Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 10.02.2006 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerin wehrt sich gegen die Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosengeld ab dem 17.06.2005 und begehrt dessen Weiterzahlung bis zum 30.09.2005.
Sie arbeitete zuletzt im Januar 2004 als Agenturleiterin in einer Versicherungsgesellschaft. Vom 19.01.2004 bis zum 20.05.2005 bezog die Klägerin Krankengeld. Am 09.03.2005 meldete sie sich arbeitslos und beantragte Arbeitslosengeld. Ferner beantragte die Klägerin am 10.03.2005 Rente wegen Erwerbsminderung, was sie der Beklagten am 04.04.2005 mitteilte. Die Beklagte gewährte ihr mit Bescheid vom 06.05.2005 Arbeitslosengeld mit einer Anspruchsdauer von 600 Kalendertagen.
Mit Bescheid vom 14.06.2005 hob sie die Bewilligung von Arbeitslosengeld ab dem 17.06.2005 auf. Der Beklagten war am 13.06.2005 mitgeteilt worden, dass der Klägerin mit Bescheid vom 06.05.2005 zeitlich befristet bis zum 31.03.2007 Rente wegen voller Erwerbsminderung gewährt worden war. Dem lag ein vom Rentenversicherungsträger eingeholtes Gutachten zugrunde, das bis Dezember 2006 aufgehobenes Leistungsvermögen bejahte. Der Rentenversicherungsträger war bei Erlass des Bewilligungsbescheides davon ausgegangen, dass die Anspruchsvoraussetzungen für die Rente am 10.03.2005 vorgelegen hätten. Aufgrund der zeitlichen Befristung der Rente begann die Auszahlung erst zum 01.10.2005. Bis dahin erhielt die Klägerin von keinem Versicherungsträger Leistungen.
Die Beklagte hatte die Leistungsfähigkeit der Klägerin am 24.05.2005 durch die Ärztin Dr. F begutachten lassen. Danach war ihre Leistungsfähigkeit auf weniger als drei Stunden täglich für eine Zeit von über sechs Monaten eingeschränkt.
Mit Widerspruch vom 04.07.2005 machte die Klägerin geltend, dass der Anspruch auf Arbeitslosengeld nicht bereits ab Zuerkennung der Rente wegen voller Erwerbsminderung ruhe, sondern erst mit Beginn der Rentenzahlung, d.h. ab dem 01.10.2005.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 11.07.2005 zurück. Die Klägerin sei mangels Arbeitsfähigkeit nicht mehr arbeitslos. Sie habe auch keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld gemäß der Nahtlosigkeitregelung. Leistungen könnten hiernach nur gezahlt werden, solange der Rentenversicherungsträger noch keine Entscheidung über das Vorliegen von Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit getroffen habe. Eine entsprechende Entscheidung habe der Rentenversicherungsträger hier jedoch mit Bescheid vom 06.06.2005 getroffen. Ab diesem Zeitpunkt, zu dem der Rentenversicherungsträger die Minderung der Erwerbsfähigkeit festgestellt habe, sei sie, die Beklagte, frei in der Beurteilung der Leistungsfähigkeit der Klägerin gewesen. Sie habe die Leistungsfähigkeit entsprechend der Einschätzung des Rentenversicherungsträgers und der eingeholten ärztlichen Stellungnahme verneint. Da sich durch die Feststellung des Rentenversicherungsträgers am 06.06.2005 somit die rechtlichen Verhältnisse, die bei Bewilligung des Arbeitslosengeldes am 06.05.2005 noch vorgelegen hätten, geändert hätten, sei der Bescheid von Mai 2005 mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben gewesen.
Mit ihrer hiergegen gerichteten Klage vom 22.07.2005 hat die Klägerin weiter Arbeitslosengeld bis zum 30.09.2005, d. h. bis zum Tag vor Beginn der tatsächlichen Zahlung der Rente wegen voller Erwerbsminderung begehrt. Im Widerspruchsbescheid sei die Beklagte nicht auf ihre Argumentation eingegangen. Gemäß § 142 Abs. 2 Ziffer 2 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) ruhe der Anspruch auf Arbeitslosengeld nämlich erst mit Beginn der Zahlung der Erwerbsminderungsrente.
