I. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 2.100,76 EUR zu erstatten.
II. Die Beklagte trägt die Gerichtskosten sowie eventuell angefallene außergerichtliche Kosten der Klägerin.
III. Die Berufung wird zugelassen.
IV. Der Streitwert wird auf 2.100,76 EUR festgesetzt.
Tatbestand:
Streitig ist ein Erstattungsanspruch in Höhe von 2100,76 EUR wegen der Durchführung einer medizinischen Rehabilitation für die Beigeladene Frau H … Frau H. ist als selbstständige medizinische Fußpflegerin tätig und freiwillig bei der Beklagten krankenversichert. Sie hat letztmalig am 31.05.1981 Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung entrichtet. Am 15.07.2003 stellte die Beigeladene nach einer akut stationären Krankenhausbehandlung in der Zeit vom 05.06.2003 bis 01.07.2003 einen Antrag auf medizinische Rehabilitation auf einem Vordruck der damaligen Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA). Am 01.08.2003 wurde der Antrag durch die BfA an die Klägerin weitergeleitet. Die Klägerin bewilligte der Beigeladenen mit Bescheid vom 18.08.2003 eine stationäre medizinische Rehabilitation in der Fachklinik L … Bevor die Leistung auf Kosten der Klägerin vom 14.10. bis 01.11.2003 durchgeführt wurde, befand sich die Beigeladene vom 29.07. bis 16.08.2003 in der Fachklinik E. in einer stationären medizinischen Rehabilitation zu Lasten der Beklagten. Die Klägerin wies in ihrem Bewilligungsbescheid darauf hin, dass sie die Leistung als zweitangegangener Träger vorläufig übernehme, da sie für die Erbringung der Leistung nicht zuständig sei.
Die Klägerin forderte von der Beklagten die Erstattung von 2100,76 EUR. Die Beklagte lehnte eine Erstattung ab, weil auch für Selbstständige ein Anspruch auf Reha-Leistungen durch die Rentenversicherung gegeben sei, wenn deren Erwerbsfähigkeit gefährdet oder gemindert sei. Die Klägerin argumentierte daraufhin, dass zwar die persönlichen und versicherungsrechtlichen Voraussetzungen gegenüber der Beigeladenen bei der Klägerin vorlägen. Da diese aber bereits seit 1981 aus dem Erwerbsleben ausgeschieden sei und die Rehabilitation ausschließlich benötige, um ihre selbstständige Tätigkeit fortzusetzen, könne der in § 9 Abs. 1 Sozialgesetzbuch, Sechstes Buch (SGB VI) beschriebene Zweck nicht erfüllt werden. Die Beigeladene übe keine versicherungspflichtige Tätigkeit aus und dies sei auch nicht mehr zu erwarten.
Die Beklagte führt aus, dass ein Anspruch nach § 14 Abs. 1 Satz 2 SGB IX nicht bestehen könne, da der Antrag in ihrer Servicestelle an die Deutsche Rentenversicherung weitergeleitet wurde und diese als Einheit zu betrachten sei. Die Klägerin sei deshalb als erstangegangene Reha-Trägerin anzusehen. Ein Erstattungsanspruch nach § 14 Abs. 4 SGB IX bestehe somit nicht. Außerdem werde hilfsweise darauf hingewiesen, dass auch bei Selbstständigen ein Anspruch auf Rehabilitation im Sinne der Rentenversicherung gegeben sein könne.
Mit Schreiben vom 10.03.2006 hat die Beklagte mitgeteilt, dass nach der Auffassung des MDK eine stationäre Rehabilitation nach dem SGB V medizinisch nicht begründet sei. Durch fortgesetzte ambulante Weiterbehandlung nach der Entlassung aus der Fachklinik E. hätte sich kein Anspruch auf eine stationäre Maßnahme ergeben.
Dagegen wendet die Klägerin ein, dass sie als zweitangegangener Träger den Umfang der Rehabilitationsmaßnahmen eigenständig prüfe und nicht an Weisungen des erstangegangen Trägers gebunden sei. Auch wenn im Sinne des SGB V eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme nicht erforderlich gewesen sei, könne die Beklagte mit diesem Einwand nicht durchdringen. Die Klägerin führt auch an, dass sie von der stationären Behandlung in der Klinik E. nichts gewusst habe. Die Beklagte habe sie darüber nicht informiert und könne daher im Sinne von § 86 SGB X nichts mehr gegen den Erstattungsanspruch einwenden. Aufgrund einer Stellungnahme des Ärztlichen Dienstes der Klägerin sei davon auszugehen, dass zumindest im Zeitpunkt der Antragstellung auch ein Rehabilitationsbedarf im Sinne der Krankenversicherung bestanden habe.
