Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 31. Mai 2001 wird zurückgewiesen. Die Beklagte trägt die Kosten des Klägers auch im Berufungsverfahren. Die Revision wird zugelassen. Der Streitwert wird auf 69,02 Euro festgesetzt.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Zahlung von Säumniszuschlägen, die nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden sind.
Der Kläger ist durch Beschluss des Amtsgerichts C zum Insolvenzverwalter der Firma G GmbH in A eingesetzt worden, über die am 04.05.1999 das Insolvenzverfahren eröffnet wurde. Soweit die Beklagte Forderungen zur Winterbauumlage einschließlich Nebenkosten in Höhe von 991,46 DM und Säumniszuschläge bis zum 03.05.1999 geltend gemacht hatte, wurde der Betrag vom Kläger als Masseschuld anerkannt. Die Beklagte machte ferner mit Leistungsbescheid vom 11.08.2000 weitere Säumniszuschläge für die Zeit nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens ab 04.05.1999 in Höhe von 135,- DM gegenüber dem Kläger geltend. Dieser erhob am 17.08.2000 Widerspruch, mit dem er auf die Neuregelungen der Insolvenzordnung (InsO) verwies, nach denen Säumniszuschläge nach dem Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung nicht mehr geltend gemacht werden könnten. Sie stellten keine Masseschuld mehr dar, sondern lediglich eine Insolvenzforderung. Die Beklagte stellte daraufhin mit Bescheid vom 01.09.2000 fest, dass die im Insolvenzverfahren der Firma G GmbH in A bei der Forderungsanmeldung dem Grunde nach geltend gemachten Säumniszuschläge nach Insolvenzeröffnung hinsichtlich des geltend gemachten Anspruches und in der genannten Höhe von 135,- DM zu Recht beständen. Sie sei gemäß § 24 Abs. 1 Sozialgesetzbuch – Gemeinsame Vorschriften – (SGB IV) gesetzlich verpflichtet, Säumniszuschläge auf ausstehende Umlageforderungen geltend zu machen. Unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) – Urteil vom 04.03.1999, Az.: B 11/10 AL 5/98 R – sei davon auszugehen, dass der geltend gemachte Betrag eine Insolvenzforderung nach § 38 InsO darstelle und vom Kläger vorrangig zu befriedigen sei. Sie sei nicht als nachrangige Forderung im Sinne des § 39 Abs. 1 Nr. 1 InsO einzustufen, weil die Säumniszuschläge vielmehr das Schicksal der Hauptforderung teilten. Der Kläger erhob auch gegen diesen Bescheid am 18.09.2000 mit der bisherigen Begründung Widerspruch. Die Beklagte wies beide durch Bescheid vom 17.11.2000 weiterhin im Wesentlichen mit der Begründung zurück, Säumniszuschläge, die nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden seien, seien vorrangig zu befriedigen (zugestellt am 22.11.2000).
Hiergegen richtet sich die am 22.12.2000 erhobene Klage. Der Kläger hat zu deren Begründung vorgetragen, der Feststellungsbescheid sei rechtswidrig. Seit Inkrafttreten der Insolvenzordnung stellten Säumniszuschläge keine Masseschuld mehr dar. Da sie Zinscharakter hätten, könnten sie allenfalls als nachrangige Forderung im Sinne des § 39 InsO eingestuft werden.
Der zum Termin zur mündlichen Verhandlung am 31.05.2001 geladene Kläger ist zu diesem nicht erschienen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat die angefochtenen Bescheide für Rechtens gehalten.
Das Sozialgericht hat der Klage mit Urteil vom 31.05.2001 stattgegeben und den Feststellungsbescheid vom 01.09.2000 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 17.11.2000 aufgehoben. Es hat zur Begründung ausgeführt, die nach § 24 SGB IV zu erhebenden Säumniszuschläge nach Eröffnung des Konkursverfahrens teilten nicht den Rang der Hauptforderung, der sich aus dem Zeitpunkt bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens ergebe. Insoweit habe die Insolvenzordnung mit ihrem Inkrafttreten ab 01.01.1999 gegenüber dem vorhergehenden Recht, das bis zum 31.12.1998 eine Bevorrechtigung der Säumniszuschläge vorgesehen hatte (§§ 59 Abs. 1 Nr. 1 und 2 Konkursordnung (KO), 61 Abs. 1 e KO) eine Neuregelung getroffen. Die Bevorzugung sei zugunsten einer gleichmäßigen Befriedigung der Gläubiger aus der vorhandenen Masse entfallen. Die von der Beklagten geltend gemachte Forderung sei nachrangig, weil sie § 39 Abs. 1 Nr. 3 InsO zuzuordnen sei. Säumniszuschläge hätten den doppelten Charakter, als Druckmittel der Sozialversicherungsträger zu dienen sowie einen gesetzlich standardisierten Mindestschadensausgleich zu gewähren. Da im Rahmen des Insolvenzverfahrens der Zweck als Druckmittel entfallen sei, seien Säumniszuschläge – wie auch von der Beklagten anerkannt – ermessensgerecht nur zur Hälfte zu berücksichtigen. Dieser Anteil der Säumniszuschläge sei Zinsen vergleichbar, die jedoch nach § 39 Abs. 1 Ziffer 3 InsO eine nachrangige Forderung darstellten. Soweit sich die Beklagte auf das Urteil des BSG stütze, finde dieses keine Anwendung, weil es Fallgestaltungen aus der Zeit vor dem 01.01.1999 erfasse.
