Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 20.08.2003 abgeändert und die Klage abgewiesen. Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Umstritten ist die Höhe des Bemessungsentgeltes, das dem Arbeitslosengeld der Klägerin ab 01.05.2002 zugrunde zu legen ist.
Die am 00.00.1947 geborene Klägerin beantragte am 30.04.2002 Arbeitslosengeld, nachdem sie zum 01.05.2002 vom Insolvenzverwalter von der Arbeitsleistung freigestellt worden war im Hinblick auf die am 02.05.2002 geplante Insolvenzeröffnung bezüglich der Firma X-Möbel, bei der die Klägerin seit dem 04.10.1966 als kaufmännische Angestellte gearbeitet hatte. Arbeitsentgelt ist seit März 2002 nicht mehr gezahlt worden. Nach Angaben der Klägerin bestand ein tarifvertraglicher Anspruch darauf, dass das Arbeitsentgelt bis zum 10. des Folgemonats auf dem Konto des Arbeitnehmers verfügbar sein musste. So wurde in der Vergangenheit auch immer verfahren. Die Klägerin hatte im April aufgrund geleisteter Überstunden einen Arbeitsentgeltanspruch in Höhe von 3.799,21 EUR erworben, der auf Veranlassung des Insolvenzverwalters auch am 10.05.2002 überwiesen worden ist.
Mit Bescheid vom 10.05.2002, bestätigt durch Widerspruchsbescheid vom 04.06.2002, bewilligte die Beklagte der Klägerin Arbeitslosengeld in Höhe von 208,88 EUR wöchentlich nach einem gerundeten wöchentlichen Bemessungsentgelt von 590,00 EUR. Dabei legte sie einen Bemessungszeitraum vom 01.05.2001 bis 30.04.2002 zugrunde, berücksichtigte aber nur das vom 01.05.2001 bis 31.03.2002 (= 47,8 Wochen) zustehende Arbeitsentgelt in Höhe von 28.141,03 EUR. Das Gehalt für April berücksichtigte sie dagegen nicht, weil es zur Zeit der Arbeitslosmeldung noch nicht abgerechnet worden sei und auch noch nicht habe beansprucht werden können.
Hiergegen hat die Klägerin am 26.06.2002 Klage vor dem Sozialgericht Detmold erhoben und vorgetragen: Der Bemessungszeitraum für das Arbeitslosengeld umfasse 52 Kalenderwochen. Damit sei auch der Monat April 2002 mit einzubeziehen. Arbeitgeberbescheinigungen würden in der Regel nicht am 1. Tag nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses vorliegen. In der Praxis würden die Arbeitsämter nicht am Tage der Arbeitslosmeldung mit der Berechnung des Arbeitslosengeldes beginnen. Von derartigen Zufälligkeiten könne die Berechnung des Arbeitslosengeldes nicht abhängen. In ihrem Fall sei das Aprilgehalt zudem recht hoch gewesen, weil es die Auszahlung des Weihnachtsgeldes und eines Stundenguthabens beinhaltet habe. Unter Einbeziehung des Aprils ergebe sich ein Bemessungsentgelt von 615,00 EUR statt von 590,00 EUR. Die wöchentliche Leistung würde sich von 208,88 EUR auf 215,11 EUR erhöhen.
Die Klägerin hat vom 21.10.2002 bis 17.04.2003 mit Zustimmung der Beklagten an dem Lehrgang "Fachkraft für betriebliches Rechnungswesen (IHK) mit EDV" teilgenommen. Die Bewilligung von Arbeitslosengeld wurde für die Zeit ab 21.10.2002 aufgehoben und gleichzeitig Unterhaltsgeld in Höhe des zuvor gezahlten Arbeitslosengeldes (= 208,88 EUR/Woche) bewilligt. Ab 18.04.2003 wurde ihr wieder Arbeitslosengeld bewilligt, ebenfalls nach einem Bemessungsentgelt von 590,00 EUR, jedoch nunmehr aufgrund der Leistungsverordnung 2003 in Höhe von 207,48 EUR/Woche. Von der Leistungsunterbrechung des Arbeitslosengeldes durch Unterhaltsgeld hat das Sozialgericht, soweit nach Aktenlage ersichtlich, offenbar nichts erfahren. In der Sitzung des Sozialgerichts vom 20.08.2003 wurden folgende Anträge gestellt.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 10.05.2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.06.2002 zu verurteilen, ihr Arbeitslosengeld nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu leisten.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat an ihrer im Verwaltungsverfahren vertretenen Rechtsauffassung festgehalten und darauf hingewiesen, dass ihrer Ansicht nach kein Fall der nachträglichen Vertragserfüllung vorliege. Der Arbeitgeber habe das Entgelt nicht rechtswidrig vorenthalten, sondern lediglich erst im Mai 2002 tarifvertraglich korrekt abgerechnet. Sinn und Zweck der Regelung des § 130 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) sei es, sicherzustellen, dass die Beklagte sofort mit der Errechnung des Arbeitslosengeldes beginnen könne, sobald der Arbeitslose sich arbeitslos melde. Auch wenn die Abrechnung für April 2002 mittlerweile vorliege, müsse diese unberücksichtigt bleiben.
