Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 09.08.2017 geändert und die Klage abgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.
Tatbestand:
Streitig ist die Veranlagung der Klägerin zu dem in den Jahren 2012 bis 2017 geltenden 2. Gefahrtarif der Beklagten.
Die Klägerin betreibt ein Unternehmen, welches im Handelsregister mit dem Gegenstand: "Ausführung von Bautenschutzarbeiten, insbesondere Abdichtungen an Bauwerken und Holzschutzarbeiten sowie die Verbindung damit erforderlich werdender Arbeiten und Dienstleistungen sowie der Handel mit entsprechenden Baumaterialien"; ferner Betätigung im Bereich der Umwelttechnik eingetragen ist. Sie wurde zur Handwerksrolle als Unternehmen des Holz- und Bautenschutzgewerbes der Handwerkskammer angezeigt und entsprechend in das Verzeichnis der handwerksähnlichen Gewerbe eingetragen. Zum streitigen Veranlagungszeitpunkt führte das Unternehmen zu ca 83 % Abdichtungs- bzw Beschichtungsarbeiten von Trinkwasserbehältern mit den entsprechenden Vor- und Nebenarbeiten, im Übrigen Tätigkeiten des Holz- und Bautenschutzes wie Schwammsanierung (zu 4,81 %) und Betonsanierung (zu 2,55 %) aus. In ihrem Internetauftritt bietet die Firma neben der Trinkwasserbehältersanierung die Durchführung von Betoninstandsetzung, Bauwerkssanierung, Schwammsanierung und Holzschutz an.
Das Unternehmen der Klägerin ist seit 1966 (seinerzeit mit den Namen "L G, Isolierungen, Holz- und Bautenschutz") Mitgliedsunternehmen der Beklagten. Bis einschließlich 2005 war es mit dem Unternehmenszweig "Bautenschutz- und Isolierung" veranlagt. Im von 2006 bis 2011 geltenden ersten Gefahrtarif der Beklagten erfolgte eine Einstufung zur Tarifstelle 200 ("Bauausbau") in der Gefahrklasse 7,30. Mit Veranlagungsänderungsbescheid vom 16.01.2008 wurde es ab dem 01.01.2008 im Wesentlichen der Tarifstelle 100 ("Errichten von Bauwerken des Hoch- und Tiefbaus") mit der Gefahrklasse 16,10 zugeordnet, nachdem im Rahmen einer Betriebsprüfung festgestellt worden war, dass die Isolierungs- und Abdichtungsmaßnahmen ausschließlich bzw überwiegend im Rahmen von Bausanierungsmaßnahmen durchgeführt wurden. Nachdem in einem Vorprozess (S 14 U 217/08, Sozialgericht – SG – Detmold) die Beklagte darauf hingewiesen worden war, dass der Veranlagungsbescheid vom 16.01.2008 aufgrund Verfristung nach § 45 Abs 3 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB X) aufzuheben sei, erklärte sie sich bereit, den Bescheid zurückzunehmen und führte dies mit Schreiben vom 03.12.2009 aus. Damit war die Klägerin auch seit dem 01.01.2008 weiterhin im Wesentlichen in der Tarifstelle 200 ("Bauausbau") veranlagt.
Zum 01.01.2012 trat der 2. Gefahrtarif der Beklagten, bei welchem es sich, ebenso wie bei dem ersten, um einen gewerbezweigorientierten Tarif handelt, in Kraft. Mit Bescheid vom 25.11.2011 veranlagte die Beklagte das Unternehmen der Klägerin ab dem 01.01.2012 zum Gewerbezweig "Bauwerksbau" zur Gefahrtarifstelle 100 (Gefahrklasse 15,12), den Büroteil zur Tarifstelle 900 (Gefahrklasse 0,44). Mit dem hiergegen eingelegten Widerspruch machte die Klägerin geltend, die Einstufung sei nicht sachgerecht und spiegele nicht den tatsächlichen Tätigkeitsbereich des Unternehmens wieder.
