Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 5.12.2016 wird zurückgewiesen. Kosten sind auch im Berufungsrechtszug nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist Rente wegen Erwerbsminderung.
Der am 00.00.1955 in der Türkei geborene Kläger war von 1991 bis 2010 in dem Selbstbedienungsrestaurant seines Bruders als Verkäufer und Bedienung sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Er verfügt nicht über eine Berufsausbildung. Eine solche oder eine Anlernzeit waren für die ausgeübte Beschäftigung nicht erforderlich (Arbeitgeberauskunft von August 2010). Der Kläger bezog sodann Krankengeld und Arbeitslosengeld.
Der Kläger beantragte am 22.7.2008 bei der Beklagten die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Die Beklagte veranlasste daraufhin die Untersuchung und Begutachtung des Klägers durch den Internisten Dr. U. Dieser Gutachter attestierte dem Kläger ein Leistungsvermögen von sechs Stunden und mehr für körperlich leichte Arbeiten bei Beachtung qualitativer Einschränkungen, empfahl aber zur weiteren Diagnosestellung, Therapie und Beurteilung der beruflichen Einsetzbarkeit eine Rehabilitationsmaßnahme (Gutachten v. 22.9.2008). Diese führte der Kläger zu Lasten der Beklagten vom 25.2.2009 bis 18.3.2009 im Reha-Zentrum Bad L durch. Nach dem ärztlichem Entlassungsbericht vom 26.3.2009 war der Kläger in der Lage, seine bisherige Tätigkeit sowie andere leichte bis mittelschwere Arbeiten arbeitstäglich sechs Stunden und mehr ohne wesentliche Einschränkungen auszuführen. Auf den weiteren Inhalt des Gutachtens und des Reha-Entlassungsberichts wird verwiesen.
Mit Bescheid vom 13.5.2009 lehnte die Beklagte den Antrag auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung ab. Trotz seiner gesundheitlichen Einschränkungen sei der Kläger in der Lage, unter den üblichen Bedingungen des Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden arbeitstäglich tätig zu sein. Auch eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit komme nicht in Betracht, da er auch seinen bisherigen Beruf in der Gastronomie weiterhin ausüben könne.
Gegen die Rentenablehnung wandte sich der Kläger mit seinem am 26.5.2009 bei der Beklagten eingegangenen Widerspruch. Er habe insgesamt neun Operationen gehabt. Er müsse auch demnächst noch einmal wegen eines Leistenbruchs operiert werden. Außerdem leide er unter Verschleiß und Verkalkung an beiden Kniegelenken sowie an der Hüfte. Die Wirbelsäule sei an drei Stellen gebrochen und habe auch einen hohen Verschleiß.
Die Beklagte holte daraufhin einen Befundbericht des Chirurgen Dr. L ein und ließ den Kläger von dem Orthopäden Dr. N untersuchen und begutachten. Dieser Gutachter hielt den Kläger für in der Lage, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt eine leichte körperliche Tätigkeit und die Tätigkeit als Verkäufer in einem Selbstbedienungsrestaurant sechs Stunden und mehr mit qualitativen Einschränkungen auszuüben (Gutachten v. 18.2.2010, auf dessen weiteren Inhalt Bezug genommen wird).
Mit Widerspruchsbescheid vom 20.5.2010 wies die Beklagte gestützt auf das Gutachten von Dr. N den Widerspruch des Klägers zurück. Dieses Gutachten und der im Widerspruchsverfahren eingeholte Befundbericht von Dr. L ergäben keine Änderung der bisherigen sozialmedizinischen Leistungsbeurteilung. Danach könne der Kläger körperlich leichte Tätigkeiten im Wechsel der Haltungsarten im Umfang von mindestens sechs Stunden täglich im Rahmen einer 5-Tage-Woche regelmäßg ausüben. Mit diesem Leistungsvermögen sei er weder voll noch teilweise erwerbsgemindert und auch nicht berufsunfähig. Ausgehend von seinem bisherigen Beruf als Gastronomiebedienung, der zu den einfachen Anlernberufen bzw. den ungelernten Tätigkeiten gehöre, sei er auf einfache Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verweisbar.
Mit seiner am 10.6.2010 zum Sozialgericht (SG) Düsseldorf erhobenen Klage hat der Kläger unter Vorlage von Attesten und Bescheinigungen seiner behandelnden Ärzte sein Begehren weiterverfolgt. Die darin festgestellten erheblichen Erkrankungen rechtfertigten in der Gesamtschau den Klageanspruch. Mit Ausnahme des Gutachtens von Frau L2 seien die vom SG eingeholten Gutachten nicht nachvollziehbar. Er sei schwer erkrankt und tief erschöpft und nicht mehr in der Lage, irgendetwas zu arbeiten.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 13.5.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.5.2010 zu verurteilen, ihm ab dem 1.8.2008 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Dauer nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat ihre Entscheidung weiterhin für rechtmäßig gehalten. Sie folge den vom SG eingeholten Gutachten mit Ausnahme des Gutachtens von Frau L2, weil sie diese im Vergleich zu dem Gutachten von Frau L2 für die schlüssigen und ordnungsgemäß ausgeführten Gutachten hielten.