Mit Urteil vom 20.08.2003 hat das Sozialgericht der Klage stattgegeben und die Beklagte verurteilt, der Klägerin unter Aufhebung des Bescheides vom 10.05.2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.06.2002 Arbeitslosengeld nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu leisten. Zur Begründung hat es ausgeführt, der April 2002 sei dem Bemessungszeitraum zuzurechnen. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) seien auch die Entgelte zu berücksichtigen, die infolge einer nachträglichen Vertragserfüllung erzielt würden (Urteil vom 28.06.1995 – B 7 RAr 102/94 -). Dieser Rechtsprechung sei der Gesetzgeber mit § 134 Abs. 1 Satz 2 SGB III gefolgt. Aus der Zusammenschau von § 129 SGB III und § 134 Abs. 1 Satz 2 SGB III ergebe sich, dass jedenfalls auch die Entgelte im Rahmen des § 130 Abs. 1 SGB III zu berücksichtigen seien, die erzielt worden seien. Das Aprilgehalt sei aber bereits erzielt worden.
Das Sozialgericht hat eine Rechtsmittelbelehrung erteilt, wonach die Berufung das zutreffende Rechtsmittel sei. Gegen dieses ihr am 23.09.2003 zugestellte Urteil richtet sich die am 16.10.2003 eingegangene Berufung der Beklagten. Sie vertritt die Ansicht, die Berufung sei zulässig, weil der gesamte Zeitraum vom 01.05.2002 bis 14.06.2004 (erneute Arbeitsaufnahme durch die Klägerin) zur Beurteilung stehe. Die Bescheide über die Bewilligung von Unterhaltsgeld ab 21.10.2002 und erneut von Arbeitslosengeld ab 18.04.2003 seien nach § 96 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in das Verfahren einzubeziehen, weil sich das Unterhaltsgeld der Höhe nach dem Arbeitslosengeld unterordne. Es widerspräche jeder Prozessökonomie, hier nur auf die Zeit vom 01.05. bis 20.10.2002 abzustellen, wonach sich nur ein Differenzbetrag beim Bemessungsentgelt von 615,00 EUR statt von 590,00 EUR/Woche von 0,89 EUR pro Tag ergäbe (173 Leistungstage x 0,89 EUR = 153,97 EUR). Bei Abstellen auf den Gesamtzeitraum werde die Berufungssumme von 500,00 EUR erreicht, auch werde die Jahresfrist überschritten.
In der Sache habe das Sozialgericht verkannt, dass hier kein Fall von nachträglicher Vertragserfüllung im Sinne der zitierten BSG-Rechtsprechung vorliege. § 134 Abs. 1 Satz 2 SGB III solle als Ausnahmeregelung zu Abs. 1 Satz 1 sicherstellen, dass das Arbeitsentgelt, das der Arbeitslose vor dem Ausscheiden aus dem letzten versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis zu beanspruchen gehabt habe, jedoch tatsächlich nicht erhalten habe, gleichwohl bei der Bemessung des Arbeitslosengeldes berücksichtigt werde. Hierdurch werde vermieden, dass Arbeitslose, denen Teile des Arbeitsentgelts rechtswidrig vorenthalten, aber später nachgezahlt worden seien, bei der Leistungsbemessung schlechter gestellt würden als diejenigen, deren Arbeitsentgelt rechtzeitig und vollständig ausgezahlt worden sei. Ein solcher Fall liege hier jedoch schon deshalb nicht vor, weil der Klägerin das Arbeitsentgelt für den Monat April nicht rechtswidrig vorenthalten worden sei. Dieses sei erst am 10.05.2002 fällig gewesen. Die Abrechnung und Zahlung, die von diesem Tag datiere, sei in rechtzeitiger Erfüllung des Arbeitsvertrages erfolgt. Die Klägerin habe aufgrund der vertraglichen Regelung vor dem 10.05.2002 keinen Anspruch auf Auszahlung des Gehalts gehabt. Die Auszahlung am 10.05. sei daher weder rechtswidrig, noch in nachträglicher Erfüllung des Arbeitsvertrages erfolgt.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 20.08.2003 zu ändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung als unzulässig zu verwerfen,
hilfsweise die Berufung der Beklagten mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 10.05.2002 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 04.06.2002 sowie unter Änderung des Unterhaltsgeldbescheides vom 31.10.2002 und des Änderungsbescheides vom 18.01.2003 sowie des Arbeitslosengeldbescheides vom 30.04.2003 und des Änderungsbescheides von Januar 2004 verurteilt wird, der Klägerin Arbeitslosengeld vom 01.05. bis 20.10.2002, Unterhaltsgeld vom 21.10.2002 bis 17.04.2003 sowie Arbeitslosengeld ab 18.04.2003 bis 14.06.2004 nach einem Bemessungsentgelt von 615 Euro wöchentlich nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.
