Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 27.04.2001 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im zweiten Rechtszug nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger verfolgt mit der Berufung sein Begehren auf Nachentrichtung freiwilliger Beiträge nach dem Gesetz zur Regelung der Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts in der Sozialversicherung (WGSVG) für im Ghetto L … zurückgelegte Beschäftigungszeiten weiter.
Der am 00.00.0000 in Z …/P … geborene Kläger ist jüdischer Religionszugehörigkeit und israelischer Staatsbürger. Er lebt seit 1948 in Israel. Der Kläger ist als Verfolgter und Zugehöriger zum deutschen Sprach- und Kulturkreis (dSK) anerkannt.
Am 06.08.1997 beantragte er bei der Beklagten Altersrente und am 22.09.1997 die Nachentrichtung von Beiträgen. Hierzu trug der Kläger vor, dass er im Ghetto L … gearbeitet und somit laut dem Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 18.06.1997 Zeiten nach dem Fremdrentengesetz (FRG) zurückgelegt habe. Hierzu machte er geltend, vom 01.07.1940 bis zum 10.08.1944 im Arbeitsamt des Ghettos L … abhängig beschäftigt gewesen zu sein.
Mit Bescheid vom 04.06.1998 lehnte die Beklagte den Antrag auf Nachentrichtung von Beiträgen nach den §§ 21, 22 WGSVG ab, da dieser Antrag nicht fristgerecht gestellt worden sei. Denn die Frist sei am 31. Dezember 1990 abgelaufen.
Mit am 30.06.1998 bei der Beklagten eingegangenem Schreiben legte der Kläger hiergegen Widerspruch ein. Erstmals aufgrund der neue ren Rechtsprechung des BSG sei bei sogenannten Ghetto-Tätigkeiten von einem sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis auszugehen, so dass dieser Personenkreis – zu dem er gehöre – nun mehr erstmals die Voraussetzungen des Sondernachentrichtungsrechts nach § 10 WGSVG erfülle. Diese nunmehr von der Rechtsprechung des BSG eröffnete Möglichkeit, die die gleiche Wirkung wie eine Klarstellung des Gesetzgebers habe, dürfe nicht daran scheitern, dass etwaige Fristen abgelaufen seien. Vielmehr sei die bezüglich § 10 WGSVG alter Fassung am 31.12.1975 abgelaufene Frist zur Nachentrichtung neu zu eröffnen.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 25.08.1998 zurück. Das BSG habe in den Entscheidungen vom 18.06.1997 das Recht nicht objektiv fortgebildet. Denn das BSG habe an dem Grundsatz festgehalten, dass Zwangsarbeitsverhältnisse einer rentenversicherungspflichtigen Beschäftigung nicht gleichzustellen seien. Der Antrag auf Nachentrichtung sei zu Recht abgelehnt worden. Wiedereinsetzung, Nachsichtgewährung oder eine Neueröffnung der Frist im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruch kämen nicht in Betracht. Dies würde selbst bei Rechtsunkenntnis des Klägers bei Fristablauf gelten.
Mit am 09.09.1998 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz hat der Kläger unter Bezugnahme auf sein bisheriges Vorbringen Klage erhoben. Im Übrigen habe er bereits am 30.12.1975 und damit fristgemäß bei der BfA einen Antrag nach § 10 WGSVG gestellt. Dieser sei ihm – wohl von Amts wegen – zurückgesandt worden. Verwirkung sei dies bezüglich aber nicht eingetreten. Erst auf Grund des BSG-Urteils vom 18.06.1997 habe nämlich die Beklagte auch beim Kläger Ghetto- Zeiten im Ghetto L … anerkannt. Vorher habe die Beklagte dies in Fallgestaltungen wie bei ihm regelmäßig abgelehnt. Aus diesem Grund habe er das Verfahren seinerzeit (1975) nicht weiter betrieben, weil es sinnlos gewesen wäre. Dies sei ihm auch von der israelischen Verbindungsstelle mitgeteilt worden. Erst jetzt sei aufgrund der Rechtsprechung des BSG eine Anerkennung dieser Zeiten möglich, so dass ihm Verwirkung nicht entgegen gehalten werden dürfe. Er, der Kläger, sei auch berechtigt gewesen, die Rechtslage abzuwarten. Wenn er sich dann unmittelbar nach Bekanntwerden der falschen Rechtsprechung durch eine neue Entscheidung des BSG an die Beklagte wende und das alte Verfahren wieder aufnehme, könne zumindest in diesen Fällen nach Treu und Glauben keine Verwirkung alter Anträge eintreten.
