Rev. d.Bekl. Achtung: Siehe Berichtigungsbeschluss
Zurückverweisung vom BSG = L 12 SO 58/09 ZVW
= Außergerichtlich geeinigt. Kein Protokoll o.ä.
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 16.01.2008 wird zurückgewiesen. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Klägerin auch für das Berufungsverfahren Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die Übernahme der Kosten für die Bestattung ihres am 00.00.2007 verstorbenen Ehemanns, H X, nach § 74 Sozialgesetzbuch, Zwölftes Buch (SGB XIl).
Die Klägerin, die Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch, Zweites Buch (SGB II) bezieht, beauftragte die Firma L Bestattungen OHG mit der Bestattung ihres am 00.00.2007 verstorbenen Ehemanns zu einem Paketpreis in Höhe von 1.071,00 Euro. Darüber hinaus entstanden für die am 20.02.2007 vorgenommene Einäscherung weitere Kosten in Höhe von 323,12 Euro.
Am 13.02.2007 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Übernahme der Bestattungskosten. Gegenüber der Beklagten belegte sie, dass sie aufgrund des Leistungsbezugs nach dem SGB II finanziell nicht in der Lage sei, die in Verbindung mit der Beerdigung des Ehemanns entstehenden Kosten zu tragen. Als weitere Verpflichtete gab die Klägerin die Mutter des Verstorbenen, ihre Schwiegermutter L X an. Nachweise über die wirtschaftlichen Verhältnisse der Frau L X legte die Klägerin trotz mehrfacher Aufforderung der Beklagten nicht vor. Auch Frau X selbst machte gegenüber der Beklagten keine Angaben.
Daraufhin lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 08.03.2007 den Antrag der Klägerin ab. Zur Begründung führte die Beklagte aus, da die die Mutter des verstorbenen H X, Frau L X, nicht gewillt sei, Nachweise über ihr Vermögen und Einkommen zu erbringen, sei davon auszugehen, dass sie in der Lage sei, die Bestattungskosten zu tragen. Soweit die Klägerin gegenüber dem Bestattungsunternehmen Verpflichtungen eingegangen sei, müsse sie privatrechtliche Ausgleichansprüche gegenüber ihrer Schwiegermutter geltend machen.
Mit Anwaltsschriftsatz vom 16.03.2007 forderte die Klägerin selbst Frau X auf, Auskunft über ihr gegenwärtiges Vermögen zu geben, die dieser Aufforderung jedoch nicht nachkam.
Sodann legte die Klägerin am 20.03.2007 gegen den Bescheid der Beklagten Widerspruch ein. Zur Begründung machte sie geltend, ihre Schwiegermutter, Frau L X, habe am 07.03.2007 gegenüber dem Amtsgericht Köln die Erbschaft nach ihrem verstorbenen Sohn ausgeschlagen. Die Schwiegermutter sei deshalb nicht verpflichtet, die Beerdigungskosten zu tragen. Auch die Klägerin selbst habe die Erbschaft nach ihrem verstorbenen Ehemann ausgeschlagen und sei daher nicht zur Übernahme der Beerdigungskosten verpflichtet.
Mit Widerspruchsbescheid vom 20.04.2007 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück. Die Beklagte legte zur Begründung im Wesentlichen dar, dass zwar der Klägerin selbst nicht zuzumuten sei, die Kosten für die Beerdigung ihres verstorbenen Ehemanns zu tragen. Weitere zur Kostentragung Verpflichtete sei aber dessen Mutter, Frau L X. Diese gehöre zu dem Kreis der Verpflichteten im Sinne des § 74 SGB XII. Die Unaufklärbarkeit der Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Mitverpflichteten gehe zu Lasten der Klägerin. Im Falle der Nichtaufklärbarkeit eines anspruchsbegründenden Tatbestandsmerkmals treffe die materielle Beweislast denjenigen, der sich auf das Vorliegen der anspruchsbegründenden Tatbestandsmerkmale berufe.
Am 23.05.2007 hat die Klägerin vor dem Sozialgericht Köln Klage erhoben.
Zur Begründung hat sie geltend gemacht, sie habe im März 2007 ihre Schwiegermutter, Frau L X, angeschrieben und sie um Auskunft über ihr gegenwärtiges Einkommen und Vermögen gebeten. Diese habe aber nur mitteilen lassen, dass sie das Erbe ausgeschlagen habe. Im Übrigen sei es ihr nicht zuzumuten, gegen ihre Schwiegermutter, die nicht bereit sei, die Beerdigungskosten zu tragen, gerichtlich vorzugehen.