Das SG hat eine dort am 18.8.2010 eingegangene Arbeitgeberauskunft, der Fa. B C und Partner GmbH, E, sowie Befundberichte der den Kläger behandelnden Ärzte Dr. N (Chirurg, Unfallchirurg) und Dr. K (Internist) eingeholt. Hinsichtlich des Gesundheitszustandes und des Leistungsvermögens des Klägers im Erwerbsleben hat das SG ferner Beweis erhoben durch Einholung eines internistisch-pneumologischen Gutachtens von Dr. T vom 26.1.2011 und eines chirurgisch-angiologischen Zusatzgutachtens von Dr. C vom 3.1.2011. Der Sachverständige Dr. T hat unter Einbeziehung der sozialmedizinischen Leistungsbeurteilung von Dr. C den Kläger für in der Lage erachtet, körperlich leichte Arbeiten in wechselnder Körperhaltung vollschichtig in gewisser Regelmäßigkeit bei Beachtung qualitativer Einschränkungen zu verrichten. Tätigkeiten als Pförtner an einer Nebenpforte, Sortierer oder Montierer von Kleinteilen könnten vom Kläger vollschichtig verrichtet werden, nicht hingegen die Tätigkeit als Verkäufer in einem Lokal wegen der nach der Arbeitgeberauskunft wiederholt anfallenden mittelschweren bis schweren Tätigkeiten. Auf den weiteren Inhalt der Gutachten, Befundberichte und Arbeitgeberauskunft wird verwiesen.
Der Kläger ist der Beurteilung der Sachverständigen unter Beibringung eines Berichts von Dr. T1 über eine Myokardszintigrafie vom 16.3.2011 sowie eines Berichts von Dr. L1 (Facharzt für Innere Medizin, Angiologie, Kardiologie, Psychotherapie) vom 16.2.2011 entgegengetreten. Der Sachverständige Dr. T hat unter dem 25.5.2011 zu diesen Berichten ergänzend dahingehend Stellung genommen, dass zur Diagnosesicherung einer koronaren Herzerkrankung die vorgelegten Berichte nicht ausreichten und daher weiterführende kardiologische Untersuchungen erforderlich seien. Über die anschließend durchgeführten Untersuchungen hat der Kläger Berichte des Radiologen Dr. S vom 2.8. und 3.8.2011 beigebracht sowie das SG einen Befundbericht von Dr. S vom 24.8.2011 eingeholt. Hierzu hat der Sachverständige Dr. T auf Veranlassung des SG erneut ergänzend Stellung genommen und unter dem 20.2.2012 ausgeführt, aus den zur Beurteilung neu vorgelegten Befunden lasse sich keine abweichende Beurteilung gegenüber seinen Feststellungen vom 26.1.2011 ableiten. Auf den weiteren Inhalt der ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme und vom Kläger beigebrachten und vom SG eingeholten ärztlichen Berichte wird Bezug genommen.
Nach Beibringung der im Rahmen einer stationären Behandlung im G-Krankenhaus in E vom 10. bis 12.5.2012 erhobenen Befunde sowie eines Berichts der Radiologin Dr. H über eine MRT der Halswirbelsäule durch den Kläger hat das SG von Amts wegen nach § 106 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ein kardiologisch-angiologisches Gutachten von Prof. Dr. C1 vom 28.5.2016 und ein psychiatrisch-psychotherapeutisches Zusatzgutachten von Dr. Z vom 15.3.2016 und auf Antrag des Klägers nach § 109 SGG ein Gutachten der Fachärztin für Anästhesiologie und Intensivmedizin L2 vom 3.5.2016 eingeholt. Der Hauptsachverständige Prof. Dr. C1 ist in seiner arbeitsmedizinischen Beurteilung unter Einbeziehung der Gutachten von Dr. Z und der Ärztin L2 zu dem Ergebnis gelangt, der Kläger könne noch körperlich leichte Arbeiten in wechselnder Körperhaltung bei Berücksichtigung qualitativer Leistungseinschränkungen täglich vollschichtig und regelmäßig verrichten. Arbeiten in einer Poststelle, in einem Pfortenbereich und Hilfsarbeiten in einem Büro, ggf. auch mit Botentätigkeit seien zumutbar. Fußwege von geringfügig mehr als 500 m könne der Kläger viermal täglich in jeweils höchstens 20 Minuten zurücklegen. Öffentliche Verkehrsmittel und ein Pkw könnten benutzt werden. Der sozialmedizinischen Beurteilung der Sachverständigen L2, die den Kläger insbesondere wegen einer Depression, eines chronischen Schmerzsyndroms und eines chronischen Erschöpfungssyndroms nicht mehr für in der Lage hielt, regelmäßig an fünf Tagen in der Woche mehr als drei Stunden erwerbstätig zu sein, hat sich der Hauptsachverständige Prof. Dr. C1 nicht angeschlossen. Er hat die Ausführungen von Dr. Z auf der Grundlage der von ihm diagnostizierten "längerdauernden depressive Entwicklung im Sinne einer Dysthymie, leichtgradig ausgeprägt" für schlüssiger erachtet. Auf den weiteren Inhalt der vorgenannten ärztlichen Berichte und Gutachten wird Bezug genommen.
Mit Urteil vom 5.12.2016 hat das SG Düsseldorf die Klage abgewiesen. Auf die Entscheidungsgründe dieses Urteils wird Bezug genommen.