Die Beklagte schaltete daraufhin erneut den MDK ein. Dieser kam zu dem Ergebnis, dass eine Indikation für eine Reha-Maßnahme zu Lasten der GKV nicht gegeben wäre. Die Beklagte räumte allerdings ein, dass sie versäumt habe, die Klägerin über die Durchführung der Behandlung in der Fachklinik E. zu informieren. Die Klägerin meint, dass allein durch die Nichtanzeige der Maßnahme in E. die Klägerin irrtümlich von einer weiteren Rehabilitationsbedürftigkeit der Beigeladenen ausgegangen sei. Die Beklagte sei daher schadenersatzpflichtig.
Die Klägerin beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 2.100,76 EUR zu zahlen und die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen und die Berufung zuzulassen.
Sie ist der Meinung, dass der Klägerin ein Erstattungsanspruch als erstangegangener Trägerin nicht zustehe. Die Klägerin sei auch für die Erbringung der Rehabilitationsleistung zuständig gewesen, da bei der Beigeladenen sowohl die versicherungsrechtlichen als auch die persönlichen Voraussetzungen vorgelegen hätten. Ein Anspruch nach § 86 SGB X bestehe jedenfalls nicht.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die Gerichtsakte sowie auf die beigezogenen Akten der Klägerin und der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Das Gericht ist nach den §§ 57 Abs. 1, 51 Abs. 1 und 8 SGG zur Entscheidung des Rechtsstreits örtlich und sachlich zuständig. Die Klage ist als Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 SGG zulässig und begründet.
Der Klägerin steht ein Anspruch auf Erstattung der Kosten für die medizinische Rehabilitation für die Beigeladene in Höhe von 2100,76 EUR zu. Sie hat als zweitangegangener Reha-Träger nach § 14 Abs. 4 SGB IX einen Anspruch auf Erstattung, da sie für die Leistungserbringung an die Beigeladene nicht zuständig war.
Nach Überzeugung der Kammer ist eine Weiterleitung eines Antrags auf Rehabilitation auch innerhalb des gleichen Rehabilitationsbereiches möglich. Das ergibt sich aus dem Sinn und Zweck des SGB IX. Danach sollte ein neues Zuständigkeitsklärungsverfahren eingeführt werden, um den Belangen der Rehabilitanden besser gerecht werden zu können. Dieses Zuständigkeitsklärungsverfahren regelt § 14 SGB IX. Nach dessen Abs. 1 soll grundsätzlich der zuerst angegangene Rehabilitationsträger die Leistungen erbringen. Er wird deshalb verpflichtet, kurzfristig festzustellen, ob er für die Leistung zuständig sein kann und unter Berücksichtigung vorrangiger Leistungszuständigkeiten anderer Rehabilitationsträger hierfür auch zuständig ist. Bei negativem Ergebnis hat er den Antrag unverzüglich dem Rehabilitationsträger zuzuleiten, den er nach dem Ergebnis seiner Prüfung für zuständig hält; damit wird eine vorläufige Zuständigkeit gesetzlich bestimmt (vgl. Gesetzesbegründung in Bundestagsdrucksache 14/5074, S. 102). Die Zuständigkeit bestimmt sich dabei nach dem für den Rehabilitationsträger geltenden Leistungsgesetz. Das Leistungsgesetz der gesetzlichen Rentenversicherung ist das SGB VI. Darunter ist nach Meinung der Kammer das gesamte SGB VI zu verstehen und nicht nur der Teil, der sich mit Leistungen befasst. Deshalb sind auch die Zuständigkeitsregelungen in den §§ 126 ff. SGB VI zu beachten.
