Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 28. Juli 1998 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Streitig ist, ob beim Kläger eine Berufskrankheit (BK) nach Nr. 2108 der Anlage zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) vorliegt und durch Gewährung von Verletztenrente zu entschädigen ist.
Der 1953 geborene Kläger erlernte von 1968 bis 1971 den Beruf des Straßenbauers und war – unterbrochen durch seinen Wehrdienst – als solcher – zuletzt von 1974 als Pflasterer bei der Straßenbaufirma H … H … in A … – beschäftigt. Seit Februar 1994 war er arbeitsunfähig krank. Er bezieht von der LVA Rheinprovinz aufgrund eines Urteils des Sozialgerichts (SG) Aachen vom 18.09.1996 (S 13 J 212/95) Rente wegen Berufsunfähigkeit.
Im Oktober 1994 beantragte der Kläger die Anerkennung seines Wirbelsäulenleidens als BK. Eine ärztliche Anzeige über die BK erstattete der behandelnde Orthopäde Dr. C … unter dem 18.05.1995. Die Beklagte zog im Rahmen ihrer Ermittlungen u.a. das Erkrankungsverzeichnis des Klägers, eine Arbeitgeberauskunft vom 12.01.1995 bei und holte Berichte der behandelnden Ärzte Dr. V … (15.03.1995) und Dr. C … (18.05.1995) ein. Weiter zog sie einen Entlassungsbericht aus einem Heilverfahren in der Kurklinik am B … in W … vom 18.07.1994 sowie einen Bericht von Dr. T …, Klinik B … L … in W … über die dort von November 1994 bis Januar 1995 durchgeführte Rehabilitationsmaßnahme bei. Die Technische Aufsichtsbeamte (TAB) Dipl.- Ing. B … kam in ihrer Stellungnahme vom 12.02.1997 zu dem Ergebnis, die arbeitstechnischen Voraussetzungen für die Entstehung einer BK nach Nr. 2108 der Anlage zur BKV seien erfüllt, da der Kläger in der überwiegenden Zahl der Arbeitsschichten im erforderlichen Mindestumfang von einem Drittel der Arbeitsschicht i.S. dieser BK gefährdend tätig gewesen sei. Dabei ging die TAB davon aus, daß der Kläger zu 15 % seiner täglichen Arbeitszeit Gewichte von mehr als 25 kg sowie zu 25 % Gewichte und Lasten von unter 25 kg – zum Teil aber weit vom Körper entfernt – gehoben und getragen und zu 25 % in extremer Rumpfbeugehaltung gearbeitet habe.
Nach Beiziehung der Röntgenbefunde erstatteten auf Veranlassung der Beklagten der Chirurg Dr. L … und der Orthopäde B …, Institut für Ärztliche Begutachtung in D …, am 06.01.1996 eine gutachtliche Stellungnahme. Sie kamen darin zusammenfassend zu dem Ergebnis, die medizinischen Voraussetzungen für die Annahme der streitigen BK seien nicht erfüllt. Klinisch liege ein bandscheibenbedingtes Krankheitsbild im Bereich der Lendenwirbelsäule (LWS) mit damit einhergehenden Funktionseinbußen nicht vor. Die röntgenologisch nachgewiesenen isolierten Bandscheibenveränderungen in den unteren Bereichen der LWS in Höhe von L4 bis S1 eilten nur im Segment L5/S1 dem Alter voraus, nicht jedoch im Segment L4/L5. Im übrigen zeigten sich in diesem Bereich auch keine knöchernen Reaktionen im Bereich der Grund- bzw. Deckplatten oder der Wirbelkörperbegrenzungen. Alle übrigen Segmente der LWS und der unteren Brustwirbelsäule (BWS) stellten sich völlig regelhaft ohne jegliche vorzeitige Veränderungen dar. Damit sei das röntgenologische bandscheibenbedingte Schadensbild nicht belastungskonform. Ein entscheidendes Indiz für die expositionsfremde Genese des Beschwerde- und Schadensbildes sei schließlich die Erstmanifestation der LWS-Beschwerden bereits im Alter von 15 bis 20 Jahren, was auf eine überragende Bedeutung der Schadensanlage hinweise. Ein berufsbedingter Krankheitsanteil lasse sich bei dieser Sachlage nicht wahrscheinlich machen.
