Die Beschwerden der Antragsgegnerinnen zu 1), 2), 4), 6), 7), 8) bis 11) gegen den Beschluss des Sozialgerichts Düsseldorf vom 28.02.2001 wird zurückgewiesen. Die außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin tragen die Antragsgegnerinnen zu 1), 2), 4), 6), 7), 8) bis 11) als Gesamtschuldnerinnen auch im Beschwerdeverfahren.
Gründe:
Die Beschwerden der Antragsgegnerinnen zu 1), 2), 4), 6), 7), 8) bis 11) sind nicht begründet. Es ist nicht zu beanstanden, dass das Sozialgericht die Antragsgegnerinnen im Wege der einstweiligen Anordnung einstweilen bis 28.02.2002 verpflichtet hat, der Antrag stellerin als Leistungserbringerin gemäß dem Vertrag vom 25.06.1998 ärztlich verordnete häusliche Krankenpflege bei Versicherten der Antragsgegnerinnen zu genehmigen und entsprechend der diesbezüglichen Vergütungsvereinbarung abzurechnen.
Auch nach Auffassung des Senats sind vorliegend die Voraussetzungen für die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes gegeben. Der Senat geht ebenso wie das Sozialgericht davon aus, dass der Antrag auf Erlass einstweiliger Anordnung auch schon im Vorfeld gerichtlicher Verfahren statthaft und zulässig ist. Die Berechtigung der Sozialgerichte zum Erlass einstweiliger Anordnungen in anderen als den ausdrücklich im Sozialgerichtsgesetz (SGG) normierten Fällen (vgl. §§ 97 Abs. 2, 199 Abs. 2, 180 Abs. 6 und 181 Satz 2 SGG) leitet der Senat – soweit es sich um sog. Vornahmesachen handelt – unmittelbar aus Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz ab. Wegen der materiellen Anspruchsvoraussetzungen und des einzuhaltenden Verfahrens ist jedoch auf § 123 Verwaltungsgerichtsordnung analog zurückzugreifen, soweit die Besonderheiten des sozialgerichtlichen Verfahrens dem nicht entgegenstehen. Danach muss eine einstweilige Anordnung ergehen, wenn dem Antragsteller durch die Verweigerung der Leistung und die damit verbundene Verweisung auf das Hauptsacheverfahren schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Nachteile entstünden, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre.
Der Senat folgt vorliegend der Auffassung des Sozialgerichts, dass die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes geboten und der Antrag stellerin eine Verweisung auf das Hauptsacheverfahren nicht zumutbar ist. Zu dieser Überzeugung ist er aufgrund der vorzunehmenden Abwägung zwischen dem Interesse der Antragsgegnerinnen an der Kündigung des bisher bestehenden Vertrages vom 25.06.1998 und Abschluss eines neuen Vertrages, der die Beschäftigung von sechs Vollzeitkräften mit qualifizierter Ausbildung und Berufserfahrung zur Voraussetzung hätte, einerseits und dem Interesse der Antrag stellerin am Fortbestehen des Vertrags- und Abrechnungsverhältnisses nach Maßgabe des Vertrages vom 25.06.1998 andererseits. Es ist den Antragsgegnerinnen in diesem Zusammenhang zuzugestehen, dass im Verfahren über die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes nicht nur ein Anordnungsgrund, sondern auch ein Anordnungsanspruch glaubhaft zu machen ist (§ 123 Abs. 3 Verwaltungsgerichtsordnung i.V.m. §§ 920 Abs. 2, 936 Zivilprozessordnung, vgl. Meyer-Ladewig, Kommentar zum SGG, 6. Aufl. 1998, § 97 Rdz. 22 und Zeihe, Das Sozialgerichtsgesetz, Kommentar, Stand 01.09.2000, § 97 Anm. 22p). In welchem Umfang hierbei die Erfolgsaussichten einer Klage im Hauptsacheverfahren mit zu berücksichtigen sind, kann nicht generell und einheitlich beantwortet werden. Entscheidend sind vielmehr die Verhältnisse des Einzelfalles, wobei insbesondere das streitbefangene Recht/Rechtsverhältnis und die Intensität des je weils drohenden Rechtsnachteils zu beachten sind.