Die Klägerin hält die Berufung für unzulässig, da die Berufungssumme von 500,00 EUR nicht erreicht werde. Streitgegenstand sei lediglich die Bewilligung von Arbeitslosengeld für die Zeit vom 01.05. bis 20.10.2002; für die Zeit danach sei die Bewilligung von Arbeitslosengeld aufgehoben worden. Der Streitwert belaufe sich auf den Differenzbetrag des Arbeitslosengeldes nach einem Bemessungsentgelt von 615,00 statt von 590,00 EUR in Höhe von 153,97 EUR. Die Klägerin betont ausdrücklich, dass sie die Einbeziehung der Bescheide über das Unterhaltsgeld und der erneuten Bewilligung von Arbeitslosengeld auch unter dem Gesichtspunkt der Prozessökonomie nicht wünsche.
In der Sache hält die Klägerin die Berufung der Beklagten für unbegründet. Sie schließt sich den Ausführungen des Sozialgerichts an.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Prozessakte und der die Klägerin betreffende Verwaltungsakte der Beklagten mit der Kundennummer 000 Bezug genommen. Diese Akten waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig. Bei der Berechnung des Beschwerdewertes von § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG ist auf den Betrag abzustellen, den das Sozialgericht dem Kläger verwehrt oder zugesprochen hat (vgl. Meyer-Ladewig, Kommentar zum SGG, 7. Auflage 2002, § 144 Randnr. 14). Das Sozialgericht hat in Unkenntnis der Unterhaltsgeldbewilligung die Beklagte verurteilt, dem Kläger Arbeitslosengeld nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen unter Beachtung seiner Rechtsauffassung zu bewilligen. Dabei ist es offensichtlich davon ausgegangen, dass die Arbeitslosengeldbewilligung für die gesamte Zeit von maximal 780 Leistungstagen hier streitig ist. Die Beklagte ist bei ihrer Berufungseinlegung ebenfalls hiervon ausgegangen und sieht sich im Hinblick auf § 158 SGB III verurteilt, nicht nur das Arbeitslosengeld für die Zeit vom 01.05. bis 20.10.2002, sondern auch das Unterhaltsgeld für die Zeit vom 21.10.2002 bis 17.03.2003 und das nachfolgende Arbeitslosengeld ab 18.03.2003 bis 14.06.2004 nach der vom Sozialgericht vorgegebenen Auffassung zu berechnen. Bei dieser Sichtweise ist sowohl die Berufungssumme nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG als auch die Jahresfrist nach § 144 Abs. 1 Satz 2 SGG erreicht. Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte ihren Berufungsantrag bewußt in Kenntnis der möglicherweise unzulässigen Berufung formuliert hat, sind für den Senat nicht ersichtlich.
