Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Münster vom 29.07.1999 wird zurückgewiesen. Kosten sind im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die am 1950 geborene Klägerin, die niederländische Staatsangehörige ist, beantragte am 14.02.1997 eine Rentenauskunft. Mit Schreiben vom 29.03.1997 teilte die Klägerin mit, dass sie ihren zur Zeit getrennt lebenden Ehemann, M … D …, zum Bevollmächtigten bestimme, die Postzustellung sei jedoch an ihre Wohnanschrift in den Niederlanden vorzunehmen. Am 10.07.1997 erteilte die Beklagte der Klägerin eine Rentenauskunft und einen Feststellungsbescheid über die bis zum 31.12.1990 zurückgelegten Versicherungszeiten. Dieser Bescheid wurde mit einfachem Brief an die Adresse der Klägerin in den Niederlanden versandt.
Dagegen legte die Klägerin am 31.07.1997 Widerspruch ein, mit dem sie beanstandete, dass Versicherungszeiten nur bis 1990 festgestellt seien, obwohl sie bis zum 31.10.1993 Beiträge entrichtet habe. Außerdem rügte sie die Nichtberücksichtigung von Kindererziehungszeiten.
Mit Schreiben vom 15.08.1997 (Bl. 58 VA) teilte die Beklagte der Klägerin mit, der Widerspruch sei nicht ganz verständlich, da sich aus dem dem Bescheid vom 10.07.1997 beigefügen Versicherungsverlauf ergebe, dass Pflichtbeitragszeiten bis 1993 gespeichert seien. Bezüglich der Anrechnung von Kindererziehungs- und Kinderberücksichtigungszeiten seien noch Ermittlungen anhängig. In der Folgezeit bat sie die Klägerin um Mitteilung der Wohnorte ihrer 1965 und 1966 geborenen Kinder in deren ersten 10 Lebensjahren. Nachdem die Klägerin ihre verschiedenen Wohnorte in diesem Zeitraum mitgeteilt hat, hat die Beklagte Auskünfte der betreffenden Einwohnermeldeämter eingeholt.
Am 16.03.1998 hat die Klägerin Untätigkeitsklage beim Sozialgericht Aachen erhoben, mit der sie eine Entscheidung über ihren Antrag auf Kontenklärung vom 14.02.1997 begehrt hat. Das Sozialgericht Aachen hat die Sache durch Beschluss vom 20.04.1998 an das Sozialgericht Münster verwiesen.
Am 18.05.1998 hat die Beklagte einen geänderten Feststellungsbescheid erlassen. Dieser enthält die verbindliche Feststellung von Versicherungszeiten bis zum 31.12.1991, u.a. auch Kindererziehungszeiten und Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung. Gegen diesen Bescheid hat die Klägerin am 08.06.1998 Widerspruch erhoben, mit dem sie vor allem gerügt hat, dass ihr der Bescheid nicht postamtlich als Auslandszustellung zugestellt worden sei. Auch seien darin Beitragsminderbewertungen zu ihrem Nachteil erfolgt.
Auf die Bitte der Beklagten mitzuteilen, gegen welche Feststellungen im Bescheid sich konkret der Widerspruch richte, hat die Klägerin mit Schreiben vom 08.07.1998 mitgeteilt, sie werde keine diesbezüglichen Mitteilungen machen, da dies nicht ihre Aufgabe sei.
Daraufhin wies die Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 17.12.1998 zurück. Der Bescheid vom 18.05.1998 sei auf der Grundlage der veranlaßten versicherungsrechtlichen Ermittlungen erteilt worden sei. Eine gezielte Überprüfung dieses Bescheides sei nicht möglich, da eine konkrete Begründung des Widerspruches nicht erfolgt sei und weitere Tatsachen nicht vorgetragen worden seien.
Den Widerspruchsbescheid gab die Beklagte zunächst mit Schreiben vom 18.12.1998 an den von der Klägerin als Zustellungsbevollmächtigten benannten Ehemann unter der von der Klägerin angegebenen Postanschrift " …, … A …" mit einfachem Brief zur Post. Dieses Schreiben gelangte mit dem Stempel "zurück, unbekannt verzogen", dem Datum 19.12. und einer Paraphe des Postzustellers an die Beklagte zurück.
Das Einwohnermeldeamt der Stadt A … teilte der Beklagten auf Anfrage am 14.01.1999 mit, dass der Aufenthalt des Bevollmächtigten des Klägerin dort nicht bekannt sei, dieser sei von Amts wegen am 09.07.1994 nach unbekannt abgemeldet worden. Ein erneuter Versuch der Beklagten, den Widerspruchsbescheid an den Bevollmächtigten unter der angegebenen Postanschrift zu übersenden, scheiterte ebenfalls. Der am 20.01.1999 abgestempelte Brief umschlag gelangte abermals mit dem Aufdruck "unbekannt verzogen" und dem Datum 21.01. an die Beklagte zurück. Daraufhin stellte die Beklagte den Widerspruchsbescheid durch Aushang vom 29.01.1999 bis 03.03.1999 öffentlich zu.
