Auf die Beschwerde der Beklagten wird der Beschluss des Sozialgerichts Aachen vom 12.02.2009 geändert. Der Streitwert wird auf 58.000 Euro festgesetzt. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen. Kosten sind im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
Der Kläger betreibt Erdbeerplantagen.
Mit Bescheid vom 21.03.2008 und Widerspruchsbescheid vom 30.05.2008 schloss die Beklagte den Kläger vom "Saisonarbeitnehmerverfahren" i.S.d. § 284 Abs. 4 SGB III aus. Hiergegen hat der Kläger am 02.07.2008 Klage erhoben und beantragt, "
1. den Bescheid der Beklagten vom 21.3.2008 in Form des Widerspruchsbescheides vom 30.5.2008 aufzuheben,
2. die Beklagte zu verpflichten, dem Kläger Saisonarbeitskräfte für die bereits laufende Ernte 2008 zuzuweisen,
hilfsweise für den Fall, dass der Rechtsstreit sich in der Hauptsache durch Beendigung der Ernte erledigen sollte festzustellen, dass der Bescheid vom 21.3.2008 in Form des Widerspruchsbescheides vom 30.5.2008 und die damit einhergehende Versagung der Zuweisung von Saisonarbeitskräften rechtswidrig waren."
Mit Bescheid vom 17.09.2008 hat die Beklagte den angefochtenen Bescheid aufgehoben. Anschließend hat sie sich zur Tragung der Kosten für das Klageverfahren verpflichtet. Mit Schriftsatz vom 21.10.2008 hat der Kläger beantragt festzustellen, dass der angefochtene Bescheid rechtswidrig und die Beklagte verpflichtet war, ihm osteuropäische Saisonarbeitskräfte im Rahmen des dafür existierenden Vermittlungsverfahrens für die gesamte Ernte des Jahres 2008 bereits mit Erntebeginn zuzuweisen. Der Kläger hat das Feststellungsinteresse mit einer Wiederholungsgefahr und damit begründet, dass er beabsichtige, gegenüber der Beklagten Amtshaftungsansprüche geltend zu machen. In einem Erörterungstermin am 30.01.2009 hat die Beklagte im Wege eines vom Kläger angenommenen Anerkenntnisses erklärt, dass der angefochtene Bescheid rechtswidrig war.
Zum Streitwert hat der Kläger wie folgt vorgetragen:
"In der ersten Erntephase hätten 7 ha Erdbeeren geerntet werden sollen. Aufgrund der fehlenden Saisonarbeitskräfte konnten diese Flächen nicht abgeerntet werden. Nach einer telefonischen Vorabinformation eines landwirtschaftlichen Sachverständigen ist in diesem Jahr bisher ein durchschnittlicher Ertrag von 18.000 Euro pro ha erzielt worden. Dies ergibt einen Ertragsschaden in Höhe von 126.000 Euro. Hiervon sind Ersparnisse in Höhe von 25.000 Euro abzuziehen. Diese begründen sich damit, dass keine Erntehelfer bezahlt werden mussten. Hinsichtlich der zweiten und dritten Erntephase ist damit zu rechnen, dass ebenfalls Ernteeinbußen hingenommen werden müssen, da die Pflanzen unmittelbar vor der Ernte nicht derart gepflegt werden konnten, wie es im Optimalfall und bei Anwesenheit der Erntehelfer der Fall gewesen wäre. Nach Angaben des Sachverständigen ist insbesondere hinsichtlich der zweiten Erntephase (5 ha) mit Ertragseinbußen von ca. 3.000 Euro pro ha zu rechnen. Dies ergibt einen bisher zu beziffernden Schaden von 15.000 Euro.
Wir regen daher an, den Streitwert des Verfahrens vorläufig auf 116.000 Euro festzusetzen."
Die Beklagte ist diesen Darlegungen erstinstanzlich nicht entgegengetreten.
Mit Beschluss vom 12.02.2009 hat das Sozialgericht Aachen den Streitwert auf 116.000 Euro festgesetzt. Dieser Betrag ergebe sich aufgrund der nachvollziehbaren Darlegungen hinsichtlich der Höhe des dem Kläger entstandenen Schadens und aufgrund des Umstandes, dass auch seitens der Beklagten keinerlei Einwände hiergegen erhoben worden seien.
