1. Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Sozialgerichts Detmold vom 19. September 2005 geändert. Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller für die Dauer von sechs Monaten Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende (Alg II) in Höhe von monatlich 345,- Euro ab 26.08.2005 vorläufig zu zahlen. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen. Die Antragsgegnerin hat dem Antragsteller die Kosten in beiden Rechtszügen zur Hälfte zu erstatten.
2. Dem Antragsteller wird für das Beschwerdeverfahren ratenfreie Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt N beigeordnet.
Gründe:
1.
Die zulässige Beschwerde, der das Sozialgericht nicht abgeholfen hat (Beschluss vom 10.10.2005), ist nur zum Teil begründet.
Der Antragsteller (Ast) hat entgegen der Auffassung des Sozialgerichts einen Anordnungsgrund – das Bestehen eines Alg II-Anspruchs – glaubhaft gemacht. Es spricht mehr dafür als dagegen, dass er seinen Lebensunterhalt nicht aus Einkommen oder Vermögen sichern kann (§§ 7, 9 SGB II). So ist nicht ersichtlich, dass er Einkommen erzielt. Das zu berücksichtigende Vermögen zum Zeitpunkt der Antragstellung (§ 12 Abs. 4 SGB II) hat unter dem für den Ast maßgebenden Freibetrag von 9550,- Euro gelegen. Insoweit sind lediglich die Wertpapierbeträge des E-Fonds von 1730,56 Euro, die Fonds-Lebensversicherung von 6196,37 Euro und der Anfangsstand des Girokontos im Mai 2005 von 2359,70 Euro, der später nach Antragstellung gesunken ist, zu berücksichtigen, was insgesamt nur 9286,63 Euro entspricht. Entgegen der Meinung des Sozialgerichts sind die Lebensversicherungen bei der T- und B-Lebensversicherung nach § 12 Abs. 2 Nr. 3 SGB II vom Vermögen abzusetzen, weil sie der Altersvorsorge dienen und nicht vor Eintritt des Ruhestands verwertet werden können. Die B-Lebensversicherung beinhaltet nämlich ausweislich der vom Ast vorgelegten Vertragsklauseln ebenso wie diejenige der T als betriebliche Direktversicherungen, die der Altersversorgung dienen, nach § 2 Abs. 2 des Gesetzes zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung Verfügungsbeschränkungen – ein Abtretungs- und Beleihungsverbot sowie bei Kündigung der Versicherung ein Verwertungsverbot in Höhe des Rückkaufwerts im Zeitpunkt der Kündigung (vgl. hierzu auch Hähnlein in Gagel, SGB III, Stand Oktober 2005, § 12 SGB II Rn 33). Den Verträgen ist auch nicht die Zweckbestimmung der Altersvorsorge abzusprechen. Das Bundessozialgericht hat eine solche in seiner Entscheidung vom 25.05.2005 – B 11a/11 AL 51/04 R – zur Arbeitslosenhilfeverordnung 2002 in der Regel angenommen, wenn die Fälligkeit der Versicherungen nach der Vollendung des 60. Lebensjahres gegeben ist. Der Gesetzeswortlaut des § 12 Abs. 2 Nr. 3 SGB II enthält jedoch keine festgelegte zeitliche Mindestbegrenzung für den Begriff des Ruhestandsbeginns. Unter diesen Umständen erscheint es gerechtfertigt, bei einer Vertragslaufzeit von 28 Jahren und Fälligkeit von fünf Monaten vor Vollendung des 60. Lebensjahres (B-Lebensversicherung) sowie 24 Jahren mit Fälligkeit von knapp einem Monat vor Vollendung des 60. Lebensjahres (T) die Versorgungsbestimmung für den Ruhestand als gegeben anzusehen. Insgesamt wird der Vermögensfreibetrag somit bereits im Mai 2005 nicht überschritten.
