NZB d.Kl. als unzulässig verworfen
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 12.01.2006 wird zurückgewiesen. Die Klägerin trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Nachforderung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen für den Beigeladenen zu 1) in Höhe von 34.854,74 Euro.
Die Klägerin ist Trägerin einer Rehabilitationsklinik für Abhängigkeitskranke. Der Beigeladene zu 1) ist Facharzt für Neurologie und Psychiatrie. Er übte seit November 1998 eine Tätigkeit als Arzt in der Klinik aus. Ein schriftlicher Vertrag wurde nicht geschlossen. In der Regel arbeitete der Beigeladene zu 1) an drei Nachmittagen in der Woche, wobei er Aufnahme- und Entlassungsuntersuchungen durchführte. Einmal pro Woche versah er einen Hintergrunddienst. Die Vergütung erfolgte auf Stundenbasis auf der Grundlage der nachgewiesenen Arbeitsstunden, wobei der Beigeladene zu 1) nach Einführung eines Zeiterfassungssystems im Jahre 2001 in dieses einbezogen wurde. Der Beigeladene zu 1) vereinbarte etwa zwei bis vier Wochen im Voraus mit dem Chefarzt der Klinik, an welchen Tagen er tätig sein werde; er wurde insoweit in den Dienstplan der Klinik aufgenommen. Einmal in der Woche nahm er an einer ärztlichen Dienstbesprechung teil. Klägerin und Beigeladener zu 1) gingen von einer selbständigen Tätigkeit aus.
Auf Antrag des Betriebsrates stellte das Arbeitsgericht Arnsberg mit Beschluss vom 21.09.2000 (3 BV 3/99 O) fest, dass Rechte des Betriebsrechts bei der Einstellung verletzt worden seien, da der Beigeladene zu 1) Arbeitnehmer der Klägerin sei. Nach Angabe des Beigeladenen zu 1) wurde nach dem Beschluss die Angelegenheit von dem Betriebsrat nicht weiter verfolgt.
Auf die Betriebsprüfung vom 20.03.2002 stellte die Beklagte mit Bescheid vom 22.03.2002 für den Beigeladenen zu 1) für die Zeit vom 01.11.1998 bis 28.02.2002 Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung fest. Zugleich forderte sie Gesamtsozialversicherungsbeiträge für die genannte Zeit in Höhe von 34.854,74 Euro nach.
Die Klägerin legte Widerspruch ein und trug vor, entgegen der Beurteilung der Beklagten liege kein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis vor. Der Beigeladene zu 1) sei nicht in die kontinuierliche Patientenversorgung eingebunden, er führe lediglich Aufnahme- und Entlassungsuntersuchungen durch. Die ärztlichen Aufgaben erfülle er eigenständig und eigenverantwortlich. Hinsichtlich seiner Arbeitszeit sei er frei, er koordiniere seine Anwesenheitszeiten in Absprache mit dem Chefarzt der Klinik. Er sei außerhalb der Klinik noch als Honorarkraft für den sozial-psychiatrischen Dienst des Landkreises sowie als Sachverständiger tätig. Mit Widerspruchsbescheid vom 05.12.2003 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Sie hielt an ihrer Auffassung fest, dass der Beigeladene zu 1) abhängig beschäftigt sei. Er sei in die Organisation des Klinikbetriebes eingegliedert gewesen. Bestätigt werde diese Ansicht durch den Beschluss des Arbeitsgerichts Arnsberg.
Die Klägerin hat am 30.12.2003 Klage erhoben, zu deren Begründung sie im Wesentlichen ihren Vortrag aus dem Widerspruchsverfahren wiederholt und vertieft hat.
Das Sozialgericht hat den Beigeladenen zu 1) zu den Umständen seiner Tätigkeit bei der Klägerin befragt; insoweit wird auf die Sitzungsniederschrift vom 01.03.2005 Bezug genommen.
Mit Urteil vom 19.01.2006 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Es hat eine abhängige Beschäftigung des Beigeladenen zu 1) bejaht, da die für eine unselbständige Tätigkeit sprechenden Merkmale überwiegen würden. Dabei hat das Sozialgericht vor allem auf das Fehlen eines Unternehmerrisikos und die Eingebundenheit in den Klinikablauf (keine Erstellung von Rechnungen, Einbindung in das Zeiterfassungssystem der Klägerin, Zuweisung der Patienten durch die Klägerin) abgestellt.
