Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 29.11.2005 wird zurückgewiesen. Kosten sind auch im zweiten Rechtszug nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist Witwerrente.
Der 1931 geborene Kläger war vom 1.11.1958 bis zu deren Tode mit der 1935 geborenen und am 00.00.1999 verstorbenen D V (im Folgenden: Versicherte) verheiratet. Aus der Ehe gingen die Töchter C (-1959) und B (-1960) hervor. Bis zu ihrer Ausreise in die Bundesrepublik Deutschland am 16.2.1985 lebten und arbeiteten die Eheleute V in der DDR. Der Kläger ist Arzt und war zuletzt als Chirurg in einer Poliklinik tätig. Nach Aufgabe dieser Tätigkeit wegen einer Erkrankung bezog er ab dem 1.3.1975 Invaliditätsrente. Nebenher arbeitete er bis einschließlich Juli 1984 in Teilzeit in der Kreisstelle für Ärztliches Begutachtungswesen und Rehabilitation in E und anschließend bis zur Ausreise als Krankenpfleger in einer kirchlichen Einrichtung. Die Versicherte war in der DDR als Sachbearbeiterin, Arztsekretärin und private Musiklehrerin berufstätig.
Kurze Zeit nach der Übersiedlung in die Bundesrepublik Deutschland wurde der Kläger im Psychiatrischen Landeskrankenhaus H aufgenommen und wegen endogener Depression und Verdachts auf Alkohol- und Medikamentenabusus sowie auf ein beginnendes Korsakow-Syndrom behandelt. Ab März 1985 wurde er im Rehabilitationsbereich der Psychiatrischen Klinik H IV in C behandelt und von dort Mitte Oktober 1985 in den Langzeitwohnbereich der C Anstalten in C entlassen. Dort führte Nervenärztin Dr. W mit ihm von März 1986 bis August 1986 zweimal wöchentlich tiefenpsychologisch fundierte einzeltherapeutische Gespräche durch. Im Juni 1986 begutachtete ihn ein Arzt der medizinisch-psychologischen Untersuchungsstelle C im Rahmen eines Verfahrens auf (Wieder-)Erlangung der Fahrerlaubnis; dabei wurden keine körperliche Anzeichen für einen gewohnheitsmäßigen Alkoholmissbrauch, und keine Hinweise auf eine Suchtgefährdung und auch keine Hinweise für das Vorliegen einer depressiven Phase festgestellt. Ab Juni 1987 besuchte der Kläger die Selbsthilfegruppe des C L in Deutschland e.V. (im Folgenden: C L) in C. Vom 2.3. bis 29.8.1988 fand eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme (wegen Alkoholabhängigkeit vom Gamma-Typ) im D-L-Haus/S statt, von wo der Kläger als geschäftsfähig entlassen wird (Ärztlicher Entlassungsbericht Nervenarzt Dr. U und Diplompsychologin Dr. B vom 17.10.1988). Danach zog der Kläger zum 30.8.1988 in das C-Haus I ein und wechselte am 19.12.1998 in eine Wohngemeinschaft im G Haus des C L in I.
Bereits im März 1985 beantragte der Kläger unter Hinweis auf seine "Depressionen" Rente wegen Erwerbsunfähigkeit. Die Beklagte wertete einen Bericht von Dr. H aus, Oberarzt der Psychiatrischen Kliniken H IV in C, der von einer endogenen Depression mit toxisch bedingtem Hirnabbauprozess berichtete (Behandlungsbericht vom 14.6.1985), und bewilligte Rente wegen Erwerbsunfähigkeit ab dem 1.3.1985 (Bescheide vom 2.8.1985 und 2.4.1986). Am 20.9.1986 erklärten die Eheleute gegenüber der Beklagten durch eine von beiden unterschriebene Formularerklärung, dass das bis zum 31.12.1985 geltende Recht für Witwer- und Witwenrenten aus der gesetzlichen Rentenversicherung für sie auch für die Zeit ab dem 1.1.1986 (weiter-)gelten solle. Mit von ihm unterschriebenem Schreiben vom 25.1.1989 teilte der Kläger der Beklagten mit, dass er seit dem 19. Dezember 1988 im G-Haus des C L wohne und sich deshalb an den Heimkosten beteiligen müsse; er bitte, seine Rente auf das Konto des G-Hauses zu überweisen. Auch im Dezember 1990 und im Februar/März 1992 hat der Kläger in seinen Rentenangelegenheiten unmittelbar mit der Beklagten korrespondiert. Seit dem 1.10.1996 bezieht der Kläger Regelaltersrente in Höhe von – zunächst – DM 2.542,58 (Bescheid vom 29.4.1997),
Die Versicherte bezog ab August 1985 Rente wegen Berufsunfähigkeit und war daneben an der Jugendmusikschule I1 (teilzeit-)beschäftigt. Vom 1.7.1998 bis zu ihrem Tod am 00.00.1999 bezog sie vorgezogene Altersrente in Höhe von DM 1.380,13 (Bescheide vom 6.7. und 8.10.1998 und 14.1.1999).
Beim Kläger wurde auf Anregung des Pflegeheims, in dem er seit 2002 lebte, erstmals mit Beschluss des Amtsgerichts I vom 28.1.2004 eine endgültige Betreuung eingerichtet. Die Entscheidung basierte auf einem Gutachten des medizinischen Sachverständigen C, der die Voraussetzungen für eine Betreuung wegen "Zustand nach cerebralem Insult mit Resthemiparese links, Prostata-Ca., arterielle Hypertonie, KHK und beginnende cerebro-vaskuläre Insuffizienz" bei bestehender Pflegestufe I bejaht hatte (Gutachten vom 16.11.2003). In einem vorangehenden Verfahren hatte derselbe Sachverständige noch die Voraussetzungen für eine Betreuung gegen den Willen des Klägers verneint, weil der Kläger noch in der Lage zu vernünftiger und eigenverantwortlicher Entscheidung war (Gutachten vom 12.12.2002). Im November 2004 wurde der Schwiegersohn B1 T zum Betreuer des Klägers bestellt.
Im Januar 2002 beantragte der Kläger Witwerrente. Die Beklagte lehnte den Antrag ab: Aufgrund der rechtswirksam abgegebenen Erklärung der Ehegatten vom 20.9.1986 gelte weiter das alte, bis zum 31.12.1985 maßgebliche Recht. Danach stehe dem Kläger keine Witwerrente zu, weil die Versicherte den Unterhalt der Familie im letzten wirtschaftlichen Dauerzustand nicht überwiegend bestritten habe (Bescheid vom 29.1.2002; Widerspruchsbescheides vom 26.7.2002).