Mit Schriftsatz vom 22.09.1998 hat der Kläger einen Antrag auf Nachentrichtung von Beiträgen und freiwillige Weiterversicherung durch Sozialversicherte in Ostblockländern, die als Verfolgte dem deutschen Sprach- und Kulturkreis angehörten, im Original vorgelegt. In diesem Antrag erklärte er, dass er in der Zeit von 1940 bis Mai 1945 als Arbeiter bei einer Flugzeugfabrik tätig gewesen sei. Gemäß dem Eingangsstempel ist dieser Antrag am 22.01.1976 bei der BfA eingegangen.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 04.06.1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.08.1998 und unter Aufhebung des Bescheides vom 02.02.1999 zu verurteilen, ihn zur Nachentrichtung von freiwilligen Beiträgen nach den §§ 21, 22 WGSVG bzw. § 10 WGSVG a.F. zuzulassen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat vorgetragen, der Antrag vom 30.12.1975 sei dem Kläger offenbar zurückgesandt worden, wobei er nichts zur Weiterführung des Verfahrens unternommen habe. Das begründe Verwirkung. Der Umstand, dass der Kläger möglicherweise Zweifel an der Anrechenbarkeit von Anrechnungszeiten gehabt habe, habe ihn nicht davon abhalten dürfen, den Nachentrichtungs-Antrag zeitnah ergänzt zurückzusenden. Bei einer eventuellen Ablehnung hätte er den Rechtsweg beschreiten müssen.
Mit Bescheid vom 02.02.1999 lehnte die Beklagte den Antrag vom 30.12.1975 auf Nachentrichtung von Beiträgen gemäß § 10 WGSVG ab. Denn es sei aufgrund der fehlenden Mitwirkung des Klägers über einen Zeitraum von ca. 21 Jahren Verwirkung eingetreten.
Mit Bescheid vom 06.02.2001 gewährte die Beklagte dem Kläger Altersrente ab dem 01.03.1993, wobei zwischen dem 09.07.1940 und dem 31.12.1949 durchgängig Zeiten anerkannt wurden.
Mit Urteil vom 27.04.2001 hat das Sozialgericht Düsseldorf die Klage abgewiesen. Die Beklagte habe es zu Recht abgelehnt, den Kläger zur Nachentrichtung freiwilliger Beiträger zuzulassen. Der Kläger erfülle die Voraussetzungen für eine Nachentrichtung nach den §§ 21, 22 WGSVG bereits deshalb nicht, weil er die hierfür erforderliche Antragsfrist nicht eingehalten habe. Nach den §§ 21 Abs. 4 Satz 1, 22 Abs. 4 Satz 1 WGSVG habe der jeweilige Nachentrichtungsantrag nur bis zum 31.12.1990 gestellt werden können. Der Kläger habe den entsprechenden Antrag jedoch erst am 22.09.1997 gestellt. Die beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 27 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) komme für den Kläger nicht in Betracht. Denn es sei nicht erkennbar, durch welchen Umstand der Kläger daran gehindert gewesen sein solle, rechtzeitig den Nachentrichtungsantrag zu stellen. Der Kläger habe insoweit vorgetragen, die Berechtigten, deren rentenversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse im Ghetto über eine lange Reihe von Jahren durch sämtliche deutschen Versicherungsträger bestritten worden seien, müssten nach den Grundsätzen von Treu und Glauben durch eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in die Lage ver setzt werden, ihr Nachentrichtungsrecht so auszuüben, als sei die Grundsatzentscheidung des BSG vom 18.06.1997 bereits zu einem Zeitpunkt verkündet worden, als die Frist zur Antragstellung nach § 21 WGSVG noch nicht abgelaufen gewesen sei. Nach ständiger Rechtsprechung des BSG begründe jedoch nicht einmal die Unkenntnis gesetzlicher Vorschriften über befristete Rechte eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (BSG vom 08.12.1999 – B 12 RJ 5/98 R). Erst Recht könne die bloße frühere Ansicht des Klägers, ein Antrag auf Nachentrichtung werde wegen der Ablehnungspraxis der Rentenversicherungsträger ohnehin keinen Erfolg haben, ein fehlen des Verschulden im Sinne von § 27 Abs. 1 SGB X nicht begründen.