In einem Prüfbericht vom 07.08.2012 vertrat ein Betriebsprüfer der Beklagten die Auffassung, das Unternehmen der Klägerin führe zu etwa 95 % Abdichtungsarbeiten von Trinkwasserbehältern aus. Hierbei handele es sich um die Erneuerung von zuvor entfernten Beschichtungen, die mit Hilfe von Spritzmaschinen sowie durch Aufbringen von Folien, Anstrichen und Fliesen ausgeführt würden. Daraufhin wies die Beklagte mit Widerspruchbescheid vom 25.06.2013 den Widerspruch mit der Begründung zurück, Holz- und Bautenschutz bilde einen Teilbereich des Gewerbezweigs "Bauwerksbau". Dieses Gewerbe betreibe das Unternehmen der Klägerin.
Hiergegen hat die Klägerin am 23.07.2013 Klage zum SG Detmold erhoben und zur Begründung im Wesentlichen vorgetragen, schon generell sei die Einordnung von Unternehmen des Holz- und Bautenschutzes nach der Erläuterungstabelle im Gefahrtarif der Beklagten in die Tarifstelle 100 statt 200 falsch. Nach der technologischen Ausrichtung und dem Gefährdungsrisiko im Zusammenhang mit den in solchen Betrieben ausgeführten Arbeiten sei die Einordnung in die Tarifstelle 200 zutreffend. Die spezifischen Gefährdungsrisiken der Gewerbezweige Hoch-, Brücken-, Tunnel- und Gerüstbau, Dach- und Zimmererarbeiten, die in der Tarifstelle 100 erfasst seien, seien deutlich höher als diejenigen von Betrieben des Bautenschutzes. Zudem würden im Betrieb der Klägerin im Wesentlichen Trinkwasserbehälter abgedichtet. Die hierbei durchgeführten Arbeiten entsprächen nicht denjenigen im Hoch- und Tiefbau und den dortigen typischen Gefahren, sondern vielmehr den typischen Tätigkeiten von Gewerben, die von der Beklagten in die Tarifstelle 200 eingeordnet würden, nämlich Malerarbeiten inclusive Korrosionsschutz, Isolierungsarbeiten, Außenputz- und Innenputzarbeiten sowie Wand- und Bodenbelagsarbeiten. Die Wettbewerber der Klägerin, die zu etwa 50 % aus Malerfachbetrieben bestünden, würden in die Tarifstelle 200 eingeordnet. Jedenfalls der Betrieb der Klägerin sei daher auch dieser Tarifgruppe zuzuordnen.
Das SG hat Beweis erhoben über die Art der von der Klägerin durchgeführten Tätigkeiten durch Einholung eines Gutachtens von dem Dipl.-Ing. K vom 28.11.2016. Der Sachverständige hat den Umfang der durchgeführten Arbeiten im Bereich der Trinkwasserbehältersanierung sowie des übrigen Holz- und Bautenschutzes dargelegt und im Übrigen ua ausgeführt, bei den Arbeiten an den Trinkwasserbehältern gehe es um Instandsetzung der Dichtigkeit der Behälter und Schutz des Trinkwassers. Es handele sich bei diesen Arbeiten um die Entfernung/Instandsetzung der sogenannten Opferschicht, welche dazu diene, die eigentliche Konstruktion vor Schädigungen zu schützen.
Mit Urteil vom 09.08.2017 hat das SG die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 25.11.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.06.2013 verurteilt, das Unternehmen der Klägerin ab dem 01.01.2012 in der Tarifstelle 200 des 2. Gefahrtarifs der Beklagten zu veranlagen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der Gefahrtarif werde nach Tarifstellen gegliedert, in denen Gefahrgemeinschaften nach Gefährdungsrisiken unter Berücksichtigung eines versicherungsmäßigen Risikoausgleichs gebildet werden – § 157 Abs 2 S 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) -. Den Gefahrtarif 2012, den die Vertreterversammlung am 22.06.2011 beschlossen und das Bundesversicherungsamt am 05.07.2011 genehmigt habe, habe die Beklage zwecks Zuteilung der Unternehmensarten zu den Gefahrklassen in 10 Gefahrtarifstellen untergliedert. Er sehe folgende, vorliegend