Mit seiner Klage zum Sozialgericht (SG) Dortmund hat der Kläger geltend gemacht, ihm stehe Witwerrente nach "neuem Recht" zu, da die von ihm und seiner Ehefrau am 20.9.1986 abgegebene Erklärung rechtsunwirksam sei. Er sei bei Abgabe der Erklärung nicht geschäftsfähig gewesen. Wegen seiner schweren psychischen Erkrankung sei er bereits vor der Übersiedlung in die Bundesrepublik Deutschland in dauernder ärztlicher Behandlung gewesen und habe die Tätigkeit als Chirurg krankheitsbedingt aufgeben müssen. Bereits damals sei er alkoholabhängig gewesen. Die Zeugin I G habe schriftlich bestätigt, dass er etwa seit 1985 nicht mehr fähig gewesen sei, die Bedeutung und Konsequenzen seiner Unterschriften abzuschätzen. Sein Gesundheitszustand habe sich auch in der Bundesrepublik immer weiter verschlechtert. Er habe fortlaufend in Anstalten leben müssen, da er nicht in der Lage gewesen sei, sich selbst zu versorgen oder auch nur sauber zu halten. Jedenfalls habe er die Erklärung über das anzuwendende Hinterbliebenenrentenrecht in völliger Unkenntnis der Bedeutung dieser Erklärung unterzeichnet und fechte seine Erklärung daher hilfsweise wegen Irrtums an. Der Kläger hat sich durch die Angaben der Zeugin D1 X bestätigt gesehen.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 29.1.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26.7.2002 zu verurteilen, ihm Witwerrente in Anwendung neuen Rechts nach Maßgabe des § 46 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Es sei nicht feststellbar, dass der Kläger bei Abgabe seiner Erklärung am 20.9.1986 geschäftsunfähig gewesen sei. Es habe durchaus die Möglichkeit bestanden, dass die Ehegatten wegen der Erkrankung des Klägers mit der gemeinsamen Erklärung eine bessere Absicherung der Ehefrau erreichen wollten, um die Versicherte besser abzusichern. Erst im Nachhinein habe sich herausgestellt, dass die Erklärung für ihn rechtlich nachteilig sei.
Das SG hat die Tochter B T als Zeugin gehört und die Klage abgewiesen: Die Beklagte sei zu Recht davon ausgegangen, dass aufgrund der gemeinsamen Erklärung der Eheleute vom 20.9.1986 das bis zum 31.12.1985 geltende Rentenrecht einschlägig sei. Zur Überzeugung der Kammer lasse sich nicht mit der erforderlichen an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit feststellen, dass der Kläger am 20.9.1986 oder auch nur in zeitlichem Zusammenhang zu diesem Datum, an einer Störung der Geistestätigkeit gelitten habe, die seine freie Willensbestimmung ausschloss. Während der Entwöhnungsbehandlung im Sommer 1988 sei der Kläger ausdrücklich als geschäftsfähig eingestuft worden; dies sei aufgrund des aktenkundigen Therapieverlaufs auch schlüssig. Die Zeugin T habe sich sogar vorstellen können, dass ihr Vater noch zum Zeitpunkt der Untersuchung durch den Gutachter C im Jahr 2002 den Sinn und Zweck der Untersuchung erfasst habe (Urteil vom 29.11.2005).
Mit seiner Berufung hat der Kläger weiter Witwerrente nach dem seit dem 1.1.1986 geltenden Recht begehrt, weil er bei Unterzeichnung der Erklärung vom 20.9.1986 geschäftsunfähig gewesen sei. Die behandelnden Ärzte der Psychiatrischen Klinik H IV hätten 1985 nicht die Depression, sondern Einschränkungen der Merkfähigkeit, Konzentrationsstörungen und die rasche Ermüdbarkeit als im Vordergrund stehend angesehen und ihn bei chronischem Alkoholabusus und Verdacht auf Medikamentenabusus für im kognitiven Bereich labil gehalten. Der Befundbericht der Klinik C vom Januar 1986 bestätige seine verminderte Leistungsfähigkeit, Konzentrationsschwäche, morgendliche Antriebsschwäche, Selbstvorwürfe und die bedrückte Stimmung; die Aufnahme in ein beschütztes Wohnen sei notwendig gewesen. Eine Ärztin des Hauses H habe festgestellt, dass er unter einer chronifizierten Depression sowie chronischem, einer Therapie nicht zugänglichem Alkoholmissbrauch gelitten habe (Bericht vom 24.2.1987). Ärztin Dr. X aus C habe im Mai 1987 (gegenüber dem Versorgungsamt C) die Auffassung vertreten, dass sich seine Depression noch nicht ausreichend gebessert habe, so dass noch eine "Minderung der Erwerbsfähigkeit von 100%" bestehe. In einem weiteren Bericht vom August 1987 habe diese Ärztin geschildert, dass bei ihm bereits im Februar/März 1985 zeitweilige Orientierungs- und mnestische Störungen vorlagen. Testpsychologische Untersuchungen hätten Hinweise auf einen hirnorganischen Abbauprozess ergeben. Er sei nicht in der Lage gewesen, ein selbstständiges Leben zu führen. Gegenüber dem Ärztlichen Dienst der AOK C habe Dr. X im Februar 1988 ausgeführt, dass bei ihm eine Alkoholabhängigkeit zwischen kritischer und chronischer Phase vorliege. In der Vergangenheit und bis zur Entgiftungsbehandlung im Sommer 1988 sei es immer wieder zu massiven Alkoholexzessen, teilweise verbunden mit Kontrollverlust, gekommen. Nach dem Entlassungsberichts des D-L-Hauses vom Oktober 1988 sei er zu Beginn der dortigen mehrmonatigen Rehabilitationsbehandlung zu praktisch überhaupt nichts mehr in der Lage gewesen. Auch Nervenärztin Dr. H1 habe im November 1988 bestätigt, dass er aufgrund einer schweren psychischen Veränderung mit depressiver Symptomatik und erheblicher Antriebsminderung bei chronischer Alkoholkrankheit nicht in der Lage gewesen sei, seine persönlichen Angelegenheiten ohne fremde Hilfe zu besorgen. Seine Tochter habe zudem eindrucksvoll beschrieben, dass er bereits seit den siebziger Jahren geistig völlig verwirrt gewesen sei. Seine Schwiegermutter D1 Q habe 2003 schriftlich erklärt, dass er bereits vor der Übersiedlung aus der DDR geistig verwirrt und als "total geschäftsunfähig" anzusehen gewesen sei. Weiter ergebe sich aus Berichten des Hauses G vom 16.2.1988 und 19.12.2000 sowie aus einer Bescheinigung des Internisten Dr. T vom 4.11.2003, dass er unter einem Korsakowsyndrom leide. Seine Ehefrau und er seien stets davon ausgegangen, dass er sie überleben werde, weil in seiner Familie alle Familienmitglieder besonders alt geworden seien. Deshalb habe es für ihn überhaupt keinen Sinn gemacht, die Erklärung vom 20.9.1986 zu unterschreiben. Wäre er geschäftsfähig gewesen, so wäre ihm bewusst gewesen, dass er als Überlebender durch seine Unterschriftsleistung auf eine Witwerrente verzichtete; das hätte er nicht getan. Nach Beweisaufnahme hat er ergänzt, dass nicht dem Sachverständigen Dr. W1, sondern Dr. X zu folgen sei, weil diese sich – wenn auch erst für die Zeit ab 1987 – auf eigene Kenntnis des Klägers und seines Gesundheitszustandes stütze. Der Kläger hat während des Berufungsverfahrens noch ein Schreiben der Bezirksverwaltung für Staatssicherheit E – Kreisdirektion E – vom 15.12.1984 zu den Akten gereicht. Darin werde festgestellt, dass bei ihm bereits zum damaligen Zeitpunkt eine ständig fortschreitende, neurotisch-depressive Nervenkrankheit bestanden habe und "in Wertung der Persönlichkeitseigenschaften, des Gesundheitszustandes und der zunehmenden Verschlimmerung des Krankheitsbildes die volle geistige Zurechnungsfähigkeit nicht mehr gegeben sei." Daraus gehe deutlich hervor, dass er bereits im Dezember 1984 nicht mehr geschäftsfähig gewesen sei.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 29.11.2005 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 29.1.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.7.2002 zu verurteilen, dem Kläger Witwerrente aus der Versicherung seiner verstorbenen Ehefrau D V zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
Berufung zurückzuweisen.