Die Voraussetzungen für eine Neueröffnung der Frist des § 21 WGSVG seien ebenfalls nicht gegeben. Es sei nicht ersichtlich, dass der Kläger sein Nachentrichtungsrecht bis spätestens zum 31.12.1990 nicht habe kennen können oder nicht in der Lage gewesen sei, es auszuüben. Der Kläger habe sich erstmals 1997 an einen deutschen Rentenversicherungsträger gewandt. Die Beklagte habe damit zuvor keinen Anlass zur Prüfung gehabt, ob die von dem Kläger im Ghetto L … zurückgelegten Zeiten als Versicherungszeiten anzuerkennen wären. Es lägen auch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass eine frühere Klärung dieser Frage für den Kläger aussichtslos und es des wegen bloßer Formalismus gewesen wäre, einen entsprechenden Nachentrichtungsantrag fristgerecht zu stellen. Die Entscheidung des BSG vom 18.06.1997 stelle darüber hinaus keine Rechtsfortbildung dar, die Anlass geben könne, die Antragsfrist zu § 21 WGSVG neu zu eröffnen. Das BSG habe vielmehr bei der Prüfung der Frage, ob Arbeiten im Ghetto L … versicherungspflichtig gewesen seien, an der bisherigen Rechtsprechung zur Auslegung des Begriffes des Arbeits- und Beschäftigungsverhältnisses festgehalten. Insofern habe es zuvor keine höchstrichterliche Rechtsprechung gegeben, wonach eine in einem Ghetto gegen Entgelt ausgeübte Beschäftigung unter keinen Umständen eine versicherungspflichtige Beschäftigung dargestellt habe (vgl. BSG, Urteil vom 08.12.1999 – B 12 RJ 5/98 R). Solle es gleichwohl im Einzelfall zur Ablehnung solcher Zeiten gekommen sein, sei es erforderlich und den hiervon Betroffenen auch zuzumuten gewesen, den Rechtsweg zu beschreiten (BSG, a.a.O.). Dementsprechend sei es auch dem Kläger zuzumuten gewesen, seinen Nachentrichtungsantrag innerhalb der gesetzlichen Frist zu stellen und in diesem Rahmen gegen eine fehlerhafte Berücksichtigung seiner im Ghetto geleisteten Beschäftigungen den Rechtsweg zu beschreiten. Es sei nicht ersichtlich, weshalb dies dem Kläger unmöglich oder unzumutbar gewesen sein solle. Aus dem gleichen Grund scheide hinsichtlich der Versäumung der gesetzlichen Antragsfrist auch eine Nachsichtgewährung nach Treu und Glauben von vornherein aus.