Diese Auffassung wird auch durch § 6 SGB IX gestützt. Aufbauend auf der Darstellung der Leistungsgruppen in § 5 und entsprechend § 2 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Rehabilitations-Angleichungsgesetz (RehaAnglG), jedoch unter Berücksichtigung der nunmehr einbezogenen Träger der Sozial- und der öffentlichen Jugendhilfe, werden zusammenfassend die für die Leistungen zur Teilhabe zuständigen Leistungsträger genannt und entsprechend der bisherigen Terminologie als "Rehabilitationsträger" bezeichnet. Zugleich wird durch die Zuordnung unterschiedlicher Leistungsgruppen zu teilweise unterschiedlichen Trägergruppen klargestellt, dass das sog. "gegliederte System" im Grundsatz beibehalten werden soll, in dem die einschlägigen Sozialleistungen durch verschiedene Sozialleistungsträger erbracht werden und in deren spezifische Systemzusammenhänge eingebunden sind (vgl. Gesetzesbegründung in Bundestagsdrucksache 14/5074, S. 99, 100). Demnach wollte der Gesetzgeber in § 6 SGB IX keine Änderung, sondern nur die Vorgängervorschrift des § 2 RehaAnglG um neue Träger erweitern, aber im Grundsatz fortführen. Im § 2 RehaAnglG war der Anwendungsbereich des Gesetzes für "die gesetzlichen Rentenversicherungen" eröffnet. Nach § 6 SGB IX können Träger der Leistungen zur Teilhabe "die Träger der gesetzlichen Rentenversicherung" sein. Da der Gesetzgeber keine Änderung hinsichtlich der bisherigen Rehabilitationsträger wollte und das SGB IX auch aus einer Zeit stammt, in der von einer gemeinsamen deutschen Rentenversicherung noch nicht die Rede war, kann man die Änderung im Wortlaut, die sich nur auf das Fehlen der beiden Buchstaben "en" beschränkt, als reines Versehen des Gesetzgebers ansehen.
Ein Anspruch des zweitangegangenen Reha-Trägers ergibt sich nach § 14 Abs. 4 SGB IX aber nur dann, wenn dieser für die Erbringung der Leistung nicht zuständig ist. Die Beigeladene erfüllte die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nach § 11 SGB VI. Auch die persönlichen Voraussetzungen nach § 10 SGB VI lagen bei der Beigeladenen vor. Daraus ergibt sich aber nicht in jedem Fall bei drohender oder bereits eingetretener Erwerbsminderung eine Zuständigkeit des Rentenversicherungsträgers für Leistungen zur medizinischen Rehabilitation. Eine solche ergibt sich nur, wenn der Rentenversicherungsträger ohne die Rehabilitationsleistung eine Rente zu zahlen hätte oder der Versicherte wieder eine versicherungspflichtige Tätigkeit ausüben kann. Dies ergibt sich aus § 9 SGB VI. Bei der Beigeladenen kann jedoch das Ziel im Sinne des § 9 Abs. 1 SGB VI, Rentenleistungen hinauszuzögern und/oder eine dauerhafte Wiedereingliederung in das Erwerbsleben zu erreichen, nicht mehr erreicht werden. Die Beigeladene übte eine selbstständige Tätigkeit aus und beabsichtigte nicht, eine versicherungspflichtige Tätigkeit aufzunehmen. Eine Rehabilitation, die nur deshalb benötigt wird, weil man dadurch wieder in die Lage versetzt wird, seine selbstständige Tätigkeit fortzusetzen, liegt außerhalb des Systems der gesetzlichen Rentenversicherung und kann im Interesse der Beitragszahler keine Leistung darstellen, die von der Versichertengemeinschaft zu erbringen ist.
Im Übrigen ist auch die Zuständigkeit allein deshalb entfallen, weil vor Beginn der Leistung ein Leistungsausschluss nach § 12 SGB VI eingetreten ist. Die Beigeladene hat den Antrag nach der akuten Krankenhausbehandlung, aber noch vor der stationären Rehabilitation in der Fachklinik E. gestellt. Durch die Leistungserbringung der Beklagten ist ein Leistungsausschluss auch für die Klägerin eingetreten.
Die Beklagte ist demnach verpflichtet, den Erstattungsanspruch der Klägerin zu befriedigen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG iVm § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Die Berufung ist nach § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache zugelassen worden, da die Frage, ob innerhalb der Deutschen Rentenversicherung die Abgabe eines Reha-Antrages die Wirkung des § 14 Abs. 4 SGB IX auslösen kann, bisher nicht höchstrichterlich geklärt ist.
Die Entscheidung über den Streitwert stützt sich auf § 52 Abs. 1, § 63 Abs. 2 Satz 1 Gerichtskostengesetz (GKG).
Erstellt am: 12.05.2011
Zuletzt verändert am: 12.05.2011