Zwar habe die mit der Depression des Klägers verbundene schwere Antriebsminderung dazu geführt, dass ihm für die Bewältigung des täglichen Lebens die Energie gefehlt habe. Trotzdem sei er durchaus in der Lage gewesen, seinen freien Willen zu äußern. Dies habe auch der behandelnde Nervenarzt Dr. U im Entlassungsbericht vom Oktober 1988 bestätigt und darin die Geschäftsfähigkeit bejaht. Eine Betreuung oder Vormundschaft sei damals nicht für erforderlich erachtet worden. Der Sachverständige Dr. X1 stütze wesentliche Ergebnisse auf Aussagen von Mitarbeitern der Staatssicherheit, die medizinische Laien seien. Die angebliche geistige Unzurechnungsfähigkeit des Klägers sei zudem politisch gewollt gewesen, damit die Übersiedlung der Familie habe befürwortet werden können.
Das Gericht hat Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. X mehrfach als sachverständige Zeugin schriftlich befragt. Sie hat mitgeteilt, sie habe den Kläger erst seit 1987 behandelt, gehe aber bei Zusammenschau aller ihr vorliegenden medizinischen Informationen davon aus, dass im September 1986 bei ihm eine depressive Störung bei sekundärem Alkoholmissbrauch vorgelegen habe. Das ganze psychische Störungsbild sei vermutlich noch auf Boden einer ängstlich, vermeidenden und wahrscheinlich auch abhängigen Persönlichkeitsstörung entstanden. Bei diesen Befunden sei auch jetzt noch, d.h. im Nachhinein, von der Geschäftsunfähigkeit des Klägers im Zeitpunkt der Unterschrift auszugehen (Stellungnahme vom 11.12.2007). Der Alkoholmissbrauch des Klägers sei mal mehr und mal weniger stark gewesen. Die 1986 beschriebenen Einschränkungen von Merkfähigkeit, Aufmerksamkeit, Konzentrationsvermögen und die Zeitgitterstörungen könnten als Einschränkung der Basisfunktionen im Rahmen einer chronifizierten endogenen Depression erklärt werden, machten dann jedoch den chronischen Verlauf der depressiven Störung umso deutlicher. Es habe sich um einen schweren Verlauf mit nihilistischen Gedankeninhalten, massiver Selbstwertproblematik, Antriebseinbußen und erheblichen Einschränkungen der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit gehandelt. Es sei mit "aller höchster Wahrscheinlichkeit" auszuschließen, dass der Kläger zum Unterschriftzeitpunkt im September 1986 geschäftsfähig gewesen sei (Stellungnahme vom 17.9.2008). Weiter hat das Gericht die Therapieunterlagen betreffend die Behandlung des Klägers durch Dr. W in der Zeit vom 16. März bis zum 11. August 1986 beigezogen und durch Nervenarzt Dr. W1 aus W als gerichtlichen Sachverständigen auswerten lassen. Der Sachverständige hat daraus entnommen, dass der Kläger in der Lage gewesen sei, zur Nervenärztin Dr. W eine stabile und positive Übertragungsbeziehung herzustellen. Formale und inhaltliche Denkstörungen, Einschränkungen der Merkfähigkeit und des Gedächtnisses hätten nicht vorgelegen, jedoch eine depressive Störung mit Chronifizierungstendenzen. Es sei davon auszugehen, dass sich die Symptome dieser Störung phasenweise mit massiven Antriebseinbußen, zeitweilig depressiv veränderten Denkinhalten und erheblichen Einschränkungen der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit gezeigt hätten. Weiter habe der Kläger unterschiedlich stark unter Alkoholabusus gelitten, Dr. W habe ein Korsakow-Syndrom jedoch ausgeschlossen. In Kenntnis aller medizinischen Unterlagen und des gesamten Lebenssachverhaltes bestehe kein ausreichender Anhalt, dass beim Kläger im September 1986 hirnorganische Veränderungen vorgelegen haben. Gleiches gelte für eine die freie Willensbestimmung nicht nur vorübergehend ausschließende krankhafte Störung der Geistestätigkeit. Anders als Dr. X sei er nicht der Ansicht, der Kläger habe im September 1986 lediglich eine "intakte äußere Fassade" aufrechterhalten, vielmehr seien die kognitiven Hirnfunktionen weitgehend erhalten gewesen. Bezüglich der geschilderten Verhaltensauffälligkeiten und wiederholter Hinweise auf Störungen des Denkablaufs habe es sich höchstwahrscheinlich um Symptome der depressiven Störung handelt (Gutachten vom 23.6.2008). Die von Dr. X beschriebenen Symptome (erhebliche Selbstwertproblematik, nihilistischen Denkinhalte, Antriebseinbußen sowie Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit) gäben keine Auskunft über die bei der Beurteilung von Geschäftsfähigkeit ganz im Vordergrund stehenden kognitiven Hirnfunktionen wie Auffassungsgabe, Reaktionsvermögen, Gedächtnisleistungen, Konzentrationsfähigkeit und vor allem Kritik- und Urteilsvermögen geben. Zu derartigen Einbußen habe sich Dr. X nicht geäußert. Sie seien mit einer wiederkehrenden depressiven Störung im Sinne dauerhaft anhaltender Funktionseinschränkungen nicht vereinbar und im Übrigen von der Nervenärztin Dr. W für den fraglichen Zeitraum ausgeschlossen worden (Ergänzende Stellungnahme vom 30.9.2008). Auch unter Berücksichtigung der weiteren medizinischen Unterlagen sei von keiner tiefgreifenden Störung der geistigen Funktionen des Klägers auszugehen, die die freie Willensbildung im Jahre 1986 beeinträchtigt haben könnte (2. ergänzende Stellungnahme vom 21.1.2009).
Das Gericht hat die Töchter C V und B T sowie eine Freundin der Familie, D1 X, als Zeuginnen vernommen und Arzt für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. X1 aus Düsseldorf als weiteren Sachverständigen eingeschaltet. Dieser führte aus, der Kläger habe seit Ende der 60er Jahre an einer schweren Psychose gelitten, die zu schweren Beeinträchtigungen seiner geistigen und seelischen Funktionen geführt habe. Bereits seit Mitte der 80er Jahre habe sich der Kläger in einem Zustand seelisch-geistiger Beeinträchtigung befunden, der seine freie Willensbildung und die Fähigkeit, nach dieser zu handeln, massiv beeinträchtigt habe. Dr. W1 habe noch nicht über sämtliche Informationen verfügt und zudem die chronisch defizitäre Basisstörung, die von der zusätzlich zu diskutierenden alkoholtoxisch-hirnorganischen Störung getrennt betrachtet werden müsse, unzureichend bewertet. Bereits die chronisch psychische Erkrankung des Klägers allein rechtfertigte die Einrichtung einer Betreuung nach dem Betreuungsgesetz. Dafür bedürfe es keiner hirnorganischen Einschränkung, es genügten typische, chronische Defizite bei ansonsten erhaltener Leistungsfähigkeit (Gutachten vom 22.1.2010; ergänzende Stellungnahme vom 2.3.2010).