Der Senat hat auf die am 17.07.2001 eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten gegen das am 20.06.2001 zugestellte Urteil die Berufung durch Beschluss vom 06.09.2001 zugelassen. Die Beklagte vertritt zu deren Begründung weiterhin die Auffassung, die von ihr erhobenen Säumniszuschläge nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens stellten im Hinblick auf die Rechtsprechung des BSG Masseschulden dar, weil sie den Rang der Hauptforderung, die vor Eröffnung des Verfahrens entstanden sei, teilten.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 31.05.2001 abzuändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger ist vom Termin zur mündlichen Verhandlung am 04.12.2003 durch Empfangsbekenntnis am 07.11.2003 benachrichtigt worden. Er ist zu diesem Termin nicht erschienen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der vorbereitenden Schriftsätze sowie der Verwaltungsakte der Beklagten – Az.: 000 – Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte die Streitsache im Termin am 04.12.2003 trotz des Nichterscheinens des Klägers neu laden und entscheiden. Der Kläger ist mit der Terminsmitteilung ausdrücklich auf diese Möglichkeit hingewiesen worden (§§ 153 Abs. 1, 110 Abs. 1 Satz 2, 126 des Sozialgerichtsgesetzes – SGG -).
Die zulässige Berufung der Beklagten ist unbegründet.
Streitig ist im vorliegenden Fall allein der Feststellungsbescheid der Beklagten vom 01.09.2000. Denn sie hat durch diesen sachgerechterweise den zunächst am 11.08.2000 erlassenen Leistungsbescheid ersetzt, weil sie das Bestehen bestrittener Forderungen wie die Säumniszuschläge nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens nur im Wege der Feststellung geltend machen kann (vgl. BSG – Urteil vom 17.05.2001 – B 12 KR 32/01 R = BSG SozR 3 – 2400 § 24 Nr. 4).
Der Senat stimmt der Entscheidung des Sozialgerichts zu, dass Säumniszuschläge, die für die Zeit nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens geltend gemacht werden, keine vorrangige Insolvenzforderung darstellen und nimmt auf sie Bezug. Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass er der Meinung der Beklagten, durch das Inkrafttreten der Insolvenzordnung ab 01.01.1999 sei keine Rechtsänderung gegenüber der vorher geltenden Konkursordnung (KO) eingetreten, bereits aufgrund des Wortlauts der §§ 38 ff InsO nicht folgt. Denn in diesen Vorschriften sind vom Sozialversicherungsträger zu erhebende Säumniszuschläge im Gegensatz zu den §§ 59 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. e, 61 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. e KO nicht mehr ausdrücklich als vorrangig zu erfüllende Masseschuld oder Konkursforderung aufgeführt. Der Wortlaut der Neuregelungen spricht daher bereits dafür, dass zum Nachteil der Sozialversicherungsträger eine gesetzliche Änderung erfolgt ist. Eine solche ist vom Gesetzgeber auch gewollt gewesen, so dass nicht davon ausgegangen werden kann, dass eine unbeabsichtigte Regelungslücke seit 01.01.1999 vorliegt. So ist in der Begründung zum Entwurf einer Insolvenzordnung – BT-Drucksache 12/2443 – ausgeführt (zu § 64 – jetzt §§ 54, 55 – "sonstige Masseverbindlichkeiten Seite 126"), dass § 59 Abs. 1 Nr. 3 KO, der rückständige Forderungen auf Arbeitsentgelt und ähnliche Ansprüche systemwidrig als Masseansprüche einordne, in der Sache ein Konkursvorrecht enthalte. Er werde ebenso wie die Vorrechte des § 61 KO nicht in den Entwurf übernommen. Diese Regelungsabsicht hat der Gesetzgeber auch auf Seite 90 (Begründung zum Entwurf, Allgemeines, A Nr.4) zum Ausdruck gebracht. Danach sollten Konkursvorrechte abgebaut werden, damit die durchschnittlichen Quoten der einfachen Insolvenzgläubiger