Die Klägerin hat erstinstanzlich beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 08.03.2007 in der Form des Widerspruchsbescheides vom 20.04.2007 zu verurteilen, die Bestattungskosten für ihren am 11.02.2007 verstorbenen Ehemann H X zu übernehmen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat an ihrer Auffassung festgehalten, die Klägerin müsse zunächst ihre Schwiegermutter in Anspruch nehmen. Diese sei zwar nicht nach § 1968 BGB verpflichtet, die Beerdigungskosten zu tragen. Jedoch gehöre sie als Mutter des Verstorbenen zum Kreis der Unterhaltspflichtigen und sei daher nach § 1615 Abs. 2 BGB entsprechend verpflichtet. Es könne der Schwiegermutter aufgrund ihres Einkommens auch wirtschaftlich zugemutet werden, die Kosten der Bestattung zu tragen. Folglich müsse die Klägerin zunächst Ihre Erstattungsansprüche ihrer Schwiegermutter gegenüber verfolgen. Andernfalls entstände eine Situation, bei der die Beklagte stets im Falle der Weigerung eines Verpflichteten im Sinne des § 74 SGB XII eintreten müsse. Eine solche Konstellation könne nicht zulasten des Sozialhilfeträgers gehen.
Das Sozialgericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der zu dem Zeitpunkt 84 Jahre alten Zeugin L X im Erörterungstermin vom 21.11.2007. Im Rahmen dieses Termins hat die Zeugin unter anderem ihre Einkommensverhältnisse offen gelegt, die sich auf monatlich insgesamt 1.978,13 EUR belaufen. Wegen der Einzelheiten des Beweisergebnisses wird auf die Anlage zum Protokoll des Termins vom 21.11.2007 Bezug genommen, das Gegenstand der Gerichtsakte ist.
Mit Urteil vom 16.01.2008 hat das Sozialgericht Köln die Klage gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass die Beklagte gemäß § 74 SGB XII verpflichtet sei, die Bestattungskosten zu tragen. Es könne der Klägerin nicht zugemutet werden, die Bestattungskosten zu übernehmen. Sie verfüge als SGB-II-Bezieherinnen weder über ein ausreichendes Einkommen, noch über Vermögen.
Die Klägerin könne auch nicht darauf verwiesen werden, zunächst die Zeugin X in Anspruch zu nehmen. Zwar habe Frau X ausreichende Einkünfte. Sie sei jedoch nicht bereit, die Kosten der Beerdigung zu tragen. Damit sei es der Klägerin nicht im Sinne des § 2 Abs. 1 SGB XII ohne Weiteres möglich, die Bestattungskosten von ihrer Schwiegermutter zu erhalten. Es sei der Klägerin auch nicht zuzumuten, gerichtlich gegen ihre Schwiegermutter vorzugehen. Weder ergebe sich eine entsprechende Pflicht zur vorrangigen gerichtlichen Inanspruchnahme Dritter aus § 74 SGB XII, noch könne dies in Anbetracht des familiären Verhältnisses von der Klägerin erwartet werden.
Gegen das ihr am 25.01.2008 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 12.02.2008 Berufung eingelegt.
Zur Begründung beruft sich die Beklagte darauf, dass die Zeugin X über ausreichendes Vermögen verfüge. Sie sei auch gesetzlich verpflichtet, neben der Klägerin für die Bestattungskosten aufzukommen. Sowohl die Klägerin als auch die Zeugin, die beide das Erbe ausgeschlagen hätten, gehörten zu den Unterhaltsverpflichteten gemäß § 1360 bzw. § 1601 BGB. Beide gehörten auch zu den Bestattungspflichtigen nach § 8 des Bestattungsgesetzes NRW (BestG NRW). Dies habe das erstinstanzliche Gericht übersehen.
