I. Die Beklagte wird unter Aufhebung der Bescheide vom 4. Dezember 2009 und vom 10. Dezember 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14. Juli 2010 verurteilt, den Kläger mit den Hörgerätesystemen Oticon Agil Pro P zu versorgen.
II. Die Beklagte hat dem Kläger die ihm entstandenen notwendigen Kosten der Rechtsverteidigung zu erstatten.
Tatbestand:
Streitgegenständlich ist die Versorgung des Klägers mit Hörgeräten beidseits.
Der 1958 geborene Kläger ist bei der Beklagten krankenversichert. Zwischen den Beteiligten war bereits unter dem Az: S 12 KR 253/08 ein Verfahren wegen der Versorgung des Klägers mit Hörgeräten anhängig. Dieses wurde wegen der ungeklärten Antragsstellung bzw. Zuständigkeit zurückgenommen. Gleichzeitig beantragte der Kläger aber erneut bei der Beklagten die Versorgung mit Hörgeräten unter Vorlage eines Kostenvoranschlags der Firma Hörgeräte S. vom 25.05.2009 bezüglich der Versorgung des Klägers mit dem Gerätesystem Audeo YES V beidseits über 3.730 EUR. Der Antrag ist bei der Beklagten am 04.12.2009 eingegangen. Mit Bescheiden vom 04.12.2009 und vom 10.12.2009 lehnte die Beklagte den Antrag mit der Begründung ab, für die Hörgeräteversorgung bestehe eine vertragliche Vereinbarung mit den Leistungserbringern, wonach die Versorgung und Abrechnung im Rahmen eines Festbetrags-Gruppensystems vorgesehen sei. Danach müsse der Hörgeräteakustiker dem Versicherten mindestens zwei geeignete Hörsysteme, mit denen ein ausreichender Ausgleich der Hörbehinderung erreicht werde, innerhalb der vereinbarten Festbeträge eigenanteilsfrei zur Verfügung stellen. Hierdurch sei eine geeignete Hörgeräteversorgung ausreichend sichergestellt. Die Leistungspflicht der Krankenkasse sei mit Übernahme des Festbetrags erfüllt. Wähle der Versicherte dagegen ein Hörgerät mit Zuzahlung, sei eine Abrechnung des "Mehrbetrages" gegenüber den Leistungsträgern nicht möglich. Hiergegen hat der Kläger mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 16.12.2009 Widerspruch mit der Begründung erhoben, mit den zum Festbetrag angebotenen Geräten könne kein ausreichendes Hörverständnis erreicht werden. Insoweit sei die Leistungspflicht der Beklagten, die grundsätzlich im Rahmen des unmittelbaren Behindertenausgleichs verpflichtet sei, den hörbehinderten Versicherten durch entsprechende Sachleistung in die Lage zu versetzen, im Alltag mit normal Hörenden gleichzuziehen, durch die Erbringung der hierfür nicht ausreichenden Festbeträge nicht erfüllt. Der Kläger reichte eine aktuelle ohrenärztliche Verordnung vom 23.02.2010 mit dem Hinweis nach, dass sich sein Hörvermögen weiter verschlechtert habe.
Der Beklagte holte hierzu eine Stellungnahme des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen (MDK) ein, der ausführliche rechtliche Erwägungen zur Erfüllung der Leistungspflicht der Krankenkassen durch die Festbetragsregelung bzw. die in diesem Rahmen abgeschlossenen Versorgungsverträge anstellte und in Bezug auf den Kläger ausführte, bei
diesem liege eine relativ banale hochtonbetonte Innenohrschwerhörigkeit vor, die keine besondere Schwierigkeiten bei der Versorgung begründe, so dass eine geeignete Versorgung eigenanteilsfrei möglich sein müsse. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus den für den Kläger im Rahmen des vorangegangenen Verfahrens aus dem Jahr 2008 vorgelegten Messergebnissen zur Hörgeräteanpassung, soweit diese einer subjektiven Beeinflussung und üblichen Schwankungen unterliegen würden. Entscheidend sei daher, dass grundsätzlich eine Hörstörung, wie sie beim Kläger vorliege, durch eine Versorgung im Rahmen der Festbetragsregelung ausreichend ausgeglichen werden könne. Mit Widerspruchsbescheid vom 14.07.2010 wies die Beklagte daher den Widerspruch gegen die Bescheide vom 04.12.2009 und vom 10.12.2009 als unbegründet zurück.