Nachdem Prof. Dr. E …, Landesanstalt für Arbeitsschutz Nordrhein- Westfalen, am 05.03.1996 eine Stellungnahme abgegeben hatte, lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 11.03.1996 die Gewährung von Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung wegen der LWS-Beschwerden des Klägers ab. Sie begründete dies damit, daß weder eine BK nach Nr. 2108 noch nach Nr. 2110 der Anlage zur BKV vorliege.
Der Kläger erhob am 29.03.1996 Widerspruch und machte geltend, die Beschwerden und Funktionseinschränkungen der LWS seien allein Folge seiner beruflichen Tätigkeit. Dazu legte er ein Attest des Dr. C … vom 15.08.1996 vor. Mit Widerspruchsbescheid vom 11.07.1997 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück.
Der Kläger hat am 31.07.1997 vor dem SG Aachen Klage erhoben, mit der er sein Vorbringen aus dem Verwaltungsverfahren wiederholt. Er ist der Ansicht, daß jedenfalls eine berufsbedingte Verschlimmerung des Wirbelsäulenleidens angenommen werden müsse, wenn man – wie dies die im Verwaltungsverfahren gehörten Gutachter getan hätten – von einer vorbestehenden Krankheitsanlage ausgehe. Im übrigen habe er auch in einem zeitlich größeren Umfang als die Beklagte angenommen habe, schwere Bord- und Randsteine heben, tragen und versetzen müssen. Hebehilfen hätten insoweit bis zu Beginn der achtziger Jahre kaum zur Verfügung gestanden.
Das SG hat den Kläger am 20.11.1997 zu seiner beruflichen Tätigkeit und den dabei auftretenden Hebe- und Tragebelastungen gehört und weiteren Beweis erhoben durch die Einholung eines Gutachtens von Oberarzt Dr. N …, Orthopädische Abteilung des B …- Krankenhauses in S … Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Gutachten vom 16.03.1998 verwiesen.
Mit Urteil vom 28.07.1998 hat das SG die auf Gewährung von Verletztenrente wegen einer BK nach Nr. 2108 der Anlage zur BKV beschränkte Klage abgewiesen; auf die Entscheidungsgründe wird Bezug genommen.
Gegen das ihm am 01.09.1998 zugestellte Urteil hat der Kläger am 07.09.1998 Berufung eingelegt. Er ist der Ansicht, daß er zu mehr als einem Drittel der täglichen Arbeitszeit LWS-belastend tätig gewesen sei. Im übrigen ist er unter Hinweis auf die Atteste des Dr. C … vom 15.08.1996 und 14.08.1997 der Ansicht, die im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren eingeholten medizinischen Gutachten könnten nicht überzeugen.
Der Kläger beantragt schriftsätzlich sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 28.07.1998 abzuändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 11.03.1996 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 11.07.1997 zu verurteilen, ihm wegen einer BK nach Nr. 2108 der Anlage zur BKV Verletztenrente zu gewähren, hilfsweise von Amts wegen weitere Ermittlungen zur haftungsbegründenden und haftungsausfüllenden Kausalität – ggf. durch von Amts wegen einzuholende Gutachten – durchzuführen.
Die Beklagte, die dem angefochtenen Urteil beipflichtet, beantragt schriftsätzlich,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte verwiesen. Die Verwaltungsakte der Beklagten sowie die Rentenstreitakte S 13 J 212/95 haben vorgelegen und sind Gegenstand der Beratung gewesen.
II.
Die Berufsrichter sind übereinstimmend zu dem Ergebnis gelangt, daß eine mündliche Verhandlung nicht erforderlich und die Berufung unbegründet ist. Sie haben sie daher – nachdem die Beteiligten unter dem 30.09.1998, 29.01. und 01.03.1999 auf diese Verfahrensweise hingewiesen worden sind – durch Beschluss gemäß § 153 Abs. 4 SGG zurückgewiesen.