Schließlich könne der Kläger aus dem Antragsformular vom 30.12.1975 keine Rechte mehr herleiten. Das Antragsformular vom 30.12.1975 sei am 30.12.1975 von der israelischen Versicherungsanstalt abgestempelt worden und laut Stempel am 21.01.1976 bei der BfA eingegangen. Dieses Antragsformular sei offensichtlich nicht weiter bearbeitet, sondern aus Gründen, die auch dem Kläger heute nicht mehr nachvollziehbar seien, an diesen ohne Anlegen eines Verwaltungsvorgangs oder weitere Aufforderung an den Kläger, den Antrag weiter zu betreiben und zu konkretisieren, zurückgesandt worden. Es sei letztlich unerheblich, aus welchen Gründen das Antragsformular zurückgesandt worden sei und ob dem Kläger dadurch, dass er den abgestempelten Antrag ausgehändigt bekommen habe, den Antrag zurückgenommen habe und dieser damit gegenstandlos geworden sei. Denn selbst wenn der Antrag nicht zurückgenommen worden sei, so sei er jedenfalls als verwirkt anzusehen. Aus einem verwirkten Antrag aber könne der Kläger kein Recht auf Zulassung zur Nachentrichtung freiwilliger Beiträge herleiten. Derjenige, der aus einer Rechtsbeziehung Ansprüche oder Rechte herleite, habe bei der Gestaltung des Rechtsverhältnisses mitzuwirken, soweit dessen Begründung, Änderung oder Konkretisierung es erfordere (BSG, Urteil vom 04.06.1991 – 12 RK 35/90). Zur Vermeidung von Rechtsnachteilen habe sich der Antragsteller, sofern er bis dahin keine Nachricht vom Versicherungsträger erhalten habe, spätestens zwei Jahre nach der Antragstellung nach dem Stand des Verfahrens zu erkundigen. Anderenfalls müsse er sich so behandeln lassen, als habe er das Antragsverfahren ordnungsgemäß weiter betrieben (BSG, a.a.O.). Dann aber hätte der Kläger sich etwa Ende 1977 erneut an die BfA oder die Beklagte wenden und nach Übersendung entsprechender Formulare etwa Ende 1978 einen vollständigen Antrag stellen können. Berücksichtige man etwa die Teilzahlungsfristen, so hätte das Nachentrichtungsverfahren insgesamt Ende 1983 abgeschlossen sein können. Danach könne der Kläger 1998, das heißt nach mehr als 20 Jahren, in denen er den Antrag nicht weiter verfolgt habe, keine Rechte aus der damaligen Antragstellung mehr herleiten. Da der Kläger demnach weder nach den §§ 21, 22 WGSVG noch nach § 10 WGSVG a.F. zur Nachentrichtung von freiwilligen Beiträgen berechtigt sei, sei die Klage insgesamt abzuweisen gewesen.
Das Urteil wurde dem Kläger am 02.06.2001 zugestellt.
Mit am 02.07.2001 beim LSG eingegangenem Schriftsatz hat der Kläger Berufung eingelegt. Diese beschränke er nach der grundlegenden Entscheidung des BSG zur Nachentrichtung nach den §§ 21, 22 WGSVG nach den sogenannten Ghetto-Urteil auf die Nachentrichtung nach § 10 WGSVG a.F … Ein Wiederaufgreifen des Verfahrens sei nach Treu und Glauben möglich, Verwirkung dagegen nicht eingetreten. Denn er habe erst aufgrund des neuen Ghetto-Urteils einen Versicherungsverlauf erhalten, der für eine Nachentrichtung im Jahre 1975 maßgebend gewesen sei. Daher wirke das BSG-Urteil von 1997 ex tunc. So sei auch die Praxis der LVA Hamburg. Gegenüber dem Kläger sei von der Behörde das Antragsverfahren als erledigt angesehen worden. Ein laufendes Nachentrichtungs-Verfahren habe daher nicht mehr vorgelegen, weshalb die Entscheidung des BSG vom 04.06.1991 hier nicht anwendbar sei. Das Antragsverfahren habe von der Beklagten weiter betrieben werden müssen, so dass auch ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch vorliege. Was er zwischen 1977 und 1983 hätte unternehmen müssen, sei entgegen der Ansicht des Sozialgerichts unerheblich, weil er die Wiederaufnahme des Verfahrens allein aus der Ghetto-Entscheidung ableite. Der Rechtsstreit sei auch von grundsätzlicher Bedeutung.
Der Kläger beantragt schriftsätzlich sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 27.04.2001 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 04.06.1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.08.1998 und unter Aufhebung des Bescheides vom 02.02.1999 zu verurteilen, ihn unter Anerkennung einer Beitragszeit im Ghetto Lodz vom 09.07.1940 bis 10.08.1944 sowie einer folgenden Ersatzzeit bis 31.12.1949 zur Nachentrichtung nach § 10 WGSVG a.F. für die Zeit vom 01.01.1950 bis 01.02.1971 zuzulassen.