Hiergegen hat der Kläger mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 27.07.2010, eingegangen bei Gericht am 29.07.2010, Klage zum Sozialgericht Augsburg erhoben. Für den Kläger ist vorgetragen worden, er habe massivste Verständigungsprobleme im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit im Außendienst, insbesondere bei Kundengesprächen in Umgebung mit Störgeräuschen, aber auch im privaten Alltag, die mit den zuzahlungsfreien Geräten nicht ausreichend ausgeglichen werden könnten. Unter Beachtung der höchstrichterlichen Rechtsprechung sei im Rahmen des unmittelbaren Behinderungsausgleichs eine Versorgung über die Festbeträge bzw. Versorgungsverträge hinaus zu erbringen, soweit diese zum Behinderungsausgleich erforderlich sei.
Im Rahmen eines Erörterungstermins vom 23.02.2012 einigten sich die Beteiligten dahingehend, dass der Kläger vorläufig mit einem Hörgerät zum Festbetrag versorgt werde, parallel aber weitere Festbetragsgeräte wie auch teuerere Geräte in ausreichender Anzahl getestet werden sollen und für den Fall, dass sich hierbei durch ein anderes Gerät deutlich bessere Messergebnisse ergäben, dass Verfahren fortgeführt werden solle. Am 31.10.2012 hat der Kläger die Fortsetzung des Verfahrens mit der Begründung beantragt, er sei entsprechend der Einigung im Erörterungstermin vorläufig mit dem eigenanteilsfreien Gerät Phonak Milo SP versorgt worden, bei den parallel hierzu durchgeführten weiteren Messungen habe sich aber ergeben, dass das mit diesem Gerät erzielte Sprachverständnis deutlich hinter dem Ergebnis, das mit Geräten, die nicht im Rahmen der Versorgungsverträge abgegeben würden, zurückbleibe. Das beste Ergebnis sei mit dem Hörgerätesystem Oticon Agil pro P erzielt worden. Es werde daher nun die Versorgung mit diesem Gerätesystem begehrt. Der Kläger hat hierzu Dokumentation zur Hörgeräteanpassung und Vergleichsmessungen zur Vorlage gebracht, woraus sich bei der Freifeldmessung mit Störschall ein Hörgewinn mit dem angepassten Gerät Phonak Milo SP von 10 %, mit dem Gerät Oticon Agil pro P von 45 % ergibt. Die Beklagte hat hierzu erneute Stellungnahme des MDK vorgelegt, der darauf hingewiesen hat, dass sich aus den vorgelegten Dokumentationen ein Unterschied bezüglich des Hörgewinns in Ruhe von lediglich 10 % ergebe, der wohl im Rahmen der üblichen Schwankungen liege. Der Unterschied hinsichtlich des Hörgewinns bei Störschall sei dagegen auffällig. Hier sei aber zu sehen, dass entsprechend ungünstige Bedingungen, wie sie vom Akustiker bei Störschall getestet werden, im Alltag nicht üblicherweise dauernd vorkämen. Eine unter den sozial üblichen akustischen Bedingungen ausreichende Versorgung sei auch im Rahmen der Festbeträge möglich und müsse vom Akustiker entsprechend angeboten werden. In einem weiteren Erörterungstermin vom 12.03.2013 haben die Beteiligten daraufhin vereinbart, dass die Beklagte versuchen solle, auf den zuletzt für die gemäß Erörterungstermin vom 23.02.2012 vereinbarte Anpassung in Anspruch genommenen Akustiker dahingehend einzuwirken, dass das begehrte Gerät Oticon Agil pro P oder ein vergleichbares Gerät zum Festbetrag abgegeben werde.