Auch zur Überzeugung des Senats drohen der Antragstellerin ohne vorläufige Abrechnungsbefugnis für private ambulante Krankenpflege bei Versicherten der Antragstellerinnen schwere unzumutbare und irreversible Schäden. Das Sozialgericht hat insofern zutreffend entschieden, dass die wirtschaftliche Existenz der Antragstellerin maßgeblich von ihrer Beteiligung an der Versorgung von Versicherten der Betriebskrankenkassen abhängt, und darauf abgestellt, dass allein die Umsatzanteile der Versicherten der Kassen der Arbeitsgemeinschaft der Betriebskrankenkassen Rhein-Ruhr, der die Antragsgegnerinnen angehören, etwa 40 % ausmachen. Die hierzu vorgebrachte Rüge der Beschwerdeführerin, bei richtiger Betrachtungsweise dürfe nur der Umsatz aus SGB V-Leistungen mit Versicherten der Antragsgegnerinnen und nicht Umsätze aus SGB XI-Leistungen berücksichtigt werden und somit handele es sich um einen Anteil von nicht einmal 14 % am Gesamtumsatz der Antragstellerin, greift nicht. Denn ein Pflegedienst, der keine Leistungen nach dem SGB V erbringen darf, verliert potenziell auch die Versicherten, die gleichzeitig Leistungen nach dem SGB XI benötigen. Es dürfte ihm kaum gelingen, neue Patienten zu bekommen, die gleichzeitig beide Leistungen nachsuchen. Es erscheint denkbar unwahrscheinlich, dass ein pflegebedürftiger Versicherter für die Körperpflege, Ernährung und Mobilität einen anderen Pflegedienst in Anspruch nehmen sollte als für die Leistungen nach § 37 SGB V, beispielsweise die verordnete Medikamentengabe. Eine derartige Aufteilung widerspricht nicht nur der Lebenswirklichkeit. Eine separate Leistungserbringung und -abrechnung wäre auch nach der Rechtsprechung des Senats mit höheren Kosten verbunden und damit unwirtschaftlicher. Das Sozialgericht hat deshalb zutreffend darauf abgestellt, dass ohne vorläufige Regelung die bisherigen Umsatzanteile der Versicherten der Antragsgegnerinnen ständig sinken würden.
Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerinnen ist darauf abzustellen, ob dem Unternehmen der Antragstellerin die vorgenannten unzumutbaren irreversiblen Schäden drohen. Deshalb bedarf es keiner Erörterung der Frage, ob die Existenz der Antragstellerin dadurch gesichert sein könnte, dass sie eine realistische Chance als abhängig beschäftigte Krankenpflegerin bzw. als Arbeitsuchende für eine solche Beschäftigung auf dem Arbeitsmarkt hätte. Denn die Rechtsschutzgarantie aus Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz erstreckt sich auf die vorhandene Position als selbständig tätige Krankenpflegerin und Inhaberin eines ambulanten Kranken- und Pflegedienstes.
Der Ausgang des Hauptsacheverfahrens – dem die Klärung der Fragen vorbehalten ist, ob die Antragsgegnerinnen den Vertrag vom 25.06.1998 wirksam gekündigt haben und ob die Antragsgegnerinnen den Zugang zur Leistungserbringung grundsätzlich von der Beschäftigung von sechs Vollzeitkräften abhängig machen können – ist zu mindest als offen anzusehen. Die Beschwerdeführerinnen können auch nicht mit der von ihnen erhobenen Rüge durchdringen, das Sozialgericht habe gegen die Grundsätze eines fairen Verfahrens verstoßen, insofern es ohne weitere Möglichkeit zur Stellungnahme überraschend entschieden habe. Denn zum einen datiert der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung bereits vom 01.12.2000 und war die zuletzt nachgereichte eidesstattliche Versicherung der Antragstellerin vom 08.02.2001 bereits am 13.02.2001 an die Antragsgegnerinnen bzw. deren Bevollmächtigten abgesandt worden. Zum anderen handelt es sich bei dem für die Beschwerde zuständigen Landessozialgericht ebenfalls um eine Tatsacheninstanz, in der das ergänzende Vorbringen der Antragsgegnerinnen auch in tatsächlicher Hinsicht Berücksichtigung findet.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung der §§ 183, 193 SGG, 421 Bürgerliches Gesetzbuch.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 177 SGG.
Erstellt am: 16.08.2003
Zuletzt verändert am: 16.08.2003