Die Beklagte beantragt schriftsätzlich sinngemäß,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie weist darauf hin, dass der Kläger nach dem 30.12.1975 über 20 Jahre lang untätig geblieben sei. Der Antragsteller habe aber an der Gestaltung des Rechtsverhältnisses mitzuwirken. Er habe sich daher spätestens zwei Jahre nach der Antragstellung bei dem Versicherungsträger nach dem Stand des Verfahrens zu erkundigen. Ansonsten könne der Versicherungsträger das Verfahren intern abschließen und den Nachentrichtungs-Antrag ablehnen, wenn sich der Antragsteller erst Jahre später melde. Da der Kläger sich aber mehr als 20 Jahre nicht gemeldet habe, habe man davon ausgehen können, dass er von der Nachentrichtung keinen Gebrauch mehr mache. Die Entstehung und Ausübung eines Nachentrichtungs-Rechts solle auch nicht auf unbestimmte Zeit hinausgeschoben werden. Ein Antragsteller sei nicht befugt, sich durch Untätigkeit die Nachentrichtung ein Jahrzehnt oder länger offen zu halten.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten, der Verwaltungsakte der Beklagten und der über den Kläger beim Amt für Wiedergutmachung in Saarburg geführten, beigezogenen Entschädigungsakte zu Az.: … Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Obwohl für den Kläger niemand zum Termin erschienen ist und auch die Beklagte nicht ordnungsgemäß vertreten war, durfte die Streitsache verhandelt und entschieden werden, weil die Beteiligten in den ihnen ordnungsgemäß zugestellten Ladungen auf diese Möglichkeit hingewiesen worden sind.
Gegenstand der Berufung ist der Bescheid vom 04.06.1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.08.1998 sowie der gemäß § 96 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Gegenstand des Verfahrens gewordene Bescheid vom 02.02.1999.
Die Berufung ist zulässig. Insbesondere wurde sie fristgerecht eingelegt.
Die Berufung ist aber unbegründet. Denn der Kläger ist weder nach §§ 21, 22 WGSVG (dazu I.) noch nach § 10 WGSVG (dazu II.) zur Nachentrichtung freiwilliger Beiträge zuzulassen. Dies hat die Beklagte vielmehr zu Recht abgelehnt.
I.
Die Nachentrichtung nach §§ 21, 22 WGSVG aufgrund des am 22.09.1997 gestellten Antrags scheitert bereits daran, dass der Kläger die Fristen gemäß §§ 21 Abs. 4 Satz 1, 22 Abs. 4 Satz 1 WGSVG nicht eingehalten hat, so dass dahin stehen kann, ob die materiellen Voraussetzungen der genannten Vorschriften vorliegen.
Eine Wiedereinsetzung in die versäumte Verfahrensfrist nach § 27 SGB X scheidet aus. Hierbei kann offen bleiben, ob den §§ 21 Abs. 4 Satz 1, 22 Abs. 4 Satz 1 WGSVG schon im Ansatz ein gänzlicher Ausschluss der Wiedereinsetzung zu entnehmen ist (offengelassen auch in BSG, Urteil vom 21.05.1996 – 12 RK 43/95). Insbesondere war der Kläger nicht ohne Verschulden gehindert, die gesetzlichen Fristen der §§ 21 Abs. 4 Satz 1, 22 Abs. 4 Satz 1 WGSVG einzuhalten (§ 27 Abs. 1 Satz 1 SGB X).