Im Hinblick auf den Widerspruchsbescheid vom 17.12.1998 hat das Sozialgericht mit Schreiben vom 06.01.1999 bei der Klägerin angefragt, ob der Rechtsstreit für erledigt erklärt werde. Hierzu hat die Klägerin vorgetragen, sie habe keinen schriftlichen Bescheid über den begründeten Widerspruch erhalten.
Durch Gerichtsbescheid vom 29.07.1999 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Die Untätigkeitsklage sei durch den Feststellungsbescheid vom 18.05.1998 und den Widerspruchsbescheid vom 17.12.1998 erledigt. Auch in der Sache sei die Klage unbegründet, da die Feststellungsbescheide nicht rechtswidrig seien.
Gegen den ihr an ihre Anschrift in den Niederlanden über das Generalkonsulat am 19.08.1999 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die Berufung der Klägerin vom 20.09.1999. Zur Begründung hat sie vorgetragen, es sei kein Beweis darüber erbracht, dass ihr die angeblichen Rentenauskünfte schriftlich erteilt wurden. Das Urteil sei unter Verletzung formellen und materiellen Rechts ergangen.
Dem schriftlichen Vorbringen der Klägerin entnimmt der Senat, dass die Klägerin sinngemäß beantragt:
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Münster vom 29.07.199 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, einen Widerspruchsbescheid zu erlassen.
Die Beklagte beantragt:
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält den Gerichtsbescheid für zutreffend.
Nach der Mitteilung des Termins hat die Klägerin erneut den Vorsitzenden des Senats und die Berichterstatterin als befangen ab gelehnt.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten und der Gerichtsakten bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.
Die Untätigkeitsklage der Klägerin ist durch den Änderungsbescheid vom 18.05.1998 und den Widerspruchsbescheid vom 17.12.1998 erledigt. Ein Anspruch der Klägerin auf Erteilung eines Widerspruchsbescheides besteht daher nicht mehr.
Der Widerspruchsbescheid vom 17.12.1998 ist durch die öffentliche Zustellung an den Klägerbevollmächtigten wirksam bekannt gegeben worden. Gemäß § 85 Abs. 3 Satz 1 SGG in der hier maßgeblichen Fassung des Gesetzes vom 30.03.1998 (BGBl. I S. 638) ist der Widerspruchsbescheid den Beteiligten bekanntzugeben. Da die Kläge rin gegenüber der Beklagten schriftlich ihren Ehemann als Bevollmächtigten benannt hat, war die Beklagte gemäß § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB X verpflichtet, diesem den Widerspruchsbescheid bekannt zu geben. Bei der Bekanntgabe durch förmliche Zustellung ergab sich diese Verpflichtung zugleich aus § 8 Abs. 1 Satz 2 VwZG.
Nachdem eine Übersendung des Widerspruchsbescheides mit einfachem Brief wegen der Postrückläufe nicht möglich war, lagen die Voraussetzungen für eine öffentliche Zustellung nach § 15 Abs. 1 a VwZG vor. Danach kann durch öffentliche Bekanntmachung zugestellt werden, wenn der Aufenthaltsort des Empfängers unbekannt ist. Der Aufenthaltsort des Klägerbevollmächtigten war nach Auskunft des für die angegebene Anschrift zuständigen Einwohnermeldeamtes der Stadt A … unbekannt. Der Beklagten war auch eine andere Anschrift des Bevollmächtigten nicht bekannt. Insbesondere mußte sie davon ausgehen, dass der Bevollmächtigte nicht unter der Anschrift der Klägerin wohnhaft war, da diese ausdrücklich vorgetragen hatte, ihr Ehemann wohne nicht unter ihrer Anschrift in den Niederlanden.
Die somit zulässige öffentliche Zustellung ist auch nach Maßgabe des § 15 Abs. 2 VwZG vorgenommen worden, indem die Benachrichtigung über die Zustellung des Widerspruchsbescheides vom 17.12.1998 in den Räumen der Beklagten vom 29.01.1999 bis 03.03.1999 ausgehängt wurde.