Die Beklagte hat darauf hingewiesen, dass sie die Entscheidung zur Aufhebung des Arbeitslosengeldes nicht auf § 142 SGB III, sondern auf die fehlende Verfügbarkeit der Klägerin gestützt habe.
Mit Urteil vom 10.02.2006 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen, weil die Klägerin wegen ihrer unter 15 Stunden wöchentlich liegenden Leistungsfähigkeit nicht mehr verfügbar und damit nicht mehr arbeitslos gewesen sei (§§ 118 Abs. 1 Satz 3, 119 Abs. 5 Nr. 1 SGB III). Mit der Feststellung voller Erwerbsminderung durch den Rentenversicherungsträger am 06.06.2005 sei deshalb eine wesentliche Änderung gemäß § 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) eingetreten, die zur Aufhebung der Arbeitslosengeld-Bewilligung für die Zukunft berechtige. Mit dieser Feststellung greife wegen § 115 Abs. 1 Satz 2 SGB III auch § 125 Abs. 1 Satz 1 SGB III (Nahtlosigkeit) nicht mehr. § 142 Abs. 2 Nr. 2 SGB III ändere hieran nichts. Dieser Vorschrift könne nicht entnommen werden, dass grundsätzlich erst mit Zahlung der Erwerbsminderungsrente die Gewährung von Arbeitslosengeld ende.
Gegen dieses ihr am 27.02.2006 zugestellte Urteil richtet sich die von der Klägerin am 15.03.2006 eingelegte Berufung. Dass die Entscheidung der Beklagten unrichtig sei, ergebe sich aus § 142 Abs. 2 Nr. 2 SGB III. Diese Vorschrift sei lex specialis zu § 142 Abs. 1 Satz 1 SGB III. Jedes andere Verständnis lasse außer Acht, dass seit 2001 Erwerbsminderungsrenten im Regelfall nur noch auf Zeit geleistet würden, das Entstehen einer Lücke also in Konsequenz der Auffassung von Beklagter und Sozialgericht die Regel sei. Dass Arbeitslosengeld bis zum 30.09.2005 zu zahlen sei, bestätige auch das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 04.11.1993 zu Az.: L 9 Ar 214/92. Bei der Bewilligung von Arbeitslosengeld mit Bescheid vom 06.05.2005 habe die Beklagte nämlich den Antrag auf Erwerbsminderungsrente vom 10.03.2005 gekannt. Hätte sie also Arbeitslosengeld aufgrund der gesundheitlichen Einschränkungen der Klägerin nur nach § 125 SGB III bewilligen wollen, hätte sie dies im Verfügungssatz kenntlich machen müssen, was nicht geschehen sei.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 10.02.2006 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an ihr unter Aufhebung des Bescheides vom 14.06.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.07.2005 über den 16.06.2005 hinaus Arbeitslosengeld bis einschließlich zum 30.09.2005 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie trägt vor, die Klägerin verkenne den Unterschied zwischen Anspruchsgrundlagen und Ruhenstatbeständen. § 142 SGB III setze das Bestehen eines Anspruchs auf Arbeitslosengeld voraus. Ein solcher bestehe hier aber wegen § 125 Abs. 1 Satz 2 SGB III gerade nicht. Dies müsse auch gelten, wenn die Rentenzahlung wegen § 101 Abs. 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) aufgeschoben sei. Diese Vorschrift könne § 125 SGB III schon deshalb nicht modifizieren, weil sie die Abgrenzung nur zwischen Renten- und Krankenversicherung regele. Auch solle § 125 SGB III keinen ununterbrochenen Leistungsbezug gewährleisten. Mit der Anerkennung von Erwerbsminderung durch den Rentenversicherungsträger sei sie, die Beklagte, im Übrigen in ihrer Beurteilung der Verfügbarkeit frei geworden. Sie erkenne die Erwerbsminderung der Klägerin an, weshalb es auch an ihrer Verfügbarkeit (§§ 118, 119 SGB III) fehle.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes nimmt der Senat Bezug auf die Gerichtsakte, die Verwaltungsakte der Beklagten und die Hilfsakte der Deutschen Rentenversicherung Bund. Die Akten haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen, weil die angefochtenen Bescheide rechtmäßig sind.