Der Kläger beruft sich hierzu darauf, dass erst jetzt aufgrund der Urteile des BSG vom 18.06.1997 (5 RJ 66/95 und 5 RJ 68/95) eine Anerkennung der Zeiten im Ghetto L … (nach Angaben des Klägers: 01.07.1940 bis 10.08.1944) möglich sei, die die Beklagte vorher regelmäßig abgelehnt habe. Dies habe er abwarten dürfen. Das aber begründet keinen Anspruch auf Wiedereinsetzung. Denn nach der Rechtsprechung des BSG begründet nicht einmal die Unkenntnis gesetzlicher Vorschriften über befristete Rechte eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (Urteil vom 08.12.1999 – B 12 RJ 5/98 R). Dies muss dann – was das BSG mit Urteil vom 22.03.2001 auch klargestellt hat (B 12 RJ 2/00 R) – im Wege des Erst-Recht-Schlusses auch für die frühere bloße Erwartung des Klägers gelten, ein Antrag auf Nachentrichtung werde ohnehin keinen Erfolg haben, weil der Rentenversicherungs-Träger bei Ghetto-Arbeitsverhältnissen ohnehin kein Beschäftigungsverhältnis bejahen werde. Auch können die Fristen der §§ 21 Abs. 4 Satz 1, 22 Abs. 4 Satz 1 WGSVG nicht im Wege des aus dem Grundsatz von Treu und Glauben hergeleiteten Instituts der Nachsichtsgewährung unbeachtet bleiben. Denn dem Kläger war es zumutbar, bei einer eventuellen Ablehnung eines fristgerecht gestellten Antrag den Rechtsweg zu beschreiten (BSG, Urteil vom 08.12.1999 – B 12 RJ 5/98 R).
Auch kann der Kläger nicht verlangen, im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs so gestellt zu werden, als hätte er die Frist eingehalten. Denn einen solchen Anspruch kann auch eine etwaige allgemeine und früher von den Verfolgten hingenommene Praxis der Versicherungsträger, Ghettozeiten (nur) als Ersatzzeiten zu behandeln, als Vorfrage zu dem Recht auf Nachentrichtung nicht begründen, weil es unter diesen Umständen Angelegenheit der Gesetzgebung – und nicht der Gerichte – ist, zu entscheiden, ob und wem sie ggf. eine neue Nachentrichtungs-Möglichkeit eröffnet (BSG, Urteil vom 22.03.2001 – B 12 RJ 2/00 R). Demzufolge verstößt die Berufung der Beklagten auf den Fristablauf auch nicht gegen Treu und Glauben (BSG, a.a.O.).
Letztlich ist die Frist der §§ 21 Abs. 4 Satz 1, 22 Abs. 4 Satz 1 WGSVG auch weder durch die Rechtsprechung noch durch die Beklagte neu zu eröffnen. Dies wäre allenfalls dann zu erwägen, wenn es vor den Urteilen vom 18.06.1997 eine gefestigte höchstrichterliche Rechtsprechung gegeben hätte, die Ghettoarbeitsverhältnisse generell nicht als Beschäftigungsverhältnisse ansah. Das aber war nicht der Fall (vgl. BSG, Urteil vom 08.12.1999, a.a.O.).
Auch die vom Kläger vorgetragene abweichende Praxis der LVA Hamburg in vergleichbaren Fällen führt zu keiner anderen rechtlichen Bewertung. Denn die dann fehlerhafte Handhabung durch diese LVA verpflichtet die Beklagte nicht dazu, sich (ebenfalls) rechtswidrig zu verhalten.
II.
Ebensowenig kommt eine Nachentrichtung gemäß § 10 WGSVG a.F. in Betracht. Denn auch das Antragsformular vom 30.12.1975 begründet keinen Anspruch des Klägers auf Nachentrichtung. Insoweit geht das Sozialgericht zu Recht von einer Verwirkung dieses Antrags aus. Denn der Kläger ist auf diesen Antrag hin – auch nach dessen Rücksendung durch die BfA – bis zum 22.09.1997 – also nahezu 22 Jahre – untätig geblieben und hat den damaligen Antrag sogar erst mit am 26.10.1998 – also knapp 23 Jahre später – bei Gericht eingegangenem Schriftsatz wieder aufgegriffen.
