Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Köln vom 05. April 2004 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Minderung der Anspruchsdauer für Arbeitslosengeld (Alg).
Die Beklagte bewilligte der Klägerin ab 01.07.2002 Alg für die Dauer von 425 Kalendertagen. Sie stellte die Zahlung zum 01.06.2003 mit einem verbliebenen Restanspruch von 89 Kalendertagen ein, weil die Klägerin ab 02.06. bis 24.08.2003 an einer beruflichen Bildungsmaßnahme teilnahm und für diese Zeit Unterhaltsgeld (Uhg) bezog. Sie meldete sich nach Beendigung der Maßnahme erneut am 14.08.2003 arbeitslos und beantragte Alg. Die Beklagte bewilligte ihr dieses mit Bescheid vom 21.08.2003 mit Wirkung ab 25.08.2003, jedoch nicht für die restliche Anspruchsdauer von 89 Kalendertagen, sondern lediglich für 47 Kalendertage. Sie führte hierzu aus, die Dauer des Alg-Anspruchs mindere sich gem. § 128 Abs. 1 Nr. 8 und Abs. 3 Sozialgesetzbuch – Arbeitsförderung – (SGB III) in der Fassung ab 01.01.2003 jeweils um einen Tag für zwei Tage des Bezuges von Uhg bis zu einer Restanspruchsdauer von 30 Tagen, die vorliegend nicht unterschritten werde.
Die Klägerin erhob gegen diesen Bescheid am 27.08.2003 Widerspruch. Sie führte zu dessen Begründung aus, sie sei vor Antritt der Maßnahme nicht auf eine Kürzung der Alg-Anspruchsdauer hingewiesen worden. Eine solche sei sozial unverträglich, da sie für den Besuch einer Weiterqualifizierung bestraft werde. Ihr Alg-Anspruch habe sich zudem nach den von ihr vor Eintritt der Arbeitslosigkeit gezahlten Beiträgen bemessen und sei im Juli 2002 errechnet worden. Somit dürften nachträgliche Änderungen im SGB III wie die vorliegenden Verschlechterungen nicht auf alte Ansprüche angewendet werden. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Bescheid vom 24.10.2003 zurück. Sie legte ergänzend dar, dass die bis 31.12.2002 geltende günstigere Regelung nach § 434 g Abs. 1 SGB III nur für die Fälle gelte, in denen die Maßnahme vor dem 01.01.2003 begonnen habe und das Uhg vor diesem Zeitpunkt zuerkannt worden sei.
Hiergegen richtete sich die am 30.10.2003 erhobene Klage. Die Klägerin hat zu deren Begründung ihr bisheriges Vorbringen wiederholt und ergänzend vorgetragen, ihr hätten vor Antritt der Maßnahme die seit 01.01.2003 geltende Anspruchskürzung des Alg anlässlich der Teilnahme an der Weiterbildungsmaßnahme mit Uhg-Bezug erläutert werden müssen. Dies sei nicht geschehen. Sie habe ihr Einverständnis zur Teilnahme an dieser freiwilligen Maßnahme daher unter der Annahme falscher Voraussetzungen erklärt.
Das Sozialgericht hat die Klage nach einem entsprechenden Hinweis durch Gerichtsbescheid vom 05.04.2004 ohne mündliche Verhandlung abgewiesen. Es hat sich zur Begründung der Auffassung der Beklagten angeschlossen und ergänzend noch einmal darauf hingewiesen, dass § 128 Abs. 1 Nr. 8 SGB III a.F. nach § 434 g Abs. 1 SGB III lediglich für solche Maßnahmen weiter anzuwenden sei, die vor dem 01.01.2003 begonnen hätten und für die das Uhg vor diesem Zeitpunkt bewilligt worden sei. Beide Voraussetzungen seien nicht erfüllt. Die Klägerin sei auch verpflichtet gewesen, an dieser Maßnahme teilzunehmen, selbst wenn sie vor Antritt der Maßnahme auf die Alg- Anspruchskürzung nicht ausdrücklich hingewiesen worden sei. Ihre Teilnahme sei nämlich notwendig gewesen, um sie wieder in den Arbeitsmarkt einzugliedern. Allein aus diesem Grund habe ihr auch das Uhg bewilligt werden können. Es sei auch unerheblich, dass der Alg-Anspruch im Jahre 2002 entstanden sei. Denn er sei nicht ersatzlos gekürzt worden. Vielmehr werde auf die Alg-Leistung einer andere Versicherungsleistung teilweise angerechnet, für die ebenfalls als Anspruchsvoraussetzung Beiträge gezahlt sein müssten. Daher werde nicht in durch Zahlung von Beiträgen erworbene Rechte eingegriffen.