Gegen das ihm am 15.12.2016 zugestellte Urteil hat der Kläger am 16.1.2017, einem Montag, Berufung eingelegt. Zur Begründung trägt der Kläger vor: Das SG gehe unzutreffend davon aus, dass dem Gutachten von Dr. Z gegenüber dem von Frau L2 größeres Gewicht beizumessen sei, weil letztgenannte sich als Fachärztin für Anästhesie im Gegensatz zu Dr. Z als Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie auf fachfremden Gebiet bewegt habe und Dr. Z sich mit dem Kläger in seiner Muttersprache Türkisch habe unterhalten können. Frau L2 habe sich in ihrer beruflichen Vita in erheblichem Umfang mit Thematiken der Sozialpsychiatrie befasst. Im Zuge dessen habe sie sich in starkem Maße mit psychischen Erkrankungen ihrer Patienten beschäftigt. Sie habe bspw. eine veröffentlichte wissenschaftliche Arbeit in der Kinder- und Jugendpsychiatrie verfasst. Sie habe Fortbildungen in Traditioneller Chinesischer Medizin und Akupunktur absolviert. Sie habe u.a. in den Jahren 1999 und 2000 das Schmerztherapiezentrum E geleitet, wo sie sehr häufig mit ähnlichen Symptomatiken konfrontiert worden sei, die bei dem Kläger auffällig seien. Mit Unterbrechungen sei sie seit 2005 in einer Allgemeinpraxis in L, U Straße, tätig, wo sie sich vorwiegend mit psychovegetativen Störungen befasse. Das SG habe vor seiner Beurteilung Frau L2 zu ihrer beruflichen Vita befragen und sich aufgrund mündlicher Anhörung von Dr. Z und Frau L2 einen Eindruck darüber verschaffen müssen, welche Ergebnisse der Kammer plausibler erscheinen.
Zudem habe die Kammervorsitzende in der mündlichen Verhandlung eingeräumt, dass nach ihrer Einschätzung im Termin von einer Erwerbsfähigkeit wohl nicht auszugehen sei, dass vielmehr erhebliche Bedenken offenkundig vorlägen, sie allerdings an die Feststellungen der Sachverständigen gebunden sei. Hier habe das SG verkannt, dass sich in Fällen der vorliegenden Art ein Urteil sich ausschließlich danach zu richten habe, welche subjektive Überzeugung die Kammer von einem Sachverhalt, der zur Entscheidung anstehe, gefunden habe. Die eingeholten Sachverständigengutachten seien nicht geeignet, eine Urteilsfindung zu ersetzen. Sie könnten nur als Hilfsmittel herangezogen werden.
Das SG habe sich zudem nicht allein auf die Ergebnisse der eingeholten Gutachten stützen dürfen. Es habe entscheidend berücksichtigen müssen, dass der Kläger sich seit 2008 laufend in ärztlicher Behandlung wegen der im Einzelnen vom SG dargelegten Erkrankungen befunden habe und eine derart lange Leidenszeit zwangsläufig erhebliche psychische Auswirkungen mit depressiven Veränderungen hinterlasse und zu einer sogenannten Somatisierung führe.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 5.12.2016 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 13.5.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.5.2010 zu verpflichten, ihm ab dem 1.8.2008 Rente wegen voller Erwerbsminderung, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung wegen Berufsunfähigkeit nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil. Die vom Kläger behauptete fachliche Qualifikation der Gutachterin L2 (FÄ für Anästhesiologie und Intensivmedizin) zur psychiatrischen Begutachtung entziehe sich ihrer Kenntnis. Das SG habe die umfänglich eingeholten medizinischen Sachverständigengutachten ausführlich und zutreffend bewertet. Eine rechtsfehlerhafte Beweiswürdigung sei nicht ersichtlich.
Der Senat hat mit der Beweisanordnung vom 5.2.2018 Beweis erhoben durch Einholung einer ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme von Dr. Z vom 2.6.2018. Dieser hat ausgeführt: Er habe in seinem Gutachten vom 15.3.2016 eine "länger dauernde depressive Entwicklung im Sinne einer leichtgradig ausgeprägten Dysthymie" festgestellt. Zusätzlich habe er die aktenkundigen sonstigen Gesundheitsstörungen/Erkrankungen des Klägers aufgelistet und bewertet. Die durchgeführten testpsychologischen Untersuchungen hätten Hinweise auf Aggravationen des Klägers ergeben. Die subjektiv geklagten Gedächtnis- und Konzentrationsdefizite hätten sich im klinischen Interview nicht nachweisen lassen. Nach objektiven Kriterien sei von "weitgehend unbeeinträchtigten kognitiven Funktionen" auszugehen. Die angeblich eingenommene psychiatrische Medikation (Paroxetin) sei im Blut des Klägers überhaupt nicht nachweisbar gewesen. Es sei nach objektiven Kriterien festzustellen, dass die längerdauernde Dysthymie des Klägers nur als leichtgradig einzustufen sei. Eine mittelschwere oder schwere Depression sei nicht festzustellen gewesen. Mit den Einschätzungen der Sachverständigen L2 stimme er dahingehend nicht überein, dass die "Probleme in den Arbeitsverhältnissen in dem Familienbetrieb seines Bruders bei chronischer familiärer Dysharmonie" nach objektiver Sicht als erheblich einzuschätzen sei. Krankheitsbedingte Störungen im engeren Sinne, welche objektiv die Arbeitsfähigkeit einschränken würden, seien beim Kläger durch seine Begutachtung nicht zu finden gewesen. Der Einschätzung der Sachverständigen L2, dass die vom Kläger geltend gemachten Funktionsbeeinträchtigungen bestünden und dass die vorliegenden Störungen auf Grund der "psychokulturellen und sozialen Gegebenheiten" nicht willentlich und nicht durch Therapien überwunden werden könnten, folge er selbstverständlich nicht. Als seit mehr als zwei Jahrzehnten transkulturell medizinisch tätiger Arzt habe er sich in der türkischen Muttersprache des Klägers mit ihm verständigen und eben nicht feststellen können, dass die psychischen Störungen nicht überwunden werden könnten. Der Kläger habe angegeben, nicht in einer psychiatrischen stationären oder psychiatrischen tagesklinischen Behandlung behandelt worden zu sein. Diese intensiveren psychiatrischen Behandlungen seien durchaus geeignet, das Erkrankungsbild des Klägers weiter zu stabilisieren und zu bessern. Zusammenfassend gäben daher die Ausführungen der Sachverständigen L2 keine Veranlassung, von seiner bisherigen Beurteilung abzuweichen.
