I. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 914,20 Euro zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von vier Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab 14. Januar 2009 zu zahlen.
II. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahren.
III. Der Streitwert wird auf 914,20 Euro festgesetzt.
Tatbestand:
Streitgegenstand ist eine von der Beklagten vorgenommene Aufrechnung in Höhe von 914,20 EUR.
Die Klägerin betreibt das Zentralklinikum in A-Stadt. Die bei der Beklagten krankenversicherte C. war vom 09.12. bis 12.12.2008 im Zentralklinikum A-Stadt in stationärer Behandlung. Das Krankenhaus erstellte am 22.12.2008 eine Rechnung über 1.217,57 EUR und übermittelte sie der Beklagten am 23.12.2008. Die Beklagte bezahlte hierauf 303,37 EUR.
Die Bezahlung der weiteren 914,20 EUR verweigerte die Beklagte unter Berufung auf einen Rückforderungsanspruch aus der Behandlung des Patienten J … Dieser war vom 30.05. bis 01.06.2008 im Zentralklinikum in stationärer Behandlung. Die Rechnung vom 27.06.2008 über 1.987,71 EUR war von der Beklagten zunächst unter Vorbehalt beglichen worden. Da der sozialmedizinische Dienst der Beklagten die Auffassung vertrat, dass der stationäre Aufenthalt auf einen Verweildauertag hätte gekürzt werden können, forderte die Beklagte von der Klägerin 914,20 EUR zurück. Die Beklagte erklärte die Aufrechnung gegen die Forderung aus der Behandlung der Patientin C …
Mit der am 06.09.2010 erhobenen Klage macht die Klägerin die Zahlung von 914,20 EUR für die Behandlung der Patientin C. geltend. Der Rückzahlungsanspruch der Beklagten aus der Behandlung des Patienten J. werde bestritten. Die stationäre Behandlung sei in vollem Umfang medizinisch notwendig gewesen. Eine Aufrechnung sei mangels Fälligkeit des Rückzahlungsanspruches nicht möglich. Nach § 11 der Pflegesatzvereinbarung für das Jahr 2008 sei ein Rückzahlungsanspruch erst dann fällig, wenn eine geänderte Abrechnung durch das Krankenhaus oder eine rechtskräftige Entscheidung über den Rückzahlungsanspruch vorliege. Beides sei vorliegend nicht der Fall.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 914,20 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von vier Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab 14.01.2009 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte ist der Auffassung, dass sie zu Recht mit einem Rückzahlungsanspruch im Fall J. gegen die Forderung aus der Behandlung der Patientin C. aufgerechnet hat. Ein Aufrechnungsverbot greife nicht ein, wie sich dem Urteil des Bundessozialgerichts vom 22.07.2004, Az: B 3 KR 21/03 R entnehmen lasse. Aus den landesrechtlichen Regelungen und der Pflegesatzvereinbarung würde sich kein Aufrechnungsverbot entnehmen lassen.
Im Übrigen wird zur Ergänzung des Tatbestands auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
I.
Die zum sachlich und örtlich zuständigen Sozialgericht Augsburg formgerecht erhobene Leistungsklage ist zulässig. Eines Vorverfahrens und der Einhaltung einer Klagefrist bedurfte es nicht, da es sich um eine Zahlungsklage im Gleichordnungsverhältnis handelt.
Die Klage ist auch begründet. Die Klägerin hat Anspruch auf Zahlung der noch ausstehenden Vergütung für den stationären Aufenthalt der Patientin C. vom 09. bis 12.12.2008 in Höhe von 914,20 EUR. Rechtsgrundlage des geltend gemachten Vergütungsanspruchs ist § 109 Abs. 4 Satz 3 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) in Verbindung mit der Pflegesatzvereinbarung für das Jahr 2008. Die Forderung ist in Höhe von 303,37 EUR durch Erfüllung, nicht jedoch in Höhe von 914,20 EUR durch Aufrechnung erloschen.