Gegen den am 07.04.2004 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die am 06.05.2004 eingelegte Berufung. Die Klägerin verbleibt zu deren Begründung bei ihrer bisherigen Auffassung.
Sie beantragt schriftsätzlich sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Köln vom 05.04.2004 abzuändern und die Beklagte unter Änderung des Bescheides vom 21.08.2003 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 24.10.2003 zu verurteilen, ihr Alg für eine Anspruchsdauer von insgesamt 89 Kalendertagen zu bewilligen.
Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend.
Die Beteiligten haben auf Anfrage des Senats einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung nach § 124 Abs. 2 SGG zugestimmt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der vorbereitenden Schriftsätze sowie der Verwaltungsakten der Beklagten – Kunden-Nr. 000 – Bezug genommen, die der Entscheidungsfindung zu Grunde gelegen haben.
Entscheidungsgründe:
Der Senat hat auf Grund der Zustimmung der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entschieden.
Die zulässige Berufung der Klägerin ist unbegründet.
Der Senat sieht von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe im Wesentlichen ab, weil er die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurückweist (§ 153 Abs. 2 SGG).
Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass der Vortrag der Klägerin, es werde nachträglich auf die ihr im Juli 2002 zuerkannte Leistungsdauer zu ihrem Nachteil eingegriffen, zu keinem anderen Ergebnis führt. Da die Klägerin ihren Leistungsanspruch aus dem am 01.07.2002 entstandenen Stammrecht auf Alg bei Wiederbeantragung am 14.08.2003 noch nicht verbraucht hatte, hat zwar die am 01.01.2003 geltende Neuregelung des § 128 Abs. 1 Nr. 8 SGB III in schutzwürdige Interessen der Klägerin eingegriffen und ihre Rechtsposition entwertet, weil die Neuregelung auf ihren noch nicht abgeschlossenen Alg-Leistungsfall eine sogenannte unechte Rückwirkung bewirkt hat. Dem Rechtsstaatsprinzips ist aber ein absolutes Verbot einer solchen unechten Rückwirkung nicht zu entnehmen. Sie ist vielmehr unter Berücksichtigung der Schranken des Rechts- und Sozialstaatsprinzip des Art. 20 GG zulässig. Die Grenzen ergeben sich hiernach aus der Abwägung der schutzwürdigen Interessen des betroffenen Personenkreises an einem Fortbestand der bisherigen Rechtslage und der Bedeutung des gesetzgeberischen Anliegens für das Wohl der Allgemeinheit (vgl. BSG SozR 3-4100 § 242 q Nr. 1 Seite 6).
Die Neuregelung führt im vorliegenden Fall dazu, dass ein Arbeitsloser nicht mehr uneingeschränkt zwei auf Beiträgen beruhenden Leistungen uneingeschränkt und kummulierend nacheinander beziehen kann, wie es bis 31.12.2002 möglich gewesen ist, nämlich Alg für eine volle Leistungsdauer, die durch den Bezug von Uhg während der Teilnahme an einer Bildungsmaßnahme mit einer Uhg-Zahlung unterbrochen worden ist. Damit ist die Kulminierungsmöglichkeit zeitlich nacheinander erfolgender Uhg- und Alg-Bezüge eingeschränkt worden. Der Gesetzgeber hat zum Nachteil des Arbeitslosen die bisherige wirtschaftliche Vergünstigung beschränkt, über die Dauer einer zunächst zuerkannten Lohnersatzleistung wegen Eintritts der Arbeitslosigkeit hinaus in gleicher Höhe nahtlos weitere solche aus neuem, anderen Anlass – der Berufsbildung – uneingeschränkt beziehen zu können.