Der als weiterer Sachverständiger eingeschaltete Nervenarzt und Psychotherapeut H2 aus Bad T hat ausgeführt, dass sich aus den vorliegenden Unterlagen der Verlauf einer zunehmend qualifizierten psychischen Störung ergebe. Im Zusammenhang mit den depressiven Symptomen sei es phasenweise immer wieder zu vermehrtem Alkoholkonsum gekommen. Insgesamt ergebe sich aus sämtlichen Befunden – zumindest bis 1988 – eine phasenhaft verlaufende psychische Störung. Ein Korsakow-Syndrom sei von Dr. W dezidiert ausgeschlossen worden. Auch im Rahmen der stationären Entwöhnungsbehandlung im Jahre 1988 habe eine Kurztestung keinen Hinweis auf einen relevanten hirnorganischen Abbau ergeben. Für 1986 seien somit eine wiederkehrende depressive Störung mit zum Teil schweren depressiven Episoden und eine Alkoholabhängigkeitserkrankung zu diagnostizieren. Anhand der vorliegenden Unterlagen und Informationen sei nicht sicher abzuschätzen, wie das Befinden des Klägers konkret am 20.9.1986 bei Abgabe der strittigen Erklärung gewesen sei. Dr. X1 habe den phasenhaften Verlauf der Erkrankung des Klägers nicht adäquat berücksichtigt, deshalb sei Dr. W1 zu folgen (Gutachten vom 17.3.2011). Beim Kläger habe bei Abgabe der Willenserklärung vom 20.9.1986 auch keine partielle Geschäftsunfähigkeit vorgelegen. Vielmehr ließen sich die vom Gericht geschilderten Umstände (Nachgeben gegenüber dem Ausreisewunsch der Familie, Schuldgefühle gegenüber seiner Familie etc) unproblematisch durch die nachgewiesene Depression und damit einhergehenden Beeinträchtigungen wie Antriebslosigkeit erklären (ergänzende Stellungnahme vom 14.9.2011).
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitverhältnisses wird auf die Gerichtsakten sowie die Verwaltungsvorgänge der Beklagten und die Betreuungsakte des Amtsgerichts I mit dem Aktenzeichen (Az) U XVII 47 (auszugsweise in Ablichtung) Bezug genommen, die sämtlich Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
I. Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Zu Recht hat das SG die Klage abgewiesen. Der Kläger ist durch den Bescheid der Beklagten vom 29.1.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.7.2002 nicht beschwert, § 54 Abs 2 S 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Dieser Bescheid ist nicht rechtswidrig, weil der Kläger keinen Anspruch auf große Witwerrente hat.
Nach dem im Zeitpunkt des Versicherungsfalls geltenden Recht des SGB VI hätte der Kläger grundsätzlich Anspruch auf (große) Witwerrente dem Grunde nach (im Folgenden 1.). Zu Recht hält die Beklagte dem aber rechtshindernd entgegen, dass dieses Recht nicht zur Anwendung kommt, weil der Kläger und die Versicherte am 20.9.1986 rechtsgestaltend und unwiderruflich erklärt haben, für sie solle auch nach der zum 1.1.1986 eingetretenen Rechtsänderung das alte, bis zum 31.12.1985 maßgebliche Recht fortgelten (im Folgenden 2.). Die Gegeneinwendung des Klägers, seine Erklärung vom 20.9.1986 sei rechtsunwirksam, weil er im Zeitpunkt der Abgabe mindestens partiell geschäftsunfähig gewesen sei, greift nicht durch, da nicht erwiesen ist, dass der Kläger bei Abgabe der Erklärung geschäftsunfähig war (im Folgenden 3a.). Der Kläger hat die Erklärung auch nicht wirksam angefochten (im Folgenden 3b.). Nach dem damit maßgeblichen, für den Kläger über den 31.12.1985 hinaus weitergeltenden Recht hat der Kläger keinen Anspruch auf Witwerrente (im Folgenden 4.).
1. Der Anspruch auf Witwerrente beurteilt sich grundsätzlich nach dem im Zeitpunkt des Versicherungsfalls maßgeblichen Recht. Im Zeitpunkt des Todes der Versicherten (September 1999) war dies § 46 Abs 2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) in der ursprünglichen, seit dem 1.1.1992 geltenden Fassung des Artikel 1 des Gesetzes v. 18. Dezember 1989 (BGBl I S 2261, 1990 I S 1337). Danach haben nach dem Tode des versicherten Ehegatten, der die allgemeine Wartezeit erfüllt hat, Witwen oder Witwer, die nicht wieder geheiratet haben, Anspruch auf große Witwen- oder Witwerrente, wenn sie [ ] das 45. Lebensjahr vollendet haben oder berufsunfähig oder erwerbsunfähig sind.
Diese Voraussetzungen liegen hier vor, weil der Kläger, der nicht wieder geheiratet hatte, im Zeitpunkt des Versicherungsfalls sowohl das 45. Lebensjahr vollendet hatte als auch erwerbsunfähig war und die Versicherte die allgemeine Wartezeit erfüllt hatte. Gleichwohl ist das Stammrecht auf Witwerrente (der Anspruch "dem Grunde nach") nach dieser Vorschrift nicht entstanden, weil hier – ausnahmsweise – nicht das im Zeitpunkt des Versicherungsfalls geltende Recht, sondern das am 31.12.1985 geltende Recht maßgeblich ist.
2. Zu Recht wendet die Beklagte ein, der streitige Anspruch beurteile sich nicht nach dem zum Zeitpunkt des Versicherungsfalls maßgeblichen Recht, weil der Kläger und die Versicherte mit ihrer Erklärung vom 20.9.1986 für die Weitergeltung des bis dahin geltenden Rentenrechts optiert haben.
Mit dem Hinterbliebenenrentenrecht strukturell ändernden Hinterbliebenen- und Erziehungszeiten-Gesetz vom 11.7.1985 – HEZG (BGBl 1985 I, S 1450ff), das zum 1.1.1986 in Kraft getretenen ist (Art 14 HEZG), hat der Gesetzgeber (aus Gründen des Vertrauensschutzes) versicherten Ehegatten, die das 50. Lebensjahr vollendet hatten, die (vorübergehende, da bis zum 31.12.1988 befristete) Befugnis eingeräumt, kraft unwiderruflicher rechtsgestaltender Erklärung für die Weitergeltung des zuvor geltenden Rechts zu optieren und dadurch das für sie im Zeitpunkt des Versicherungsfalls "Tod eines Ehegatten" maßgebliche Recht zu wählen, Art 2 § 17 a § 2 S 1 Angestelltenversicherungs-Neuregelungsgesetz – AnVNG in der Fassung des HEZG. Damit bestand inbesondere die Möglichkeit, versicherten Ehefrauen den erleichterten Zugang zur Witwenrente in Fallgestaltungen zu erhalten, in denen die bisherigen Erwerbsbiografien dies als vorteilhaft nahe legten. Von dieser Befugnis haben der Kläger und die Versicherte Gebrauch gemacht.