Mit Schreiben vom 15.03.2013 hat der Hörgeräteakustiker mitgeteilt, dass dort vom Kläger fünf verschiedene Geräte getestet worden seien. Zuvor seien bereits bei anderen Akustikern verschiedene Hörsysteme getestet worden. Seitens der Leistungserbringer seien damit die vertraglichen Pflichten ausreichend erfüllt worden. Der Hörgeräteakustiker beruft sich insoweit auf erneut vorgelegten Anpassungsbericht, aus dem sich nun auch bei Störschall durch das dem Kläger eigenanteilsfreie Festbetragsgerät Phonak Milo ein Hörgewinn von 30 % ergibt. Der Kläger hat hierzu darauf hingewiesen, dass die Angaben des Akustikers widersprüchlich seien im Hinblick auf unterschiedliche Angaben zum Hörgewinn durch das angepasste Gerät bei Störschall, insbesondere, soweit in den vorgelegten Anpassungsberichten jeweils dasselbe Messdatum 29.03.2012 bei unterschiedlichen Messergebnissen angegeben sei. Weiter hat der Kläger ein ohrenärztliches Attest nachgereicht, wonach bei ihm wegen rezidivierender Otitiden eine geschlossene Hörgräteversorgung nicht möglich sondern dringend die Anpassung eines offenen Systems anzuraten sei. Die Beklagte hat erneute Stellungnahme des MDK vorgelegt, der neben erneuten umfangreichen rechtlichen Erwägungen ausgeführt hat, aus den unterschiedlichen Angaben zum Hörgewinn bestätige sich, dass die Messungen teilweise subjektiven Faktoren unterliegen. Außerdem sei nochmals darauf hinzuweisen, dass die beim Akustiker angenommenen Störschallbedingungen im sozialen Leben nur vereinzelt auftreten. Der hinsichtlich der verschiedenen getesteten Geräte unterschiedliche Hörgewinn bei Störschall könne daher nicht ausschlaggebend sein für die Beurteilung einer ausreichenden eigenanteilsfreien Versorgung, die an nicht vermeidbaren üblichen sozialen Nebengeräuschbedingungen zu messen sei. Insoweit sei davon auszugehen, dass eine Messung bei niedrigerem Störschall, wie üblicherweise in sozialen oder beruflichen Leben zu erwarten, eine ausreichende Hörverbesserung auch durch ein eigenanteilsfreies Gerät belege. Seitens des Akustikers ist auf Hinweis des Gerichts auf die jeweils vorgelegten unterschiedlichen Dokumentationen erneuter Anpassbericht und Dokumentation zur Hörgeräteversorgung vorgelegt worden unter Mitteilung, dass die sich daraus ergebende Verbesserung des Hörgewinns durch das eigenanteilsfreie Gerät Phonak Milo SP auf der zwischenzeitlichen Gewöhnung des Klägers an das Gerät beruhe. Die Beklagte hat hierzu nochmals Stellungnahme des MDK vorgelegt, wonach die zuletzt vorgelegte Messung zwar offensichtlich bei niedrigerem Störschall durchgeführt worden sei, aber jedenfalls eine weitergehende, jedenfalls ausreichende Hörverbesserung von 30 % auch bei Störschall durch das eigenanteilsfreie Gerät ergebe. Für den Kläger ist darauf hingewiesen worden, dass die Angabe eines verbesserten Hörgewinns durch das eigenanteilsfreie Gerät nicht nachvollziehbar sei, soweit seitens des Akustikers mehrfach unterschiedliche Anpassberichte erteilt worden seien, bei denen zwar jeweils ein unterschiedlich hoher Hörgewinn aber jeweils dasselbe Messdatum 29.03.2012 angegeben sei.
Das Gericht hat im Termin zur mündlichen Verhandlung den Kläger angehört sowie den Hörgeräteakustiker, der den Kläger vorläufig mit dem eigenanteilsfreien Gerät Phonak Milo SP versorgt sowie die weiteren Geräte getestet hat, als Zeugen vernommen. Der Zeuge hat zu den unterschiedlichen Anpassberichten bzw. weiteren Dokumentationen erklärt, dass seitens des Akustikers grundsätzlich bei jedem Termin des Klägers Messungen durchgeführt worden seien, wobei im Rahmen der hierzu gespeicherten Dokumentation jeweils nur die Daten eingegeben worden seien, die sich geändert hätten, die übrigen Daten, insbesondere auch das Messdatum, seien nicht aktualisiert worden. Die mitgeteilten Messdaten zum Hörgewinn hätten aber ganz sicher den tatsächlich bei den unterschiedlichen Terminen – mit teilweise unterschiedlichen Hörgeräten – gemessenen unterschiedlichen Messergebnissen entsprochen. Im Vergleich zu den weiter getesteten eigenanteilsfrei angebotenen Geräten habe das Gerät Phonak Milo SP das beste Ergebnis erzielt. Die im Laufe der Dokumentation ersichtliche Verbesserung des Hörgewinns mit diesem Gerät resultiere aus der üblichen im Rahmen einer Eingewöhnung zu erreichenden Verbesserung. Insoweit sei davon auszugehen, dass grundsätzlich mit allen getesteten Geräten nach entsprechender Eingewöhnung noch eine Steigerung des Hörgewinns zu erreichen sei. Im Vergleich aller getesteter Geräte sei der höchste Hörgewinn beim Kläger mit dem Gerät Oticon Agil pro P erzielt worden. Wegen der weiteren Aussage des Zeugen wird auf die Niederschrift zur Sitzung vom 26.05.2014 verwiesen.