Der Senat hat den Sachverständigen Dr. Z in den öffentlichen Sitzungen vom 20.3. und 5.6.2019 und die Sachverständige L2 in der öffentlichen Sitzung am 5.6.2019 ergänzend vernommen. Wegen des Ergebnisses der Vernehmungen wird auf die Sitzungsniederschriften Bezug genommen.
Der Senat hat ferner von der Beklagten einen unverschlüsselten Versicherungsverlauf vom 19.1.2018 beigezogen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsakte der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
I. Die am 16.1.2017, einem Montag, schriftlich eingelegte Berufung des Klägers gegen das ihm am 15.12.2016 zugestellte Urteil des SG Düsseldorf vom 5.12.2017 ist zulässig, insbesondere gem. §§ 143, 144 SGG statthaft und form- und fristgerecht (§ 151 Abs. 1, § 64 Abs. 1, Abs. 2, Abs. 3 § 63 SGG) eingelegt worden.
II. Die Berufung des Klägers ist jedoch unbegründet. Der angefochtene Bescheid der Beklagten ist nicht rechtswidrig. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung. Der Kläger ist weder voll noch teilweise erwerbsgemindert. Es besteht schließlich auch kein Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit.
1. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung nach § 43 SGB VI.
Danach haben Versicherte bei Vorliegen der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen (§ 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 3 bzw. § 43 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 und 3 SGB VI) bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze einen Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie teilweise erwerbsgemindert sind (§ 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI) bzw. auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie voll erwerbsgemindert sind (§ 43 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI). Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI). Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI). Erwerbsgemindert ist hingegen nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 3 SGB VI).
a) Bei dem Kläger bestehen nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme folgende Krankheiten und Behinderungen, die Auswirkungen auf sein Leistungsvermögen haben:
– arterielle Hypertonie, beginnende hypertensive Herzerkrankung
– insulinpflichtiger Diabetes mellitus (Typ II), diabetische Polyneuropathie
– arterielle Verschlusskrankheit vom Ober- und Unterschenkeltyp, PTA der Arteria femoralis superficialis rechts 2003
– koronare 1-Gefäßerkrankung (LAD-Diagonalast 50 %), Koronarangiographie 06/2014
– obstruktives Schlaf-Apnoe-Syndrom
– chronisch venöse Insuffizienz, Stauungsdermatose bei Unterschenkelvarikosis beidseits
– Hypercholesterinämie
– Lungenteilresektion links/2007 bei gutartigem Tumor
– Knochendichteminderung (Osteoporose)
– längerdauernde depressive Entwicklung im Sinne einer Dysthymie, leichtgradig ausgeprägt
– Funktionseinschränkung der Wirbelsäule bei beginnendem Verschleiß und abgelaufenem Deckplatteneinbruch Bei BWK 10
– muskulär-degeneratives Cervicalsyndrom mit Bandscheibenprotrusion C4-C7 – muskulär-degeneratives Lumbalsyndrom
– Funktionseinschränkung der Wirbelsäule bei beginnendem Verschleiß und abgelaufenem Deckplatteneinbruch bei BWK10, Knochendichteminderung
– beginnendes Verschleißleiden beider Hüftgelenke
– beginnendes Verschleißleiden beider Kniegelenke
– chronische Schulterumgebungsreizung beidseits
– Sehnenansatzreizung an beiden Armen
– Bauchwandschwäche, Nabelbruch, erneuter Leistenbruch rechts
aa) Die festgestellten Gesundheitsstörungen ergeben sich aus den überzeugenden Gutachten der im gerichtlichen Klageverfahren von Amts wegen gehörten Sachverständigen Prof. Dr. C1, Dr. Z, Dr. T und Dr. C. Die erfahrenen Sachverständigen haben ihre Gutachten nach sorgfältiger Anamnese- und Befunderhebung sowie unter vollständiger Würdigung des Sachverhaltes und des Beschwerdevortrags des Klägers schlüssig und in sich widerspruchsfrei begründet.
Der Senat folgt nicht den Ausführungen der nach § 109 SGG gehörten Sachverständigen L2. Die im Berufungsverfahren durchgeführte Beweisaufnahme hat nicht zur Feststellung weiterer Gesundheitsstörungen geführt. Der von Amts wegen auch im Berufungsverfahren nach Aktenlage gehörte Sachverständige Dr. Z hat sowohl schriftlich als auch mündlich bei seiner Vernehmung durch den Senat in den öffentlichen Sitzungen vom 20.3. und 5.6.2019 schlüssig und widerspruchsfrei ausgeführt, dass er auch in Kenntnis der Ausführungen der Sachverständigen L2 keine Veranlassung sieht, von seinen bisherigen Ausführungen abzuweichen.
Er hat schlüssig und nachvollziehbar das Vorliegen einer mittelschweren oder schweren depressiven Erkrankung verneint. Der dafür typische phasenhafte Verlauf mit besseren und schlechteren Zuständen war in der Anamnese nicht feststellbar. Auch lässt sich der Kläger kaum behandeln. Er nutzt weder stationäre noch teilstationäre und auch keine medikamentösen Behandlungsmöglichkeiten. Dies gilt ebenso für die Schmerzerkrankung. Trotz der von der Sachverständigen L2 angegebenen Behandlungen fehlen beispielsweise Behandlungsansätze wie Tens-Gerät, Akupunktur und medikamentöse Kombinationstherapien.