Der Kläger und seine Ehefrau, die Versicherte, haben am 20.9.1986 gegenüber der Beklagten als dem für sie beide zuständigen Rentenversicherungsträger übereinstimmend erklärt, dass für sie die am 31.12.1985 geltenden Vorschriften für Renten an Witwen und Witwer weiter anzuwenden sein sollen, Art 2 § 18 Abs. 3, Art 2 § 17 a Abs 3 AnVNG idF des Art 4 Nr 2 HEZG vom 11.7.1985. Dazu waren sie berechtigt, da sie beide vor dem 1.1.1936 geboren waren und die Ehe vor dem 1.1.1986 geschlossen und nicht wieder geschieden war.
Die Einwendung des Klägers, die Beklagte habe diese Erklärung nicht im Original vorgelegt, ist unerheblich, solange – wie hier – die Abgabe der Erklärung nicht substantiiert (vgl dazu § 202 SGG iVm § 138 Abs 4 Zivilprozessordnung (ZPO)) bestritten wird. Daran, dass (auch) der Kläger die Erklärung am 20.9.1986 abgegeben hat, bestehen für den Senat keine Zweifel. Es gibt keinen Anhalt dafür, dass dem von der Beklagten reproduzierten Erklärungsformular kein (vom Kläger) unterschriebenes Original zugrunde lag. Der Senat hat auch keine ernsthaften Zweifel, dass der Kläger die Erklärung unterschrieben hat, da signifikante Unterschiede zwischen im Original vorliegenden Unterschriften des Klägers und seiner Unterschrift auf der Erklärung vom 20.9.1986 nicht zu erkennen sind.
3. Der Kläger und der Versicherte haben die Erklärung nach Art 2 § 17a Abs 2 S 1 AnVNG am 20.9.1986 auch wirksam abgegeben.
a. Die Gegeneinwendung des Klägers, er habe die Erklärung am 20.9.1986 nicht rechtswirksam abgegeben, weil er zum Zeitpunkt der Abgabe (zumindest partiell) geschäftsunfähig gewesen sei, greift nicht durch, weil nicht erweislich ist, dass der Kläger bei der Abgabe seiner Erklärung geschäftsunfähig war.
Grundsätzlich bedürfen beweispflichtige Tatsachen des Vollbeweises, dh der an Gewissheit grenzenden Wahrscheinlichkeit. Eine Tatsache ist danach bewiesen, wenn sie in so hohem Grade wahrscheinlich ist, dass alle Umstände des Falles nach vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens und nach der allgemeinen Lebenserfahrung geeignet sind, die volle richterliche Überzeugung zu begründen (vgl Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer. SGG. Kommentar, 9. Aufl. 2008, § 128 RdNr 3b mwN). Hier lässt sich nach dem Gesamtergebnis der Beweisaufnahme nicht mit der erforderlichen, an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit feststellen, dass der Kläger im Zeitpunkt der Abgabe der Erklärung geschäftsunfähig war. Dies wirkt sich beweisrechtlich zu seinem Nachteil aus. Nach dem Grundsatz der objektiven Beweislast trägt nämlich derjenige den Nachteil der Nichterweislichkeit einer entscheidungserheblichen Tatsache (hier: Geschäftsunfähigkeit), der aus dieser Tatsache eine für ihn günstige Rechtsfolge (hier: Unwirksamkeit der Erklärung) herleitet (Grundsatz der objektiven oder materiellen Beweislast, vgl Keller. AaO. § 118 Rdnr 6; Leitherer. Ebenda. § 103 Rdnr 19a mwN).
Aus dem Gesamtergebnis der Beweisaufnahme ergibt sich zunächst, dass Beweismittel, die die Haupttatsache (Geschäftsunfähigkeit des Klägers am 20.9.1986) beweisen, wie etwa zeitnahe ärztliche Unterlagen, die die Geschäftsunfähigkeit an diesem Tag oder zeitnah zu diesem Tag belegen, nicht vorhanden sind. Der Kläger selbst hat zutreffend eingeräumt, dass insoweit "handfeste ärztliche Stellungnahmen nicht mehr zu ermitteln waren" (Schriftsatz vom 19.11.2004). Die erwiesenen Hilfstatsachen lassen zur Überzeugung des Senats nicht den sicheren (Rück-)Schluss zu, dass der Kläger am 20.9.1986 geschäftsunfähig war. Bereits die Auswertung aller vorliegenden ärztlichen Berichte lässt nach der zutreffenden Beurteilung insbesondere der Sachverständigen Dr. W1 und H2 einen solchen Schluss nicht sicher erscheinen. Aus ihnen ergibt sich, dass der Kläger etwa seit 1975 an die Lebens- und Gestaltungsfähigkeit erheblich einschränkenden psychiatrischen Erkrankungen gelitten hat, deren jeweiliger Ausprägungsgrad aber durchaus unterschiedlichen war, und die aus ärztlicher Sicht zu keinem Zeitpunkt Veranlassung geboten haben, über eine Vormundschaft oder Pflegschaft oder – später – Betreuung ernsthaft nachzudenken. Gerade für das Jahr 1986 deuten die verfügbaren Hilfstatsachen eher darauf hin, dass die Erkrankungen in dieser Zeit weniger stark ausgeprägt waren. Auch im Übrigen liegen negativ ergiebige Tatsachen vor, die die Überzeugung hindern, dass der Kläger seit 1975 bzw spätestens seit 1985 unter Krankheitserscheinungen litt, die einen Zustand andauernder (und damit auch den 20.9.1986 umfassender) Geschäftsunfähigkeit begründen.
Für die Beurteilung der Wirksamkeit der Erklärung des Klägers vom 20.9.1986 gelten die Regeln des Bürgerlichen Rechts über das wirksame Zustandekommen, die Abgabe und den Zugang von Willenserklärungen (Gürtner in: Kass Kommentar, SGB VI, § 303 Rdnr 12). Ob der Kläger bei Abgabe seiner Willenserklärung nicht geschäftsfähig war, richtet sich somit nach § 104 Bürgerliches Gesetzbuch ((BGB); BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 32 S 64). Das wäre nach § 104 Nr 2 BGB dann der Fall, wenn er sich damals in einem die freie Willensbestimmung dauerhaft und nicht nur vorübergehend ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit befunden hätte. Diese Voraussetzungen wären erfüllt, wenn der Kläger am 20.9.1986 nicht in der Lage gewesen wäre, seine Entscheidungen von vernünftigen Erwägungen abhängig zu machen (Ellenberger in: Palandt, BGB, 69. Aufl. 2010, § 104 Rdnr 5; BSG, Beschluss vom 5.5.2010, Az B 6 KA 49/90 B). Dabei genügte, wenn beim Kläger am 20.9.1986 zwar keine volle, aber eine partielle Geschäftsunfähigkeit (z.B. betreffend Angelegenheiten seiner Familie oder Behördenangelegenheiten) bestand. Der Ausschluss der freien Willensbetätigung kann sich nämlich je nach der Natur der krankhaften Störung auch auf nur einzelne, gegenständlich abgrenzbare Lebensbereiche beschränken (BVerfG NJW 2003, 1382, 1383; BGH NJW 1970, 1680, 1681; BGHZ 30, 112, 117 f; 18, 184, 186 f; RGZ 162, 233, 239; BayObLG NJW 1992, 2100, 2101; NJW 1989, 1678). Aber selbst das lässt sich nicht sicher feststellen.