Der Kläger hat vorgetragen, dass er mit dem Gerät Phonak Milo SP nur schlecht zurechtkomme, insbesondere im Hinblick auf das Hörverständnis, das bei ihm im Hinblick auf unabhängig von der Hörbehinderung bestehende Verständnisschwierigkeiten der deutschen Sprache besonders wichtig sei. Am besten sei er mit dem Gerät Oticon Agil pro P zurechtgekommen.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung der Bescheide vom 04.12.2009 und 10.12.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14.07.2010 zu verurteilen, den Kläger mit den Hörgeräten Oticon Agil pro P zu versorgen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte ist der Ansicht, dass durch die Vertragsregelung im Rahmen der Festbeträge eine ausreichende Versorgung sichergestellt sei und im hier vorliegenden Fall die Versorgung des Klägers mit einem teueren Gerät nicht gerechtfertigt sei, soweit die dadurch zu erreichende Verbesserung des Hörvermögens des Klägers im Alltag nicht wesentlich sei.
Wegen des weiteren Sachverhalts sowie des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte sowie die beigezogene Akte zum vorausgegangenen Verfahren zum Az: S12 KR 253/08 und die beigezogenen Verfahrensakten der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist begründet, der angefochtene Bescheid der Beklagten stellt sich als rechtswidrig dar und verletzt den Kläger in seinen Rechten, § 154 Abs. 2 S. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Der Kläger hat Anspruch gegen die Beklagte auf Versorgung mit den Hörgerätesystemen, mit denen für ihn nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme bestmögliche Angleichung an das Hörvermögen Gesunder gewährleistet ist und die dem Kläger zur Überzeugung des Gerichts im Alltagsleben einen erheblichen Gebrauchsvorteil bieten.
Gemäß § 33 Abs. 1 S. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) haben Versicherte Anspruch auf Versorgung mit Hörhilfen, die im Einzelfall erforderlich sind, um die Behinderung auszugleichen. Dieser Anspruch ist von der Krankenkasse grundsätzlich in Form einer Sachleistung zu erbringen, § 2 Abs. 2 S. 1 SGB V, wobei sie ihre Leistungspflicht aber gemäß § 12 Abs. 2 SGB V grundsätzlich auch mit Erbringung des Festbetrags erfüllt, wenn für die Leistung ein Festbetrag festgesetzt ist. Die Befugnis zur Festbetragsfestsetzung für Hilfsmittel ergibt sich aus § 36 SGB V. Hierzu hat das Bundessozialgericht (BSG) aber entschieden, dass die Befugnis zur Festbetragsregelung oder zum Vertragsschluss mit Leistungserbringern im Rahmen der Festbeträge zur Leistungsbegrenzung nur im Hinblick auf die Kostengünstigkeit der Versorgung, nicht aber zu Einschränkungen des GKV-Leistungskatalogs berechtigt (vgl. BSG, Urteil vom 17.12.2009, Az: B 3 KR 20/08 R). Ein Hilfsmittelfestbetrag bewirkt danach keine Leistungsbegrenzung, wenn er für den Ausgleich der konkret vorliegenden Behinderung objektiv nicht ausreicht. In diesem Fall bleibt es vielmehr bei der Verpflichtung der Krankenkasse zur grundsätzlich kostenfreien Versorgung des Versicherten (BSG, Urteil vom 17.12.2009, a.a.O.; Urteil vom 21.08.2008, Az: B 12 R 33/07 R). Insoweit reicht es auch nicht aus, dass gegebenenfalls überhaupt ein Leistungserbringer die notwendige Leistung im Rahmen der Festbeträge bereithält. Erforderlich ist vielmehr, dass dieser angemessen erreichbar und seine Inanspruchnahme den Versicherten auch ansonsten zumutbar ist (vgl. BSG, Urteil vom 17.12.2009, a.a.O.). Davon ist im hier vorliegenden Fall nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme zur Überzeugung des Gerichts nicht auszugehen.
