Die Erinnerung gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 11.08.2006 wird zurückgewiesen.
Gründe:
I.
Streitig sind im Erinnerungsverfahren noch die Höhe der vom Beklagten für das Gerichtsverfahren zu erstattenden außergerichtlichen Kosten.
In der Schwerbehindertenstreitsache S 10 SB 32/05 begehrte der Erinnerungsführer (Ef), die zuletzt mit Teilabhilfebescheid vom 19.07.2004 durch das damalige AVF Augsburg mit einem GdB von 70 bewerteten Behinderungen mit einem solchen in Höhe von 80 festzustellen. Sein Bevollmächtigter legte bei Klageerhebung, verbunden mit der Antragstellung eine ca. 2 1/2-seitige Begründung vor, nahm Akteneinsicht, sandte die dem Kläger überlassenen Vordrucke zurück und überließ dem Gericht einen zusätzlichen Arztbericht. Die 10. Kammer holte schließlich ein Gutachten bei dem Orthopäden Dr. L. und dem Neurologen Dr. D. ein, welche anschließend dem Beklagten zur Auswertung und Stellungnahme überlassen wurden. Dieser gab daraufhin ein Anerkenntnis ab, mit dem er sich verpflichtete den GdB des Klägers ab 08.06.2004 mit 80 zu bewerten. Gleichzeitig erklärte er sich bereit, die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung entstandenen notwendigen Aufwendungen des Ef in vollem Umfang zu übernehmen.
Zusammen mit der Annahme des Anerkenntnisses übersandte der Bevollmächtigte des Ef seine Gebührennote. Darin bezifferte er die ihm entstandenen Gebühren und Auslagen für das Gerichtsverfahren wie folgt: Verfahrensgebühr Nr. 3102 VV RVG 250,00 EUR, Terminsgebühr Nr. 3106 Nr. 3 VV RVG 200,00 EUR, Auslagenpauschale Nr. 7002 VV RVG 20,00 EUR, 16 % Mehrwertsteuer Nr. 7008 VV RVG 75,20 EUR, insgesamt 545,20 EUR
Der Erinnerungsgegner (Eg) wertete die Angelegenheit abweichend von der anwaltlichen Kostennote als unterdurchschnittlich. Er hielt die Anwendung der Gebühr Nr. 3102 VV RVG wegen der vorangegangenen Tätigkeit des Bevollmächtigten im Widerspruchsverfahren für nicht anwendbar und bezifferte die zu erstattenden Kosten des Gerichtsverfahrens wie folgt:
Verfahrensgebühr Nr. 3103 VV 119,00 EUR, Terminsgebühr Nr. 3106 VV 140,00 EUR, Auslagenpauschale Nr. 7002 VV 20,00 EUR, Mehrwertsteuer Nr. 7008 VV 44,64 EUR, Summe 323,64 EUR
In ihrem Kostenfestsetzungsbeschluss vom 11.08.2006 folgte die Urkundsbeamtin der Rechtsauffassung des Beklagten und setzte die zu erstattende Gebühr für das Klageverfahren mit 323,64 EUR fest. Hiergegen hat der Ef Erinnerung eingelegt. Die vorgenommene Reduzierung der Kosten auf 70 % sei eine nicht gerechtfertigte willkürliche Kürzung. Er ist weiterhin der Überzeugung, dass die Festsetzung der Mittelgebühr gerechtfertigt sei.
Die Urkundsbeamtin half der Erinnerung nicht ab und legte sie dem Kostenrichter zur Entscheidung vor.
II.
Das Gericht ist zur Entscheidung befugt (§ 197 Abs. 2 SGG). Die rechtzeitig eingelegte Erinnerung ist zulässig, aber nicht begründet. Die vom Bevollmächtigten getroffene Gebührenbestimmung war unbillig und deshalb – wie im angegriffenen Kostenfestsetzungsbeschluss zutreffend geschehen – zu korrigieren.