Gegen das ihr am 23.01.2006 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 23.02.2006 Berufung eingelegt. Sie meint, entgegen der Auffassung des Sozialgerichts spreche mehr für eine selbständige Tätigkeit. Soweit das Sozialgericht annehme, der Beigeladene zu 1) sei in den Klinikablauf eingebunden gewesen, liege es auf der Hand, dass er bei seiner Absprache mit der Klinik auf die dortige Organisation habe Rücksicht nehmen müssen. Hinsichtlich der Einteilung seiner Arbeitszeit sei er aber frei und ungebunden gewesen. Das Zeiterfassungssystem sei nur deshalb benutzt worden, weil es eine minutengenaue Abrechnung ermöglicht habe. Für die Benutzung des Systems sei die Vergabe einer Personalnummer aus technischen Gründen erforderlich gewesen. Für eine selbständige Tätigkeit spreche, dass der Beigeladene zu 1) neben der Tätigkeit in der Klinik weitere Tätigkeiten als Honorarkraft für den sozial-psychiatrischen Dienst des Landkreises und als Sachverständiger ausgeübt habe und diesen Tätigkeiten den Vorrang gegenüber der Tätigkeit in der Klinik habe einräumen können.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 12.01.2006 zu ändern und den Bescheid vom 22.03.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.12.2003 sowie den Bescheid vom 08.06.2005 insoweit aufzuheben, als Beiträge für den Beigeladenen zu 1) festgesetzt worden sind.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Der Beigeladene zu 1) habe mangels eigener Betriebsstätte und eigener Patienten seine Tätigkeit nur in Abhängigkeit von der Klägerin leisten können. Er habe kein Unternehmerrisiko in dem Sinne getragen, dass er dazu eigenes Kapital oder die eigene Arbeitskraft mit der Gefahr des Verlustes eingesetzt habe. Das Risiko, bei fehlendem Bedarf weniger eingesetzt zu werden, sei kein typisches Unternehmerrisiko.
Der Beigeladene zu 1) weist darauf hin, dass er für das Gesundheitsamt nicht als Supervisor tätig gewesen sei, sondern lediglich nervenärztliche Stellungnahmen für den sozial-psychiatrischen Dienst erstellt habe. Die mit dem Chefarzt abgesprochene und im Dienstplan fixierten Dienstzeiten habe er als verbindlich angesehen. Zu Terminkollisionen wegen seiner anderen Tätigkeiten sei es nur in zwei Fällen gekommen, diese seien durch Verlagerung seiner Arbeitszeit bei der Klägerin gelöst worden. Er habe bei den Aufnahmeuntersuchungen die weitere Therapie festgelegt. Wenn eine Änderung der Therapie erforderlich gewesen sei, hätten die ärztlichen Kollegen dies überwiegend mit dem Chefarzt besprochen, teilweise habe aber auch eine Rücksprache bei ihm stattgefunden. Bei Medikamentenänderungen, insbesondere soweit es um Psychopharmaka gegangen sei, sei er bei Abwesenheit des Chefarztes als Fachmann konsultiert worden. Sofern während des Hintergrunddienstes ein Einsatz in der Klinik erforderlich gewesen sei, habe er dem anwesenden Personal Anweisungen gegeben.
Die übrigen Beigeladenen haben sich nicht geäußert.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes, auch hinsichtlich des Vorbringens der Beteiligten, wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist nicht begründet, denn das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide sind nicht zu beanstanden.
Der Beigeladene zu 1) war im Zeitraum vom 01.11.1998 bis 28.02.2002 bei der Klägerin abhängig beschäftigt, so dass Versicherungspflicht in allen Zweigen der Sozialversicherung bestand und die Klägerin die Gesamtsozialversicherungsbeiträge für den genannten Zeitraum schuldet. Zur Begründung nimmt der Senat auf die zutreffenden Ausführungen des Sozialgerichts Bezug (§ 153 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG)).
