I. Der Bescheid der Beklagten vom 9. Februar 2009 in der Gestalt des Wider- spruchsbescheides vom 3. April 2009 wird aufgehoben und es wird festgestellt, dass der Kläger seit 15. August 2008 nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V versicherungspflichtiges Mitglied der Beklagten ist.
II. Die Beklagte hat dem Kläger die notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist, ob der Kläger seit 15.08.2008 bei der Beklagten nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) pflichtversichert in der Krankenversicherung ist.
Der seit dem Jahr 2004 verwitwete Kläger war vom 05.05. bis 01.10.1964 bei der BKK K., deren Rechtsnachfolgerin die Beklagte ist, gesetzlich krankenversichert. Weitere danach liegende Zeiten der Mitgliedschaft in einer gesetzlichen oder privaten Krankenversicherung sind nicht bekannt.
Bis zuletzt Mai 1993 erhielt der Kläger laufende Hilfe zum Lebensunterhalt durch die Beigeladene. Ab Juni 1993 erhielt er bei Bedarf Hilfen für Gesundheit. Vom 01.01.2004 bis 14.08.2008 übernahm die AOK Bayern aufgrund einer versehentlichen unbefristeten Anmeldung durch die Beigeladene nach § 264 SGB V die Krankenbehandlung des Klägers. Am 14.08.2008 wurde der Kläger nach Entdeckung des Versehens mit sofortiger Wirkung von der Beigeladenen abgemeldet und auf die Versicherungspflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V hingewiesen. In der Folge erhielt der Kläger Krankenhilfe nach § 48 SGB XII.
Am 10.12.2008 stellte der Kläger durch seine damaligen Bevollmächtigten bei der Beklagten als Rechtsnachfolgerin der BKK K. einen Antrag auf Mitgliedschaft nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V. Es wurde eine Aufrechnungsbescheinigung vorgelegt, in der eine Krankenkassenmitgliedschaft des Klägers bei der BKK K. vom 05.05. bis 01.10.1964 angegeben ist.
Mit Bescheid vom 09.02.2009 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Es könne keine Mitgliedschaft für den Kläger festgestellt werden, obwohl die Unterlagen aus der fraglichen Zeit noch vorhanden seien.
Hiergegen erhoben die damaligen Bevollmächtigten des Klägers am 10.02.2009 Widerspruch. Es könne aufgrund der vorgelegten Aufrechnungsbescheinigung davon ausgegangen werden, dass der Kläger zuletzt im Jahre 1964 bei der BKK K. pflichtversichert war. Im Versicherungsverlauf des Rentenversicherungsträgers seien Pflichtversicherungszeiten des Klägers nur bis zum Jahre 1966 aufgeführt, wobei es sich bei den von Januar 1965 bis Dezember 1966 entrichteten Pflichtbeiträgen um solche für Handwerker handle, was auf eine selbstständige Tätigkeit schließen lasse.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 03.04.2009 zurück. Da der Kläger im Jahr 1965 Beiträge nach dem Handwerkerversicherungsgesetz zur Rentenversicherung entrichtet habe, sei er zumindest im Jahr 1965 selbstständig tätig gewesen. Deshalb erscheine eine private Krankenversicherung als sehr wahrscheinlich. Aufgrund der allgemeinen Lebenserfahrung sei davon auszugehen, dass nach dem 01.10.1964 weitere Versicherungszeiten in der privaten Krankenversicherung oder aber bei anderen gesetzlichen Krankenversicherungen bestanden hätten. Im Übrigen schließe die Erbringung von Krankenversicherungsleistungen nach § 264 Abs. 2 SGB V den Eintritt von Versicherungspflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V aus.
Am 17.04.2009 ist hiergegen Klage erhoben worden. Nach 1964 sei der Kläger in keiner Krankenversicherung privat versichert gewesen.
In der mündlichen Verhandlung vom 08.09.2010 hat der Kläger seinen Antrag auf die Zeit ab 15.08.2008 beschränkt, da bis 14.08.2008 die AOK Bayern infolge der Anmeldung durch die Beigeladene die Krankenbehandlung übernommen hatte und die Beigeladene zugesichert hat, für die Zeit vom 01.04.2007 bis 14.08.2008 keine Erstattungsansprüche gegen die Beklagte geltend zu machen.
Der Kläger beantragt, den Bescheid der Beklagten vom 09.02.2009 in der Gestalt des Widerspruchs-bescheids vom 03.04.2009 aufzuheben und festzustellen, dass der Kläger seit 15.08.2008 nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V versicherungspflichtiges Mitglied der Beklagten ist.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Die Beigeladene stellt keinen Antrag.
Im Übrigen wird zur Ergänzung des Tatbestands auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Akten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht zum zuständigen Sozialgericht Augsburg erhobene Anfechtungs- und Feststellungsklage ist zulässig.
