kosten des Verfahrens sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt von der beklagten Krankenkasse eine Lasertherapie ihres Gesichtshaarwuchses (Damenbart).
Die 00.00 geborene Klägerin leidet infolge einer 1999 diagnostizierten Normandrogenämie an einer verstärkten Behaarung, insbesondere im Gesicht (Hypertrichose). Durch den Direktor der Hautklinik der I-Universität E, Prof. Dr. Dr. S, und den Arzt der dortigen Laserambulanz Dr. G, beantragte die Klägerin im März 1999 die Durchführung einer Lasertherapie mittels Rubin-Laser. Dr. I1 vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) Nordrhein sah die Therapie als nicht genehmigungsfähig an, woraufhin die Beklagte durch formlosen Bescheid vom 04.06.1999 und nach einer weiteren Stellungnahme des Dr. I1 vom 07.10.1999, wonach die Entfernung der Barthaare durch (Elektro-)Epilation als vertragsärztlicher Therapie möglich sei, mit förmlichem Bescheid vom 11.10.1999 den Antrag ablehnte.
Den Widerspruch der Klägerin, mit dem diese sich auf ein ärztliches Attest, in dem ihr infolge des Bartwuchses Depressionen bescheinigt wurden, sowie darauf berief, dass die Laser- und die Epilationsbehandlung keine gleichwertigen Therapien seien, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 01.03.2000 als unbegründet zurück.
Die Klägerin hat am 03.04.2000 Klage vor dem Sozialgericht (SG) Düsseldorf erhoben. Sie hat geltend gemacht, sie habe vor neun Jahren eine Elektro-Epilation durchführen lassen. Die Behandlung, die über einen Zeitraum von drei Monaten ein- bis zweimal wöchentlich erfolgt sei, habe zu einer starken Rötung und Entzündung der Haut geführt und über längere Zeit pockenartige Rückstände hinterlassen. Sie habe auch nicht zu einem Stillstand des Bartwuchses geführt. Es handele sich bei der begehrten Behandlung auch nicht um eine kosmetische Maßnahme, sondern diese diene der Beseitigung erheblicher psychischer Beschwerden infolge des starken Bartwuchses.
Das SG hat eine Auskunft des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen – Arbeitsausschuss "Ärztliche Behandlung" – vom 19.04.2000 eingeholt, wonach die Laser-Behandlung bei Hypertrichose nicht zum vertragsärztlichen Leistungskatalog zähle. Ein Antrag auf Anerkennung dieser Methode sei bisher nicht gestellt und es lägen keine Unterlagen vor, die erkennen ließen, dass diese die maßgeblichen Kriterien diagnostischer oder therapeutischer, medizinischer Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit erfülle. Des weiteren hat das SG eine Auskunft von Prof. Dr. Dr. S/Dr. G eingeholt, die u.a. bescheinigt haben, dass die Mehrbehaarung der Klägerin über das normale Maß der akzeptablen Behaarung vom androgenetischen bzw. rassisch bedingten Typ hinausgehe. Die Epilation mittels Lasergeräten sei seit ca. 10 Jahren in zunehmendem Einsatz. Natürlich könne über Langzeitfolgen, wie bei vielen anderen hochtechnischen Therapien, noch keine abschließende Aussage getroffen werden. Andererseits belegten die bisherigen eigenen und internationalen Ergebnisse die Effektivität der Rubinlasertherapie bei Hypertrichosis. Die elektrische Epilation könne zu Narbenbildung führen und sei aufgrund des hohen Zeitaufwandes nur schwer durchführbar. Obwohl auch sie teilweise zu guten Ergebnissen führen könne, sei sie ein Mittel zweiter Wahl. Die kosmetischen Resultate der Lasertherapie seien deutlich überlegen. Die Lasertherapie sei auch bereits heute eine Therapieform, die in vielen Universitätskliniken, Städtischen Kliniken und dermatologischen Praxen als Routinetherapie angeboten werde.
Die Beklagte hat eine Stellungnahme des MDK, Dr. T, vom 21.07.2000 vorgelegt, wonach die Datenlage hinsichtlich der Lasertherapie noch sehr dünn sei und insbesondere aussagekräftige Studien über Langzeiterfolge fehlten. Auch bei der Laserepilation könne eine Narbenbildung, wie sie bei der elektrischen Epilation gelegentlich vorkomme, nicht sicher ausgeschlossen werden. Ebenso würden Irritationen der Haut und im Anschluss an die Behandlung auftretende Hyper- oder Hypopigmentierungen nach Laserepilationen beschrieben. Bei den von der Klägerin beschriebenen Beschwerden nach Elektro-Epilation handele es sich möglicherweise um ein anwenderbedingtes Problem.