relevante Gefahrtarifstellen vor: Gefahrtarifstelle 100, Gewerbezweig Bauwerksbau, Gefahrklasse 15,12 und Gefahrtarifstelle 200, Gewerbezweig Bauausbau und Fertigteilherstellung, Gefahrklasse 7,48. Teil II Nr 1 Abs 1 des Tarifs regele, dass die Veranlagung eines Unternehmens zur Gefahrklasse durch seine Zugehörigkeit zu einer Unternehmensart bestimmt werde. Diese richte sich ausschließlich nach Art und Gegenstand des Unternehmens. Der als Satzung erlassene Gefahrtarif unterliege gerichtlicher Kontrolle und sei als autonomes Recht nur daraufhin überprüfbar, ob er mit der gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage und sonstigem höherrangigem Recht vereinbar sei. Dem Unfallversicherungsträger sei innerhalb der gesetzlichen Grenzen ein gerichtlich nicht überprüfbarer nicht zu eng zu bemessender Entscheidungs- und Gestaltungsspielraum eingeräumt, innerhalb dessen er sich für die seines Erachtens zweckmäßigste, vernünftigste und gerechteste gefahrtarifliche Regelung entscheiden dürfe. Im Rahmen ihrer Satzungsautonomie und in Übereinstimmung mit den gesetzlichen Vorgaben habe sich die Beklagte in nicht zu beanstandender Weise entschlossen, den Gefahrtarif nach Gewerbezweigen zu gliedern. Er begegne weder im Hinblick auf das Gewerbezweigprinzip, noch hinsichtlich der Aufgliederung in 10 Gefahrtarifstellen, noch bezüglich der Zusammenfassung einzelner Risikogemeinschaften in der jeweiligen Gefahrtarifstelle oder der jeweils errechneten Gefahrklasse rechtlichen Bedenken. Es sei nicht zu beanstanden, wenn die Beklagte die Gewerbe "Bauwerksbau" und "Bauausbau und Fertigteilherstellung" in verschiedene Gewerbezweige aufgliedere. Schon die Unterschiedlichkeit der Gefahrklassen belege, dass sich in diesen Gewerbezweigen unterschiedliche Gefahren verwirklichten. Insoweit bestehe auch ein weiter Regelungsspielraum, der selbst bei einer Differenz des Gefährdungsrisikos von 33,3 % noch nicht überschritten werde. Ein Anhalt dafür, dass die in den Gewerbezweigen "Bauwerksbau" und "Bauausbau und Fertigteilherstellung" jeweils zusammengefassten Unternehmen untereinander ein stärker abweichendes Gefährdungsrisiko aufwiesen, gebe es nicht. Die Beklagte habe den formell und materiell rechtmäßigen Gefahrtarif bei der Veranlagung der Klägerin jedoch fehlerhaft angewendet, denn diese sei in der Gefahrtarifstelle 200 zu veranlagen. Sie führe zu mindestens 83,37 % die Abdichtung von Trinkwasserbehältern in der vom Sachverständigen beschriebenen Art und Weise durch. Mit diesen Arbeiten sei die Tätigkeit der Klägerin aber dem Gewerbezweig "Bauausbau und Fertigteilherstellung" zuzuordnen. Der Wortlaut der Regelung des Gefahrtarifs 2012 unterscheide im Wesentlichen zwischen "Bau" und "Ausbau". Letzterer setze denknotwendig ein bereits vorbestehendes Bauwerk voraus. Dem Begriff Bau bzw Bauen wohne hingegen die Bedeutung "Erbauen, Errichten, Erstellen" inne. Ausgehend hiervon verrichte die Klägerin eben keine Bauarbeiten, sondern Arbeiten des Bauausbaus. Dies werde durch die systematische Auslegung bestätigt. Aus den ATV DIN 18363 – Maler- und Lackierarbeiten-Beschichtungen (VOB Teil C) ergebe sich, dass die von der Klägerin verrichtete Abdichtung von Trinkwasserbehältern dem Malerhandwerk zuzuordnen sei. Es sei unerheblich, dass die Beklagte in ihren "Erläuterungen und Arbeitshilfen zum 2. Gefahrtarif" die Auffassung vertrete, die Abdichtung von Bauwerken bzw der Holz- und Bautenschutz sei der Tarifstelle 100 zuzuordnen, denn die Arbeitshilfen nähmen an der Satzungsqualität des Gefahrtarifs nicht teil.