Die Klage ist auch begründet, da der streitgegenständliche Bescheid der Beklagten vom 09.02.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 03.04.2009 rechtswidrig ist und den Kläger in seinen Rechten verletzt. Denn der Kläger ist seit 15.08.2008 nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 Buchstabe a) SGB V versicherungspflichtiges Mitglied der Beklagten, da er seither keinen anderweitigen Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall hat und zuletzt gesetzlich bei der BKK K., deren Rechtsnachfolgerin die Beklagte ist, krankenversichert war.
Nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 Buchstabe a) SGB V sind Personen versicherungspflichtig, die keinen anderweitigen Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall haben und zuletzt gesetzlich krankenversichert waren.
Der Kläger hat seit 15.08.2008 keinen anderweitigen Anspruch auf Absicherung im Krank- heitsfall im Sinne von § 5 Abs. 1 Nr. 13 Buchstabe a) SGB V. Zum einen sind bei ihm die Voraussetzungen einer Versicherungspflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V und § 10 SGB V nicht gegeben. Zum anderen beinhaltet der Bezug von Krankenhilfe nach § 48 SGB XII keinen anderweitigen Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall im Sinne von § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V. Dies ergibt sich aus § 5 Abs. 8a Satz 2 SGB V, der nur Empfänger laufender Leistungen nach dem 3., 4., 6. und 7. Kapitel SGB XII von der Versicherungspflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V ausschließt. Personen, die ausschließlich und fallweise Hilfen zur Gesundheit nach dem 5. Kapitel SGB XII erhalten, sind in der Vorschrift nicht aufgeführt.
Der Kläger war nach Überzeugung des Gerichts zuletzt gesetzlich krankenversichert. "Zuletzt gesetzlich krankenversichert" im Sinne von § 5 Abs. 1 Nr. 13 Buchstabe a) SGB V bedeutet nicht, dass eine gesetzliche Krankenversicherung zeitlich unmittelbar vorausgegangen sein muss. Vielmehr ist es unschädlich, wenn zwischenzeitlich ein Zustand bestanden hat, in dem keine gesetzliche Krankenversicherung bestand. Das Tatbestandsmerkmal "zuletzt gesetzlich krankenversichert" dient allein dazu, Personen, die ihrem Status nach nicht der gesetzlichen Krankenversicherung zuzuordnen sind, vom Versicherungsschutz der gesetzlichen Krankenversicherung auszunehmen (vgl. Bundestagsdrucksache 16/3100, S. 94). Maßgeblich für eine Versicherungspflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V ist demnach, dass die letzte Versicherung vor dem fehlenden anderweitigen Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall eine gesetzliche und nicht eine private Krankenversicherung war. Aus der vom Kläger vorgelegten Aufrechnungsbescheinigung ergibt sich, dass er zuletzt vom 05.05. bis 01.10.1964 bei der BKK K. pflichtversichert war. Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger in der Zeit ab 02.10.1964 privat krankenversichert gewesen wäre, liegen nicht vor. Allein aus der Tatsache, dass der Kläger nach 1964 selbstständig tätig war, lässt sich nicht der Abschluss einer privaten Krankenversicherung folgern. Bezüglich der Krankenversicherung des Klägers nach 1964 ist nichts Weiteres bekannt und kann auch unter Ausschöpfung zumutbarer Ermittlungsmöglichkeiten nicht ermittelt werden. Nach Angabe des Klägers in der mündlichen Verhandlung vom 08.09.2010 war er nach 1964 nicht mehr krankenversichert und suchte keine Ärzte auf. Erst mit zunehmendem Alter seien Behandlungen erforderlich geworden, die dann vom Sozialamt übernommen worden seien.
Nach § 174 Abs. 5 SGB V ist der Kläger Mitglied der Beklagten geworden, da diese Rechtsnachfolgerin der BKK K. ist, bei der der Kläger zuletzt gesetzlich versichert war. Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger nach dem 01.10.1964 bei einer anderen gesetzlichen Krankenkasse versichert war, liegen nicht vor. Insbesondere stellt die Übernahme der Krankenbehandlung von Empfängern laufender Sozialhilfeleistungen nach § 264 Abs. 2 SGB V kein gesetzliches Krankenversicherungsverhältnis dar. Unschädlich ist auch, dass der Kläger vor Stellung des Aufnahmeantrags bei der Beklagten Aufnahmeanträge bei der AOK Bayern und der Südzucker BKK gestellt hatte. Denn aufgrund der Sondervorschrift des § 174 Abs. 5 SGB V gilt das allgemeine Krankenkassenwahlrecht nicht und es wird eine zwingende Zuständigkeit der letzten Kasse begründet.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 193,183 des Sozialgerichtsgesetzes.
Erstellt am: 11.10.2010
Zuletzt verändert am: 11.10.2010