Zur Überzeugung des Senates litt der Kläger zur Zeit der Abgabe der Willenserklärung am 20.9.1986 unter einer wiederkehrenden depressiven Störung mit zum Teil schweren Episoden und einer Alkoholabhängigkeit. Diese Diagnosen haben alle Sachverständigen übereinstimmend gestellt. Keiner der den Kläger damals behandelnden Ärzte – weder Dr. W in ihren sehr ausführlichen Gesprächsaufzeichnungen bis August 1986 noch Dr. H im Befundbericht der Psychiatrischen Klinik H IV vom 14.6.1985 noch Dr. U oder Dipl.-Psychologin Dr. B im Befundbericht vom Oktober 1988 noch Dr. S oder Dr. H im Entlassungsbericht der Psychiatrischen Klinik H IV vom 25.11.1985 noch die Ärztin des Hauses H im Schreiben an den LWL vom 24.2.1987 und auch nicht die Nervenärztin Dr. X in ihren gutachterlichen Stellungnahmen vom 11.12.2007 sowie vom 17.9.2008 – haben weitere, die freie Willlensbestimmung des Klägers ausschließende Gesundheitsstörungen – insbesondere kein Korsakowsyndrom – festgestellt. Soweit im Bericht des Hauses G vom 16.2.1988 und im Arztbericht von Dr. X aus August 1987 – zum Teil bereits für die Zeit ab 1985 – von Hinweisen auf einen hirnorganischen Abbau die Rede gewesen ist, haben sich diese bei Überprüfung nicht bestätigt. Vielmehr hat Nervenärztin Dr. W aufgrund ihrer intensiven Gesprächstherapie von März 1986 bis August 1986 (wöchentliche zwei Sitzungen a 45 min) dezidiert dargelegt, dass und warum eine entsprechende Schädigung des Gehirns des Klägers zumindest damals noch nicht vorlag. Im D-L-Haus ist 1988 eine Kurztestung des Klägers erfolgt, die ebenfalls keinen Hinweis auf bestehende relevante hirnorganische Abbauprozesse ergeben hat.
Die Nervenärztin Dr. X hat zwar neben der diagnostizierten Depression und Alkoholabhängigkeit noch von einer vermeidenden, abhängigen Persönlichkeitsstörung des Klägers gesprochen (gutachterliche Stellungnahme vom 11.12.2007). Hierbei hat es sich jedoch lediglich um eine Verdachtsdiagnose ("vermutlich") gehandelt, die zudem von keinem der Sachverständigen geteilt wird und auf die die Ärztin Ihre Beurteilung zur Geschäftsfähigkeit des Klägers auch nicht maßgeblich stützt.
Soweit der Sachverständige Dr. X1 eine erhebliche psychische Basisstörung im Sinne eines Residualsyndroms, wie sie bei Patienten mit schizophrener Erkrankung vorlägen, in seinem Gutachten und seiner ergänzenden Stellungnahme beschrieben hat, ist das nicht überzeugend. Allenfalls ist mit den Sachverständigen Dr. W1 und H2 festzustellen, dass sich eine solche Störung möglicherweise im weiteren Verlauf, das heißt nach Abgabe der strittigen Erklärung, entwickelt haben könnte, 1986 aber noch nicht (sicher) bestand. Das ergibt sich zum einen aus der differenzierten und fundierten Darstellung der Nervenärztin Dr. W sowie dem Entlassungsbericht des D-L-Hauses von 1988, die eine solche Störung ausgeschlossen haben. Zum anderen ist eine solche Störung von keinem der zahlreichen den Kläger in den 80er Jahren behandelnden Mediziner erwähnt worden.
Die danach feststehenden Gesundheitsstörungen des Klägers (wiederkehrende depressive Störung und Alkoholabhängigkeit) waren bei Abgabe der Willenserklärung am 20.9.1986 zur Überzeugung des Senats nicht nachweislich derart gravierend, dass für diesen Zeitpunkt von einer Geschäftsunfähigkeit sicher ausgegangen werden kann. Dies entspricht der Auffassung aller Sachverständigen. Der Sachverständige Dr. X1 vertritt nur scheinbar eine andere Ansicht, wenn er in seinem Gutachten vom 20.1.2010 davon spricht, der Kläger habe sich bereits vor Zuzug in die Bundesrepublik Deutschland in einem Zustand befunden, der die freie Willensbildung massiv beeinträchtigt habe. Damit sieht der Sachverständige die Geschäftsfähigkeit des Klägers zwar offenbar stärker beeinträchtigt als Dr. W1 und H2. Aber selbst Dr. X1 spricht nicht von einem Ausschluss der freien Willensbildung des Klägers, sondern "lediglich" von deren "massiver" Beeinträchtigung. Das stellt nach dem Wortsinn noch keinen (sicheren) Ausschluss der Willensbildung dar und erfüllt (noch) nicht den Tatbestand der Geschäftsunfähigkeit. Der Sachverständige Dr. X1 trägt dabei mit seiner Relativierung ("massive Beeinträchtigung" statt "Ausschluss" der freien Willensbildung) – ebenso wie die beiden anderen Sachverständigen – dem Umstand Rechnung, dass vorliegend weder durch Zeugenaussagen noch durch Arztberichte oder andere Beweismittel dokumentiert ist, wie sich der Gesundheitszustand des Klägers im Augenblick der Abgabe der Willenserklärung genau am 20.9.1986 darstellte. Alle Sachverständigen sind vielmehr darauf angewiesen, aus (erwiesenen) Hilfstatsachen, insbesondere den medizinischen Informationen, die aus der Zeit vor bzw. nach der Abgabe der Erklärung des Klägers vom 20.9.1986 vorliegen, Rückschlüsse auf die Geschäftsfähigkeit des im Zeitpunkt der Abgabe der Willenserklärung zu ziehen. Erfahrungsgemäß – und so auch im vorliegenden Fall – lassen solche retrospektiven Beurteilungen selten einen sicheren medizinischen Rückschluss zu, sondern belassen Unsicherheiten, die der Annahme entgegenstehen, Geschäftsunfähigkeit habe mit der erforderlichen, an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit vorgelegen.
Entgegen der Auffassung des Klägers hat auch der Sachverständige H2 auf den fehlenden Nachweis der Geschäftsunfähigkeit im September 1986 nicht erst in seiner ergänzenden Stellungnahme, sondern bereits in seinem Gutachten abgestellt und diesen Standpunkt ausführlich begründet. Seine Ausführungen sind folgerichtig und bestätigen den Sachverständigen Dr. W1.