Es sei der Klägerin auch durchaus zuzumuten, ihren Anspruch gegen die Schwiegermutter gerichtlich durchzusetzen. Die Argumentation des Sozialgerichts führe zu einer Umkehrung des Nachranggrundsatzes der Sozialhilfe und würde den Sozialhilfeträger zu einem generellen Ausfallbürgen machen. Auch eine Unzumutbarkeit sei nicht erkennbar, da das Familienverhältnis offenbar seit Jahren massiv gestört sei. Nach der Rechtsprechung des OVG NRW (Urteil vom 13.12.2007 – 16 A 3391/06 -) zählten auch Forderungen zum verwertbaren Vermögen. Dies müsse dann umso mehr für unterhaltsrechtliche Ansprüche geltend.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 16.01.2008 zu ändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Begründung macht sie geltend, sie könne nur auf präsente Selbsthilfemöglichkeiten verwiesen werden, die offensichtlich sofort realisierbar seien. Dies sei vorliegend nicht der Fall. Der Versuch, entsprechende Mittel von der Schwiegermutter zu erlangen, sei gescheitert. Mehr könne von ihr nicht verlangt werden. Insoweit führe auch der Hinweis der Beklagten auf die Entscheidung des OVG NRW nicht weiter. Insbesondere dürfe die Klägerin nicht auf den Zivilrechtsweg verwiesen werden. Eine Kostenbelastung der Beklagten bestehe im Ergebnis nicht, da etwaige Ansprüche der Klägerin gesetzlich auf sie übergingen. Andernfalls sei die Klägerin auch bereit, von sich aus sämtliche Erstattungsansprüche an die Beklagte abzutreten.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes im übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie auf die Verwaltungsakte der Beklagten (Az.: 000) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht erhobene Berufung ist unbegründet.
Die Klägerin hat nach § 74 SGB XII Anspruch auf Erstattung der Bestattungskosten. Gemäß § 74 SGB XII werden die erforderlichen Kosten einer Bestattung übernommen, soweit den hierzu Verpflichteten nicht zugemutet werden kann, die Kosten zu tragen.
Die "hierzu Verpflichteten" als Träger des Anspruchs aus § 74 SGB XII sind diejenigen, die verpflichtet sind, die Bestattungskosten zu tragen. Davon zu unterscheiden ist die eigentliche Bestattungspflicht nach § 8 BestG NRW. Die Kostenpflicht kann mit der Bestattungspflicht zusammenfallen, dies ist jedoch nicht zwingend (vgl. LSG Schleswig, Urteil vom 14.3.2006 – L9 B 65/06 SO ER -).
Die Klägerin ist Verpflichtete im Sinne des § 74 SGB XII. Zwar hat sie das Erbe ausgeschlagen und ist daher nicht als Erbin nach § 1968 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) verpflichtet. Nach § 1615 Abs. 2 BGB hat jedoch im Falle des Todes des Unterhaltsberechtigten der Unterhaltsverpflichtete die Kosten der Beerdigung zu tragen. Die Unterhaltspflicht der Klägerin als Ehefrau folgt aus § 1360 BGB.
Bei mehreren Erben bzw. mehreren Verpflichteten ist die Zumutbarkeitsprüfung für den jeweiligen Anspruchssteller gesondert vorzunehmen. Anknüpfungspunkt ist dann der nach § 426 BGB von dem Hilfesuchenden zu tragende Teil an den Bestattungskosten (Grube/Warendorf, SGB XII, 2. Aufl. 2008, § 74, Rdnr. 39 unter Bezugnahme auf OVG Münster, Urteil vom 30.10.1997 – 8 A 3515/95 -). Erforderlich ist also stets eine Einzelbetrachtung der Leistungssituation des Antragsstellers.
Der Klägerin ist nicht zuzumuten, die Kosten unmittelbar selbst zu tragen, denn sie kann die Kosten der Bestattung aus eigenen Mitteln nicht, auch nicht anteilig aufbringen. Es ist der Klägerin aber auch nicht zuzumuten, die Kosten der Bestattung dadurch aufzubringen, dass die gerichtlich gegen Ihre Schwiegermutter vorgeht.
Bei der Frage der Zumutbarkeit der Übernahme der Kosten der Bestattung im Sinne des § 74 SGB XII – ggfls. durch Inanspruchnahme der Schwiegermutter, Frau X -, handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der in vollem Umfang durch den Senat für den konkreten Fall auszulegen ist (vgl. Grube/Wahrendorf, § 74, Rdnr. 10). Danach ist es im konkreten Fall unter Zumutbarkeitsgesichtspunkten ausgeschlossen, die Klägerin auf eine vorrangige Inanspruchnahme ihrer Schwiegermutter zu verweisen.
Dabei sind Pietätsgesichtspunkte und Aspekte innerfamiliärer Rücksichtnahme, auf die das Sozialgericht u.a. abstellt hat, unerheblich. Es ist nicht die Aufgabe des Sozialhilfeträgers einen Bedürftigen vor der ggfls. unangenehmen Inanspruchnahme leistungspflichtiger Familienangehöriger zu bewahren. Namentlich bei möglichen Unterhaltsansprüchen wird den Bedürftigen auch sonst aufgrund der sich aus § 2 SGB XII ergebenen Verpflichtung zur Selbsthilfe zugemutet, zivilrechtliche Ansprüche vorläufig, insb. im Wege der einstweiligen Verfügung zeitnah zum aufgetretenen Bedarf vor den Zivilgerichten zu realisieren (Grube/Wahrendorf, § 2, Rdnr. 13).