Ermächtigungsgrundlage für die Aufhebung des Bewilligungsbescheides vom 06.05.2005 ist § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Hiernach ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass des Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Der Bewilligungsbescheid vom 06.05.2005 ist ein solcher Verwaltungsakt mit Dauerwirkung. Diesen hat die Beklagte auch für die Zukunft aufgehoben. Die Zukunft beginnt bereits mit dem Tag der Zustellung des Aufhebungsbescheides (Wiesner in von Wulffen, 5. Auflage, 2005, Rn. 19 zu § 48 SGB X). Am 17.06.2005 hatte die Klägerin den Aufhebungsbescheid vom 14.06.2005 erhalten. Dies zeigt sich daran, dass sie am Morgen des 17.06.2005 bei der Beklagten wegen der Aufhebung des Arbeitslosengeldes ab dem 17.06.2005 nachgefragt hat.
Die angefochtenen Bescheide sind formell rechtmäßig. Zwar hätte die Beklagte die Klägerin vor Erlass des Aufhebungsbescheides anhören müssen (§ 24 Abs. 1 SGB X). Dieser Mangel ist jedoch mit Durchführung des Widerspruchsverfahrens unbeachtlich (§ 41 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 SGB X).
Die Aufhebungsbescheide sind auch materiell rechtmäßig, weil in den Verhältnissen, die bei Erlass des Bewilligungsbescheides vom 06.05.2005 vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung dadurch eingetreten ist, dass der Rentenversicherungsträger mit Bescheid vom 06.06.2005 die volle Erwerbsminderung der Klägerin festgestellt hat. Bis zu diesem Zeitpunkt nämlich konnte die Beklagte ein fehlendes gesundheitliches Leistungsvermögen auch über § 119 Abs. 5 Nr. 1 SGB III deshalb nicht zur Grundlage einer Leistungsentziehung machen, weil die Sperrwirkung der Nahtlosigkeitsregelung in § 125 Abs. 1 Sätze 1 und 2 SGB III zu beachten war (vgl. BSG, Urteil vom 09.09.1999, Az.: B 11 AL 13/99 R, Rn. 15). Möglich war dies vielmehr erst ab dem Zugang einer entsprechenden Mitteilung des Rentenversicherungsträgers bei der Beklagten (BSG, Urteil vom 14.12.1995, Az.: 11 RAr 19/95, Rn. 13), die am 13.06.2005 und damit vor Erlass des Aufhebungsbescheides vorlag.
Folge ist, dass die Beklagte ab diesem Zeitpunkt in ihrer Beurteilung der objektiven Verfügbarkeit der Klägerin frei war und den Anspruch mit der Begründung verneinen konnte, die Arbeitslose könne eine Beschäftigung auf der Grundlage des in § 125 Abs. 1 Satz 1 SGB III aufgeführten Leistungsvermögens nicht mehr ausüben (BSG, Urteil vom 09.09.1999, a. a. O.). Hierbei musste die Beklagte jedenfalls dann nicht in eine neuerliche Sachprüfung eintreten, wenn sie sich bereits vorher von einer relevanten Erwerbsminderung überzeugt hatte (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 19.05.2005, Az.: L 12 AL 2581/04, Rn. 23). Diese Überzeugung hatte die Beklagte bereits aufgrund der von ihr veranlassten und am 24.05.2005 von Frau Dr. F durchgeführten Begutachtung gewonnen.
Die hieraus für die Klägerin resultierende Konsequenz, dass sie in der Zeit nach dem 16.06.2005 (Ende des Arbeitslosengeld-Bezuges) bis zum 30.09.2005 (Tag vor Rentenzahlungsbeginn) keine Leistungen bezogen hat, steht dem deshalb nicht entgegen, weil mit der Nahtlosigkeitsregelung kein ununterbrochener Leistungsbezug gewährleistet werden soll, sondern lediglich bis zur Feststellung einer relevanten Erwerbsminderung durch den Rentenversicherungsträger die Arbeitsverwaltung eine dem Arbeitslosen nachteilige Entscheidung über seine Leistungsfähigkeiten nicht treffen darf (BSG, Urteil vom 14.12.1995, a. a. O., Rn. 15). Der Gesetzgeber will mit dieser Regelung unmittelbar der Gefahr entgegenwirken, dass Versicherungsschutz aus beiden Versicherungszweigen deshalb nicht gewährt wird, weil die Träger der Arbeitslosen- und Rentenversicherung die Leistungsfähigkeit unterschiedlich beurteilen (BSG, Urteil vom 09.09.1999, a. a. O., Rn. 16).