Soweit Nervenärztin Dr. X in ihrer gutachterlichen Stellungnahme vom 17.9.2008 von der (vollen) Geschäftsunfähigkeit des Klägers bei Abgabe der strittigen Willenserklärung ausgeht, überzeugt dies nicht. Die Medizinerin begründet nicht schlüssig, wie sie ohne Kenntnisse vom Gesundheitszustand des Klägers zum damaligen Zeitpunkt und trotz gleicher Diagnosen wie die Sachverständigen H2, Dr. X1 und Dr. W1 (wiederkehrende depressive Störung und Alkoholabhängigkeit mit phasenhaft unterschiedlich starkem Alkoholkonsum) ohne ernstliche Zweifel davon ausgehen können will, der Kläger sei damals geschäftsunfähig gewesen. Zwar trifft es zu, dass die Nervenärztin – anders als die drei Sachverständigen – den Kläger relativ zeitnah zum relevanten Zeitpunkt der Abgabe der Willenserklärung selbst behandelt hat. Diese Nähe ist jedoch äußerst relativ; die Behandlung des Klägers durch sie fand nämlich erst im August 1987 statt und damit fast ein ganzes Jahr nach Abgabe der zu beurteilenden Willenserklärung. Sichere Rückschlüsse auf die Geschäftsfähigkeit des Klägers im September 1986 sind bei einem derart großen zeitlichen Abstand nicht möglich. Insbesondere steht nicht fest, ob der Gesundheitszustand des Klägers zu beiden Zeitpunkten auch nur annähernd identisch war. Dagegen spricht der nach Auffassung aller Sachverständigen phasenhafte Verlauf der Erkrankungen des Klägers. Konkret zeigt sich dies daran, dass sich der Gesundheitszustand im Jahr 1986 ausweislich der sehr ausführlichen, ein halbes Jahr umfassende Behandlungsdokumentation der Nervenärztin Dr. W als relativ gut darstellte; formale und inhaltliche Denkstörungen, Einschränkungen der Merkfähigkeit und des Gedächtnisses haben damals nicht vorgelegen, der Kläger war zur kritischen Selbstreflexion und zum Aufbau einer Übertragungsbeziehung zur Nervenärztin in der Lage. Die Familie des Klägers hat 1986 sogar den Versuch unternommen, ihn wieder in den Besitz einer Fahrerlaubnis zu bringen. Hintergrund war offenbar, dass der Kläger – so die Zeugin B T – 1986 deutlich weniger als in anderen Jahren getrunken hat. Entsprechend wurden im Juni 1986 im Rahmen der durch die medizinisch-psychologische Untersuchungsstelle C veranlassten Begutachtung des Klägers keine körperlichen Zeichen für einen gewohnheitsmäßigen Alkoholmissbrauch festgestellt. Für die Behauptung des Klägers, hierbei handele es sich um ein reines Gefälligkeitsgutachten ohne jede tatsächliche Grundlage, fehlt es an Anhaltspunkten; im Gegenteil, das Gutachten passt ins Gesamtbild der medizinischen Befunde und Zeugenaussagen betreffend das Jahr 1986.
Dieser relativ gute Gesundheitszustand hat sich dann offenbar im Laufe des Jahres 1987 wieder deutlich verschlechtert; der Kläger schloss sich einer Selbsthilfegruppe des C L an und musste sich 1988 sogar einer Alkoholentwöhnungsmaßnahme unterziehen. Dass die Nervenärztin Dr. X bei einem derart phasenhaften Verlauf, bei allenfalls eingeschränktem Alkoholkonsum, bei nur in geringem Maße durch die Depression eingeschränkten kognitiven Fähigkeiten im Gegensatz zu allen Sachverständigen ohne ernsthafte Zweifel davon überzeugt sein will, der Kläger sei bei Abgabe der Willenserklärung im September 1986 geschäftsunfähig gewesen, überzeugt nicht. Eine Begründung hierfür fehlt vollständig, ebenso für das Abweichen ihrer Einschätzung von der Beurteilung der Leistungsfähigkeit des Klägers durch die Nervenärztin Dr. W im Zeitraum von März bis August 1986, des Nervenarztes Dr. U und der Dipl.-Psychologin Dr. B, beide im Oktober 1988. Dabei ist zu bedenken, dass die Nervenärztin Dr. W den zeitnächsten Eindruck vom Kläger wiedergibt (Behandlung bis einen Monat vor Abgabe der Willenserklärung) und bis dahin kein Anhalt für die von Dr. X vermuteten mental depressiven Einschränkungen des Klägers bestand. Auch berücksichtigt die Nervenärztin nicht, dass nach den offenbar gesundheitlich schwierigeren Jahren 1987 und 1988 sich der Gesundheitszustand des Klägers nach der Alkoholentwöhnung offenbar wieder deutlich gebessert hat, so dass dem Entlassungsbericht des C-hauses I zu entnehmen ist, dass der Kläger sich in Bezug auf Selbstständigkeit, Essenszubereitung, Orientierung etc gut entwickelt und zurecht gefunden hat. Auch der Rehabilitationsentlassungsbericht des D-L-Hauses vom 29.8.1988 – auf den der Kläger sich ua stützt – und die darin geschilderte relativ schnelle Stabilisierung des Zustands des Klägers sowie seine "gute" Verfassung bei Beendigung der Rehabilitation am 29.8.1988 zeigen, dass beim Kläger kein schlechter Dauerzustand mit anhaltend erheblichen, krankhaften Störungen der Geschäftsfähigkeit vorgelegen hat, dass ohne irgendwelche Kenntnisse von der genauen Verfassung des Klägers am 20.9.1986 eine verlässliche Aussage dahin getroffen werden könnte, der Kläger sei damals geschäftsunfähig gewesen (Sachverständiger H2). Im Entlassungsbericht vom 17.10.1988 heißt es sogar explizit, der Kläger habe keine Bevormundung gewollt und nicht mit psychisch Kranken zusammenleben wollen.
Der Kläger trägt wiederholt vor, dass er seit seiner Einreise in die BRD durchgängig in psychiatrischen Anstalten leben musste, weil er aufgrund seiner psychischen Erkrankung nicht imstande war, für sich selbst zu sorgen. Das allein genügt jedoch nicht, um von einer Geschäftsunfähigkeit im September 1986 ausgehen zu können. Die Fähigkeit, Entscheidungen von vernünftigen Erwägungen abhängig zu machen (Geschäftsfähigkeit), wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass der Kläger sich nicht (durchgängig) um die eigene Versorgung und Hygiene kümmern konnte.
Die Geschäftsunfähigkeit des Klägers folgt auch nicht etwa aus den Aussagen der Zeuginnen D1 X, B T und C V oder den schriftlichen Angaben der Frau I G. Insoweit ist zunächst zu bedenken, dass die Angaben im Wesentlichen von Laien stammen, die selbst keine wissenschaftlich fundierten Aussagen über die Geschäftsfähigkeit des Klägers treffen können. Zudem enthalten die Aussagen/Angaben im Wesentlichen Wertungen ("war nicht mehr geschäftsfähig", "völlig antriebslos", "verwirrten Eindruck", "apathisch" etc), die die wissenschaftlich fundierten Einschätzungen nicht zu entkräften vermögen. Das auch deshalb, weil nicht feststeht, dass überhaupt ein – und ggf. welches – von den Zeuginnen geschildertes Verhalten des Klägers zeitnah zur Willenserklärung im September 1986 erfolgte. Schließlich kann aus keinem der geschilderten Verhalten (zT, insbesondere vor dem Zuzug in die BRD, gewalttätiges Handeln gegenüber Familienmitgliedern, Antriebslosigkeit, teilweise "fabulatorische" Begriffsverwendung etc) – selbst wenn man alle vorstehenden Bedenken ausblendet – sicher darauf geschlossen werden, der Kläger sei bei Abgabe der Willenserklärung im September geschäftsunfähig gewesen, weil sein Wille aufgrund der psychischen Erkrankungen durch für ihn unkontrollierbare Triebe und Vorstellungen bestimmt wurde (BGH NJW 1970, 1680, 1681; NJW 1953, 1342; RGZ 69, 71; 103, 399, 401).