Der Kläger hat seit erstmaliger Antragstellung bereits im Jahr 2008 mehrfach bei unterschiedlichen Leistungserbringern unterschiedliche – eigenanteilsfrei angebotene – Hörgerätesysteme getestet. Der jeweils erzielte Hörgewinn ist ausweislich der hierzu vorliegenden Dokumentationen jeweils hinter dem mit dem zuletzt begehrten Hörgerät Oticon Agil pro P erreichten Hörgewinn zurückgeblieben. Auch wenn im Rahmen der vertraglichen Regelungen die Leistungserbringer jeweils entscheiden, welche Geräte sie eigenanteilsfrei abgeben und daher nicht ausgeschlossen werden kann, dass gegebenenfalls von einem weiteren Leistungserbringer ein Hörgerät eigenanteilsfrei angeboten würde, mit dem ein vergleichbarer Hörgewinn erzielt werden könnte, kann der Kläger auf die Erprobung weiterer Hörsysteme im Hinblick auf die bereits langdauernde umfangreiche vergleichende Anpassung nicht mehr zumutbar verwiesen werden.
Der Kläger ist zur Überzeugung des Gerichts auch nicht bereits hinreichend mit dem vorläufig angepassten Gerät Phonak Milo SP versorgt. Im Rahmen des durch die Hörgeräteversorgung erfolgenden unmittelbaren Behinderungsausgleichs haben Versicherte Anspruch auf die Versorgung, die nach dem Stand der Medizintechnik bestmögliche Angleichung an das Hörvermögen Gesunder erlaubt, soweit dies im Alltag einen erheblichen Gebrauchsvorteil bietet. Solange dieser Ausgleich im Sinne eines Gleichziehens mit dem Hörvermögen gesunder Menschen nicht vollständig erreicht ist, kann die Versorgung mit einem (fortschrittlicheren) Hörgerät nicht mit der Begründung abgelehnt werden, dass die gesetzliche Krankenversicherung nur für die Aufrechterhaltung eines wie auch immer zu bestimmenden Basishörvermögens aufzukommen habe (vgl. BSG, Urteil vom 17.12.2009, a.a.O.). Insoweit kann sich die Beklagte nicht darauf berufen, dass auch mit dem eigenanteilsfrei angebotenen Gerät Phonak Milo SP ein Hörgewinn erzielt werde, der in den üblichen Alltagssituationen ausreichend sei. Zwar ist der Anspruch grundsätzlich begrenzt durch das Wirtschaftlichkeitsgebot des § 12 Abs. 1 SGB V, wonach die Leistungen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein müssen und das Maß des notwendigen nicht überschreiten dürfen. Demnach ist ein Anspruch auf ein teueres Hilfsmittel ausgeschlossen, wenn eine kostengünstigere Versorgung für den angestrebten Nachteilsausgleich funktionell ebenfalls geeignet ist und die kostenaufwändigere Versorgung lediglich ästhetische Vorteile oder höheren Nutzungskomfort bietet, aber auch, wenn einer nur geringfügigen Verbesserung des Gebrauchsnutzens ein als unverhältnismäßig einzuschätzender Mehraufwand gegenübersteht (vgl. BSG, Urteil vom 17.12.2009, a.a.O.).
Eine solche Begrenzung ist hier jedoch zur Überzeugung des Gerichts nicht anzunehmen. Der Kläger hat glaubhaft dargestellt, dass der mit dem bislang vorläufig angepassten Gerät Phonak Milo SP erzielte Hörgewinn im Alltag nicht ausreichend ist insoweit, als auch bei im Alltag regelmäßig vorkommenden Störgeräuschen, wie zum Beispiel bei stärkerem Regen oder in größerem Personenkreis beim Zusammentreffen unterschiedlicher Stimmlagen, eine ausreichende Verständigung nicht mehr möglich ist, insbesondere auch unter Berücksichtigung des für den Kläger als Nicht-Muttersprachler besonders wichtigen Sprachverständnisses.