Nach dem klaren Wortlaut des § 125 Abs. 1 Satz 1 SGB III, der allein auf die Feststellung der Erwerbsminderung abstellt, hat es demgegenüber keine Bedeutung, ob die Feststellung der Erwerbsminderung überhaupt (etwa wegen Nichterfüllung der Wartezeit oder der 3/5-Belegung; vgl. § 43 Abs. 2 Satz 1 Nrn. 2 und 3 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch/SGB VI) mit der Zahlung einer entsprechenden Rente verbunden ist oder ob die Rente wegen § 101 Abs. 1 SGB VI erst zu einem späteren Zeitpunkt gezahlt wird (so auch LSG Baden-Württemberg, a. a. O., Rn. 21). Überdies kann § 101 Abs. 1 SGB VI auch deshalb keinen Einfluss auf die Auslegung der Nahtlosigkeitsregelung haben, weil § 101 Abs. 1 SGB VI das Risiko zwischen Renten- und Krankenversicherung verteilt (Niesel in Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, Bd. I Rn. 3 zu § 101 SGB VI), während die Nahtlosigkeitsregelung bezweckt, dass Divergenzen in der Leistungsbeurteilung zwischen Renten- und Arbeitslosenversicherungsträger nicht auf dem Rücken des Arbeitslosen ausgetragen werden (vgl. Brand in Niesel, 3. Auflage, 2005, Rn. 1 zu § 125 SGB III).
§ 142 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB III ist auch nicht die im Verhältnis zu § 125 Abs. 1 SGB III speziellere Norm (lex specialis). Denn § 142 SGB III setzt das Vorliegen eines Anspruchs auf Arbeitslosengeld voraus und kann diesen nicht ersetzen (LSG Baden-Württemberg, a. a. O., Rn. 24). Nach § 125 SGB III entfällt der Anspruch auf Arbeitslosengeld aber gerade. Bedeutung könnte § 142 SGB III also nur über eine ausdrückliche Verweisung auf § 125 SGB III entfalten. Eine solche Verweisung enthält § 142 Abs. 3 Satz 2 SGB III für den hier interessierenden § 142 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB III aber nur auf § 125 Abs. 3 SGB III. Letztere Vorschrift hat vorliegend jedoch keine Bedeutung.
Entgegen der Meinung der Klägerseite wird § 142 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 hierdurch auch nicht sinnentleert. Denn Anspruch auf eine befristete Rente wegen voller Erwerbsminderung hat gemäß § 102 Abs. 2 Satz 4 SGB VI wegen der Verschlossenheit des Teilzeitarbeitsmarktes auch derjenige, der auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt drei bis unter sechs Stunden leistungsfähig ist. Bei dieser Personengruppe aber steht § 119 Abs. 5 Nr. 1 SGB III der Annahme von Verfügbarkeit gerade nicht entgegen.
Ihren Anspruch kann die Klägerin auch nicht auf das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 04.11.1993 zu Az.: L 9 Ar 214/92 stützen. Denn nicht der Verfügungssatz des Bescheides, sondern das Gesetz regelt, bis wann die Voraussetzungen für die Bewilligung von Arbeitslosengeld vorliegen. Ohnehin hat die Beklagte im Verfügungssatz nur auszuweisen, welche Leistung für welchen Zeitraum bewilligt wird. Der Grund hierfür – etwa § 125 SGB III – ist hingegen nicht anzugeben. Dass die Beklagte den Grund für die Bewilligung von Arbeitslosengeld nicht im Verfügungssatz des Bescheides angegeben hat, kann ihr somit nicht zum Nachteil gereichen und der Klägerin nicht zur Durchsetzung des geltend gemachten Anspruchs verhelfen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Erstellt am: 08.08.2007
Zuletzt verändert am: 08.08.2007