Das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 19. Februar 2001 wird geändert. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 11.800,– DM (entsprechend 6.033,24 Euro) zu zahlen. Der Beklagte hat der Beigeladenen die Kosten des Verfahrens zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Rückforderung von Pflegekosten.
Der Beklagte, der in der Rechtsform eines eingetragenen Vereins eine Pflegeeinrichtung betrieb und einen Versorgungsvertrag nach § 72 des Elften Buchs Sozialgesetzbuch – Soziale Pflegeversicherung – (SGB XI) am 30.01.1997 u.a. mit dem BKK-Landesverband Nordrhein-Westfalen, dem die Klägerin angehört, abgeschlossen hatte, veräusserte durch notariellen Vertrag vom 30.07.1998 zum 01.08.1998 die Pflegeeinrichtung an G … W … und V … L …, handelnd als Gesellschafter bürgerlichen Rechts, deren Rechtsnachfolgerin die Beigeladene ist. Nach dem Vertrag übernahm der Erwerber ab dem Stichtag sämtliche Rechte und Pflichten aus dem bestehenden Pachtvertrag mit dem Grundstückseigentümer sowie sämtliche Rechte und Pflichten aus den bestehenden Heimverträgen mit den Bewohnern des Alten- und Pflegeheims, soweit sie sich auf Perioden nach dem Stichtag bezogen. Soweit hierzu die Zustimmung Dritter erforderlich sein sollte, oblag die Einholung dieser den Vertragsparteien. Die Weigerung der Zustimmung begründete kein Rücktrittsrecht. Der Erwerber war jedoch im Innenverhältnis verpflichtet, den Veräusserer von jeglicher Inanspruchnahme freizustellen und gegebenenfalls die betreffenden Schuldverhältnisse abzuwickeln, wobei ihm in Innenverhältnis die entsprechenden Gegenleistungen aus dem Schuldverhältnis zustehen sollten. Auch die bestehenden Arbeitsverhältnisse gingen mit dem Stichtag auf den Erwerber über. Die Vertragsparteien sollten den Übergang des Alten- und Pflegeheims der zuständigen Behörde unverzüglich anzeigen und der Erwerber war verpflichtet, der zuständigen Behörde alle erforderlichen Unterlagen und Nachweise zu erbringen. Die Untersagung der Betriebserlaubnis infolge des Inhaberwechsels sollte jedoch die Wirksamkeit des Vertrages nicht berühren.
Am 11.08.1998 schloss die Beigeladene als neue Trägerin der Pflegeeinrichtung des Beklagten u.a. mit dem BKK-Landesverband Nordrhein-Westfalen einen Versorgungsvertrag nach § 72 SGB XI mit Wirkung zum 01.08.1998 unter Ablösung des Vertrages vom 30.01.1997.
Trotz entsprechender Mitteilung eines neuen Institutionskennzeichens durch die Beigeladene überwies die Klägerin Anfang 1999 für zwei ihrer Versicherten noch Beträge für Pflegeleistungen und als Entgelt für Unterkunft und Verpflegung in Höhe von 11.800,– DM bis Februar 1999 an den Beklagten. Die Klägerin machte diesen Betrag zunächst durch Erstattungsbescheid vom 13.04.1999 geltend, hob diesen aber auf den Widerspruch des Beklagten auf (Abhilfemitteilung vom 02.09.1999).
Die Klägerin hat am 06.09.1999 vor dem Sozialgericht (SG) Düsseldorf Klage auf Zahlung von 11.800,– DM gegen den Beklagten erhoben. Zur Begründung hat sie vorgetragen, bis Februar 1999 seien irrtümlich noch insgesamt 11.800,– DM an den Beklagten gezahlt worden. Dieser verweigere die Rückzahlung mit der Behauptung, er habe mit der Beigeladenen eine Verrechnungsabrede getroffen. Letzteres sei jedoch von der Beigeladenen nicht bestätigt worden.
Der Beklagte hat demgegenüber behauptet, zwischen ihm und der Beigeladenen sei vereinbart worden, dass ein Ausgleich der von den verschiedenen Sozialleistungsträgern erbrachten Leistungen im Innenverhältnis zwischen den Parteien erfolge.
Die Beigeladene hat letzteres bestritten.
Mit Urteil vom 19.02.2001 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Klage sei mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig, weil die Klägerin ihre Forderung durch Verwaltungsakt habe geltend machen können. Die Klage sei aber auch nicht begründet, weil die Klägerin das ihr hinsichtlich des Rückforderungsanspruchs zustehende Ermessen nicht ausgeübt habe. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe des Urteils Bezug genommen.