Hinzu kommt, dass verschiedene Untersuchungen (testpsychologische Untersuchungen, Medikamentenspiegel des Blutes) deutliche Hinweise auf Aggravationen des Klägers ergaben und sich seine subjektiven Beschwerdeschilderungen nicht in vollem Umfang verifizieren ließen. Der Sachverständige hat nachvollziehbar dargelegt, dass es bei den testpsychologischen Untersuchungen deutliche Antwortverzerrungen zu verzeichnen gab. Der Kläger hat eine Vielzahl von Symptomen angegeben, die in dieser Vielzahl entweder für eine sehr schwerwiegende Erkrankung sprechen würden, gegen die aber die fehlende Behandlung spricht, oder aber für Antwortverzerrungen. Der beim Kläger durchgeführte Wortpaartest enthielt auffällig viele Fehler, sodass das Ergebnis knapp an der Grenze zur bewussten Simulation lag. Die Ergebnisse der beim Kläger durchgeführten spezifischen Demenztestungen wiesen auf eine Demenzerkrankung hin. Entsprechende Symptome sind andererseits bei der anamnestischen Befragung des Klägers nicht feststellbar gewesen. Beim Test mit der Ad-hoc-Wortliste ähnelten die Ergebnisse des Klägers den Ergebnissen des Kollektivs, das gebeten worden ist, zu simulieren bzw. einem weiteren Kollektiv freiwilliger Simulanten. Die vom Kläger subjektiv geklagten Gedächtnis- und Konzentrationsdefizite waren im klinischen Interview nicht zu objektivieren. Zudem war die vom Kläger angegebene Einnahme des Medikaments Paroxetin bei der Blutuntersuchung nicht nachzuweisen.
An der Eignung der zur Beschwerdevalidierung eingesetzten psychologischen Testverfahren (beschwerdevalidierender Fragebogen, Ad-Hoc-Wortliste, CLOX, MMST, EXIT 25, Reisberg-Skalen) bestehen keine Zweifel. Diese hat der Sachverständige Dr. Z ausführlich und überzeugend dargelegt. Die von der Sachverständigen L2 hieran geäußerten Zweifel sind nicht nachvollziehbar, da sie einräumen musste, die Tests nicht zu kennen, obwohl es sich um international anerkannte und seit Jahrzehnten eingesetzte Tests handelt.
Schließlich konnten durch den Sachverständigen Dr. Z trotz der anstrengenden Untersuchungen Symptome wie Erschöpfung, Unlust oder Freudlosigkeit beim Kläger nicht festgestellt werden. Ein Zustand der Erschöpfung, der sogar auf Ressourcenaufbrauch schließen lässt, ist bei dem Kläger ebenfalls nicht festzustellen.
Eine somatoforme Störung ist bei dem Kläger ebenfalls nicht gegeben. Die beim Kläger vorhandenen Schmerzen sind somatisch erklärbar. Psychische Faktoren, die eine Störung eigenen Krankheitswerts erklären könnten, waren bei dem Kläger nicht zu finden.
bb) Dem Gutachten der Sachverständigen L2 folgt der Senat nicht. Weder das schriftliche Gutachten noch die Ausführungen der Sachverständigen bei ihrer Vernehmung durch den Senat in öffentlicher Sitzung am 5.6.2019 waren überzeugend.
Zu der von ihr in Abweichung zu Dr. Z gestellten Diagnose einer mittelgradigen Depression hat sie angegeben, diese von Dr. Z übernommen zu haben. Eine solche Diagnose hatte der Sachverständige Dr. Z jedoch nicht gestellt. Vielmehr hatte er die psychischen Beeinträchtigungen des Klägers als leichtgradige depressive Erkrankung im Sinne einer Dysthymie bewertet.
Soweit die Sachverständige L2 ausgeführt hat, die Diagnose einer mittelgradigen Depression habe sie aus den anamnestischen Angaben des Klägers sowie daraus abgeleitet, dass er Medikamente, die eine Depression hätten lindern können, nicht eingenommen habe, weil er deren Nebenwirkungen in Form von Potenzverlust befürchtet habe, sind diese Ausführungen unter mehreren Gesichtspunkten nicht schlüssig. Wie der Sachverständige Dr. Z dargelegt hat, hat die ausführliche Befragung des Klägers zur Medikamentenanamnese ergeben, dass der Kläger die Medikamente Amlodipin, Omeprazol und Ramipril, die zu Potenzverlust als Nebenwirkung führen können, einnahm, das Mittel Paroxetin gegen psychische Beeinträchtigungen hingegen diese Nebenwirkung nicht aufweist.
Die von der Sachverständigen L2 angeführten anamnestischen Angaben des Klägers zu einer politischen Verfolgung aufgrund einer Arbeit mit Kindern und Jugendlichen in der Türkei sind vom Kläger gegenüber dem Sachverständigen Dr. Z bei dessen ausführlicher Anamneseerhebung unter anderem auch zur Asylantragstellung und den dafür maßgeblichen Gründen nicht geäußert worden.
