Der Beklagten werden die außergerichtlichen Kosten des Klägers in beiden Rechtszügen auferlegt.
Gründe:
I.
Streitig ist, ob die Beklagte die außergerichtlichen Kosten des Klägers zu tragen hat.
Ursprünglich begehrte der Kläger die Bewilligung von Arbeitslosengeld für die Zeit vom 02.11.2001 bis 20.11.2001.
Der 1946 geborene Kläger bezog nach Erkrankung und andauernder Arbeitsunfähigkeit ab dem 30.06.2001 bis zu seiner Aussteuerung am 01.11.2001 Krankengeld von der DAK B. Am 11.10.2001 meldete er sich arbeitslos und beantragte die Gewährung von Arbeitslosengeld. Nach dem eingeholten arbeitsamtsmedizinischen Gutachten von Dr. K vom 04.12.2001 war er noch in der Lage vollschichtig leichte Arbeiten im Wechsel vom Stehen, Gehen und Sitzen zu verrichten. Ab dem 15.10.2001 nahm der Kläger deshalb auf ärztliches Anraten an einer Maßnahme zur stufenweisen Wiedereingliederung in das Erwerbsleben gemäß § 74 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) teil. Ohne Zahlung eines Entgeltes arbeitete er bei seinem Arbeitgeber zunächst 4 Stunden täglich und zwar vom 15.10.2001 bis 12.11.2001. Daran schloss sich eine Verlängerung der Maßnahme ab dem 13.11.2001 an, die bis zum 03.12.2001 andauern sollte, jedoch von dem Kläger aus gesundheitlichen Gründen am 21.11.2001 abgebrochen werden musste. Mit Bescheid vom 16.11.2001 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 21.12.2001 lehnte die Beklagte den Antrag auf Gewährung von Arbeitslosengeld mit der Begründung ab, der Kläger sei als Arbeitnehmer mehr als kurzzeitig (mindestens 15 Stunden wöchentlich) tätig gewesen und daher nicht arbeitslos. In dem sich anschließenden, vor dem Sozialgericht (SG) Aachen geführten Rechtsstreit gewährte die Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 20.03.2002 Arbeitslosengeld ab dem 21.11.2001 (Maßnahmeabbruch). Mit Urteil vom 07.06.2002 verurteilte das SG die Beklagte unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide dem Kläger für die Zeit vom 02.11.2001 bis 20.11.2001 Arbeitslosengeld nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren. In den Gründen wies das SG u. a. darauf hin, dass der Kläger arbeitslos im Sinne der §§ 117 Abs. 1, 118 Abs. 1 SGB III gewesen sei. Durch seine Teilnahme an einer Maßnahme zur Wiedereingliederung in das Erwerbsleben gemäß § 74 SGB V sei kein Beschäftigungsverhältnis im Sinne des § 118 SGB III begründet worden. In dem sich anschließenden Berufungsverfahren hat der Kläger die Klage zurückgenommen, nachdem aufgrund der zwischenzeitlich bewilligten Arbeitslosengeldzahlung feststand, dass der Arbeitslosengeldanspruch erschöpft und damit das Klageverfahren wirtschaftlich gesehen nicht mehr sinnvoll für den Kläger durchzuführen war. Er beantragt, der Beklagten die außergerichtlichen Kosten in beiden Rechtszügen aufzuerlegen.
II.
Der Beklagten sind die außergerichtlichen Kosten des Klägers in beiden Rechtszügen aufzuerlegen.
Das Gericht hat nach § 193 Abs. 1 2. Halbsatz Sozialgerichtsgesetz (SGG) über die dem Kläger entstandenen Kosten zu entscheiden. Die Kostenentscheidung ist nach sachgemäßem Ermessen zu treffen (BSG 17, 124, 128; BSG, 24. Mai 1991 SozR 3-1500 § 193 Nr. 2 m. w. N.). Dabei kommt es darauf an, wie der Rechtsstreit – bei summerischer Beurteilung- nach dem bisherigen Sach- und Streitstand voraussichtlich ausgegangen wäre (vgl. nichtveröffentlichter Beschluss des BSG, 08.12.1992 11 RAr 41/89, 10.12.1991, 11 RAr 89/90). Berücksichtigt man vorliegend den gesamten Sach- und Streitstand im Klage- und Berufungsverfahren bis zum Abschluss des Rechtsstreites, so entspricht es billigem Ermessen, dass die Beklagte die außergerichtlichen Kosten des Klägers in beiden Rechtszügen trägt. Der Bescheid vom 16.11.2001 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 21.12.2001 und des Bescheides vom 20.03.2002 ist rechtswidrig, da dem Kläger für die Zeit vom 02.11.2001 bis 20.11.2001 Arbeitslosengeld nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zugestanden hätte, wenn der Arbeitslosengeldanspruch nicht zwischenzeitlich erschöpft gewesen wäre. Der Senat teilt die Auffassung des SG, dass der Kläger im streitbefangenen Zeitraum arbeitslos im Sinne der §§ 117 Abs. 1, 118 Abs. 1 SGB III war. Arbeitslos ist ein Arbeitnehmer, der
1. vorübergehend nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht (Beschäftigungslosigkeit) und
2. eine versicherungspflichtige, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende Beschäftigung sucht (Beschäftigungssuche).