Gegen das ihr am 01.03.2001 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 30.03.2001 Berufung eingelegt. Sie ist der Ansicht, dass es an dem für den Erlass eines Verwaltungsaktes erforderlichen Über- und Unterordnungsverhältnis zwischen ihr und dem Beklagten fehle. Ihr Rückforderungsanspruch richte sich auch nicht nach den Verwaltungsverfahrensvorschriften, sondern nach § 812 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB).
Die Klägerin sowie die Beigeladene, die sich der Auffassung der Klägerin angeschlossen hat, beantragen,
das Urteil des SG Düsseldorf vom 19.02.2001 zu ändern und den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 11.800,– DM zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er behauptet, zwischen ihm und der Beigeladenen sei bei Übernahme der Einrichtung ausdrücklich besprochen worden, dass die Zahlungen der Versicherungen zunächst noch an den Beklagten gezahlt werden sollten, um spätere Verrechnungen vorzunehmen. Gegenüber dem zuständigen Sachbearbeiter der AOK Remscheid sei dies auch ausdrücklich mitgeteilt worden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakte der Klägerin Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist begründet, denn der Klägerin steht der geltend gemachte Zahlungsanspruch zu.
Entgegen der Auffassung des SG ist die Klage zulässig. Die Klägerin war nicht befugt, den streitigen Rückzahlungsanspruch durch Verwaltungsakt geltend zu machen. Wie aus den §§ 73 Abs. 2 Satz 2, 74 Abs. 3 Satz 2 Elftes Buch Sozialgesetzbuch – Soziale Pflegeversicherung – (SGB XI) folgt, sind die Ablehnung sowie Kündigung des Versorgungsvertrages zwischen Pflegekasse und Leistungserbringer hoheitliche Akte, im Übrigen besteht aber ein gleichgeordnetes öffentlich-rechtliches Vertragsverhältnis (sog. 2-Stufen- Theorie; vgl. Udsching, Kommentar zum SGB XI, Rdn. 4 zu § 73). Ansprüche aus dem Vertragsverhältnis bzw. solche, die wie hier nach Beendigung des selben aber im Zusammenhang mit diesem entstehen, können daher durch Verwaltungsakt nur geltend gemacht werden, wenn die Behörde (Sozialversicherungsträger) hierzu durch Gesetz oder untergesetzliche Norm ermächtigt ist (vgl. BVerwGE 89, 345; 59, 60; 50, 171). Das SGB XI sowie die hierzu ergangenen landesgesetzlichen Regelungen und Rechtsverordnungen enthalten eine solche Grundlage nicht, wovon auch das SG zu Recht nicht ausgegangen ist.
Aber auch die §§ 45 ff. SGB X – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdaten schutz – bieten eine solche Grundlage nicht. Die insoweit allein in Betracht zu ziehende und vom SG angewendete Vorschrift des § 50 Abs. 2 Satz 1 SGB X, wonach Leistungen, die ohne Verwaltungsakt zu Unrecht erbracht worden sind, zu erstatten sind, erfaßt ausschließlich Sozialleistungen i.S.d. §§ 1, 11 SGB I – Allgemeiner Teil – (BSG SozR 3-1300 § 50 Nr. 24 S. 80). Hierunter fallen aber nur die Vorteile, die nach den Vorschriften , des SGB zur Verwirklichung sozialer Rechte dem Einzelnen zugute kommen sollen, nicht aber Leistungen, die zwischen verschiedenen Leistungsträgern oder aufgrund besonderer Rechtsverhältnisse erbracht werden (BR-Drucks. 305/72 S. 20; BSG SozR 3-1200 § 44 Nr. 7 S. 22). Um letztere handelt es sich hier aber, weil Gegenstand der Rückforderung nicht die dem Versicherten zustehenden Pflegeleistungen, sondern Zahlungen an den Leistungserbringer sind.
Die Klage ist auch begründet.
Der Klägerin steht der Klageanspruch in der geltend gemachten Höhe nach § 61 Satz 2 SGB X i.V.m. § 812 Abs. 1 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) gegen den Beklagten wegen ungerechtfertigter Bereicherung zu. Dieser hatte aufgrund der Veräußerung seiner Pflegeeinrichtung keine Zahlungsansprüche mehr gegen die Klägerin für solche Pflegeleistungen, die nach dem 01.08.1998 erbracht worden sind. Dies folgt daraus, dass der Vertrag zwischen Klägerin und Beklagtem im Zeitpunkt der Zahlung aufgelöst war und letztere für Pflegeleistungen erfolgt ist, die nicht mehr von dem Beklagten erbracht worden sind.
