Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 24. November 1998 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist der Anspruch auf Entschädigungsleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung wegen des Ereignisses vom 19.05.1993.
Der 1962 geborene Kläger, der als angelernter Maschinenarbeiter und zuletzt als Springer bei der Tonindustrie H … E … R … GmbH & CoKG in M … beschäftigt und wegen eines häuslichen Unfalls vom 10.05. bis 21.05.1993 arbeitsunfähig war, erlitt am Mittwoch, den 19.05.1993 gegen 16.30 Uhr als Motorradfahrer auf der G …straße in M … einen Verkehrsunfall, bei dem er von einem entgegenkommenden Pkw, der nach links abbog, erfaßt wurde und sich u.a. eine Tibiakopffraktur links zuzog.
Im November 1995 bat die Betriebskrankenkasse (BKK) der Arbeitgeberin im Hinblick auf ein Schreiben der Haftpflichtversicherung der Unfallverursacherin der V … AG, wonach der Kläger sich am 19.05.1993 auf dem Weg zum Arbeitgeber befunden habe, die Beklagte um Prüfung, ob der Verkehrsunfall als Arbeitsunfall anzusehen sei.
Die Beklagte zog die Unterlagen der BKK, der Staatsanwaltschaft B …, den Entlassungsbericht vom 29.07.1994 über das in der Fachklinik für Physikalische Medizin und Rehabilitation in B … B … durchgeführte Heilverfahren sowie das Gutachten des Dr. L … vom 11.03.1996, erstattet für die V … AG sowie die Krankenunterlagen des Kreiskrankenhauses R … bei und holte Befundberichte von Dr. S … und Dr. L … ein. Aus diesen Unterlagen ergibt sich, daß der Kläger gegenüber der BKK angegeben hatte, er habe einen Verkehrsunfall erlitten. Die auf dem Fragebogen der BKK angegebene Alternative "Weg zum oder vom Arbeitsplatz" wurde nicht angekreuzt. Zur Frage nach dem Zweck des Weges oder der Tätigkeit wurden keine Angaben gemacht. Aus den Unterlagen der StA B … ergibt sich ebenfalls kein Hinweis auf den Zweck des im Unfallzeitpunkt zurückgelegten Weges.
Auf entsprechende Anfrage der Beklagten teilte der Kläger im Dezember 1995 mit, er habe sich zum Unfallzeitpunkt mit seinem Motorrad auf dem Weg zu seinem Arbeitgeber befunden, um sich zu erkundigen, wann (Früh- oder Spätschicht) und für welche Tätigkeit er am Montag, den 24.05.1993 eingeteilt gewesen sei.
Nachdem die Arbeitgeberin im Dezember 1995 zunächst mitgeteilt hatte, von der Erstattung der Unfallanzeige werde abgesehen, da der Kläger bislang nicht angegeben habe, auf dem Weg zur Arbeitsstelle gewesen zu sein, übersandte sie im Januar 1996 die Unfallanzeige mit dem Bemerken, nach seinen Angaben habe der Kläger, der inzwischen aus dem Unternehmen ausgeschieden sei, sich auf dem Weg zur Firma befunden.
Mit Bescheid vom 10.06.1996 lehnte die Beklagte den Entschädigungsanspruch ab, da nicht nachgewiesen sei, daß der Unfall in einem inneren Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit gestanden habe. Unter Ausschöpfung aller Beweismittel und sorgfältiger Beweiswürdigung unter Berücksichtigung der Erstangaben könne nicht mit Sicherheit festgestellt werden, ob der Kläger zum Unfallzeitpunkt tatsächlich auf dem Weg zum damaligen Arbeitgeber gewesen sei, um den Arbeitsbeginn zu klären. Die bloße Möglichkeit der Verrichtung einer versicherten Tätigkeit reiche nicht aus, den gesetzlichen Unfallversicherungsschutz herbeizuführen.
Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 17.12.1996 als unbegründet zurück.
Am 03.01.1997 hat der Kläger Klage bei dem Sozialgericht (SG) Detmold erhoben. Er hat im wesentlichen vorgetragen, er habe sich am 19.05.1993 auf dem Weg zu seinem Arbeitgeber befunden, um sich bei dem Betriebsleiter danach zu erkundigen, wann er am Montag, den 24.05.1993 seine Arbeit anzutreten habe. Von dort habe er zu seinem Bruder weiterfahren wollen.
Das SG hat Beweis erhoben durch die Vernehmung des damaligen Betriebsleiters H … T … als Zeugen. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 21.04.1998 verwiesen.
Durch Urteil vom 24.11.1998, auf dessen Entscheidungsgründe Bezug genommen wird, hat das SG die Klage abgewiesen.
Gegen das ihm am 14.12.1998 zugestellte Urteil hat der Kläger am 12.01.1999 Berufung eingelegt.