Der Eg hat nach seinem vom Ef angenommenen Anerkenntnis dessen außergerichtliche Kosten (§ 193 SGG) in vollem Umfang zu tragen. Streitig blieb im Erinnerungsverfahren noch die Höhe der für die anwaltliche Tätigkeit im Gerichtsverfahren zu erstattenden Kosten. Prüfungsmaßstab ist dabei § 14 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG). Nach dieser Vorschrift bestimmt bei dem in Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit entstehenden Rahmengebühren (§ 3 RVG) der Rechtsanwalt die Gebühr im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers nach billigem Ermessen. Ist die Gebühr – wie vorliegend – von einem Dritten zu ersetzen, ist die vom Rechtsanwalt getroffene Bestimmung nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist.
Diese Voraussetzung ist vorliegend sowohl hinsichtlich der Bestimmung der Verfahrensgebühr wie auch der Terminsgebühr erfüllt.
Nach dem dem RVG als Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 RVG angefügten Vergütungsverzeichnis (VV) erhält der Anwalt in Verfahren vor den Sozialgerichten, in denen Betragsrahmengebühren entstehen, eine Gebühr zwischen 40,00 und 460,00 EUR, entsprechend einer Mittelgebühr von 250,00 EUR (Gebühr Nr. 3102). Ist eine Tätigkeit im Verwaltungsverfahren vorausgegangen, beträgt die Gebühr Nr. 3102 zwischen 20,00 und 320,00 EUR, was einer Mittelgebühr von 170,00 EUR entspricht (Gebührentatbestand Nr. 3103 VV). Die Verfahrensgebühr erhält der Anwalt für das Betreiben des Verfahrens. Dabei steht ihm nach dem Willen des Gesetzgebers in Verfahren mit durchschnittlicher Schwierigkeit, durchschnittlichem Aufwand und durchschnittlicher Bedeutung für den Mandanten die Mittelgebühr zu. Entscheidend ist eine Gesamtabwägung. Es müssen sämtliche den Gebührenanspruch potentiell beeinträchtigenden Faktoren miteinander im Einzelfall abgewogen werden.
Diese Abwägung ergibt vorliegend, dass für die Verfahrensgebühr (hier Nr. 3103 VV) ein Wert unterhalb der Mittelgebühr festzusetzen ist. Dabei ist der anwaltliche Aufwand mit vorliegender Klageerhebung, Akteneinsicht, Rücksendung der Formblätter, Klagebegründung sowie dem im Erinnerungsverfahren vorgetragenen Besprechungsterminen und diversen Telefonaten insoweit als durchschnittlich zu werten. Unberücksichtigt bleiben darf jedoch nicht, dass eine mündliche Verhandlung, welche regelmäßig eine zusätzliche Vorbesprechung, Vorbereitung und Terminswahrnehmung mit – je nach Einzelfall unterschiedlich aufwendigem – Hin- und Rückweg nicht stattgefunden hat. In der Zusammenschau sieht das Gericht deshalb den Umfang der anwaltlichen Tätigkeit als eher unterdurchschnittlich.
Auch der Schwierigkeitsgrad des Verfahrens kann nicht als durchschnittlich bewertet werden. Streitig war nämlich lediglich die Feststellung eines um 10 höheren GdB s nach dem Schwerbehindertenrecht. Gemessen an dem Schwierigkeitsgrad der sonstigen bei den Sozialgerichten zu verhandelnden Rechtsstreitigkeiten wie z.B. Rentenstreitverfahren bzw. Verfahren nach dem Recht der gesetzlichen Unfallversicherung weicht die Schwierigkeit dieses Verfahrens zweifelsfrei nach unten ab. Es ist dem Landessozialgericht Schleswig-Holstein (Beschluss vom 16.06.2003, L 5 B 13/03 SF SK) zuzustimmen, dass in sozialgerichtlichen Verfahren, in denen um existenzsichernde Leistungen wie z.B. einer Dauerrente der gesetzlichen Rentenversicherung gestritten wird im Normalfall die Festsetzung der Mittelgebühr für angemessen erachtet wird. Der Streit um einen um 10 Grad höheren GdB erreicht mit Sicherheit nicht die Schwierigkeit eines Rentenstreitverfahrens.
