Das gegen den 11. Senat des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen gerichtete Ablehnungsgesuch des Antragstellers wird verworfen. Das Gesuch des Antragstellers auf Ablehnung von Richter Dr. S wegen Besorgnis der Befangenheit wird zurückgewiesen.
Gründe:
1. Das gegen den 11. Senat des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen (LSG NRW) gerichtete Ablehnungsgesuch des Antragstellers (AS) ist rechtsmissbräuchlich und als unzulässig zu verwerfen.
Voraussetzung für die Zulässigkeit eines Ablehnungsgesuchs ist, dass sich die Ablehnung auf einen bestimmten Richter bezieht; nicht ablehnbar sind hingegen ein Gericht als solches oder – wie hier – ein Senat eines Gerichts (ständige Rechtsprechung, z.B. Bundesgerichtshof (BGH), Beschluss vom 07.11.1973 – VIII ARZ 14/73 -; BGH, Beschluss vom 04.02.2002 – II ARZ 1/01 -; Bundesfinanzhof, Beschluss 17.07.1974 – VIII B 29/74 -; Staatsgerichtshof der Freien Hansestadt Bremen vom 28.01.1989 – St 3/88 -; Bundessozialgericht (BSG), Beschluss vom 28.05.2001 – B 14 KG 3/01 B -; LSG NRW, Beschluss vom 28.09.2006 – L 10 AR 120/06 AB -, Beschlüsse des Senats vom 11.09.2008 – L 11 AR 52/08 AB -, vom 20.11.2008 – L 11 AR 72/08 – und vom 01.07.2009 – L 11 AR 77/09 AB -).
Im Übrigen ist dem Vorbringen des AS bereits im Ansatz kein objektiver Befangenheitsgrund zu entnehmen, der AS rügt die Kompetenz des Senats und trägt damit keinen Befangenheitsgrund vor. Gleiches gilt für seinen pauschalen Vortrag, gegen den Senat liefen "Ermittlungen wegen Rechtsbeugung (§ 399) vor dem Landtag NRW"; der AS bezieht damit in seine bereits mehrfach gegenüber Richter Dr. S erhobenen Vorwürfe lediglich pauschal die Richter des 11. Senats des LSG NRW mit ein (s. dazu nachfolgend).
2. Das gegen Richter Dr. S gerichtete Befangenheitsgesuch des AS ist nicht begründet.
a) Der Senat ist für die Entscheidung über das vor dem 01.01.2012 gestellte Befangenheitsgesuch des AS weiterhin zuständig, auch wenn durch Art. 8 Ziffer 4 b) des Vierten Gesetzes zur Änderung des Vierten Buches des Sozialgesetzbuches und anderer Gesetze vom 22.12.2011 (BGBl. I 3057) § 60 Abs. 1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in der bis dahin geltenden Fassung ("Über die Ablehnung entscheidet außer im Falle des § 171 das Landessozialgericht durch Beschluss") mit Wirkung zum 01.01.2012 (Art. 23) aufgehoben worden ist. Da der Gesetzgeber keine Übergangsregelung getroffen hat, ist für die Frage, welche prozessrechtlichen Vorschriften in einer bestimmten Verfahrenslage anzuwenden sind, grundsätzlich auf den "Grundsatz des intertemporalen Prozessrechts" abzustellen. Dieser besagt, dass eine Änderung des Verfahrensrechts grundsätzlich auch anhängige Rechtsstreitigkeiten erfasst, es sei denn, dass die weitere Rechtsanwendung mit den rechtsstaatlichen Grundsätzen der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes nicht vereinbar ist (vgl. etwa Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschlüsse vom 12.07.1993 – 1 BvR 1470/82 – und vom 07.07.1992 – 2 BvR 1631/90 -). Ausfluss dieses Rechtsgedankens ist u.a. der Grundsatz der perpetuatio fori, der besagt, dass die Zuständigkeit eines Gerichts, die bei Eintritt der Rechtshängigkeit begründet war, durch spätere Veränderungen der begründenden Umstände, zu denen auch gesetzliche Änderungen gehören, nicht fortfällt; das Gericht bleibt zuständig (vgl. Eschner in Jansen, Sozialgerichtsgesetz, 3. Auflage 2008, § 94 Rdn. 22; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/ Leitherer, SGG – Sozialgerichtsgesetz, 9. Aufl. 2008, § 95 Rdn. 9a, jeweils m.w.N.). Zwar werden Ablehnungsgesuche anders als Klagen, für die dieser Rechtsgedanke zuvörderst entwickelt wurde, nicht "rechtshängig" i.S.d. § 94 SGG; die Interessenlage ist aber vergleichbar. Der Grundsatz der perpetuatio fori soll u.a. den Rechtssuchenden vor Verzögerungen bewahren. Eine solche würde indes eintreten, wenn der Senat das Ablehnungsverfahren abgeben und eine erneute Einarbeitung an anderer Stelle erforderlich würde. Dies aber stünde mit dem Gesetzeszweck der Verfahrensbeschleunigung (vgl. Begründung des Gesetzesentwurfs der Bundesregierung in BT-Drs. 17/6764 S. 27 zu Art. 8 Nr. 4 a und b) nicht in Einklang.