Zu Recht hat das SG die Klage abgewiesen, denn der angefochtene Verwaltungsakt ist rechtmäßig. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Gewährung von Verletztenrente, denn die bei ihm im Bereich der Wirbelsäule bestehenden Veränderungen stellen keine BK nach Nr. 2108 der Anlage zur BKV dar.
Der Anspruch des Klägers richtet sich noch nach den Vorschriften der Reichsversicherungsordnung (RVO), da er Verletztenrente auch für die Zeit vor dem Inkrafttreten des Siebten Buches des Sozialgesetzbuches – Gesetzliche Unfallversicherung – (SGB VII) zum 01.01.1997 begehrt (Art. 36 Unfallversicherungs-Einordnungsgesetz [UVEG], § 212 SGB VII).
Nach § 551 Abs. 1 Satz 1 RVO gilt als Arbeitsunfall auch eine BK. BK en sind nach § 551 Abs. 1 Satz 1 RVO Krankheiten, welche die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrats bezeichnet hat und die ein Versicherter bei einer der in den §§ 539, 540 und 543 bis 545 genannten Tätigkeiten erleidet. Mit der am 01.01.1993 in Kraft getretenen 2. Verordnung zur Änderung der BKVO (jetzt: BKV) vom 18.12.1997 (2. ÄndVO) ist die Liste der BKen um die Nrn. 2108 bis 2110 erweitert worden. Damit ist der Weg eröffnet, bandscheibenbedingte Erkrankungen der LWS und der HWS als BK anzuerkennen. Die hier allein streitige BK 2108 erfaßt bandscheibenbedingte Erkrankungen der LWS durch langjähriges Heben oder Tragen schwerer Lasten oder durch langjährige Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können.
Die Feststellung einer BK setzt grundsätzlich voraus (vgl. zum folgenden: Bereiter-Hahn / Schieke / Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung – Handkommentar – § 551 RVO Rdn. 3; Mehrtens / Perlebach, Die Berufskrankheiten-Verordnung – Kommentar – E 551 Rdn. 9, 10), daß zum einen in der Person des Versicherten die sog. arbeitstechnischen Voraussetzungen erfüllt sind, d.h., daß der Betreffende im Rahmen seiner versicherten Tätigkeiten schädigenden Einwirkungen i.S.d. BK ausgesetzt gewesen ist, die geeignet sind, einen entsprechenden Gesundheitsschaden zu bewirken (haftungsbegründende Kausalität). Zum anderen muß ein Zusammenhang zwischen der schädigenden Einwirkung und der Erkrankung bestehen (haftungsausfüllende Kausalität). Während die arbeitstechnischen Voraussetzungen und der Gesundheitsschaden voll bewiesen sein müssen, reicht zur Bejahung des Kausalzusammenhangs zwischen der schädigenden Einwirkung und dem Gesundheitsschaden die hinreichende Wahrscheinlichkeit aus (vgl. BSG SozR 2200 § 548 Nr. 38; § 551 Nr. 1). Bezüglich der hier streitigen BK müssen also i.S.d. Vollbeweises eine bandscheibenbedingte Erkrankung der LWS (Gesundheitsschaden) und die arbeitstechnischen Voraussetzungen "langjähriges Heben oder Tragen schwerer Lasten" oder "langjährige Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung" (= haftungsbegründende Kausalität) vorliegen, und dieser Gesundheitsschaden muß i.S.d. unfallrechtlichen Kausalitätslehre (vgl. dazu BSG SozR 2200 § 551 Nr. 1; SozR 3-2200 § 548 Nrn. 4, 11, 14; Bereiter-Hahn / Schieke / Mehrtens, a.a.O. § 548 RVO Rdn. 3 und Rdn. 3.4) wesentlich ursächlich oder mitursächlich auf die belastende berufliche Tätigkeit zurückzuführen sein (haftungsausfüllende Kausalität).