Er trägt vor, für die Fahrt habe eine unmittelbare betriebliche Notwendigkeit bestanden. Am 19.05.1993 sei es nicht um das Abfragen eines Arbeitseinsatzes gegangen, sondern darum, die Arbeitskraft nach Krankheitsende wieder anzubieten, um sich in das organisatorische Gefüge einbinden zu lassen. Eine Kontaktaufnahme mit dem Arbeitgeber sei mehr als sinnvoll gewesen und habe sowohl in seinem eigenen als auch im Interesse des Arbeitgebers gestanden.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 24.11.1998 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 10.06.1996 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 17.12.1996 zu verurteilen, das Ereignis vom 19.05.1993 als Arbeitsunfall durch Gewährung von Verletztenrente zu entschädigen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Kläger erlitt am 19.05.1993 weder einen Arbeitsunfall im Sinne von § 548 Reichsversicherungsordnung (RVO) noch einen Wegeunfall im Sinne von § 550 RVO.
Der Anspruch des Klägers richtet sich noch nach den Bestimmungen der RVO, weil sich das Ereignis, um dessen Entschädigung die Beteiligten streiten, vor dem Inkrafttreten des die RVO ablösenden Siebten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB VII) ereignet hat (Art. 36 Unfallversicherungs-Einordnungsgesetz -UVEG-, § 212 SGB VII).
Nach § 548 Abs. 1 Satz 1 RVO ist Arbeitsunfall ein Unfall, den ein Versicherter bei einer der in den § 539, 540 und 543 bis 545 RVO genannten und danach versicherten Tätigkeiten erleidet. Dazu ist in der Regel erforderlich, dass das Verhalten, bei dem sich der Unfall ereignet hat, einerseits der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist, und dass diese Tätigkeit andererseits den Unfall herbeigeführt hat. Zunächst muß also eine sachliche Verbindung mit der im Gesetz genannten versicherten Tätigkeit bestehen, der sog. innere Zusammenhang, der es rechtfertigt, dass betreffende Verhalten der versicherten Tätigkeit zuzurechnen (BSG SozR 3 – 2200 § 548 Nrn. 19 und 26; BSG Urteil vom 28.09.1999 – B 2 U 33/98 R -). Der innere Zusammenhang ist wertend zu ermitteln, indem untersucht wird, ob die jeweilige Verrichtung innerhalb der Grenze liegt, bis zu welcher Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung reicht (BSG SozR 2200 § 548 Nrn. 70 und 84).
Grundsätzlich beschränkt sich der Versicherungsschutz des § 548 Abs. 1 RVO auf die Tätigkeiten, die im Rahmen des Beschäftigungsverhältnisses selbst verrichtet werden. Davon zu unterscheiden sind solche Handlungen, die der Versicherte noch in seinem privaten, unversicherten Lebensbereich vornimmt, um sich darauf vorzubereiten, dass er die versicherte Tätigkeit später ordnungsgemäß durchführen kann. Typisch für solche Vorbereitungshandlungen ist auch, dass sie schon in mittelbarer Beziehung zum Grund der Versicherung, dem Beschäftigungsverhältnis, stehen. Sie schaffen Voraussetzungen für die versicherte Tätigkeit. Ihre schuldhafte Vernachlässigung kann auch rechtlich nachteilige Auswirkungen auf den Versicherten als Arbeitnehmer haben (vgl. BSG Urteil vom 27.06.1991 – 2 RU 8/91).
Trotzdem sind sie dem unversicherten, persönlichen Lebensbereich zuzurechnen, solange das Gesetz sie nicht wegen besonderer Erfordernisse des sozialen Schutzes ausdrücklich in die Versicherung einbezieht. Letzteres hat der Gesetzgeber anerkannt, als er den ursprünglich auf Unfälle bei der Arbeit beschränkten Versicherungsschutz auf Wege nach und von dem Ort der Tätigkeit ausgedehnt und damit das Zurücklegen dieser Wege der versicherten Arbeitstätigkeit gleichgestellt hat (BSGE 7, 255, 257). Solche Wege sind dadurch gekennzeichnet, daß sie stets im privaten, unversicherten Lebensbereich des Versicherten enden oder von dort aus beginnen. Sie stehen im inneren Zusammenhang mit dem Beschäftigungsverhältnis, weil es notwendig ist, dass der Versicherte den Weg zurücklegt, um aus dem privaten, unversicherten Lebensbereich heraus die versicherte Betriebstätigkeit aufzunehmen oder in diesen wieder hinüber zu wechseln, nachdem er eine versicherte Betriebstätigkeit beendet hat. So wenig wie das betriebliche Interesse des Unternehmers den privaten Lebensbereich des Versicherten umfasst, so sehr verlangt der den Wegeunfallversicherungsschutz begründende innere Zusammenhang mit dem Beschäftigungsverhältnis, dass der Versicherte den Weg zurücklegt, um am Endpunkt der Strecke die Arbeit wieder aufzunehmen oder in den privaten Lebensbereich zu gelangen, weil er am Ausgangspunkt der Wegstrecke die versicherte Betriebstätigkeit verrichtet hat (BSG SozR 2200 § 550 Nr. 39). Deshalb sind Wege, die nur zur Vorbereitung des eigentlichen Weges zur Aufnahme der Arbeit am Ort der Tätigkeit dienen, ebensowenig unvallversicherungsgeschützt wie andere Handlungen zur Vorbereitung der Betriebstätigkeit (BSGE 7, 255, 257; BSG vom 27.06.1991 – 2 RU 8/91 -).