Im Gegensatz zu Dr. Z hat die Sachverständige L2 keine Beschwerdevalidierung vorgenommen. Sie hat weder ein Medikamentenmonitoring noch testpsychologischen Untersuchungen durchgeführt. Bei psychischen wie bei organischen Erkrankungen müssen die bei der Begutachtung berichteten Beschwerden mit den im jeweiligen Fachgebiet nach den dort maßgebenden medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnissen anerkannten Methoden jedoch validiert werden, um "Verfälschungstendenzen" zu identifizieren (vgl. zur Notwendigkeit eines strengen Maßstabes beim Vollbeweis für psychische Erkrankungen BSG, Urteil v. 20.10.2004, B 5 RJ 48/03 R, juris m.w.N.; zur Notwendigkeit der Beschwerdevalidierung im Rahmen der medizinischen Begutachtung in Rentenverfahren Hessisches LSG, Urteil v. 29.1.2019, L 2 R 237/16; Sächsisches LSG, Urteil v. 11.12.2017, L 5 R 20/16, Thüringer LSG, Urteil v. 1.11.2016, L 6 R 483/13; Bayerisches LSG, Urteil v. 9.6.2016, L 19 R 96/13; m.w.N.). Diese Validierung hat die Sachverständige L2 nicht vorgenommen. Soweit sie weitergehende Gesundheitsstörungen und Leistungseinschränkungen annimmt als der Sachverständige Dr. Z, sind diese nicht bewiesen. Lässt sich danach der Vollbeweis einer relevanten Funktionseinschränkung bei einer psychischen Erkrankung wie vorliegend nicht führen, so scheidet die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung aus Gründen der Beweislast aus (vgl. Ulrich Freudenberg in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VI, 2. Aufl. 2013, § 43 SGB VI, Rn. 71).
b) Trotz der festgestellten Gesundheitsstörungen war der Kläger noch in der Lage, vollschichtig bzw. sechs Stunden und mehr leichte Tätigkeiten wechselweise im Gehen, Stehen oder Sitzen und nur in geschlossenen Räumen zu verrichten.
Der Kläger kann in wechselnder Körperhaltung arbeiten. Er kann dabei im Laufe eines vollen Arbeitstages überwiegend sitzend mit der Gelegenheit zu gelegentlichem Aufstehen und Umhergehen tätig sein.
Es sollten keine Arbeiten unter Zeitdruck (Akkord, Fließbandarbeit), mit Wechsel und Nachtschicht, mit Zwangshaltungen, häufigem Bücken oder Knien, mit häufigem Heben, Tragen oder Bewegen von Lasten ohne mechanische Hilfsmittel durchgeführt werden. Das Heben und Tragen von Lasten bis 5 kg kann von dem Kläger regelmäßig durchgeführt werden, in seltenen Einzelfällen auch bis zu einem Gewicht von 10 kg. Die Gebrauchsfähigkeit der Hände ist nicht eingeschränkt. Arbeiten an EDV-Anlagen können durchgeführt werden. Arbeiten an laufenden Maschinen sollten vermieden werden. Arbeiten unter Kälte- oder Hitzeeinwirkungen, unter starken Temperaturschwankungen, in Zugluft, unter Nässe- oder Lärmeinwirkungen sowie unter Einwirkung von Staub, Gas, Dampf oder Rauch sowie mit besonderen Anforderungen an das Seh- oder Hörvermögen sollten nicht durchgeführt werden.
Für Arbeiten mit häufigem Publikumsverkehr gibt es keine Einschränkungen.
Es können Arbeiten mit durchschnittlichen geistigen Leistungsanforderungen sowie durchschnittlichen Anforderungen an Reaktionsfähigkeit, Übersicht, Aufmerksamkeit, Verantwortungsbewusstsein und Zuverlässigkeit durchgeführt werden.
Der Kläger verfügt noch über ein genügendes Umstellungsvermögen, um betriebsfremde Arbeiten mit den erwähnten Anforderungen an das geistige Leistungsvermögen zu verrichten.
Der Kläger kann die zumutbaren Arbeiten grundsätzlich unter betriebsüblichen Bedingungen verrichten; es sollte aufgrund des insulinpflichtigen Diabetes jedenfalls die Möglichkeit bestehen, bei Bedarf kurze Pausen zur Blutzuckermessung und ggf. Nahrungs- und/oder Flüssigkeitsaufnahme einschieben zu können (ca. 5-10 Minuten Dauer). Die zumutbaren Arbeiten können regelmäßig verrichtet werden.
Arbeiten in einer Poststelle, in einem Pfortenbereich und Hilfsarbeiten in einem Büro, ggf. auch mit Botentätigkeit können nach einer gewissen Einarbeitungszeit durchgeführt werden, sofern die genannten Einschränkungen eingehalten werden.
Der Kläger kann viermal täglich Fußwege von geringfügig mehr als 500 m zurücklegen, sie können auch in einer Zeit von 15 bis maximal 20 Minuten ohne zumutbare Schmerzen oder Gefährdung der Gesundheit zurückgelegt werden. Der Kläger kann öffentliche Verkehrsmittel benutzen, aus medizinischen Gründen bestehen keine Einschränkungen für die Benutzung eines PKW.
Die Minderung der Leistungsfähigkeit besteht seit dem Zeitpunkt der Rentenantragstellung, dem 22.7.2008.
aa) Mit den Feststellungen zum Leistungsvermögen des Kläger im Erwerbsleben ist den ausführlichen und schlüssigen begründeten Darlegungen in den im Klageverfahren von Amts wegen eingeholten Gutachten der Sachverständigen Prof. Dr. C1, Dr. Z, Dr. T und Dr. C zu folgen. Diese Sachverständigen haben nach eingehender Untersuchung des Klägers unter Berücksichtigung der Vorbefunde schlüssig und nachvollziehbar das Leistungsvermögen des Klägers im Erwerbsleben beurteilt. Diese Leistungsbeurteilung hat der Sachverständige Dr. Z im Berufungsverfahren unter eingehender schriftlicher und mündlicher Erläuterung mit nachvollziehbarer und widerspruchsfreier Begründung aufrechterhalten und insbesondere dargelegt, dass er im Hinblick auf die Ausführungen der Sachverständigen L2 an seiner Beurteilung festhält.