b) Ein Richter kann wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen dessen Unparteilichkeit zu rechtfertigen (§ 42 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) i.V.m. § 60 Abs. 1 Satz 1 SGG). Für die Feststellung eines solchen Grundes kommt es nicht darauf an, ob der Richter tatsächlich parteilich oder befangen ist oder aber sich selbst für befangen hält. Andererseits begründet die subjektive Überzeugung eines AS oder seine Besorgnis, der Richter sei befangen, allein nicht die Berechtigung der Ablehnung. Entscheidend ist vielmehr, ob ein Grund vorliegt, der den AS von seinem Standpunkt aus nach objektiven Maßstäben befürchten lassen könnte, der von ihm abgelehnte Richter werde nicht unparteilich entscheiden (std. Rspr., vgl. u.a. BVerfG, Beschlüsse vom 12.07.1986 – 1 BvR 713/83, 1 BvR 921/84, 1 BvR 1190/84, 1 BvR 333/85, 1 BvR 248/85, 1 BvR 306/85, 1 BvR 497/85 -, vom 05.04.1990 – 2 BvR 413/88 – und vom 02.12.1992 – 2 BvF 2/90, 2 BvF 4/92, 2 BvF 5/92 -; BSG, Beschluss vom 01.03.1993 – 12 RK 45/92 -).
Diese Voraussetzungen liegen nicht vor.
Der AS beruft sich im Wesentlichen darauf, dass gegen den abgelehnten Richter "Ermittlungen des Landtags NRW, wegen Rechtsbeugung (§ 339) laufen" und dass der Richter seine Anfragen nicht beantworte. Dieses Vorbringen war bereits mehrfach Gegenstand beim Senat anhängiger Ablehnungsverfahren, so dass der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen z.B. auf seine Entscheidungen vom 23.03.2011 – L 11 SF 28/11 AB -, vom 24.03.2011 – L 11 SF 29/11 AB – und vom 07.11.2011 – L 11 SF 322/11 AB – verweist.
Es bedurfte vorliegend auch keiner weitergehenden dienstlichen Stellungnahme des abgelehnten Richters. Soweit der AS meint, dessen dienstliche Stellungnahme sei unzureichend und belege ebenfalls dessen Befangenheit, geht auch dies fehl. § 44 Abs. 3 ZPO bestimmt, dass sich der abgelehnte Richter über den Ablehnungsgrund dienstlich äußert. Der Umfang der dienstlichen Äußerung steht grundsätzlich im Ermessen des Richters. Er kann zu den für das Ablehnungsgesuch entscheidungserheblichen Tatsachen Stellung nehmen, soweit ihm das notwendig und zweckmäßig erscheint. Inhalt und Umfang der dienstlichen Äußerung sollen sich nach dem jeweils geltend gemachten Ablehnungsgrund richten. Steht – wie hier – der für die Entscheidung über das Ablehnungsgesuch erhebliche Sachverhalt unstreitig fest, bedarf es jedenfalls keiner im Einzelnen begründeten dienstlichen Äußerung (LSG Niedersachsen, Beschluss vom 26.09.2001 – L 4 B 202/01 KR – m.w.N.; LSG NRW, Beschluss vom 08.11.2006 – L 10 AR 79/06 AB -; ständige Rechtsprechung des Senats, u.v.a. Beschlüsse vom 11.01.2010 – L 11 AR 98/09 AB – und vom 19.07.2010 – L 11 SF 198/10 AB -). Der AS verkennt, dass eine dienstliche Stellungnahme kein Selbstzweck ist. Zu diesem verkommt eine dienstliche Stellungnahme aber, wenn erwartet wird, dass ein abgelehnter Richter, der im Ablehnungsverfahren nicht zu Ausführungen verpflichtet ist, wie der Sachverhalt rechtlich zu werten ist, den sich aus den Akten ergebenden oder von einem AS vorgetragenen unstreitigen Sachverhalt wiederholt.
Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Erstellt am: 21.03.2012
Zuletzt verändert am: 21.03.2012