Die Beklagte hat gegen das ihr am 15.09.2017 zugestellte Urteil am 06.10.2017 Berufung eingelegt, zu deren Begründung sie insbesondere ausführt, das SG lasse völlig außer Acht, dass es sich bei den vom Unternehmen der Klägerin ausgeführten Sanierungsarbeiten an Trinkwasserbehältern um Teiltätigkeiten des Holz- und Bautenschutzes handele, was eindeutig aus den Tätigkeitsverzeichnis des Holz- und Bautenschutzgewerbes hervorgehe. Unternehmen mit diesem Gewerbegegenstand seien im Rahmen des 2. Gefahrtarifs aber dem Gewerbezweig Bauwerksbau und mithin der Tarifstelle 100 zugehörig. Das SG habe bei seiner Entscheidung fälschlicherweise auf die Tätigkeit und nicht auf Art und Gegenstand des Unternehmens abgestellt, was dem Gewerbezweigtarif-Prinzip widerspreche.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 09.08.2017 zu ändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen,
hilfsweise, die Revision zuzulassen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend und weist ergänzend insbesondere darauf hin, sie führe keine Abdichtungsarbeiten aus, wie sie im Baugewerbe regelhaft durchgeführt werden, sondern beschichte Wasserbehälter aus hygienischen Gründen.
Zum 01.01.2018 ist der 3. Gefahrtarif der Beklagten (gültig zur Berechnung der Beiträge ab 01.01.2018) in Kraft getreten, der in seinem Teil III für die Zuordnung der Gefahrklassen zu den Tarifstellen auf Folgendes abstellt: Tarifstellenziffer 100 – Bauwerksbau (Hoch-, Tief- und Brückenbau, Tunnel-, Stollenbau und bemannte Durchpressungen, Dacharbeiten aller Art, Gerüstbau, Fassadenbau, Holz- und Bautenschutz, Bauwerkssanierung ua); Tarifstellenziffer 200 – Bauausbau und Fertigteilherstellung (Ausbau von Bauwerken, insbesondere Maler, Spachtel- und Verfug-, Verputz-, Stuck-, Glaser-, Wand- und Bodenbelags-, Einbau-, Setz- und Trockenbauarbeiten, etc).
Die Beklagte hat auf Anfrage durch den Senat mitgeteilt, der Gefahrtarifbildung hätten umfassende Datenbestände, Statistiken und sonstige Materialien zugrunde gelegen, die dazu führten, dass der Bauschutz hinsichtlich der Risikoverteilung der Gefahrtarifstelle 100 zuzurechnen sei. Eine eigene Gefahrtarifstelle bezüglich der Sanierung von Trinkwasserbehältern sei nicht gebildet worden, da diese Gruppe zu klein sei und kein hinreichender Datenbestand vorliege.
Die Klägerin hat hierzu vorgetragen, es gebe bundesweit insgesamt ca 10.000 Trinkwasserbehälter, die für eine Sanierung in Betracht kämen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichts- und Verwaltungsakten Bezug genommen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung war.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung der Beklagten ist auch begründet.
Streitgegenstand des Verfahrens ist die Veranlagung der Klägerin zum 2. Gefahrtarif der Beklagten für die Jahre 2012 bis 2017, nachdem am 01.01.2018 ein neuer, 3. Gefahrtarif in Kraft getreten ist und die Beklagte, ausgehend hiervon, über die Veranlagung der Klägerin ab dem 01.01.2018 gesondert entschieden hat.
Das SG hat die Beklagte zu Unrecht verurteilt, das Unternehmen der Klägerin ab dem 01.01.2012 in der Tarifstelle 200 des 2. Gefahrtarifs der Beklagten zu veranlagen. Die Klägerin ist vielmehr für den gesamten Geltungszeitraum des 2. Gefahrtarifs in die Tarifstelle 100 zu veranlagen. Sie hat keinen Anspruch auf Zuordnung ihres Unternehmens in die Tarifstelle 200.
In der gesetzlichen Unfallversicherung berechnen sich die von den Unternehmern zu tragenden Beiträge gemäß § 153 Abs 1 SGB VII nach dem Finanzbedarf der Träger, den Arbeitsentgelten der Versicherten und den sogenannten Gefahrklassen. Rechtsgrundlage für die Veranlagung in Gefahrklassen ist § 159 Abs 1 S 1 SGB VII. Hiernach veranlagt der Unfallversicherungsträger die Unternehmen für die Tarifzeit nach dem Gefahrtarif zu den Gefahrklassen. Der 2. Gefahrtarif 2012 der Beklagten begegnet weder im Hinblick auf das Gewerbezweigprinzip noch hinsichtlich der Aufgliederung in 10 Gefahrtarifstellen noch bezüglich der Zusammenfassung einzelner Risikogemeinschaften rechtlichen Bedenken. Er ist formell und materiell rechtmäßig, wie bereits das SG im angefochtenen Urteil, auf das insoweit Bezug genommen wird, zutreffend ausgeführt hat.
Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass die Klägerin keinen Anspruch darauf hat, dass für Unternehmen, die im Rahmen des Holz- und Bautenschutzes lediglich Trinkwasserbehälter sanieren, ein von der Beklagten gesondert zu bestimmender eigener Gewerbezweig gebildet wird. Zwar mag es sein, dass das Gefährdungsrisiko von Arbeiten, die die Sanierung von Trinkwasserbehältern betreffen, vom Durchschnitt des Holz- und Bautenschutzes abweicht, was allerdings im Hinblick darauf, dass die Klägerin nach eigenen Einlassungen durchaus auch Arbeiten auf Gerüsten von immerhin bis zu 5 Metern verrichtet, nicht unmittelbar einleuchtet. Ein Anspruch auf Verselbständigung als eigener Gewerbezweig besteht jedenfalls nur dann, wenn die zugehörigen Betriebe und Einrichtungen zusammengenommen eine Größenordnung erreichen, bei der sich eine gewerbetypische Unfalllast nach versicherungsmathematischen Grundsätzen (vgl § 157 Abs 2 S 1 SGB VII) berechnen lässt (stRspr des BSG, vgl ua: Urteil vom 05.07.2005 – B 2 U 32/03 R, juris Rn 29). Eine solche Größenordnung erreichen Betriebe, die sich ausschließlich oder im Wesentlichen mit der Sanierung von Trinkwasserbehältern beschäftigen, nach den von der Klägerin letztlich unbestrittenen Ausführungen der Beklagten, welchen umfassende Datenbestände, Statistiken und andere Materialien zugrunde liegen, nicht. Die Klägerin hat im Termin zur mündlichen Verhandlung gegenüber dem Senat sogar ausdrücklich eingeräumt, dass es bundesweit lediglich ca 10.000 Trinkwasserbehälter gebe, die für eine Sanierung in Betracht kämen.
Im Übrigen sind gegen den 2. Gefahrtarif 2012 der Beklagten in der Rechtsprechung – soweit ersichtlich – bislang bezüglich dessen formeller und materieller Rechtmäßigkeit keine Bedenken erhoben worden (vgl ua Urteil des Bayerischen LSG vom 29.01.2015, L 17 U 43/13, juris Rn 19 ff).
Die Beklagte hat ihren rechtmäßigen Gefahrtarif 2012 entgegen der Auffassung des SG bei der Veranlagung der Klägerin auch fehlerfrei angewendet, indem sie diese der Gefahrtarifstelle 100 zugeordnet hat. Die Klägerin und das SG verkennen in der Sache, dass nach § 157 Abs 2 SGB VII die Gefahrengemeinschaften entsprechend der Gliederung nach Gewerbezweigen/Unternehmensarten durch einen gewerbezweigspezifischen Gefahrtarif gebildet werden können (sog Gewerbezweigprinzip). Zwar ist es nach Maßgabe dieser Vorschrift auch möglich, einen nach Tätigkeiten gegliederten Gefahrtarif festzusetzen und darin Tätigkeiten mit annähernd gleichem Risiko zu Tarifstellen zusammenzufassen. Vorliegend hat die Beklagte zulässig den Gefahrtarif aber mit der hier streitigen Regelung nach dem Gewerbezweigprinzip aufgestellt. Die Zuordnung zu den Tarifstellen ist damit nicht unter Würdigung der Art und Weise der vom Unternehmen durchgeführten Tätigkeiten, sondern vielmehr danach vorzunehmen, welchem Gewerbezweig das Unternehmen zuzuordnen ist. Stellt man, wie das SG, für die Zuordnung darauf ab, welche Tätigkeit – hier: die Abdichtung von Trinkwasserbehältern – das Unternehmen ausführt und welcher Risikogruppe diese Tätigkeiten zuzuordnen sind, wird nicht hinreichend berücksichtigt, dass es für die Zuordnung im Rahmen eines Gewerbezweig-Gefahrtarifs maßgeblich auf die nach technologischen Kriterien vorzunehmende Zuordnung des ausgeübten Gewerbes ankommt. Ein solcher Gewerbezweigtarif basiert auf der Erkenntnis, dass technologisch artverwandte Unternehmen gleiche oder ähnliche Unfallrisiken aufweisen und der Gewerbezweig deshalb eine geeignete Grundlage für die Bildung möglichst homogener Gefahrgemeinschaften darstellt (vgl. BSG, Urteil vom 28.11.2006, B 2 U 10/05 R, juris Rn 17 f). Anknüpfungspunkt für die Definition und den Zuschnitt von Gewerbezweigen sind Art und Gegenstand der zu veranlagenden Unternehmen. Innerhalb der Gewerbezweige kann es dann durchaus nicht nur gewerbetypische, sondern auch vom Durchschnitt der Gruppe mehr oder weniger deutlich abweichende Unternehmen und Unternehmensarten geben, die gleichwohl und trotz unterschiedlicher Gefährdungslagen zur selben Gefahrklasse veranlagt werden können (vgl Urteil des BSG vom 05.07.2005 aa0, Rn 30 mwN).