gegenüber dem geltenden Rechtszustand (KO) erhöht würden und diese stärker am Ablauf des Insolvenzverfahrens interessiert seien. Deshalb werde vorgeschlagen, "die Konkursvorrechte des § 61 Abs. 1 KO und vergleichbare Vorrechte in anderen gesetzlichen Vorschriften ersatzlos zu streichen. Dies betreffe namentlich die Vorrechte des Fiskus, der Sozialversicherungsträger und der Bundesanstalt für Arbeit sowie die bevorzugte Rechtsstellung der Arbeitnehmer wegen rückständiger Arbeitsentgelte". Aus dem Wortlaut der Insolvenzregelungen ab 01.01.1999 und den zur Auslegung heranzuziehenden Gesetzesmaterialien ergibt sich mithin, dass – vom Gesetzgeber gewollt – die bisherige Bevorrechtigung der Sozialversicherungsträger entfallen ist. Sie sind somit wegen der nach § 24 SGB IV zu erhebenden Säumniszuschläge, die nach Insolvenzeröffnung entstehen, seit 01.01.1999 den übrigen Insolvenzgläubigern gleichgestellt.
Ob und in welchem Umfang daher rückständige Säumniszuschläge im Sinne des § 24 SGB IV im Rahmen des Insolvenzverfahrens geltend gemacht werden können, ergibt sich unter Berücksichtigung ihrer Funktion und Auslegung der §§ 38, 39 InsO. So ist zu berücksichtigen, dass sie in Doppelfunktion dem Schadensausgleich bei allen betroffenen Versicherungsträgern und der Bundesanstalt für Arbeit dienen und eine Druckfunktion auf den Schuldner bzw. den Insolvenzverwalter während des Insolvenzverfahrens ausüben sollen (vgl. BSG a.a.O.). Da der Charakter der Säumniszuschläge nach Insolvenzeröffnung als Druckmittel praktisch wegen der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners entfällt und daher die Versicherungsträger – auch die Beklagte nach eigenem Vortrag – im Rahmen ihrer Ermessensausübung anläßlich der Geltendmachung nach § 24 SGB IV die Hälfte der Säumniszuschläge erlassen, verbleibt nur deren Zuordnung als Schadensausgleich (vgl. auch Mitlehner, Säumniszuschläge im Insolvenzverfahren, NZI 2003, 189 bis 191). Es kann in diesem Zusammenhang dahinstehen, ob dieser dem Zinscharakter gleichzustellen ist (vgl. so Mitlehner a.a.O.). Das Sozialgericht hat jedenfalls bereits zu Recht darauf hingewiesen, dass Säumniszuschläge nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens für den Fall, dass man dieser Auffassung folgt, in diesem hälftigen Anteil dann allenfalls eine nachrangige Insolvenzforderung im Sinne des § 39 InsO darstellen können (vgl. auch Mitlehner a.a.O.), so dass die von der Beklagten im angefochenen Bescheid getroffene Feststellung auf vorrangige Erfüllung rechtswidrig ist.
Der Senat folgt aus den dargelegten Gründen auch nicht den von der Beklagten herangezogenen Entscheidungen. Soweit die Beklagte sich auf die Rechtsprechung des BSG stützt, ist diese nur zur Geltung der KO bis 31.12.1998 ergangen. Das BSG hat insoweit ausdrücklich darauf hingewiesen, dass es nur auf die Berücksichtigung der Säumniszuschläge nach Insolvenzeröffnung unter der Geltung der KO entscheide, nicht aber der InsO (vgl. BSG a.a.O.). Die von der Beklagten herangezogenen Urteile des Sozialgerichts Oldenburg sowie das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 24.09.2002 – L 7 AL 424/01 (= anhängig beim BSG Az.: B 11 AL 37/03 R) stützen sich allein auf die rechtliche Zuordnung der Säumniszuschläge unter Geltung der KO und die hierzu ergangenen Ausführungen des BSG-Urteils (a.a.O.), die nach Auffassung des erkennenden Senats seit dem Inkrafttreten der InsO überholt sind.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Der Senat hat die Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zugelassen.
Der Streitwert wird auf 135,- DM = 69,02 Euro festgesetzt (§ 197 a SGG).
Erstellt am: 20.07.2005
Zuletzt verändert am: 20.07.2005