Auch mit Blick auf den Auftraggeber ist – bei angenommenen durchschnittlichen Einkommensverhältissen – nicht von einer durchschnittlichen, sondern nur von einer unterdurchschnittlichen Bedeutung auszugehen. Die wesentliche Rechtsbedeutung eines höheren GdB s als 70 liegt im Steuerrecht. Eine existenzsichernde oder arbeitsplatzsichernde Funktion kommt der erfolgreichen Klage nicht zu. In ständiger Kostenrechtsprechung nicht nur des Sozialgerichts Augsburg, sondern aller bayerischen Sozialgerichte ist im Ergebnis das vorliegende Streitverfahren betreffend die Festsetzung der Verfahrensgebühr nach Nr. 3103 von der Urkundsbeamtin in rechtlich nicht zu beanstandender Weise kostenrechtlich erfasst worden. Soweit der Bevollmächtigte des Ef den durch den Kostenfestsetzungsbeschluss erweckten Anschein der Verwendung fester Kostensätze bzw. prozentualer Abschläge rügt, ist dies nachvollziehbar. Das entscheidende Gericht hat aber bei angenommener Unbilligkeit der anwaltlichen Kostenfestsetzung einen gewissen Beurteilungsspielraum bei der Festsetzung der von ihm als zutreffend und angemessen gehaltenen Gebühr. Für die vorliegende Kostensache hält das Gericht den festgesetzten Betrag für innerhalb des Beurteilungsrahmen liegend.
Vorstehende Erwägungen gelten, da auch hier Prüfungsmaßstab § 14 RVG darstellt, sinngemäß für die Terminsgebühr nach Nr. 3106 VV. Danach erhält der Bevollmächtigte eine Gebühr im Rahmen von 20,00 bis 380,00 EUR auch dann, wenn ein Verfahren – wie vorliegend – nach angenommenem Anerkenntnis ohne mündliche Verhandlung endet (Ziffer 3 nr. 3106 VV; sog. fiktive Termingebühr). Wenn nun vereinzelt vertreten wird (Guhl in NZS 2005, S. 193 f.), dass auch die fiktive Terminsgebühr in jener Höhe anfalle, wie wenn ein ganz normaler und üblicher Termin stattgefunden hätte, kann dem nicht gefolgt werden. Denn Sinn und Zweck des RVG ist in erster Linie die sachgerechte Vergütung (des Aufwands) für den Bevollmächtigten. Diese ist aber erfahrensgemäß sehr unterschiedlich, je nachdem, ob er an einer mündlichen Verhandlung teilnehmen muss oder nicht. Nimmt der Mandant ein Anerkenntnis der Gegenseite an, führt dies auch beim Bevollmächtigten zu einer erheblichen Reduzierung seines Aufwands in diesem Verfahren. Die Annahme des Anerkenntnisses kann er dem Gericht in einem kurzen Schriftsatz mitteilen. Der im Vergleich zur notwendigen Teilnahme einer mündlichen Verhandlung also deutlich verminderte Aufwand kann gebührenrechtlich nicht außer Betracht bleiben. Dabei folgt die Kammer nicht der strengen Linie des Sozialgerichts Stendal (Beschluss vom 23.08.2006, S 2 SF 8/06 R), indem die fiktive Terminsgebühr nach einem in einer Rentenstreitsache erlassenen Gerichtsbescheid mit 20,00 EUR festgesetzt wurde. Nicht gefolgt werden kann allerdings auch der Auffassung des Sozialgerichts Köln (Beschluss vom 30.12.2005, S 13 SB 348/04), in dem – sofern der dort zu entscheidende Fall überhaupt vergleichbar ist – die Annahme eines Anerkenntnisses in einem Schwerbehindertenverfahren gebührenrechtlich im Rahmen von Nr. 3106 Nr. 3 VV mit der Mittelgebühr bewertet wurde. Die Kammer ist in Fortführung ihrer bisherigen Rechtsprechung weiterhin der Auffassung, dass die Annahme eines vollen Anerkenntnisses im Schwerbehindertenrecht gebührenrechtlich mit der Mittelgebühr nicht zutreffend erfasst wird. Die im Kostenfestsetzungsbeschluss vom 11.08.2006 getroffene Bestimmung mit 140,00 EUR ist gebührenrechtlich nicht zu beanstanden.
Zusammenfassend bleibt festzustellen, dass der Eg dem Ef für das erstinstanzliche Verfahren außergerichtliche Kosten in Höhe von 323,64 EUR zu erstatten hat.
Die Entscheidung ergeht kostenfrei. Sie ist endgültig (§ 197 Abs. 2 SGG).
Erstellt am: 23.11.2006
Zuletzt verändert am: 23.11.2006