Ausschlaggebend ist vielmehr, dass eine gerichtliche Inanspruchnahme der Schwiegermutter im Fall einer unmittelbar einzuleitenden Bestattung keine präsente Hilfemöglichkeit darstellt. Im Rahmen der Pflicht zur Selbsthilfe gemäß § 2 SGB XII kann der Hilfebedürftige nur auf präsente Hilfemöglichkeiten verwiesen werden. Eine konkrete Selbsthilfemöglichkeit muss zumutbar und geeignet sein, die gegenwärtige Notlage auch tatsächlich abzuwenden (Grube, in: Grube/Wahrendorf, Einleitung, Rdnr. 58).
Dabei ist die Frage, was als präsente Hilfemöglichkeit anzusehen ist, vorliegend im konkreten Kontext der sich aus öffentlich-rechtlichen Normen ergebenden Bestattungspflicht zu beantworten. Dies gilt jedenfalls dann, wenn der nach § 74 SGB XII zur Kostentragung verpflichtete Antragsteller zugleich öffentlich-rechtlich zur Bestattung verpflichtet ist.
Nach § 13 Abs. 3 Bestattungsgesetz NRW (BestG NRW) ist ein Verstorbener binnen 8 Tagen beizusetzen. Gemäß § 8 Abs. 1 BestG NRW obliegt die Bestattungspflicht in der Rangfolge zunächst dem Ehepartner und erst danach den volljährigen Kinder bzw. nachfolgend den Eltern des Verstorbenen. Eine präsente Hilfemöglichkeit kann also nur eine solche sein, die sich für den nach § 8 Abs. 1 BestG NRW Verpflichteten – hier also für die Klägerin – sehr zeitnah realisieren lässt. Eine so kurzfristige gerichtliche Inanspruchnahme eines offenkundig nicht zahlungsbereiten Dritten ist nicht, in der Regel auch nicht im Rahmen eines Eilverfahrens, möglich.
Soweit die Beklagte darauf abstellt, dass die Bestattung bereits vollzogen sei, so dass daher in jedem Fall die Verweisung auf eine vorrangige Zivilklage zumutbar sei, teilt der Senat diese Auffassung im vorliegenden Fall nicht. Die Beklagte stützt sich hier auf eine u.a. vom Schleswig-Holsteinischen LSG im Beschluss vom 14.03.2006 – L 9 B 65/06 SO ER – vertretene Auffassung, wonach es bei bereits vollzogener Bestattung nur noch um die Entlastung von den Kosten gehe. In einem solchen Fall sei der Hilfesuchende darauf zu verweisen, zunächst seine Ersatzansprüche durchzusetzen und gegebenenfalls nachzuweisen, dass dies endgültig gescheitert ist. Erst dann könne Hilfe nach § 74 in Anspruch genommen werden.
Der Fall der Klägerin ist damit jedoch nicht vergleichbar. Denn vorliegend hatte sich die Klägerin unmittelbar nach dem Tod ihres Mannes, bereits am 13.02.2007, mit ihrem Antrag an die Beklagte gewandt. Die Bestattung war erst im Anschluss daran, nämlich mit der Einäscherung des Verstorbenen am 20.02.2008 vollzogen. Der zunächst entstandene Anspruch auf Übernahme der Bestattungskosten ist auch nicht durch den Vollzug der Bestattung entfallen. Die von der Beklagten vertretene Auffassung würde im Ergebnis dazu führen, dass ihre Eintrittspflicht immer dann entfiele, wenn sie einen Antrag nicht innerhalb der kurzen Bestattungsfrist positiv beschieden hätte.
Zu restriktiv ist zur Überzeugung des Senats auch die in der Literatur von Grube/ Wahrendorf (Grube/Wahrendorf, § 74 SGB XII, Rdnr. 28) vertretene Auffassung, wonach der Sozialhilfeträger nur solange eintrittspflichtig sein soll, wie der Bestattungsvertrag noch nicht geschlossen ist. Sei der Bestattungsvertrag nicht geschlossen, weil der Hilfesuchende, der etwa bestattungspflichtiger Erbe sei, sich dazu mangels ausreichender finanzieller Mittel nicht in der Lage sehe, könne der Sozialhilfeträger ihn nicht auf anderweitige Ersatzansprüche verweisen, sofern sie nicht offensichtlich sofort realisierbar seien.