Entsprechendes gilt für das Schreiben der Bezirksverwaltung für Staatssicherheit E Kreisdirektion E vom 15.12.1984. Die dortigen Angaben stammen nicht ausschließlich von Medizinern. Eine nervenfachärztlich fundierte Beurteilung seiner Geschäftsfähigkeit ist daraus nicht zu entnehmen. Auch ist im Schreiben der Bezirksverwaltung der Staatssicherheit "nur" davon die Rede, dass die "volle" Zurechnungsfähigkeit des Klägers nicht mehr gegeben sei. Eine teilweise, relative Geschäftsunfähigkeit nur in Bezug auf besonders schwierige oder komplexe Lebenssachverhalte existiert jedoch nicht (BGH NJW 1970, 1680, 1681; BayObLG NJW 1989, 1678, 1679). Im Übrigen lässt sich bei den phasenhaft unterschiedlich starken psychischen Beeinträchtigungen des Klägers aus dem Bericht des Jahres 1984 (wie auch aus den späteren Arztberichten) kein auch nur annähernd sicherer Rückschluss auf den Gesundheitszustand im September 1986 ableiten.
Gegen einen solchen Rückschluss sprechen weitere Tatsachen. So hat der Kläger in der Zeit von 1989 bis 1990 – zumindest gelegentlich – noch selbst sinnvoll mit der Beklagten korrespondiert. Seine Familie hat in der Zeit um das Jahr 1986 niemals erkennbar darauf hingewiesen, dass der Kläger geschäftsunfähig sei, und sich auch später nicht um eine Betreuung bemüht. Vielmehr hat man 1986 sogar mindestens geduldet, dass sich der Kläger um die (Wieder-)Erlangung einer Fahrerlaubnis bemühte. Es ist schwer vorstellbar, dass dies vor dem Hintergrund der Überzeugung erfolgte, der Kläger sei geschäftsunfähig. Dazu passen auch die Aussagen der Zeugin T, der Kläger habe zu dieser Zeit eher weniger getrunken und sei von der Familie regelmäßig nach Hause geholt worden, und der Zeugin X, man habe sich damals mit ihm über kulturelle Dinge unterhalten können, wenn man ihn ansprach. Auch die Aussage, er sei in der Lage gewesen, eine "relativ intakte Fassade" zu präsentieren, lässt gerade nicht den Schluss auf Geschäftsunfähigkeit zu, sondern ist insoweit bestenfalls unergiebig. Erst nachdem der Kläger aufgrund weiterer Erkrankungen pflegebedürftig geworden und vom G-Haus in ein Pflegeheim umgezogen war, bemühte man sich von dort, eine Betreuung einzurichten. Aber selbst im Jahr 2002 vermochte sich der vom AG I eingeschaltete Gutachter C noch nicht vom Vorliegen der Voraussetzungen für eine Betreuung zu überzeugen, weil der Kläger noch in der Lage zu vernünftiger und eigenverantwortlicher Entscheidung war. Damit korrespondiert die Angabe der Zeugin T, sie könne sich gut vorstellen, dass der Kläger denn Sinn und Zweck der Untersuchungen im Betreuungsverfahren erfasst habe.
b. Der Kläger hat seine 1986 zusammen mit der verstorbenen Versicherten abgegebene Willenserklärung über die fortdauernde Anwendbarkeit des bis zum 31.12.1985 geltenden Hinterbliebenenrechts auf ihre Ehe und die daraus ggf. resultierenden Rentenansprüche auch nicht wirksam wegen Irrtums oder Täuschung angefochten, §§ 119, 120, 123, 142 Abs 1 BGB entsprechend. Seine Behauptung, er habe die Tragweite der Erklärung nicht verstanden, hält der Senat für wenig glaubhaft, zumal er nicht mitteilt, welche Erklärung er denn stattdessen abgegeben zu haben glaubte, und auch nicht behauptet, seine Ehefrau habe ihn etwa durch Täuschung zur Abgabe einer für sie günstigen, aber für ihn ungünstigen Erklärung veranlasst. Vielmehr spricht Einiges dafür, dass die Erklärung aus damaliger Sicht sinnvoll war und den Interessen der Eheleute Rechnung trug. Zum Einen war der Kläger 5 Jahre älter als seine Ehefrau, so dass seine – statistische – Lebenserwartung offenkundig niedriger war als die seiner Ehefrau (für deren vorzeitiges Ableben nichts sprach), zum Anderen war der Kläger bereits damals schwer krank, was seine Lebenserwartung – statistisch – weiter reduzierte. Vor diesem Hintergrund ist auch die Behauptung unergiebig, in seiner Familie seien alle Familienmitglieder immer sehr alt geworden. Im Ergebnis kann dahinstehen, ob es sich bei dieser Behauptung um eine reine Schutzbehauptung, einen – behaupteten, aber unbewiesenen – Inhaltsirrtum oder um einen – unbeachtlichen – Motivirrtum handelte. Jedenfalls war die Anfechtungsfrist von 10 Jahren seit der Abgabe der Willenserklärung am 20.9. 1986, die eine nicht verlängerbare Ausschlussfrist darstellt, schon bei Einleitung des Verfahrens weit überschritten, §§ 121 Abs 2, 124 Abs 3 BGB.
4. Nach § 303 S 1 SGB VI (der das bis zum 31.12.1985 geltende Recht fortschreibt) hat der Kläger keinen Anspruch auf Witwerrente. Danach besteht in Fällen, in denen die Ehegatten bis zum 31. Dezember 1988 eine wirksame Erklärung über die weitere Anwendung des bis zum 31.12.1985 geltenden Rechts abgegeben haben, ein Anspruch auf Witwerrente neben den sonstigen Voraussetzungen des geltenden Rechts nur, wenn die Verstorbene den Unterhalt ihrer Familie im letzten wirtschaftlichen Dauerzustand vor dem Tod überwiegend bestritten hat. Der Kläger und die Versicherte haben wie sich aus dem zuvor unter 2. und 3. Gesagten ergibt, eine solche Erklärung wirksam abgegeben. Die Versicherte hat den Unterhalt ihrer Familie im letzten wirtschaftlichen Dauerzustand vor dem Tod (hier: Zeit des gemeinsamen Altersrentenbezugs vom 1.7.1998 bis 00.00.1999) nicht überwiegend bestritten. Aus der Gegenüberstellung der jeweiligen Renteneinkommen ergibt sich, dass das Einkommen der Versicherten auch unter Berücksichtigung ihrer Nebeneinkünfte jedenfalls seit dem 1.1.1998 geringer war als das des Klägers. Sonstige etwa ins Gewicht fallende Beiträge der Versicherten zum Unterhalt der Familie sind weder behauptet noch ersichtlich. Insoweit hat der Kläger auch (wohl) an seinem abweichenden früheren Vortrag nicht (mehr) festgehalten.
II. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183 S 1, 193 S 1 SGG.
III. Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs 1 oder 2 SGG nicht vorliegen. Maßgeblich für die Entscheidung ist vielmehr die Würdigung der konkreten Umstände des Einzelfalls.
Erstellt am: 25.04.2012
Zuletzt verändert am: 25.04.2012