Entgegen der Auffassung der Beklagten ist durch die Teilnahme an der Maßnahme zur Wiedereingliederung in das Erwerbsleben gemäß § 74 SGB V kein Beschäftigungsverhältnis im Sinne des § 118 SGB III begründet worden. Der sozialrechtliche Begriff der Beschäftigung unterscheidet sich von dem Begriff des Arbeitsverhältnisses; er ist insofern weiter, als er sowohl Arbeiten in einem wirksamen bzw. faktischen Arbeitsverhältnis als auch Arbeiten ohne Arbeitsverhältnis umfasst. Das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses schließt die Unterbrechung oder Beendigung eines Beschäftigungsverhältnisses nicht aus. (vgl. Brand in Niesel, Kommentar zum SGB III, 2. Aufl.§ 118 Rdn 10). Typisches Merkmal einer "Beschäftigung" i.S.d. § 7 SGB IV ist die persönliche Abhängigkeit des Arbeitenden, d.h. Eingliederung in den Betrieb und Unterordnung unter das Weisungsrecht des Arbeitgebers in Bezug auf Zeit, Dauer, Ort, Art und Ausführung der Arbeit (BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 1 und 4; SozR 2400 § 2 Nr. 16). Diese Kriterien sind vorliegend jedoch nicht erfüllt. Zu beachten ist, dass es sich bei der Wiedereingliederungsmaßnahme nicht um ein Rechtsverhältnis, das auf die Leistung von Arbeit im Sinne des arbeitsvertraglichen Leistungsaustausches gerichtet ist, handelt, sondern therapeutische Gründe im Vordergrund stehen (vgl. BAG, Urteil vom 29.01.1992 – 5 AZr 37/91 – BAGE 69, 272, 276 f; Hauck/Kluckmann, Kommentar zum SGB V, § 74 Rdnrn. 13/14; BAG, Urteil vom 28.07.1999 – 4 AZr 192/98). Weder der Arbeitgeber ist verpflichtet, die Tätigkeit des Arbeitnehmers als teilweise Arbeitsleistung entgegen zu nehmen, noch umgekehrt der Arbeitnehmer gehalten, eine vom Arbeitgeber bestimmte Tätigkeit auszuführen. Gegenstand der Tätigkeit ist nicht die vertraglich geschuldete Arbeitsleistung, sondern vielmehr ein Aliud (s. Hauck/Kluckmann a. a. O. m. w. N.). Arbeitsvertragliche Verpflichtungen des Arbeitsnehmers zur Arbeitsleistung im üblichen Sinne werden nicht begründet. Der Arbeitgeber kann den Arbeitnehmer im Wiedereingliederungsverhältnis nicht bindend anweisen, an einem bestimmten Arbeitsort eine bestimmte Arbeitstätigkeit auszuüben (BAG, Urteil vom 19.04.1994 – 9 AZr 464/92 – Merkmal der Weisungsgebundenheit -). Hinzu kommt, dass der Kläger auch kein Arbeitsentgelt von seinem Arbeitgeber erhalten hatte und damit ein weiters Merkmal der abhängigen Beschäftigung, nämlich die Wechselbeziehung von Lohn- und Arbeitsleistung nicht erfüllt ist.
Für die Annahme eines Beschäftigungsverhältnisses spricht auch nicht, dass der Kläger versicherungspflichtig für die Arbeitslosenversicherung war (§ 27 Abs. 2 Nr. 3 SGB III). Zu Recht weist das SG in diesem Zusammenhang darauf hin, dass für das Leistungsrecht ein besonderer Begriff des Beschäftigungsverhältnisses gilt, der von dem beitragsrechtlichem Begriff zu unterscheiden ist ("funktionsdifferente Auslegung", BSG, Urteil vom 29.04.1998 – B 7 AL 32/97 R; Urteil vom 28.09.1993 – 11 RAr 69/92).
Entgegen der Auffassung der Beklagten war der Kläger auch während der Maßnahme verfügbar im Sinne der § 118 ff. SGB III. Er konnte in der streitigen Zeit wegen des noch nicht abgeschlossenen Heilverfahrens eine Beschäftigung aufnehmen und durfte es auch. Er hatte während der Durchführung der Maßnahme jederzeit die Möglichkeit, diese abzubrechen und eine ihm angebotene Arbeit, die er kräftemäßig hätte ausüben können, anzunehmen. Eine Bindung zum Arbeitgeber bestand aufgrund der Freiwilligkeit der Durchführung des Wiedereingliederungsverfahrens nicht. Die vertraglichen Hauptpflichten aus dem Arbeitsverhältnis ruhten.(siehe BAG Urteil vom 19.01.1992 – AZR 37/91 – BAGE 69, 272, 276 f.). Insoweit unterscheidet sich der vorliegende Fall von der vom BSG zur Durchführung stationärer Heilverfahren ergangenen Rechtsprechung, wonach das Erfordernis der Verfügbarkeit nicht erfüllt ist, wenn der Arbeitslose an einem Heilverfahren teilnimmt, das auf Kosten der gesetzlichen Kranken-, Renten- oder Unfallversicherung durchgeführt wird und deshalb nicht ohne Zustimmung des Maßnahmeträgers beendet werden darf. Bevor das Heilverfahrensziel nicht erreicht ist, ist der Arbeitslose rechtlich gebunden und darf deshalb eine Beschäftigung nicht ausüben. (vgl. BSG, Urteil vom 29.06.1995-AZ 11 Rar 9/94-, Urteil vom 05.11.1998-AZ B 11 AL 35/98 R) Selbst wenn er bei bestehendem Arbeitsverhältnis einen evtl. Schadensersatzanspruch gegen sich hätte geltend lassen müssen, schließt dies die Aufnahme einer anderen Beschäftigung nicht aus.
Nach alledem hätte der Kläger mit seinem Berufungsverfahren Erfolg gehabt, so dass insgesamt eine Kostentragungspflicht der Beklagten gerechtfertigt erscheint.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar gemäß § 177 Sozialgerichtsgesetz.
Erstellt am: 25.04.2006
Zuletzt verändert am: 25.04.2006