Zwar ist eine Aufrechnung im Verhältnis zwischen Krankenhaus und Krankenkasse grundsätzlich zulässig. Nach § 69 Satz 3 SGB V sind für eine Aufrechnung §§ 387 ff. Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) maßgebend. Danach setzt eine Aufrechnung die Gegenseitigkeit und Gleichartigkeit der Forderungen, die Erfüllbarkeit der Hauptforderung, die Fälligkeit der Gegenforderung und das Nichtbestehen eines Aufrechnungsverbotes voraus. Vorliegend fehlt es an der Fälligkeit der Gegenforderung, des Rückforderungsanspruchs im Fall J …
Unter Fälligkeit versteht man den Zeitpunkt, von dem ab der Gläubiger die Leistung verlangen kann. Nach § 271 BGB kann der Gläubiger die Leistung sofort verlangen, wenn eine Zeit für die Leistung weder bestimmt noch aus den Umständen zu entnehmen ist (Absatz 1). Ist eine Zeit bestimmt, so ist im Zweifel anzunehmen, dass der Gläubiger die Leistung nicht vor dieser Zeit verlangen kann (Absatz 2). Vorliegend wurde mit § 11 Abs. 2 der Pflegesatzvereinbarung 2008 eine von der Grundregel des § 271 Abs. 1 BGB – sofortige Fälligkeit – abweichende vertragliche Fälligkeitsbestimmung getroffen. Nach § 11 Abs. 2 Sätze 2 und 3 der Pflegesatzvereinbarung des Jahres 2008 storniert das Krankenhaus die ursprüngliche Rechnung, stellt eine neue Rechnung aus und zahlt den zu viel erhaltenen Betrag innerhalb von drei Wochen zurück, wenn sich im Nachhinein herausstellt, dass durch das Krankenhaus eine unberechtigte Rechnungslegung erfolgte. Im Falle einer gerichtlichen Auseinandersetzung beträgt die Rückzahlungsfrist des zu viel erhaltenen Betrages drei Wochen ab Rechtskraft der Entscheidung.
Bei der Fristbestimmung in § 11 Abs. 2 Sätze 2 und 3 der Pflegesatzvereinbarung 2008 handelt es sich um eine vertragliche Fälligkeitsbestimmung nach § 271 Abs. 1 BGB (vgl. auch BSG vom 28.05.2003, Az: B 3 KR 10/02 R). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (zum Beispiel BGH vom 01.02.2007, Az: III ZR 159/06) sind Klauseln, die ein Zahlungsziel einräumen, grundsätzlich als eine Leistungszeitbestimmung im Sinne von § 271 Abs. 2 BGB anzusehen und nicht lediglich als ein Verzicht auf die Durchsetzung eines schon früher fälligen Anspruchs oder als die Bestimmung des Verzugsbeginns. Aus der in § 11 Abs. 2 der Pflegesatzvereinbarung 2008 getroffenen vertraglichen Vereinbarung ist folglich zu schließen, dass bei nachträglichen Beanstandungen die Rückforderung nicht bereits mit der Beanstandung und Fristsetzung fällig wird, sondern erst drei Wochen nach Stornierung der ursprünglichen Rechnung durch das Krankenhaus oder drei Wochen nach Rechtskraft einer gerichtlichen Entscheidung über die Rückforderung.
Durch die in § 11 Abs. 2 der Pflegesatzvereinbarung 2008 getroffene Fälligkeitsbestimmung unterscheidet sich der vorliegende Sachverhalt von den Sachverhalten, die den Urteilen des BSG vom 22.03.2004, Az: B 3 KR 21/03 R und vom 28.09.2006, Az: B 3 KR 23/05 R zu Grunde lagen und in denen eine Aufrechnung für zulässig erklärt wurde. Aus den Urteilen kann nicht der Schluss gezogen werden, dass eine Aufrechnung generell zulässig ist. Vielmehr lässt sich den Urteilen entnehmen, dass sich die Aufrechnung nach den Vorschriften des BGB richtet. Diese setzen aber die Fälligkeit der Gegenforderung voraus.
Da eine Widerklage auf Zahlung der Gegenforderung nicht erhoben wurde, war vom Gericht nicht zu prüfen, ob der von der Beklagten behauptete Rückforderungsanspruch im Fall J. besteht. Vielmehr war der Klage ohne nähere Prüfung des Bestehens des Rückforderungsanspruchs stattzugeben.
Der Anspruch auf Verzinsung ergibt sich aus § 11 Abs. 1 Satz 3 der Pflegesatzvereinbarung 2008. Danach ist die Rechnung innerhalb von drei Wochen nach Rechnungseingang zu zahlen und sind ab Überschreitung der Zahlungsfrist Verzugszinsen in Höhe von vier Prozentpunkten über den jeweiligen Basiszinssatz zu entrichten.
II.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Sozialgerichtsgesetz (SGG) in Verbindung mit §§ 161 Abs. 1, 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO), da weder die Klägerin noch die Beklagte zu den in § 183 SGG genannten Personen gehören und die Beklagte die unterliegende Partei des Rechtsstreits ist.
III.
Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit dem Gerichtskostengesetz (GKG). Da der Klageantrag auf eine bezifferte Geldleistung gerichtet war, ist deren Höhe maßgeblich (§ 52 Abs. 3 GKG).
Erstellt am: 10.03.2015
Zuletzt verändert am: 10.03.2015