Auszugehen ist hierbei davon, dass mit dem vom Kläger zunächst nur dem Grunde nach gestellten Nachentrichtungs-Antrag von 1975 ein Verfahren eingeleitet wird, das in mehreren Schritten, nämlich nach Antragstellung durch Konkretisierung des Antrags, sodann Zulassung zur Nachentrichtung und anschließender Einzahlung der Beträge abgewickelt wird (BSG, Urteil vom 04.06.1991 – 12 RK 35/90 -, Urteil vom 07.12.1989 – 12 RK 6/88 -, Urteil vom 26.10.1989 – 12 RK 33/89). Die gesetzliche Regelung mit der Antragsfrist bis Ende 1975 gemäß § 10 Abs. 1 Satz 4 WGSVG a.F. und der Teilzahlungsfrist von höchstens 5 Jahren nach Art. 2 § 51 a Abs. 3 Satz 3 ArVNG lässt dabei erkennen, dass die Nachentrichtungs-Verfahren bis etwa Ende 1980 abgeschlossen sein sollten (BSG, Urteile vom 07.12.1989 und 26.10.1989, a.a.O.). Zwar konnte dieser zeitliche Rahmen bei einzelnen Versicherten nicht immer eingehalten werden, so dass sich das Nachentrichtungsverfahren auch über das Jahr 1980 hinaus erstrecken konnte. Allerdings konnte das Nachentrichtungsverfahren nicht beliebig offen gehalten und in die Länge gezogen werden (BSG, Urteil vom 26.10.1989, a.a.O.). Denn es ist davon auszugehen, dass der Gesetzgeber mit der Statuierung von Ausschlussfristen bezweckt, die Entstehung und Ausübung des Nachentrichtungsrechts nicht auf unbestimmte Zeit hinauszuschieben (vgl. BSG, Urteil vom 11.06.1980 – 12 RK 60/79). Demzufolge hat sich ein Antragsteller zur Vermeidung von Rechtsnachteilen, sofern er bis dahin keine Nachricht vom Versicherungsträger erhalten hat, spätestens 2 Jahre nach der Antragstellung nach dem Stand des Verfahrens zu erkundigen (BSG, Urteil vom 04.06.1991, a.a.O.). Dies gilt auch dann, wenn der angegangene Versicherungsträger den Antrag an den Antragsteller zurücksendet (vgl. zu dieser Konstellation BSG, Urteil vom 26.10.1989, a.a.O.). Erkundigt sich der Antragsteller innerhalb dieser zwei Jahre nicht, muss er sich so behandeln lassen, als hätte er das Antragsverfahren ordnungsgemäß weiterverfolgt (BSG, Urteil vom 04.06.1991, a.a.O.).
Der Kläger hätte sich also – wovon das Sozialgericht zu Recht ausgeht – bis Ende 1977 erneut an die BfA oder an die Beklagte wenden müssen. Er wäre dann nach Übersendung entsprechender Formulare bis Ende 1978 zur Stellung eines vollständigen Antrags in der Lage gewesen. Selbst unter Berücksichtigung weiteren Ermittlungsbedarfs und einer etwaigen Teilzahlungsregelung hätte das Nachentrichtungsverfahren dann spätestens Mitte der achtziger Jahre abgeschlossen sein können. Der Kläger hat sich aber erst 1997 wieder bei der Beklagten gemeldet.
Wenn aber ein Versicherter sich erst zu einem Zeitpunkt wieder gemeldet hat, in dem nach der Praxis der Versicherungsträger das Nachentrichtungsverfahren bei ordnungsgemäßer Mitwirkung des Klägers bereits abgeschlossen gewesen wäre, ist von der Verwirkung des ursprünglichen Antrags auch dann auzugehen, wenn der Versicherungsträger den ursprünglichen fristgerechten Antrag nicht ordnungsgemäß behandelt hat (BSG, Urteil vom 26.10.1989 – 12 RK 3/89). Ob in der Rücksendung des Antrags durch die BfA eine nicht ordnungsgemäße Behandlung liegt, braucht daher nicht entschieden zu werden.
Im Jahre 1997 wäre also das Nachentrichtungsverfahren gemäß § 10 WGSVG a.F. bei ordnungsgemäßer Mitwirkung des Klägers bereits seit einigen Jahren abgeschlossen gewesen. Demzufolge aber kann der Kläger keine Rechte mehr aus der damaligen Antragstellung herleiten. Es ist Verwirkung eingetreten.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG, diejenige über die Nichtzulassung der Revision aus § 160 SGG.
Erstellt am: 14.08.2003
Zuletzt verändert am: 14.08.2003