Das SG hat schließlich ein Gutachten von der Fachärztin für Dermatologie Dr. Q vom Laser Medizin Zentrum L.M.Z. Rhein/Ruhr eingeholt. Diese ist in ihrem Gutachten vom 10.04.2001 zu dem Ergebnis gelangt, bei der Klägerin liege eine krankhafte Mehrbehaarung vor. Bei endokrinen Ursachen, wie sie hier vorlägen, stelle die Laserepilation eine sehr wirkungsvolle Behandlungsmöglichkeit dar. Dies werde durch Studien aus den letzten Jahren belegt. So habe u.a. Grossmann 1998 an vier Patienten eine "permanente" Epilation nachweisen können. In einer Vergleichsstudie von Januar 2000 habe sich die Laserepilation als doppelt so effektiv wie die Elektroepilation erwiesen. Im Fall der Klägerin sei daher der Laserepilation der Vorzug zu geben, weil eine Nadelepilation viele Jahre dauern und möglicherweise nicht den gewünschten Erfolg bringen werde. Da die Klägerin über eine helle Hautfarbe und dunkle Haare verfüge, seien die Voraussetzungen für ein gutes Therapieergebnis mittels Laserepilation erfüllt.
Mit Urteil vom 24.09.2001 hat das SG die Beklagte antragsgemäß verurteilt, die Behandlungskosten einer Lasertherapie zur Entfernung der Gesichtsbehaarung der Klägerin zu übernehmen. Auf die Entscheidungsgründe wird Bezug genommen.
Gegen das ihr am 02.10.2001 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 26.10.2001 Berufung eingelegt. Sie ist der Auffassung, die begehrte Therapie dürfe nicht zu ihren Lasten gewährt werden, weil der Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen keine Empfehlung über den Nutzen und die Wirksamkeit dieser Therapie abgegeben hätten. Entgegen der Auffassung des SG sei der Erfolg der Therapie nicht in einer für die sichere Beurteilung ausreichenden Zahl von Behandlungsfällen aufgrund wissenschaftlich einwandfrei geführter Statistiken belegt. Hierzu bezieht sich die Beklagte auf ein von ihr vorgelegtes weiteres Gutachten der Dr. T, auf welches Bezug genommen wird.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des SG Düsseldorf vom 24.09.2001 zu ändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Senat hat aus einem Parallelverfahren eine weitere Auskunft des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen vom 21.02.2000 beigezogen und zum Gegenstand des Verfahrens gemacht, auf welches verwiesen wird.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist begründet.
Das SG hat die Beklagte zu Unrecht verpflichtet, die Behandlungskosten einer Lasertherapie zur Entfernung der Gesichtsbehaarung der Klägerin zu übernehmen.
Die Lasertherapie zur Haarepilation zählt nicht zu den vertragsärztlichen Leistungen, so dass die Klägerin diese weder als Sachleistung nach § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Krankenversicherung – (SGB V) noch im Falle der Selbstbeschaffung die Erstattung der hierfür aufgewendeten Kosten (§ 13 Abs. 3 SGB V) von der Beklagten begehren kann. Die Feststellung, ob Qualität und Wirksamkeit dieser Behandlung dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechen und damit den in § 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V geforderten Versorgungsstandard genügen, obliegt allein dem Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen (ständige Rechtsprechung des BSG, vgl. zuletzt Urt. vom 19.02.2002 – B 1 KR 16/00 R -). Neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden dürfen nach § 135 Abs. 1 Satz 1 SGB V in der vertragsärztlichen Versorgung zu Lasten der Krankenkassen nur erbracht werden, wenn der Bundesausschuss in Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 SGB V Empfehlungen u.a. über die Anerkennung des diagnostischen und therapeutischen Nutzens der neuen Methode abgegeben hat. Hierdurch wird der Umfang der den in der gesetzlichen Krankenversicherung Versicherten von den Krankenkassen geschuldeten ambulanten Leistungen verbindlich festgelegt (vgl. BSG SozR 3-2500 § 135 Nr. 14).
Die von der Klägerin begehrte Behandlung ist von der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung ausgeschlossen, weil es sich um eine neue Behandlungsmethode handelt (vgl. dazu BSG wie vor; SozR 3-2500 § 27a Nr. 2). Sie beruht auf einem eigenständigen theoretischen Wirksamkeitskonzept – gezielte Schädigung spezieller Pigmente (Melanine) durch selektive Photothermolyse – und wird seit 1963, vermehrt seit ca. 1996 in der ärztlichen Behandlungspraxis eingesetzt, ohne Eingang in den einheitlichen Bewertungsmaßstab für vertragsärztliche Leistungen (EBM-Ä) gefunden zu haben.