Diese zeitliche Beschränkung ist dem Gesetz nicht zu entnehmen. Vielmehr ist zu beachten, dass der zur Bestattung Verpflichtete unter Berücksichtigung seiner öffentlich rechtlichen Pflichten aus §§ 8 Abs. 1, 13 Abs. 3 Bestattungsgesetz NRW binnen 8 Tagen für die Bestattung zu sorgen hat. Praktisch bedeutet dies, dass vorab und mithin binnen kürzester Zeit auch ein Bestattungsvertrag geschlossen werden muss.
Es ist nicht anzunehmen, dass binnen einer so kurzen Zeit regelmäßig eine Deckungszusage des Sozialhilfeträgers zu erlangen ist. Insbesondere darf der Anspruch auf Hilfeleistung nicht davon abhängen, wie zügig der Sozialhilfeträger den Antrag bearbeitet bzw. wie rasch der Verstorbene beerdigt wird. Es kann dem Antragsteller auch nicht zum Nachteil gereichen, wenn er für eine möglichst zügige Bestattung sorgt und daher zeitnah einen Bestattungsvertrag schließt.
Die von Grube/Wahrendorf vertretene Auffassung würde dazu führen, dass der hilfebedürftige Bestattungspflichtige mit Eingehung des Bestattungsvertrags zugleich seinen unmittelbaren Anspruch gegen den Sozialhilfeträger verlöre. Dann aber ist auch fraglich, ob der hilfebedürftige Bestattungspflichtige bei Vertragsschluss noch davon ausgehen kann, die Bestattungskosten überhaupt aufbringen zu können. Der Hilfebedürftigen käme damit in einen kaum lösbaren Konflikt zwischen seiner öffentlich-rechtlichen Bestattungspflicht einerseits und dem Vorwurf eines Eingehungsbetrugs andererseits. Ein rechtlich versierter Antragsteller müsste – folgte man der Auffassung von Grube/ Wahrendorf – den Abschluss eines Bestattungsvertrags ggfls. sogar verzögern, um sich die Ansprüche gegen den Sozialhilfeträger zu erhalten.
Maßgeblich kann daher nur sein, ob dem zur Bestattung und Kostentragung Verpflichteten zum Zeitpunkt des Abschlusses des Bestattungsvertrags zugemutet werden konnte, die erforderlichen Kosten der Bestattung zu übernehmen. Ist dies – wie vorliegend – nicht der Fall, greift die Eintrittspflicht des Sozialhilfeträgers. Hieran ändert auch der Abschluss des Bestattungsvertrages nichts.
Die Beklagte kann den Hilfebedürftige auch nicht auf eine ohnehin eingreifende Bestattungspflicht der Ordnungsbehörde verweisen und im Hinblick darauf eine Eintrittsverpflichtung ablehnen (so aber Schleswig-Holsteinisches LSG, Beschluss vom 14.03.2006 – L 9 B 65/06 SO ER -). § 8 BestG NRW begründet eine öffentlich-rechtliche Pflicht des Bestattungspflichtigen selbst. Nur soweit dieser seiner Verpflichtung nicht oder nicht rechtzeitig nachkommt, hat die örtliche Ordnungsbehörde der Gemeinde, auf deren Gebiet der Tod eingetreten oder die oder der Tote gefunden worden ist, die Bestattung zu veranlassen. Weder ordnungsbehördliche noch sozialhilferechtliche Gesichtspunkte gebieten es, einem zur Durchführung der Bestattung bereiten Angehörigen zur Vermeidung sozialhilferechtlicher Nachteile die Einschaltung der Ordnungsbehörde aufzuerlegen (BVerwG, Urteil vom 22.02.2001 – 5 C 8/00 -).
Um die Bestattung zu ermöglichen, ist daher vorliegend zunächst durch den Sozialhilfeträger Hilfe zu leisten; etwaige Ersatzansprüche können nach § 93 Abs. 1 SGB XII auf den Sozialhilfeträger übergeleitet werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Im Hinblick auf die Rechtsfrage, ob die Übernahme von Bestattungskosten nach § 74 SGB XII ab dem Zeitpunkt des Abschlusses des Bestattungsvertrages ausgeschlossen ist, hat der Senat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtsache gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zugelassen.
Erstellt am: 13.02.2013
Zuletzt verändert am: 13.02.2013