Aus den oben zu a) genannten Gründen ist den Ausführungen der Sachverständigen L2 auch hinsichtlich des Leistungsvermögens des Klägers im Erwerbsleben nicht zu folgen.
bb) Das Berufungsvorbringen des Klägers rechtfertigt keine andere Entscheidung. Das Vorbringen zur beruflichen Vita der Sachverständigen L2 kann die geringere Überzeugungskraft ihrer Ausführungen gegenüber denen des Sachverständigen Dr. Z nicht beseitigen.
c) Mit dem vorhandenen Restleistungsvermögen war die Klägerin in der Lage unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes zu arbeiten.
aa) Der Arbeitsmarkt war für den Kläger zunächst nicht unter dem Gesichtspunkt einer aufgehobenen Wegefähigkeit verschlossen. Nach dem insoweit gebotenen generalisierenden Maßstab reicht es aus, wenn der Versicherte noch in der Lage ist, viermal täglich eine Wegstrecke von etwas mehr als 500 Metern innerhalb von 20 Minuten zu Fuß zurückzulegen und öffentliche Verkehrsmittel innerhalb der Hauptverkehrszeit zu benutzen (BSG, Urteil v. 12.12.2011, B 13 R 21/10 R, juris; Urteil v. 12.12.2011, B 13 R 79/11 R, SozR 4-2600 § 43 Nr. 17; Urteil v. 21.3.2006, B 5 RJ 51/04 R, SozR 4-2600 § 43 Nr. 8; jeweils m.w.N.). An einer entsprechenden Wegefähigkeit bestehen nach den überzeugenden Beurteilungen der von Amts wegen gehörten Sachverständigen keinerlei Bedenken.
bb) Der Kläger ist zudem in der Lage, unter den betriebsüblichen Bedingungen, insbesondere den betriebsüblichen Pausen zu arbeiten. Soweit im Hauptgutachten gefordert worden ist, dass der Kläger aufgrund des insulinpflichtigen Diabetes jedenfalls die Möglichkeit bestehen sollte, bei Bedarf kurze Pausen von ca. 5 bis 10 Minuten Dauer zur Blutzuckermessung und ggf. Nahrungs- und oder Flüssigkeitsaufnahme einschieben zu können, steht dies einer Erwerbstätigkeit unter betriebsüblichen Bedingungen nicht entgegen. Jeder Arbeitgeber ist im Rahmen der ihm obliegenden allgemeinen Fürsorgepflichten verpflichtet, derartige Arbeitsbedingungen zum Schutz von Leben und Gesundheit des Arbeitnehmers einzuräumen (vgl. auch § 618 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch), womit sie auch betriebsüblich sind.
cc) Das klägerische Restleistungsvermögen reicht aus für Tätigkeiten wie Zureichen, Abnehmen, Transportieren, Reinigen, Kleben, Telefonieren, Kopieren, Scannen, Faxen und Ablegen. Damit sind aktuell ernste Zweifel an der Einsatzfähigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt wegen ihrer qualitativen Leistungseinschränkungen ausgeräumt (vgl. BSG Urteil v. 19.10.2011, B 13 R 78/09 R, SozR 4-2600 § 43 Nr. 16; Urteil v. 9.5.2012, B 5 R 68/11 R, SozR 4-2600 § 43 Nr. 18).
Durch die von Amts wegen im Klage- und Berufungsverfahren gehörten Sachverständigen ist ein entsprechendes Leistungsvermögen schlüssig festgestellt worden. Es haben sich insbesondere keine Einschränkungen der Gebrauchsfähigkeit der Hände sowie des Hör- und Sehvermögens ergeben. Der Kläger kann Arbeiten mit Tastaturen und Bildschirm eines PCs sowie Arbeiten mit Publikumsverkehr durchführen. Das geistig-psychische Leistungsvermögen, insbesondere die erforderliche Umstellungsfähigkeit für derartige Arbeitsfelder ist gegeben.
Da das Restleistungsvermögen des Klägers mindestens sechs Stunden arbeitstäglich leichte Verrichtungen oder Tätigkeiten erlaubt (wie z.B. Zureichen, Abnehmen, Transportieren, Reinigen, Bedienen von Maschinen, Kleben, Sortieren, Verpacken, Zusammensetzen von Teilen etc.) die in ungelernten und geistig anspruchslosen Tätigkeiten üblicherweise gefordert werden, sich solche abstrakten Handlungsfelder im Fall des Klägers hinreichend beschreiben lassen und deshalb ernste Zweifel an seiner tatsächlichen Einsatzfähigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unter dessen üblichen Bedingungen nicht aufkommen, stellt sich hier auch nicht die Frage, ob eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine besondere spezifische Leistungsbehinderung vorliegt (vgl. BSG, Urteil vom 9.5.2012, B 5 R 68/11 R, juris, Rn. 26). Erst wenn es auf eine "schwere spezifische Leistungsbehinderung" oder "Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen" ankommt und eine solche vorläge, wäre dem Kläger mindestens eine konkrete Verweisungstätigkeit mit ihren typischen, das Anforderungsprofil bestimmenden Merkmalen (kein konkreter Arbeitsplatz) zu benennen gewesen, um seinen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung auszuschließen. Erst hierbei wären dann nicht nur das körperliche, geistige und kognitive Leistungsvermögen einerseits und das berufliche Anforderungsprofil andererseits miteinander zu vergleichen und in Deckung zu bringen gewesen, sondern es hätte auch individuell geprüft werden müssen, ob der Kläger die notwendigen fachlichen Qualifikationen und überfachlichen Schlüsselkompetenzen besäße oder zumindest innerhalb von drei Monaten erlernen könnte (BSG, a.a.O., Rn. 27).