Es ist auch derzeit nicht als überwiegend wahrscheinlich von einer Haushaltsgemeinschaft i.S.d. § 9 Abs. 5 SGB II zwischen dem Ast und seiner Mutter auszugehen. Die von ihm vorgelegten Fotografien der Wohnung bestätigen das Ergebnis der Ortsbesichtigung, dass sich – wie vom Ast von Anfang an vorgetragen – im Obergeschoss eine vollständig eingerichtete Wohnung befindet, die er ausweislich der vorgelegten Bescheinigung seiner Mutter gegen (Bar)Mietzahlung – 370,- Euro – bewohnt. Die nach dem Bericht der Ortsbesichtigung festgestellten Umbauarbeiten verbunden mit einer eingeschränkten Nutzungsmöglichkeit der Wohnung sprechen nicht dafür, dass überwiegend wahrscheinlich eine Haushaltsgemeinschaft – das Wirtschaften aus einem Topf (vgl. Brühl in LPK – SGB II Kommentar, 1. Auflage 2005, § 9 Rn 44) – besteht, da eine Umbaumaßnahme vorübergehenden Charakter mit vorübergehenden Einschränkungen hat, während das gemeinsame Wirtschaften aus einem Topf auf Dauer angelegt ist. Auch die Ag hat hierzu – trotz des konkreten Hinweises des Sozialgerichts – keine objektiv nachvollziehbaren weiteren Fakten dartun können. Der Ast hat mithin einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht.
Das gilt auch für den erforderlichen Anordnungsgrund – die Eilbedürftigkeit einer vorläufigen Entscheidung zur Vermeidung nicht rückgängig zu machender Nachteile. Es ist zwar nicht ersichtlich, dass dem Ast als Sohn der Hauseigentümerin und als dort von Anfang an ständig Lebender die Unterkunft gekündigt wird – er hat dies insoweit auch nicht nachvollziehbar belegt. Der Ast ist aber als Lediger auf die laufende Leistung des SGB II zur Sicherung seines existentiell notwendigen Lebensunterhalts angewiesen, so dass ihm nicht zuzumuten ist, den Ausgang des Hauptsacheverfahrens abzuwarten.
Damit besteht ein Bedarf von 345,- Euro Regelbedarf mtl. ab 26.08.2005 (Eingang des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung bei Gericht) zunächst einmal für die Dauer von sechs Monaten (Regelbewilligungsdauer von Alg II gemäß § 41 Abs. 1 Satz 4 SGB II). Danach sind die tatsächlichen Verhältnisse auch vor dem Hintergrund des zu erwartenden Abschlusses der Renovierungsarbeiten erneut zu prüfen.
Der Senat sieht es lediglich als gerechtfertigt an, dass die Ag zunächst nur die Regelleistung von 345,- Euro bis zur Fertigstellung der im Umbau befindlichen Wohnung erbringt, da dieser dem Risikobereich der Mutter als Hauseigentümerin und Vermieterin zuzuordnen und damit ein Mietanspruch wegen der erheblichen Beeinträchtigungen in dieser Zeit nicht gerechtfertigt ist. Nach Vorlage des Nachweises über die Fertigstellung und den Abschluss der Baumaßnahmen sowie der vollen Nutzung der Wohnung durch den Ast wird die Ag auf einen entsprechenden Antrag auch den Anspruch auf Leistungen für Unterkunft und Heizung (§ 22 SGB II) erneut zu prüfen haben. Dabei dürfte die Angemessenheit des Mietzinses ebenso wie die Ernsthaftigkeit des offenbar erst im Dezember 2004 abgeschlossenen Mietvertrages sowie der Nachweis tatsächlich erfolgter Zahlung des Mietzinses schon im Verwaltungsverfahren eine konkrete weitere, über bloße Vermutungen hinausgehende Aufklärung des Sachverhalts von Amts wegen erforderlich machen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
2.
Dem Ast wird für das Beschwerdeverfahren ratenfreie Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt N beigeordnet.
Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Erstellt am: 28.06.2006
Zuletzt verändert am: 28.06.2006