Auch Wege nach dem Ort der Tätigkeit stehen nur dann unter Versicherungsschutz, wenn ihre Zurücklegung der Aufnahme der versicherten Tätigkeit wesentlich dient (BSG Urteil vom 27.03.1990 – 2 RU 37/89 -).
Unter Beachtung dieser Rechtsgrundsätze hat der Kläger den Unfall bei einer unversicherten Vorbereitungshandlung erlitten.
Feststeht zunächst nur, dass sich der Unfall am 19.05.1993 um 16.30 Uhr auf der G …straße in M … ereignete. Der Kläger hat zu dem Anlaß der Fahrt unterschiedliche Anaben gemacht. Gegenüber der BKK hat er im Mai 1993 bekundet, er habe einen Verkehrsunfall erlitten. Die in dem von der BKK übersandten Vordruck außerdem vorgegebene Alternative "Weg zu oder vom Arbeitsplatz" hat er nicht angekreuzt. Er hat auch die Frage nach dem Zweck des Weges oder der Tätigkeit nicht beantwortet. Bei der Krankenhausaufnahme hat er ebenfalls nicht angegeben, sich auf dem Weg zum Arbeitsplatz befunden zu haben. Eine zeitnahe Unfallanzeige bei der Beklagten ist gleichfalls nicht erfolgt. Erst mehr als zwei Jahre nach dem Unfall hat der Kläger auf Nachfrage der Beklagten behauptet, er habe sich auf dem Weg zum Arbeitgeber befunden, um sich zu erkundigen, wann (Spät- oder Frühschicht) er am Montag dem 24.05.1993 nach Beendigung seiner Arbeitsunfähigkeit wieder arbeiten solle. Im Klageverfahren hat er dann unter Benennung seiner Ehefrau und seines Bruders als Zeugen angegeben, er habe beabsichtigt, zunächst zu seinem Arbeitgeber zu fahren und anschließend seinen Bruder zu besuchen, der an diesem Tag seinen Busführerschein bestanden habe. Selbst wenn die Behauptung, er habe sich auf dem Weg zur Arbeitsstätte befunden, als wahr unterstellt wird und deshalb insoweit eine Beweisaufnahme entbehrlich ist, handelt es sich bei der Unfallfahrt um einen Weg, der nur zur Vorbereitung des eigentlichen Weges zur Aufnahme der Arbeit diente.
Für die Fahrt des Klägers am Mittwoch, den 19.05.1993 bestand keine unmittelbare betriebliche Notwendigkeit. Zwar hat der Zeuge T … bekundet, er als Betriebsleiter habe Wert darauf gelegt, dass die Mitarbeiter sich nach einer Arbeitsunfähigkeit möglichst frühzeitig wieder einsatzfähig meldeten und danach erkundigten, ob sie in Früh- oder Spätschicht eingesetzt würden. Eine Nachfrage im Betrieb um 16.30 Uhr hat der Zeuge jedoch nicht für sinnvoll erachtet. Denn für den Einsatz der Mitarbeiter waren nicht die beiden Schichtführer, sondern allein der Zeuge T … verantwortlich und seine Arbeitszeit endete, wie den Mitarbeitern auch bekannt war und vom Kläger nicht in Abrede gestellt wurde, regelmäßig spätestens bereits um 16.00 Uhr, so dass der Kläger keine verläßliche Auskunft über den Arbeitseinsatz hätte erhalten können. Anhand des Einsatzplanes hätte der Schichtführer dem Kläger lediglich eine Tendenz mitteilen können, wo und wann er am Montag möglicherweise eingesetzt wird. Dieser mögliche Einsatz hätte jedoch, wie der Zeuge ausgesagt hat, bei einer Besprechung am Freitag noch einmal geändert werden können. Außerdem wäre der Zeuge, wie er bei seiner Vernehmung bekundet hat, auch jederzeit telefonisch erreichbar gewesen. Zwar hat er sich nach seiner Aussage häufig außerhalb des Büros aufgehalten, über ein Funkgerät war er jedoch über die Zentrale stets erreichbar und konnte sich dann zum nächstgelegenen Telefon begeben. Deshalb haben sich arbeitsunfähige Mitarbeiter auch regelmäßig, nämlich in ca. 90% aller Fälle, telefonisch wieder einsatzfähig gemeldet. Bei dieser Sachlage bestand keine unmittelbare betriebliche Notwendigkeit, am 19.05.1993 eine zusätzliche Fahrt zur Arbeitsstelle zu unternehmen und die Wegegefahren der Wegstrecke nach dem Ort der Tätigkeit zusätzlich riskieren.
Nach alledem handelte es sich bei der zum Unfall führenden Fahrt um eine Vorbreitung des Weges nach dem Ort der Tätigkeit, die erst Tage später zur Aufnahme der Arbeit führen sollte.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgrichtsgesetz (SGG).
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 bzw. Nr. 2 SGG sind nicht erfüllt.
Erstellt am: 19.08.2003
Zuletzt verändert am: 19.08.2003