Der Beklagte hat die streitige Summe ohne Rechtsgrund erlangt. Einen solchen stellt auch nicht die von dem Beklagten behauptete Verrechnungsabrede zwischen ihm und der Beigeladenen dar. Dabei kann dahinstehen, ob ein solcher Abtretungsvertrag (§ 398 BGB) schon mangels notarieller Beurkundung unwirksam gewesen wäre, weil er in untrennbarem Zusammenhang mit dem Veräußerungsvertrag und dieser wiederum in einem unlösbaren Zusammenhang mit einem Grundstückskauf stand (Abs. 4 des Vertrages). Ebenso kann auf sich beruhen, ob die Abtretung der Vergütungsansprüche der Pflegeeinrichtung der Genehmigung der Klägerin bedurfte, obwohl weder der Versorgungsvertrag zwischen ihr und dem Beklagten bzw. der Beigeladenen noch der Rahmenvertrag nach § 75 Abs. 1 SGB XI noch die Vereinbarungen nach den §§ 85, 87 SGB XI dies ausdrücklich vorsehen und auch § 399 BGB den Gläubigerwechsel nicht von der Zustimmung des Schuldners abhängig macht, sofern nicht eine gegen teilige Vereinbarung vorliegt.
Eine entsprechende Abtretungsvereinbarung zwischen dem Beklagten und der Beigeladenen ist nämlich schon nicht feststellbar. Der zwischen letzterem geschlossene Vertrag sieht gerade im Gegenteil vor, dass im Innenverhältnis die Gegenleistungen aus den abzuwickelnden Schuldverhältnissen dem Erwerber (Beigeladene) zustehen sollten. Letztere hat eine gegenteilige Vereinbarung auch ausdrücklich bestritten.
Ob möglicherweise mangels frühzeitiger Bekanntgabe des geänderten Institutionskennzeichens durch die Pflegekassen Zahlungen auf die frühere Kontoverbindung des Beklagten erfolgt sind und die Beigeladene dies geduldet hat, kann dahinstehen. Die streitigen Zahlungen sind nämlich erst Anfang 1999 aufgrund einer Fehleingabe des Institutionskennzeichens des Beklagten trotz Kenntnis der neuen Bankverbindung erfolgt, so dass die Zahlung von einer früheren Genehmigung der Beigeladenen nicht hätte erfasst werden können.
Unabhängig davon könnte der Beklagte dem Anspruch der Klägerin die behauptete Verrechnungsabrede nicht entgegenhalten. Auch nach seinem Vorbringen könnte die Vereinbarung nur dahin ausgelegt werden, dass ihm Vergütungen nur insoweit zustehen sollten, wie er Gegenansprüche gegen die Beigeladene hatte. Bei Annahme einer unbeschränkten Abtretung macht nämlich weder die vertragliche Regelung über die Ansprüche der Beigeladenen im Innenverhältnis noch die Angabe eines neuen Institutionskennzeichens durch die Beigeladene, die der Beklagte auch selbst nicht als vertragswidrig bezeichnet hat, einen Sinn. Entsprechende Gegenansprüche, die die Beigeladene auch bestritten hat, hat der Beklagte aber nicht schlüssig dargelegt, denn es nicht einmal im Ansatz begründet worden, woraus solche Gegenforderungen hätten resultieren können.
Da dem Beklagten daher bekannt sein musste, dass die Zahlung ohne Rechtsgrund erfolgt ist, kommt auch eine Beschränkung seiner Inanspruchnahme nicht in Betracht (§ 819 Abs. 1 BGB).
Bei dieser Sach- und Rechtslage brauchten die zunächst von dem Beklagten benannten Zeugen J … und D … nicht gehört werden, zumal ersterer nur über die Beziehungen zwischen dem Beklagten und der Beigeladenen zur AOK hätte Angaben machen können und der Notar D … nicht von der Schweigepflicht entbunden worden ist.
Auf die Berufung der Klägerin musste das Urteil des SG daher geändert und der Klage stattgegeben werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG in der bis zum 02.01.2002 geltenden Fassung.
Anlass für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) bestand nicht.
Erstellt am: 01.10.2003
Zuletzt verändert am: 01.10.2003