Das Vorbringen der Klägerin im Berufungsverfahren kann zu keiner anderen Beurteilung führen. Entgegen ihrer Auffassung kommt es nicht auf eine qualitative Berücksichtigung verschiedener Kriterien, sondern eine qualitative Bewertung der Gesamtumstände an. Entscheidend ist insoweit, dass der Beigeladene zu 1) in eine für ihn fremde Betriebsorganisation eingegliedert war. Seine Tätigkeit konnte notwendigerweise nur innerhalb der Betriebsorganisation der Klägerin verrichtet werden. Er hat zu den vereinbarten Arbeitszeiten Patienten untersucht, die ihm von der Klägerin zugewiesen worden sind. Bei der Aufnahmeuntersuchung legte der Beigeladene zu 1) die weitere Therapie fest. Soweit sich herausstellte, dass der Therapieplan geändert werden musste, wurde dies zwar überwiegend mit dem Chefarzt besprochen, es erfolgten aber auch Rücksprachen mit dem Beigeladenen zu 1). Dieser war neben dem Chefarzt der einzige Neurologe und Psychiater in der Klinik. Insoweit wurde er bei Medikamentenänderungen, insbesondere bei Psychopharmaka, als Fachmann konsultiert, wenn der Chefarzt nicht im Haus war. Die vom Beigeladenen zu 1) erhobenen Befunde waren Grundlage für die weitere Behandlung; ebenso wurde der von ihm erhobene Entlassungsbefund in den Entlassungsbericht eingearbeitet. Dies zeigt, dass der Beigeladene zu 1) innerhalb des "laufenden Geschäfts" der Klinik Teil der Gesamtorganisation war. Die Eingliederung drückt sich auch darin aus, dass er einmal pro Woche an einer ärztlichen Besprechung und sogar gelegentlich an Visiten teilnahm. Auch der Umstand, dass er vom Klinikpersonal konsultiert wurde, wenn ein sofortiges ärztliches Eingreifen notwendig war und er auch im Rahmen seines Hintergrunddienstes bei einem Einsatz in der Klinik dem Personal Weisungen erteilte, zeigt, dass der Beigeladene zu 1) in die Klinikorganisation eingebunden war. Für diese Integration in die Klinik spricht auch, dass die mit dem Chefarzt vereinbarten Dienste verbindlich in den Dienstplan aufgenommen wurden. Demgegenüber ist die Freiheit des Beigeladenen zu 1) bezüglich seiner Zeiteinteilung als weniger gewichtig zu bewerten.
Der Beigeladene zu 1) hat keinerlei Unternehmerrisiko getragen. Er hat kein eigenes Kapital eingesetzt und er lief auch nicht Gefahr, dass sein Arbeitseinsatz nicht vergütet werde. Er hat im Gegenteil angegeben, dass er im Falle des Ausbleibens eines avisierten Patienten sich mit anderen Dingen beschäftigt habe. Zutreffend weist die Beklagte darauf hin, dass das Risiko, bei fehlendem Bedarf in geringerem Umfang eingesetzt zu werden, kein typisches Unternehmerrisiko darstellt und auch von Arbeitnehmern auf Abruf getragen wird.
Unerheblich ist, dass die Klägerin dem Beigeladenen zu 1) eine Teil- oder Vollzeitbeschäftigung als Oberarzt angeboten hat. Der Beigeladene zu 1) mag dieses Angebot auch im Hinblick darauf abgelehnt haben, dass er eine Beeinträchtigung seiner sonstigen beruflichen Tätigkeiten befürchtete. Dies ändert nichts daran, dass nach der konkreten Ausgestaltung seiner für die Klägerin ausgeübten Tätigkeit eine abhängige Beschäftigung vorlag.
Soweit es um den Beginn der Versicherungspflicht geht, kommt eine Verschiebung auf den Zeitpunkt der Erteilung des Bescheides gemäß § 7 b 4. Buch Sozialgesetzbuch schon deshalb nicht in Betracht, weil der Beigeladene zu 1) in der mündlichen Verhandlung einem späteren Eintritt der Versicherungspflicht nicht zugestimmt hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a Sozialgerichtsgesetz i. V. m. § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung.
Die Festlegung des Streitwerts beruht auf § 52 Abs. 2 Gerichtskostengesetz.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Erstellt am: 18.02.2010
Zuletzt verändert am: 18.02.2010