2. Der vor dem 2.1.1961, nämlich am 3.2.1955 geborene Kläger hat auch keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit nach § 240 SGB VI.
Er ist nicht berufsunfähig i.S.d. § 240 SGB VI. Berufsunfähig sind nach § 240 Abs. 2 SGB VI Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als sechs Stunden gesunken ist. Dabei umfasst der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können. Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit mindestens sechs Stunden täglich ausüben kann.
a) Als "bisheriger Beruf" ist grundsätzlich die versicherungspflichtige Tätigkeit zu verstehen, die der Versicherte auf Dauer, d.h. mit dem Ziel, diese bis zum Erreichen der Altersgrenze oder bis zum Eintritt der gesundheitlichen Unfähigkeit durchzuführen, ausgeübt hat (BSG, Urteil v. 20.7.2005, a.a.O., B 13 RJ 29/04 R, SozR 4-2600 § 43 Nr. 4 m.w.N.). In der Regel ist dies die letzte versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit, jedenfalls dann, wenn sie die qualitativ höchste ist (BSG, Urteil v. 20.7.2005, a.a.O.). Damit kommen Tätigkeiten, mit denen nur vorübergehend Einkommen erzielt worden ist, nicht in Betracht (Nazarek, in: jurisPK-SGB VI, 2. Aufl., § 240 Rdnr. 35).
"Bisheriger Beruf" ist demnach im Falle des Klägers derjenige einer Bedienung und eines Verkäufers in einem Selbstbedienungsrestaurant, den er von 1995 bis zu seinem Ausscheiden aus dem Erwerbsleben im Jahr 2010 und damit zuletzt sozialversicherungspflichtig ausübte.
b) Der Kläger konnte nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme seinen "bisherigen Beruf" als Verkäufer und Bedienung in einem Selbstbedienungsrestaurant nicht mehr mindestens sechs Stunden arbeitstäglich ausüben. Es trat hierdurch jedoch keine Berufsunfähigkeit ein, da der Kläger zur Vermeidung von Berufsunfähigkeit auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verweisbar ist, ohne dass es der Benennung einer Verweisungstätigkeit bedarf.
Ausgangspunkt zur Beurteilung der Frage, auf welche Tätigkeiten der Versicherte verwiesen werden kann, ist der qualitative Wert des bisherigen Berufs. Diesem muss nämlich die Verweisungstätigkeit angemessen entsprechen (BSG, Urteil v. 24.6.1980, 1 RJ 84/79 m.w.N.). Der Versicherte darf weder auf eine zu geringwertige Tätigkeit verwiesen, noch darf er in seinen beruflichen Kenntnissen und Fähigkeiten überfordert werden (BSG, Urteil v. 24.6.1980, 1 RJ 84/79, m.w.N). Zur Erleichterung dieser Beurteilung werden in der höchstrichterlichen Rechtsprechung die Berufe der Versicherten in Gruppen eingeteilt. Diese Berufsgruppen werden ausgehend von der Bedeutung, die Dauer und Umfang der Ausbildung für den Beruf haben, gebildet (BSG, Urteil v. 29.3.1994, 13 RJ 35/93). Danach werden die Arbeiterberufe nach ihrer Leistungsqualität in hierarchisch geordnete Gruppen untergliedert, die durch Leitberufe beschrieben werden (BSG, Urteil v. 28.11.1985, 4a RJ 51/84 – BSGE 59, 201). Der unteren Gruppe mit dem Leitberuf der "ungelernten Arbeiter" werden einfache Tätigkeiten zugeordnet, die mit entsprechendem Leistungsvermögen von jedem verrichtet werden können, und gehobene Tätigkeiten, die durch Einweisungs- oder Einarbeitungszeiten von nicht mehr als drei Monaten gekennzeichnet sind. Daneben hat sich die Gruppe der "angelernten Arbeiter" mit einer Ausbildung von mehr als drei Monaten bis zu zwei Jahren entwickelt, wobei das BSG innerhalb dieser Gruppe nochmals zwischen Versicherten im oberen Bereich der Angelernten und der unteren Gruppe der Angelernten differenziert. Dem folgt die Gruppe der "Facharbeiter", die einen anerkannten Ausbildungsberuf mit einer Ausbildungszeit von mehr als zwei, regelmäßig drei Jahren ausüben. Schließlich werden von der Gruppe mit der höchsten Qualifikation "Facharbeiter mit Vorgesetztenfunktion" und "besonders hoch qualifizierte Facharbeiter" erfasst (vgl. BSG, Urteil v. 13.12.2000, B 5 RJ 28/99 R; BSG, Urteil v. 12.2.2004, B 13 RJ 34/03 R; von Koch in: Kreikebohm, SGB VI, 3. Auflage 2008, § 240 Rdnr. 14 ff. jeweils m. w. N.).
Nach diesen Kriterien ist der Kläger in die Gruppe des ungelernten Arbeiters einzustufen, da für die von ihm zuletzt ausgeübte versicherungspflichtige Beschäftigung ausweislich der Auskunft seines ehemaligen Arbeitgebers weder eine Berufsausbildung noch eine Anlernzeit erforderlich war. Als solcher ist er uneingeschränkt auf Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verweisbar, ohne dass eine konkrete Verweisungstätigkeit benannt werden muss.
Körperlich leichte und geistig einfache Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes kann der Kläger ausweislich der vom Senat durchgeführten Beweisaufnahme noch sechs Stunden und mehr arbeitstäglich unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes verrichten [vgl. oben II. 1. c)].
III. Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 183, 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision gem. § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Erstellt am: 11.12.2019
Zuletzt verändert am: 11.12.2019