Gegen diese Entscheidung richtete sich die am 03.07.2009 erhobene Beschwerde der Beklagten. Die Beklagte meint, das Verfahren biete keine genügenden Anhaltspunkte zur Bestimmung der Höhe des Streitwertes, weshalb dieser gemäß § 52 Abs. 2 GKG mit 5.000 Euro festzusetzen sei. Der Streitwert könne nicht aufgrund des vom Kläger geltend gemachten und bisher nicht nachgewiesenen wirtschaftlichen Schadens bestimmt werden. Dieser sei lediglich pauschal behauptet und nicht ausreichend belegt.
Der Kläger hat zum Beleg der Höhe des Streitwertes ein Schreiben von Dr. agr. B – Sachverständigenbüro für Landwirtschaft und Gartenbau – vorgelegt, in dem dargelegt wird, dass der dem Kläger entstandene Schaden den Betrag von 100.000 Euro übersteige.
Der Senat entscheidet in der Besetzung mit drei Berufsrichtern, weil die Rechtssache aufgrund der erforderlichen Schätzung des Streitwertes besondere Schwierigkeiten tatsächlicher Art aufweist (§§ 197a Abs.1 S. 1 SGG, 66 Abs. 6 Satz 2 GKG).
Die Beschwerde ist zulässig.
Gehören in einem Rechtszug – wie hier – weder der Kläger noch der Beklagte zu den in § 183 SGG genannten Personen, werden gem. § 197a Abs. 1 S. 1 SGG Kosten nach den Vorschriften des GKG erhoben. Der Beschluss des Sozialgerichts über den Streitwert kann gemäß 68 Abs. 1 Satz 1 GKG mit der Beschwerde angefochten werden, weil der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,00 Euro übersteigt.
Die Beschwerde ist fristgerecht eingelegt. Gemäß § 68 Abs. 1 Satz 3 GKG ist die Beschwerde nur zulässig, wenn sie innerhalb der in § 63 Abs. 3 Satz 2 GKG bestimmten Frist eingelegt wird. Hiernach ist die Beschwerde innerhalb von 6 Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, zu erheben. Nach dem das Verfahren am 30.01.2009 endgültig erledigt wurde (§ 101 Abs. 2 SGG), konnte die Beschwerde bis zum 30.07.2009 eingelegt werden.
Die Beschwerde ist teilweise begründet. Das Sozialgericht hat den Streitwert zu Unrecht auf 116.000 Euro festgesetzt. Der Streitwert beträgt 58.000 Euro.
Gemäß § 52 Abs. 1 GKG ist der Streitwert, soweit nichts anderes bestimmt ist, nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen. 52 Abs. 3 GKG ist nicht einschlägig. Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt, ist nach dieser Vorschrift deren Höhe maßgebend. Der Kläger hat eine Anfechtungs- und Verpflichtungsklage bzw. (nach Erledigung des Rechtsstreites in der Hauptsache insoweit) eine Fortsetzungsfeststellungsklage erhoben, so dass sein Antrag keine bezifferte Geldleistung betrifft. Der angefochtene Verwaltungsakt ist auch nicht auf eine bezifferte Geldleistung gerichtet.
Die Bedeutung der Sache i. S. d. § 52 Abs. 1 GKG ist in Verfahren, in denen es – wie hier – unmittelbar oder mittelbar um finanzielle Interessen geht, in der Regel gleichzusetzen mit dem wirtschaftlichen Wert, den der Rechtsstreit für den klagenden Beteiligten hat (LSG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 21.07.2008 – L 5 B 154/08; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 10.12.2007 – L 10 B 39/06 KA; Hartmann, Kostengesetze, 40. Auflage, § 52 GKG Rdnr. 12). In Verfahren, in denen es um die Möglichkeit geht, einen Geschäftsbetrieb fortzuführen, ist der Festsetzung des Streitwertes der bei normalem Geschäftsbetrieb erzielbare Unternehmensgewinn zu Grunde zu legen (für die Erlaubnis zur gewerblichen Arbeitnehmerüberlassung vgl. LSG Bayern, Beschluss vom 13.12.2006 – L 9 B 823/06 AL ER – sowie LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 26.02.2003 – L 8 AL 336/02 ER). Der Streitwert einer Feststellungsklage ist grundsätzlich niedriger als der einer Leistungsklage, es sei denn, die Feststellungsklage ist der Sache nach einer Leistungsklage gleichwertig (LSG Bayern, Beschluss vom 15.7.2005 – L 3 B 154/05 KA; BSG, Beschluss vom 5.10.1999 – B 6 Ka 24/98 R).