Die Regelung der BK Nr. 2108 der Anlage zur BKV ist auslegungsbedürftig, weil zahlreiche Zweifelsfragen hinsichtlich der Voraussetzungen für die Anerkennung dieser BK entstanden sind und der Verordnungsgeber sich abstrakter und unbestimmter Begriffe bedient hat, um die Berücksichtigung neuer medizinischer Erkenntnisse zu ermöglichen (so BSG SozR 3-5680 Art. 2 Nr. 1; vgl. auch BSG Urteil vom 18.12.1997 – 2 RU 48/96 – = SGb 1999, 39 ff.; LSG NRW Urteil vom 22.07.1998 – L 17 U 73/98 -). Zum einen ist nämlich weitgehend ungeklärt, was z.B. unter "langjährigem Heben und Tragen schwerer Lasten" zu verstehen ist, zum anderen fehlen auch gesicherte Erkenntnisse darüber, ab wann denn nun derartige Belastungen bandscheibenbedingte Erkrankungen im Bereich der LWS verursachen können, zumal sich das Schadensbild auch ohne körperliche Belastung schicksalhaft entwickeln kann und derartige Erkrankungen in der Bevölkerung weit verbreitet sind (vgl. z.B. Ludolph/Spohr/ Echtermeyer, BG 1994, 349, 352; Plagemann / Hontschik, Medizinische Begutachtung im Sozialrecht, 3. Aufl. S. 180).
Unter Berücksichtigung der in dem zur BK 2108 vom Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung herausgegebenen Merkblatt für die ärztliche Untersuchung (abgedruckt bei Mehrtens / Perlebach, a.a.O. M 2108 S. 1 ff.), das zwar keine verbindliche, im Range der Verordnung stehende Erläuterung darstellt, aber Hinweise für die Beurteilung von möglichen Zusammenhängen aus arbeitsmedizinischer Sicht gibt und daher als wertvolles Hilfsmittel für das Erkennen einer BK anzusehen ist (vgl. dazu Urteil des erkennenden Senats vom 11.11.1998 – L 17 U 141/96 -), hat der Senat aufgrund der arbeitstechnischen Ermittlungen der Beklagten und der Angaben des Klägers vor dem SG keine Zweifel, daß der Kläger während seiner Tätigkeit als Pflasterer i.S.d. streitigen BK ausreichend wirbelsäulenbelastend tätig war und daher die arbeitstechnischen Voraussetzungen für die Entstehung der BK (haftungsbegründende Kausalität) gegeben sind. Davon sind auch das SG (vgl. S. 3 der Sitzungsniederschrift vom 20.11.1997) und der im Klageverfahren gehörte Sachverständige (SV) Dr. N … ausgegangen. Der Senat geht insoweit auch von der Richtigkeit der vom Kläger bei seiner Anhörung im ersten Rechtszug gemachten Angaben über den Umfang der bei den Pflastertätigkeiten anfallenden Hebe-, Trage- und Bückbelastungen aus, so daß zu weiteren Ermittlungen diesbezüglich kein Anlaß bestand.
Nicht wahrscheinlich gemacht ist – wie das SG zutreffend erkannt hat – die haftungsausfüllende Kausalität. Der Senat stützt sich in der medizinischen Beurteilung in erster Linie auf das im sozialgerichtlichen Verfahren eingeholte Gutachten von Dr. N …, durch das – im Ergebnis – die medizinische Beurteilung der Zusammenhangsfrage durch die im Verwaltungsverfahren gehörten Dres. L … und B …, deren Darlegungen urkundsbeweislich zu verwerten waren, bestätigt worden ist. Beim Kläger liegen nach den Feststellungen des SV auf orthopädischem Fachgebiet folgende Gesundheitsstörungen vor: leichte Verschmälerung des Bandscheibenraumes LWK 1/2 und LWK 5/1 ohne Hinweis auf wesentliche funktionelle Einschränkungen, Spondylarthrose der LWS, leichte Arthrose des Humero-Ulnargelenkes des linken Ellenbogens bei minimalem Streckdefizit beider Ellenbogengelenke, leichte Arthrose beider Handgelenke ohne funktionelle Einschränkung, Morbus Dupuytren Grad 0-1 am IV. Strahl der linken Hand ohne funktionelle Einschränkung, medial betonte Gonarthrose I. bis II. Grades ohne wesentliche funktionelle Einschränkung.