Das Fehlen einer Entscheidung des Bundesausschusses über den therapeutischen Nutzen sowie die medizinische Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit der von der Klägerin gewünschten Behandlungsmethode schließt ihren Leistungsanspruch gegen die Beklagte aus. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz greift auch nicht deshalb ein, weil die Untätigkeit des Bundesausschusses einen sog. Systemmangel begründet. Ein solcher liegt dann vor, wenn der neuen Behandlungsmethode in der medizinischen Fachdiskussion bereits ein solches Gewicht zukommt, dass eine Überprüfung und Entscheidung durch den Bundesausschuss veranlasst gewesen wäre (vgl. BSG SozR 3-2500 § 135 Nr. 14; Urt. vom 19.02.2002 – B 1 KR 16/00 R -). Maßgeblich ist insoweit, ob ein durch wissenschaftliche Studien hinreichend gestützter Konsens in den einschlägigen medizinischen Fachkreisen über die Qualität und Wirksamkeit der Behandlungsmethode besteht. Daran fehlt es vorliegend.
Bezüglich der Haarepilation mittels Rubin-Laser liegen 9 Studien aus den Jahren 1996 bis 2000 mit 13 bis 133 Probanden bezüglich der Behandlung mittels Alexandrit-Laser, 8 Studien aus dem Zeitraum 1997 bis 2000 mit 22 bis 126 Probanden, hinsichtlich der Anwendung langgepulster Diodenlaser, 6 Studien mit 20 bis 50 Probanden und zum Einsatz des YAG-Laser weitere 6 Studien aus den Jahren 1996 bis 2001 mit 12 bis 208 Probanden vor. Nach der Auswertung des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen leiden die meisten dieser Studien an methodischen Mängeln und lassen daher keine hinreichenden Aufschlüsse zur Wirksamkeit und Dauerhaftigkeit der Behandlung zu. Andere Studien habe unbefriedigende Ergebnisse erbracht oder sind von den Untersuchenden selbst dahin interpretiert worden, dass weitere Studien erforderlich seien. Letzteres deckt sich auch mit den Feststellungen der vom SG gehörten Sachverständigen. Bei dieser Sachlage lässt sich ein wissenschaftlich abgesicherter Konsens zum Einsatz der Laserbehandlung zwecks Haarentfernung in der Dermatologie aber nicht feststellen und ein solcher ist auch von der Sachverständigen nicht beschrieben worden.
Auf die Verbreitung dieser Methode in der dermatologischen Praxis ist entgegen der Ansicht des Sozialgerichts schon deshalb nicht abzustellen, weil diesem Gesichtspunkt nur ausnahmsweise dort Bedeutung zukommt, wo wegen der Art oder des Verlaufs der Erkrankung oder wegen unzureichender wissenschaftlicher Erkenntnisse der Wirksamkeitsnachweis auf erhebliche Schwierigkeiten stößt (vgl. BSG SozR 3-2500 § 135 Nr. 4, 14). Dies ist wie die vorliegenden Studien zeigen, bei der Haarepilation mittels Laser-Therapie aber gerade nicht der Fall. Im Übrigen ist deren hinreichende Verbreitung als Wirksamkeitsnachweis auch nicht belegt, da auch das SG in Anlehnung an die Sachverständige davon ausgegangen ist, dass diese Behandlung lediglich in Universitäts- und Städtischen Kliniken sowie in großstädtischen Praxen Verbreitung gefunden hat, nicht aber flächendeckend zur allgemeinen Praxis der Dermatologen zählt.
Die Klägerin kann ihren Anspruch schließlich auch nicht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 Grundgesetz (GG) herleiten. Diese Bestimmung begründet zwar eine Verpflichtung des Staates, sich schützend und fördernd vor das Rechtsgut Leben bzw. körperliche Unversehrtheit zu stellen, hieraus kann aber nicht der Anspruch auf Bereithaltung spezieller Gesundheitsleistungen hergeleitet werden, so dass hier auch kein Anspruch auf solche medizinische Leistungen besteht, deren Unbedenklichkeit, Qualität und Wirksamkeit bisher nicht hinlänglich geprüft worden sind (vgl. BVerfG, NJW 1997, 3085; BSGE 86, 54, 65 m.w.N.).
Auf die Berufung der Beklagten musste das angefochtene Urteil daher geändert und die Klage mit der auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beruhenden Kostenentscheidung abgewiesen werden.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) sind nicht erfüllt.
Erstellt am: 24.07.2007
Zuletzt verändert am: 24.07.2007