Nicht anschließen kann sich das Gericht der Ansicht der Beklagten, wonach ausgehend von dem zuletzt angegebenen Hörgewinn von 30 % auch bei Störschall für das Gerät Phonak Milo SP im Vergleich zum für das Gerät Oticon Agil pro P angegebenen Hörgewinn ein im Verhältnis zum Mehraufwand angemessener wesentlicher Hörgewinn durch das begehrte Gerät nicht anzunehmen sei. Hier ist zu sehen, dass das Gerät Oticon Agil pro P lediglich einmal, nämlich zu Beginn der Hörgeräteanpassung beim zuletzt in Anspruch genommenen Akustiker getestet worden ist. Dabei ist mit dem Hörsystem Oticon Agil pro P ein Hörgewinn in Ruhe von 80 %, im Störgeräusch von 45 %, mit dem Gerät Phonak Milo SP ein Hörgewinn in Ruhe von 70 %, im Störgeräusch von 10 % gemessen worden. Zwar ist nach den zuletzt angegebenen Messergebnissen bei der letzten Messung mit dem Gerät Phonak Milo SP ein Hörgewinn im Störgeräusch von 30 % angegeben worden. Dabei ist allerdings zum einen aufgrund der angegebenen Daten davon auszugehen, dass die letzte Messung bei niedrigerem Störschall und außerdem nach ausreichender Gewöhnung des Klägers an das Hörgerät Phonak Milo SP erfolgt ist. Insoweit ist für das Gericht die Erläuterung des Hörgeräteakustikers, wonach grundsätzlich bei jedem Gerät nach entsprechender Eingewöhnung noch mit einer weitergehenden Verbesserung des zu erzielenden Hörgewinns zu rechnen sei, durchaus nachvollziehbar und überzeugend. Daher kann davon ausgegangen werden, dass bei entsprechender Gewöhnung an das Gerät Oticon Agil pro P ebenfalls ein entsprechend weitergehender Hörgewinn erzielt werden kann.
Dieser im Vergleich zum bislang genutzten Gerät mögliche weitergehende Hörgewinn steht zur Überzeugung des Gerichts auch nicht außer Verhältnis zum durch die Versorgung mit dem begehrten Gerät Oticon pro P entstehenden Mehraufwand. Nach den Erläuterungen des Zeugen bedeutet ein Hörgewinn von 10 %, wie er bei der ersten Anpassung des Gerätes Phonak Milo SP im Störgeräusch erreicht worden ist, ein Hörverständnis von lediglich 2 aus 20 Wörtern, das dann nach ausreichender Eingewöhnung zuletzt auf 30 %, das heißt 6 aus 20 Wörtern gesteigert werde konnte. Mit dem Hörsystem Oticon Agil pro P konnte dagegen bereits bei der ersten Anpassung ohne Eingewöhnung ein Hörgewinn im Störgeräusch von 45 %, das heißt 9 aus 10 Wörtern erzielt werden, wobei aufgrund der Erläuterungen des Zeugen zur Überzeugung des Gerichts davon auszugehen ist, dass nach entsprechender Eingewöhnung auch hier noch eine weitergehende Steigerung des Hörgewinns möglich ist. Auch wenn ein entsprechender Gebrauchsvorteil hier vor allem im Störgeräusch, weniger in Ruhe nachgewiesen ist, handelt es sich zur Überzeugung des Gerichts insoweit um einen erheblichen, keinesfalls im Sinne des Wirtschaftlichkeitsgebotes zu vernachlässigenden lediglich geringfügigen Gebrauchsvorteil. Denn geschuldet ist im Rahmen des möglichst vollständigen Behinderungsausgleichs hörbehinderten Menschen im Rahmen des Möglichen auch das Hören und Verstehen in größeren Räumen und bei störenden Umgebungsgeräuschen möglichst im Sinne eines Gleichziehens mit dem Hörvermögen gesunder Menschen zu eröffnen (vgl. BSG, Urteil vom 24.01.2013, Az: B 3 KR 5/12 R). Hierzu ist der Kläger mit dem Hörgerät Oticon Agil pro P, mit dem nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ein weitestgehender Hörgewinn erzielt werden konnte, zu versorgen. Der Klage war daher stattzugeben.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.
Erstellt am: 27.08.2014
Zuletzt verändert am: 27.08.2014