Nach Abschnitt III des o.a. Merkblattes für die ärztliche Untersuchung können unter bestimmten Umständen durch Heben und Tragen schwerer Lasten oder durch Arbeiten in extremer Rumpfbeugehaltung folgende bandscheibenbedingte Erkrankungen verursacht werden: lokales Lumbalsyndrom, mono- und polyradikuläre lumbale Wurzelsyndrome sowie ein Kaudasyndrom. Unter bandscheibenbedingten Erkrankungen sind nach der amtlichen Begründung der Bundesregierung zur 2. ÄndVO (Bundesrats-Drucksache 773/92) Bandscheiben degeneration (Diskose), Instabilität im Bewegungssegment, Bandscheibenvorfall (Prolaps), degenerative Veränderungen der Wirbelkörperabschlußplatten (Osteochondrose), knöcherne Ausziehung an den vorderen und seitlichen Randleisten der Wirbelkörper (Spondylose), degenerative Veränderungen der Wirbelgelenke (Spondylarthrose) mit den durch derartige Befunde bedingten Wirbelsäulensyndromen und Funktionseinschränkungen zu verstehen. Sowohl die Bandscheibenverschmälerung als auch die sekundären degenerativen Veränderungen des Bewegungssegmentes müssen – damit eine BK angenommen werden kann – das altersübliche Maß der natürlichen Bandscheibendegeneration deutlich überschreiten – sog. "Linksverschiebung" – (vgl. Mehrtens / Perlebach a.a.O. M 2108 Rdn. 7.1; Schönberger / Mehrtens / Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit 6. Aufl. S. 529, 537; Seehausen BG 1996, 444, 445; Urteil des erkennenden Senats vom 27.05.1998 – L 17 U 220/96 -; LSG Rheinland Pfalz, Urteil vom 24.07.1997 = HVBG VB 25/98; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 13.08.1997 = HV-Info 30/1997, 2848).
Hiervon ausgehend hat aber Dr. N … zutreffend darauf hingewiesen, daß ein dem Alter vorauseilender Verschleißprozeß im Bereich der unteren LWS beim Kläger nicht feststellbar ist. Allein der Umstand, daß nach seinen Feststellungen eine leichte Verschmälerung des Bandscheibenraumes (Chondrose) im Bereich LWK 1/2 und L5/S1 bei einer Spondylarthrose vorliegt, reicht zur Annahme einer BK nach Nr. 2108 nicht aus, denn es fehlt insoweit an den notwendigen funktionellen Einschränkungen im Bereich der LWS. Diese müssen nämlich – wie dargelegt – in Form eines lokalen Lumbalsyndroms, eines mono-polyradikulären lumbalen Wurzelsyndroms bzw. in Form eines Kaudasyndroms bestehen (vgl. Abschnitt III des Merkblattes a.a.O). Ohne entsprechende chronisch rezidivierende Beschwerden und Funktionseinschränkungen begründen danach die röntgenologischen Veränderungen wie die Verschmälerung der Zwischenwirbelplatten und die Veränderungen der kleinen Wirbelgelenke allein keinen Verdacht auf das Vorliegen einer BK. Da der Kläger im übrigen bei der Untersuchung durch den SV lumboischialgieforme Beschwerden nicht beschrieben hat, eine Osteochondrose und eine Spondylosis deformans nicht nachweisbar waren, klinisch eine freie Entfaltbarkeit der Wirbelsäule bestand, kann in der Tat von einer bandscheibenbedingten Funktionseinbuße keine Rede sein; das bloße Vorhandensein entsprechender röntgenologischer Veränderungen reicht zur Annahme eines Krankheitsbildes i.S. der BK Nr. 2108 nicht aus (vgl. auch LSG Hessen vom 15.12.1993 – L 3/U-1031/92 = HVBG-Info 1994 S. 489 ff.).