Ist somit die Untätigkeitsklage durch die rechtmässige Erteilung des Widerspruchsbescheides erledigt, läßt sich auch in der Sache selbst materiell-rechtlich ein anderes Ergebnis nicht begründen. Folgt man der herrschenden Meinung in Literatur und Recht sprechung (vgl. statt anderer Meyer-Ladewig, Sozialgerichtsgesetz, 6. Aufl., § 88 Rdziffer 10 a), so wird ein Widerspruchsbescheid, der – wie hier – im Rahmen einer echten Untätigkeitsklage erteilt wird, nicht automatisch gemäß § 96 SGG Gegenstand der an hängigen Untätigkeitsklage, wenn der Beteiligte mit der im Widerspruchsbescheid getroffenen Entscheidung nicht einverstanden ist. Allerdings kann der Beteiligte seine Klage als Anfechtungs- bzw. Verpflichtungsklage fortsetzen, wenn er diese Klageänderung erklärt. Eine solche Erklärung hat die Klägerin hier nicht abgegeben. Sie hat in der Sache selbst lediglich vorgetragen, der Widerspruchsbescheid sei ihr nicht rechtmässig bekannt gegeben worden. Selbst wenn man jedoch davon ausgehen sollte, dass der Widerspruchsbescheid nach § 96 SGG Gegenstand des Verfahrens geworden wäre, wäre ein anderes Ergebnis nicht zu begründen. Eine Rechtswidrigkeit der Rentenauskunft und des Widerspruchsbescheides und eine daraus resultierende Beschwerde der Klägerin sind unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt für den Senat ersichtlich. Auch die Klägerin selbst hat konkrete, das materielle Recht betreffende Einwendungen nicht erhoben. Ihre Formaleinwendungen sind aus den oben dargelegten Gründen unbeachtlich.
Der Senat konnte auch in der aus dem Rubrum ersichtlichen Besetzung in der Sache entscheiden, obwohl die Klägerin sowohl den Vorsitzenden Richter am Landessozialgericht X. als auch die Richterin am Sozialgericht Y. als befangen abgelehnt hat, da der Antrag unzulässig ist.
Wie der Senat bereits in seinem Beschluss vom 17. Dezember 1999 dargelegt hat, kann zwar ein Richter wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen. Entbehren jedoch die Vorwürfe gegenüber dem Richter einer objektiven, nachvollziehbaren Grundlage, so ist das entsprechende Gesuch rechtsmissbräuchlich und unzulässig. Diese Voraussetzungen sind bei dem erneuten Ablehnungsgesuch der Klägerin wiederum erfüllt. Die Klägerin begründet ihr Ablehnungsgesuch, dass sie nach Erhalt der Terminsmitteilung gestellt hat, mit "offensichtlich persönlichen Verbalinjurien" des Vorsitzenden im Beschluss vom 17.12.1999, "aus denen unstreitig persönliche Feindschaftsbejahungen herzuleiten" seien. Klar und unstreitig habe der vergangene Verfahrensablauf bewiesen, dass der Vorsitzende nicht daran interessiert sei, das Rechtsgutbegehren der Klägerin durchzusetzen bzw. ein objektives und faires Verfahren bei Gericht zu führen. Es sei festzustellen, dass "die persönliche Herabwürdigung und Beleidigung aufrecht erhalten werde, sowie daraus auch die richterliche persönliche krankhafte Rache und Vergeltung als Feindschaft, die offensichtlich am 10. Juli 2000 in einem eigens inszenierten Tribunal den richterlichen Höhepunkt haben solle".
Mit diesen Äußerungen knüpft die Klägerin bzw. ihr Bevollmächtigter nahtlos an eine Verhaltensweise an, die der Senat in seinem Beschluss vom 17.12.1999 als Kennzeichen einer "einer objektiven Grundlage entbehrenden Schimpferei und völlig haltlosen Androhung" beschrieben hat. Nach wie vor entbehren derartige Vorwürfe einer nachvollziehbaren Grundlage. Der Beschluss vom 17.12.1999 enthält nämlich bei objektiver Würdigung auch kein abwertendes Werturteil über den Klägerbevollmächtigten, dass geeignet wäre, die Besorgnis der Befangenheit gegenüber der Klägerin zu rechtfertigen. Vielmehr wird in diesem Beschluss das Vorbringen des Bevollmächtigten der Klägerin lediglich zusammengefasst. Anhaltspunkte für eine Voreingenommenheit gegenüber dem Klägerbevollmächtigten oder aber der Klägerin lassen sich unter keinem Gesichtspunkt diesem Beschluss entnehmen.
Das Vorbringen, die Richterin am Sozialgericht Y. als Berichterstatterin sei befangen, weil sie das rechtswidrige Verhalten des Vorsitzenden Richters "wie einschlägig bekannt subaltern und willfährig loyal" unterstütze, spricht für sich selbst. Auch insoweit ist das Ablehnungsgesuch der Klägerin rechtsmissbräuchlich und dementsprechend unzulässig.
Letztlich kann die Entscheidung über ein derart unzulässiges und rechtsmissbräuchliches Befangenheitsgesuch auch unter Mitwirkung der abgelehnten Richter erfolgen (Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 09.02.1998, 2 B 68/97 – Hess. LSG, Beschluss vom 18.12.1995 – L 9/S – 123/85). Diese Verfahrensweise ist zum Schutz der Funktionsfähigkeit der Gerichte zulässig.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, weil die gesetzlichen Voraussetzungen gemäß § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG nicht gegeben sind.
Erstellt am: 12.08.2003
Zuletzt verändert am: 12.08.2003