Ausgehend von diesen Grundsätzen ist die Zuordnung zur Tarifstelle 100 nicht zu beanstanden. Bei der Klägerin handelt es sich unzweifelhaft nicht um einen Malerbetrieb, sondern um ein Unternehmen des Baugewerbes, genauer: des Holz- und Bautenschutzgewerbes, was die Klägerin im Ergebnis auch nicht bestreitet. Hierauf deutet bereits der Name – "G GmbH" – hin. Jedenfalls ist die Klägerin im Handelsregister nicht mit dem Gegenstand "Maler- oder ähnliche Arbeiten", sondern ausdrücklich mit dem Gegenstand "Ausführung von Bautenschutzarbeiten, etc" eingetragen. Sie geriert sich nach außen, insbesondere durch ihren Internet-Auftritt, ausdrücklich als ein Unternehmen des Bautenschutzes und nicht allein der Trinkwasserbehältersanierung. Sie ist auch, wie sie selbst eingeräumt hat, zur Handwerksrolle als Unternehmen des Holz- und Bautenschutzgewerbes und nicht des Malerhandwerks angezeigt worden. Dem entspricht, dass die Arbeiten der Klägerin auch im Bereich der Sanierung der Trinkwasserbehälter im Wesentlichen dem Erhalt der technischen Bausubstanz und deren originären Nutzen dienen. Nach § 1 der Baubetriebe-Verordnung gehören ausdrücklich solche Betriebe zum Bauhauptgewerbe, die ua Abdichtungsarbeiten gegen Feuchtigkeit oder Holzschutzarbeiten an Bauteilen verrichten. Dem entspricht das Tätigkeitsverzeichnis des Holz- und Bautenschutzgewerbes (Anlage B Nr 6 zur Handwerksordnung), wonach der Bautenschutz ua ausdrücklich das Abdichten von Ingenieurbauten gegen drückendes und nicht drückendes Wasser und hier insbesondere auch die Abdichtungen von Stahlbetonbehältern (Faultürme, Trinkwasserbehälter, Schwimmbecken, Neutralisationsbecken) mit zementgebundenen Oberflächendichtungsmitteln und zusätzlichem Schutz gegen Chemikalienbelastung durch duroplastische Kunststoffe umfasst. Mithin betrachten sämtliche im Rechtsverkehr maßgeblich Beteiligten die von der Klägerin verrichteten Arbeiten der Trinkwasserbehältersanierung dem Holz- und Bautenschutzgewerbe zugehörig, was von der Klägerin auch nicht in Abrede gestellt wird und die Arbeiten als ein dem Bauhauptgewerbe zugehöriges Gewerbe. Dem entspricht, dass einer der Ausbildungsberufe des Bauhauptgewerbes ausweislich der Internetpräsenz des Deutschen Baugewerbes der Holz- und Bautenschützer/in ist.