Diese Beurteilung des SV entspricht im wesentlichen der der Dres. L … und B …, die ebenfalls darauf hingewiesen haben, daß ein für die BK 2108 zu forderndes bandscheibenbedingtes Krankheitsbild im Bereich der LWS in der Vergangenheit nicht gesichert worden sei und bandscheibenbedingte Auffälligkeiten bzw. Funktionseinbußen nicht festgestellt worden sind. Damit ist die von der herrschenden unfallmedizinischen Auffassung zu Recht geforderte Übereinstimmung zwischen der Lokalisation der bildtechnisch nachweisbaren Veränderungen mit den Funktionseinschränkungen und der beruflichen Exposition (vgl. dazu m.w.N.: Mehrtens / Perlebach, a.a.O.; Schönberger / Mehrtens / Valentin, a.a.O.) nicht gegeben. Schließlich ist ein weiteres Indiz gegen eine wesentliche Auswirkung der beruflichen Belastungen der Tätigkeit als Pflasterer der Umstand, daß – worauf in Übereinstimmung mit den im Verwaltungsverfahren gehörten Gutachtern der SV Dr. N … hingewiesen hat und was der herrschenden arbeitsmedizinischen Auffassung (vgl. dazu Mehrtens / Perlebach, a.a.O. Rdn. 7.5) entspricht – der Umstand, daß die Beschwerden im Bereich der LWS des Klägers nach seinen Angaben erstmals zwischen dem 15. und 20 Lebensjahr aufgetreten sind. Inwieweit auch noch konkurrierende Schadensursachen – etwa in Form einer Skoliose der Wirbelsäule – vorliegen, was zwischen den im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren gehörten Gutachtern umstritten ist, kann bei dieser Sachlage dahinstehen.
Im Hinblick auf das Berufungsvorbringen des Klägers weist der Senat ergänzend darauf hin, daß aus der Tatsache, daß die arbeitstechnischen Voraussetzungen und damit die haftungsbegründende Kausalität für die Entstehung einer BK nach Nr. 2108 der Anlage zur BKV gegeben ist, nicht geschlossen werden kann, daß ein entsprechendes Krankheitsbild auch tatsächlich besteht bzw. bei seinem Vorliegen ein Anscheinsbeweis zugunsten der beruflichen Verursachung gegeben ist (vgl. dazu BSG Urteil vom 18.11.1997 a.a.O.). Erforderlich ist vielmehr, daß bei Nachweis bandscheibenbedingter Funktionsausfälle im LWS-Bereich, an denen es hier schon fehlt, darüber hinaus gesicherte Erfahrungssätze dahingehend bestehen, die einen typischen Geschehensablauf hinsichtlich der beruflichen Verursachung ergeben. Solche gibt es indes nicht.
Nach alledem ist durch die vorliegenden Gutachten der Dres. L … und B … und des SV Dr. N … der entscheidungserhebliche medizinische Sachverhalt hinreichend sicher aufgeklärt. Das Berufungsvorbringen des Klägers und die von ihm vorgelegten Bescheinigungen des behandelnden Orthopäden Dr. C … vom 15.08.1996 und 14.08.1997 gaben – wie schon im Richterbrief vom 29.01.1999 mitgeteilt – keinen Anlaß zu weiteren Ermittlungen. Insoweit ist auch darauf hinzuweisen, daß die vom Kläger bezüglich der Wirbelsäule im Rentenstreitverfahren vorgebrachte Beschwerdesymptomatik von dem dort gehörten orthopädischen Gutachter Prof. Dr. S … nicht in erster Linie auf die von ihm auf seinem Fachgebiet festgestellten Gesundheitsstörungen, sondern auf eine neurologisch-psychiatrischerseits zuvor diagnostizierte thymopathische Persönlichkeitsstörung des Klägers mit multiplen psychosomatischen Störungen zurückgeführt worden ist.
Da im übrigen auch kein Antrag nach § 109 SGG gestellt worden ist, war die Berufung mit der Kostenfolge des § 193 SGG zurückzuweisen.
Zur Revisionszulassung bestand kein Anlaß.
Erstellt am: 16.08.2003
Zuletzt verändert am: 16.08.2003