Aber selbst wenn man dieser Sichtweise nicht folgen sollte, so wäre in diesem speziellen Einzelfall die Berufung über § 96 SGG zulässig. Zwar hat der Senat in ständiger Rechtsprechung entschieden, dass Folgebescheide nur dann nach § 96 SGG Gegenstand des Verfahrens werden, wenn dieselbe Leistung (Arbeitslosengeld oder Arbeitslosenhilfe) in unmittelbarer Folge betroffen ist. Nach der Rechtsprechung des Senats ist § 96 SGG nicht anwendbar, wenn die Bewilligung aufgehoben wird und durch eine andere Leistung ersetzt wird. Dabei kommt es nach Auffassung des Senats nicht darauf an, ob die Aufhebung der Bewilligung durch Arbeitsaufnahme, Krankengeldbezug oder die Bewilligung einer anderen Leistung eines öffentlich-rechtlichen Trägers begründet ist. An dieser Auffassung hält der Senat im Grundsatz fest, macht davon jedoch eine Ausnahme, wenn eine Tenorierung wie im vorliegenden Fall erfolgt ist, also die Unterbrechung des Leistungsbezuges vom Sozialgericht überhaupt nicht gesehen worden ist, und die Folgebewilligung von Unterhaltsgeld vom gleichen Leistungsträger nach den gleichen Bewilligungskriterien wie für das Arbeitslosengeld erfolgen musste. Zwar hat das BSG die großzügige Auslegung von § 96 SGG in der Regel nur für den Fall gefordert, dass dies im Sinne der Beteiligten liegt (vgl. Nachweise in der gerichtlichen Verfügung vom 15.03.2004).
Hier hat die Klägerin aber ausdrücklich einer großzügigen Anwendung von § 96 SGG widersprochen. Die Anwendung von § 96 SGG ist jedoch nicht in das Ermessen der Beteiligten gestellt. Zwar können diese nach der Rechtsprechung des BSG die Anwendung von § 96 SGG einvernehmlich durch Vergleich oder Vereinbarung bestimmen. Wenn eine solche Regelung – wie hier – jedoch nicht getroffen werden kann, hat das Gericht von Amts wegen darüber zu entscheiden, ob § 96 SGG eingreift oder nicht. Diese Entscheidung hat der Senat hiermit im Sinne der Auffassung der Beklagten getroffen. Die Berufung ist somit zulässig.
Die Berufung ist auch begründet, denn das Sozialgericht hat die Beklagte zu Unrecht verurteilt, der Klägerin Arbeitslosengeld nach einem Bemessungsentgelt unter Einbeziehung der Entlohnung für den April 2002 zu gewähren. Der angefochtene Bescheid war vielmehr zu bestätigen.
Der Bemessungszeitraum umfasst nach § 130 Abs. 1 SGB III die Entgeltabrechnungszeiträume, die in den letzten 52 Wochen vor der Entstehung des Anspruchs, in denen Versicherungspflicht bestand, enthalten sind und beim Ausscheiden des Arbeitslosen aus dem Versicherungspflichtverhältnis vor der Entstehung des Anspruchs abgerechnet waren. Die Beklagte ist zutreffend von einem Bemessungszeitraum vom 01.05.2001 bis 30.04.2002 ausgegangen. In diesem Zeitraum waren nach der Arbeitsbescheinigung die Monate Mai 2001 bis einschließlich März 2002 abgerechnet. Der Monat April 2002 war erst am 10.05.2002 abgerechnet. Die Klägerin hat im Termin selbst bestätigt, dass die Zahlung erst zu diesem Termin fällig war. Damit fällt die Zahlung für den Monat April nicht in den Bemessungszeitraum. Der Höhe nach hat die Beklagte das Bemessungsentgelt der Klägerin zutreffend berechnet. Insoweit wird auf die – zwischen den Beteiligten auch nicht umstrittene – Berechnung der Beklagten auf Seite 3 des Widerspruchsbescheides vom 04.06.2002 Bezug genommen.