Diese Einschränkung der wirtschaftlichen Absicherung, die sich auf den noch bestehenden Leistungsanspruch der Klägerin auf Alg auswirkt, ist aber in Abwägung der oben genannten Interessen gerechtfertigt, da die angespannte Haushaltslage es erfordert hat, eine Konsolidierung im Wege der Ausgabenminderung anzustreben (vgl. auch BSG SozR 3-4100 § 111 Nr. 2 zur Herabsenkung der Nettolohnersatzquote). Der Gesetzgeber hat hierzu in der Begründung zum Entwurf eines Ersten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt ausgeführt (BT-Drucksache 15/25, Besonderer Teil zu Nr. 16 (§ 128), zu Buchstabe a)), dass die anhaltend hohe Arbeitslosigkeit sowie die Finanzentwicklung im Haushalt der Bundesagentur dazu zwinge, Maßnahmen zum Erhalt der Funktionsfähigkeit der Arbeitslosenversicherung zu ergreifen. Nach geltendem Recht erhielten Arbeitnehmer unter Umständen unmittelbar aufeinander folgend Geldersatzleistungen bei Weiterbildung und Arbeitslosigkeit, die beide aus Mitteln der Beitragszahler finanziert würden. Es erscheine daher gerechtfertigt, die Bezugsdauer dieser Entgeltersatzleistungen insgesamt zu begrenzen. Damit handelt es sich um ein erforderliches Mittel und Vorgehen, die in der Gesetzesbegründung aufgeführten (vgl. aaO, Allgemeine Begründung Seite 25/26) finanzpolitischen Notwendigkeiten zur Haushaltssicherung der Bundesagentur durchzuführen. Als solches ist die Regelung aber verhältnismäßig. Denn die Begrenzung führt nicht gleichzeitig dazu, dass der Arbeitslose nach Ablauf einer Maßnahme sofort aus dem Versicherungsschutz herausfällt. Ihm verbleibt nach § 128 Abs. 2 Satz 3 SGB III n.F. vielmehr nach der Minderung der Alg-Anspruchsdauer mindestens noch der Anspruch auf Alg für einen Monat (= 30 Kalendertage) aus dem ursprünglich erworbenen Anspruch.
Die Klägerin letztlich ist darauf hinzuweisen, dass sie ohne Teilnahme an der Maßnahme und den Uhg-Bezug den Rest-Alg-Anspruch von 89 Kalendertagen zügig insgesamt aufgebraucht hätte und anschließend keine Leistung in bisheriger Höhe hätte erwarten können. Demgegenüber führt die nicht vollständige Anrechnung des Uhg-Bezugs nach § 128 Abs. 1 Nr. 8 SGB III n.F. (zwei Tage Uhg-Bezug verbrauchen nur einen Tag des Alg-Bezugs) dazu, dass sie über einen längeren Zeitraum hinaus die Leistung in bisheriger Höhe weiterbeziehen konnte, sich insgesamt damit ihr Leistungsanspruch sogar noch erweitert hat ohne dass dem eine zusätzliche Beitragszahlung gegenübergestanden hätte.
Das Ziel des Gesetzgebers, mit dieser sich rückwirkend auch auf bestehende Alg-Ansprüche auswirkenden Regelung die Funktionsfähigkeit der Bundesagentur zu sichern, liegt zudem im besonderen öffentlichen Interesse und rechtfertigt es daher, die Interessen des Arbeitslosen am Fortbestand der bisherigen Regelung zurückzustellen, zumal – wie dargelegt – eine Abfederung der Beeinträchtigung durch Verzicht auf eine vollständige gegenseitige Leistungsanrechnung erfolgt und so auch den Interessen des Einzelnen noch entsprochen worden ist. Die Klägerin hat daher zumutbarerweise die Schlechterstellung als Leistungsbezieherin aus mehrfachem Anlass (Arbeitslosigkeit, Berufsbildung) hinzunehmen. Dass sie anderenfalls ihren Leistungsanspruch generell gefährden würde, wenn sie eine von der Beklagten für notwendig erachtete und zu fördernde Maßnahme nicht antreten will, hat das Sozialgericht bereits dargelegt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG).
Erstellt am: 01.03.2005
Zuletzt verändert am: 01.03.2005