Das Sozialgericht ist grundsätzlich zutreffend davon ausgegangen, dass der Bestimmung des Wertes des Streites die Angaben des Klägers zur Schadenshöhe zugrunde gelegt werden können. Es handelt sich um plausible Darlegungen, denen die Beklagte bis zum Erlass des angefochtenen Beschlusses nicht entgegen getreten ist. Der Kläger hat die Darlegungen im Beschwerdeverfahren weiter substantiiert. Aus den Ausführungen des Sachverständigen Dr. B, der von der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger ist, ergibt sich, dass der dem Kläger durch den Ausschluss von der Vermittlung der ausländischen Arbeitskräfte entstandene Schaden deutlich über 100.000 Euro liegt.
Allerdings hat das Sozialgericht verkannt, dass das Verfahren in der Hauptsache nicht auf die Zahlung der als Streitwert festgesetzten Summe gerichtet war, sondern zunächst als Anfechtungs- und Verpflichtungsklage sowie anschließend als Fortsetzungsfeststellungsklage geführt wurde. Ob dem Kläger aufgrund der rechtswidrigen Entscheidung der Beklagten tatsächlich die genannte Summe entgangen bzw. ein Schaden in der genannten Höhe entstanden ist, hängt von zahlreichen weiteren Faktoren ab, bei deren Bestimmung die Rechtswidrigkeit der zunächst angefochtenen Entscheidung nur ein – wenn auch wesentliches – Element ist. Andererseits fehlt es angesichts der genannten plausiblen Darlegungen des Klägers zur Höhe des entgangenen Gewinns nicht völlig an nachvollziehbaren Anhaltspunkten zum entstandenen Schaden (so aber der Sachverhalt bei LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 26.2.2003 – L 8 AL 336/02 ER). Der Senat hält es daher für angemessen, den Streitwert auf die Hälfte des vom Kläger behaupteten entgangenen Gewinns festzusetzen (zur insoweit vergleichbaren Halbierung des Streitwertes bei Feststellungsklagen vergl. auch LSG Bayern, Beschluss vom 17.5.2005 – L 3 B 154/05 KA).
Dem Antrag der Beklagten, das Gutachten über die Schadenshöhe abzuwarten, das im selbständigen Beweisverfahren beim Landgericht Aachen (7 OH 6/09) mit Beweisbeschluss vom 23.06.2009 angeordnet wurde, war nicht stattzugeben. Eine Beweiserhebung zur Ermittlung der nach § 52 Abs. 1 GKG für die Bestimmung des Streitwertes maßgebenden Merkmale ist unzulässig (LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 25.02.2004 – L 16 B 93/03 KR ER; LSG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 21.07.2008 – L 5 B 154/08). Zudem kann eine Beschwerde gegen die Festsetzung der Höhe des Streitwertes nicht damit begründet werden, dass im Beschwerdeverfahren nun die wirtschaftliche Bedeutung der Angelegenheit genau ermittelt werden konnte. Selbst wenn dies zuträfe, führte dies nicht zur Fehlerhaftigkeit des angefochtenen Beschlusses, wenn dieser seinerseits auf plausiblen Darlegungen eines Beteiligten beruht, die durch aktenkundige Unterlagen bestätigt werden (LSG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 21.07.2008 – L 5 B 154/08).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 68 Abs. 3 GKG.
Der Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§ 177 SGG).
Erstellt am: 22.04.2010
Zuletzt verändert am: 22.04.2010