Entgegen der Ansicht des Sozialgerichts kann die Zahlung für April 2002 weder auf das Urteil des BSG vom 28.06.1995 – 7 RAr 102/94 – noch auf den Gesetzeszweck und auch nicht auf die Kommentierung bei Niesel (§ 130 Randnr. 4) gestützt werden. Das zitierte BSG-Urteil betrifft einen Fall der sogenannten nachträglichen Vertragserfüllung im Sinne von § 134 Abs. 1 Satz 2 SGB III. § 134 Abs. 1 Satz 2 SGB III soll als Ausnahmeregelung zu Satz 1 sicherstellen, dass das Arbeitsentgelt, das der Arbeitslose vor dem Ausscheiden aus dem letzten Arbeitsverhältnis zu beanspruchen hatte, jedoch tatsächlich nicht erhält, gleichwohl bei der Bemessung des Arbeitslosengeldes berücksichtigt wird. Hierdurch wird vermieden, dass Arbeitslose, denen Teile des Arbeitsentgeltes rechtswidrig vorenthalten worden sind, aber später nachgezahlt worden sind, bei der Leistungsbemessung schlechter gestellt werden als diejenigen, deren Arbeitsentgelt rechtzeitig und vollständig ausgezahlt worden ist. Ein solcher Fall liegt hier aber nicht vor, weil der Klägerin ihr Arbeitsentgelt für den Monat April 2002 nicht rechtswidrig vorenthalten worden ist. Dieses war erst am 10.05.2002 fällig. Die Abrechnung und Zahlung, die von diesem Tag datiert, erfolgte in rechtzeitiger Erfüllung des Arbeitsvertrages. Die Klägerin hatte aufgrund ihres Arbeitsvertrages vor dem 10.05.2002 keinen Anspruch auf Auszahlung des Gehalts. Die Auszahlung am 10.05.2002 erfolgte daher nicht rechtswidrig und auch nicht in nachträglicher Erfüllung des Vertrages. Richtig ist zwar, dass die Klägerin den Anspruch auf das Aprilgehalt im April 2002 erarbeitet hat; es war aber noch nicht erzielt im Sinne von § 129 SGB III bzw. § 134 Abs. 1 Satz 1 SGB III. Erzielt ist das Arbeitsentgelt erst dann, wenn es zugeflossen ist mit den vom BSG herausgearbeiteten Ausnahmen (nachträgliche Vertragserfüllung). Die Kommentierung von Niesel besagt nichts Anderes. Die vom Sozialgericht zitierte Fundstelle (§ 130 Randnr. 4) verweist auf die Kommentierung zu § 134 SGB III. Dort aber (Randnr. 8 bis 11) wird ausdrücklich auf die BSG-Rechtsprechung hingewiesen und dargestellt, wann von einer nachträglichen Vertragserfüllung auszugehen ist. Ganz deutlich wird dies in der Kommentierung von Pawlak in Hennig/SGB III (§ 130 Randnr. 78). Dort wird hervorgehoben, dass ein Monat, der nach dem Arbeitsvertrag erst nach der Arbeitslosmeldung und Entstehung des Arbeitslosengeldanspruchs abzurechnen ist, nicht in den Bemessungszeitraum einzubeziehen ist. Dieser Auffassung schließt sich der Senat an. Er sieht sich in dieser Meinung im Einklang mit der BSG-Rechtsprechung und meint nicht, von dieser abzuweichen. Dann aber konnte der Monat April 2002 nicht mehr in den Bemessungszeitraum einbezogen werden. Die angefochtene Entscheidung des Beklagten war zu bestätigen, das angefochtene Urteil entprechend abzuändern.
Der Senat hat noch geprüft, ob es für die Klägerin von Vorteil wäre, wenn man anstatt der Zahlung für April 2002 die im Mai 2001 fällige Zahlung für April 2001 in den Bemessungszeitraum einbeziehen würde. Ob dies überhaupt zulässig wäre, braucht jedoch nicht geprüft zu werden, weil das Aprilgehalt 2001 niedriger war und sich ein Bemessungsentgelt von weniger als 590,00 EUR, nämlich nur von 585,00 EUR ergeben würde (28.141,03 EUR plus 2.369,84 EUR = 30.510,87 EUR: 52 = 586,75 EUR = Bemessungsentgelt 585,00).
Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 183, 193 SGG.
Der Senat hat die Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zugelassen, weil er den Fragen, ob die Berufung zulässig ist, grundsätzliche Bedeutung beigemessen hat. Kann man in Fällen, in denen das SG offensichtlich Aufhebungsbescheide nicht gesehen hat, auf den allgemeinen Tenor des sozialgerichtlichen Urteils und die diesen angreifende Berufungsbegründung abstellen? Oder muss man auf den Zeitraum abstellen, den das Sozialgericht bei Erkennen der Sachlage hätte beurteilen müssen? Kann man § 96 SGG großzügig im Sinne der BSG-Rechtsprechung auch dann anwenden, wenn eine Partei ausdrücklich erklärt, dass sie dies nicht wünsche und nach der Rechtsprechung des Senats, die wohl auch vom LSG Niedersachsen im Urteil vom 21.06.1996 – L 7 Ar 211/95 – geteilt wird, eine direkte Anwendung von § 96 SGG nicht in Betracht kommt? Die materiell-rechtlichen Fragen zur Begründetheit der Berufung hätten den Senat nicht zur Zulassung der Revision bewogen, da er sich in dieser Hinsicht mit der BSG-Rechtsprechung im Einklang sieht.
Erstellt am: 25.07.2006
Zuletzt verändert am: 25.07.2006