Ist aber das Holz- und Bautenschutzgewerbe, welchem die Trinkwasserbehältersanierung und auch die übrigen von der Klägerin verrichteten Arbeiten zugehörig sind, nach technologischen Kriterien, also in Anknüpfung an die Arbeitsweise, die verwendeten Werkstoffe, die eingesetzten Maschinen, die hergestellten Erzeugnisse, etc dem Bauhauptgewerbe und damit dem Bauwerksbau zugehörig – im Gegensatz zu dem dem Bauausbau und der Fertigteilherstellung zugehörigen Maler- Stuckateur-, Glaser- etc Handwerk -, so kann die Zugehörigkeit zu diesem Gewerbezweig nicht mit dem Hinweis auf eine unterschiedliche Belastungssituation der Klägerin gegenüber den übrigen Gewerben des Bauhauptgewerbes (wie Hoch-, Tief- und Brückenbau) in Frage gestellt werden. Dass die Klägerin hierdurch ggf (was allerdings bislang nicht belegt ist) stärker mit Beiträgen belastet wird, als es ihrem tatsächlichen Gefährdungsrisiko entspricht, wäre als Folge der bei der Tarifbildung notwendigen Typisierung hinzunehmen (siehe hierzu Urteil des BSG vom 05.07.2005 aa0, mwN). Entscheidend ist vielmehr, dass die von der Klägerin verrichteten dem Holz- und Bautenschutzgewerbe zugehörigen Arbeiten der Abdichtung von Bauwerken gegen Wasser, der Schwamm- und Betonsanierung unter Einsatz leistungsstarken technischen Equipment der Erhaltung bzw Sanierung der Bausubstanz sowie Funktionserhaltung dienen und eine enge technologische Nähe zum Bauwerksbau zeigen.
Diese nach technologischen Gesichtspunkten vorgenommene Zuordnung des Holz- und Bautenschutzgewerbes zum Bauwerksbau und die daran geknüpfte Vermutung einer gemeinsamen "gewerbetypischen" Unfallgefahr wird im Übrigen auch durch die tatsächliche Risikosituation bestätigt, worauf die Beklagte zutreffend hingewiesen hat. Die der Gefahrtarifbildung zugrundeliegenden umfassenden Datenbestände und sonstigen Materialien sowie die Nachermittlungen der Beklagten aufgrund zahlreicher Widersprüche von Mitgliedsbetrieben des Holz- und Bautenschutzverbandes ergaben, wie die Beklagte ua mit Schriftsatz vom 15.09.2014 überzeugend ausgeführt hat, hinsichtlich des Holz- und Bautenschutzes eine Belastungsziffer von 13,24 so dass, was rechtlich nicht zu beanstanden ist, von einer eigenständigen Gefahrtarifstelle abgesehen werden konnte, weil der Holz- und Bautenschutz der Tarifstelle 100 zugehörig ist und auch Gesichtspunkte der Risikosituation nicht gegen diese Zuordnung sprachen (vgl zu Differenzen bei den Gefährdungsrisiken auch BSG, Urteil vom 11.04.2013, B 2 U 8/12 R, juris Rn 36).
Soweit das SG meint, eine grammatikalische und systematische Auslegung des Gefahrtarifs 2012 ergebe, dass die dem Holz- und Bautenschutz zuzurechnenden Tätigkeiten der Abdichtung von Bauwerken dem Bauausbau und nicht dem Bauwerksbau und damit der Tarifstelle 200 zuzuordnen seien, richtet es sein Augenmerk zunächst erneut vorrangig auf die nicht maßgebliche Einordnung der verrichteten Tätigkeiten und nicht auf Art und Ausübung des Gewerbes. Zudem steht einer solchen Auslegung die in den Erläuterungen und Arbeitshilfen für Mitglieder und Anwender niedergelegte anderweitige Auslegung der Beklagten entgegen. Im Hinblick auf den dieser als einer Trägerin der Sozialversicherung eingeräumten, nicht zu eng zu bemessenden Entscheidungs- und Gestaltungsspielraum kommt ihrer authentischen Interpretation des von ihr selbst erlassenen Gefahrtarifs zwar keine Satzungsqualität, sehr wohl aber eine wesentliche Bedeutung zu (vgl ua Urteil des Hessischen LSG vom 28.01.2014, L 3 U 180/10, juris Rn 50). Zwischenzeitlich hat der Satzungsgeber iü diese Interpretation bestätigt und die entsprechende Erläuterung im 3. Gefahrtarif 2018 ausdrücklich in den verbindlichen Teil III, der an der Satzungsqualität des Gefahrtarifs teilnimmt, aufgenommen.
Nach alledem war der Berufung stattzugeben.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 197a Abs 1 S 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG), 154 Abs 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Es besteht keine Veranlassung, die Revision nach § 160 Abs 2 SGG zuzulassen.
Erstellt am: 24.06.2019
Zuletzt verändert am: 24.06.2019