Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 26.09.1996 wird zurückgewiesen. Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist, ob dem Kläger ein Anspruch auf Versorgungsgrundrente im Rahmen der Teilversorgung zusteht.
Der am 1950 geborene, in Polen wohnhafte volksdeutsche Kläger besuchte in der Zeit von 1957 bis 1965 die Volksschule und seit dem 01.09.1965 die Berufsschule der Kohlengrube "B.".
Am 06.11.1965 hantierte der Kläger auf seinem Zimmer mit Munition, die er in einem Wald gesammelt hatte. Dabei explodierte ein Sprengkörper. Der Kläger erlitt Verletzungen an beiden Oberschenkeln und am Bauch, eine Zertrümmerung der linken Handwurzel sowie eine Verletzung des Dünndarmes. Später mußte der linke Unterarm im unteren Drittel amputiert werden.
Am 17.05.1966 verhängte das Bezirksgericht Tschenstochau gegen den Kläger das Erziehungsmittel der Verwarnung nach Art. 216 "Herbeiführung einer Allgemeingefahr für das Leben und die Gesundheit von Menschen oder für das Vermögen in größerem Ausmaß durch die Verwendung von Sprengstoffen oder leicht brennbaren Stoffen oder Gasen" und nach Art. 4 § 2 des Dekrets vom 13.06.1996 "Herstellung, Sammlung oder Verwahrung von Schußwaffen … ohne Erlaubnis". Wegen der Verletzungsfolgen bezog der Kläger eine Rente aus der Versicherung für Jugendliche in Schulen von der Allgemeinen Versicherungsanstalt AG, die 1983 kapitalisiert wurde. In der Zeit vom 16.08.1971 bis 03.01.1978 war der Kläger vollschichtig sowie in der Zeit vom 01.02.1978 bis 34.03.1990 in Teilzeit als Grundschullehrer beschäftigt. Seit dem 11.02.1978 bezieht der Kläger eine Invalidenrente nach der Invalidengruppe III gemäß der Verordnung des Gesetzes vom 23.01.1968 über die allgemeine Versorgung von pensionsberechtigten Angestellten und ihren Familien.
Im März 1969 beantragte der Vater des Klägers beim Beklagten für den Kläger die Gewährung von Beschädigtenversorgung. Er gab an, sein Sohn habe am 06.11.1965 im Munitionslager im Wald bei W., Kreis L., eine Eierhandgranate gefunden und sei bei deren Explosion verletzt worden. Er legte eine Bescheinigung der Kreiskommandantur der Volksmiliz L. vom 21.03.1970 vor, wonach der Kläger am 06.11.1965 einen Unfall durch einen deutschen Blindgänger erlitten hatte. Desweiteren reichte er eine Erklärung des Klägers, adressiert an die ZUS, ein. Darin gab der Kläger an, er sei als 15-jähriger Junge zufällig an der Stelle, wo sich bis 1945 ein deutsches Munitionslager befunden habe, vorbeigekommen und habe dort einen deutschen Blindgänger gefunden, bei dessen Explosion er sich verletzt habe. Nach Beiziehung der Unterlagen der ZUS über den Gesundheitszustand des Klägers beschied der Beklagte mit Bescheid vom 28.01.1972 den Antrag abschlägig.
Dagegen legte der Kläger Widerspruch ein. Am 10.08.1973 wies der Beklagte den Widerspruch bestandskräftig zurück. Ein Ursachenzusammenhang zwischen einem versorgungsrechtlich geschützten Tatbestand und der Verletzung des Klägers sei nach der Theorie der wesentlichen Bedingung nicht gegeben. Im Vergleich zu der Bedingung, die der Kläger durch sein eigenes Verhalten – Hantieren an einem explosiven Geschoss – gesetzt habe, trete der kriegseigentümliche Gefahrenbereich in seiner Bedeutung für den Eintritt der Gesundheitsstörungen zurück. Es müsse davon ausgegangen werden, daß dem Kläger im Alter von 15 Jahren zumindest aus den Berichten älterer Personen die Form und das Aussehen von explosivem Kriegsmaterial sowie dessen Gefährlichkeit bekanntgewesen sei. Wenn der Kläger dennoch beim Auffinden eines solchen Gegenstandes daran hantiert habe, müsse das eigene Handeln des Klägers als die wesentliche Bedingung für den Eintritt der Schädigung angesehen werden.
Im Februar 1994 ging beim Beklagten ein Schreiben des Klägers ein, in dem er erneut die Gewährung von Beschädigtenversorgung begehrte. Er trug vor, in der Nähe des Bahnhofes K. habe im 2. Weltkrieg ein Munitionslager bestanden, das gegen Ende des Krieges durch die Deutsche Wehrmacht gesprengt woren sei. Durch diese Spengung sei die Munition weit verstreut worden. Er habe einem Blindgänger eines Fliegerabwehrgeschosses Kaliber 20 mm, eine sog. "Bordwaffe", gefunden und damit "gespielt". Dabei sei das Geschoss explodiert und habe ihn schwer verletzt. Zur Stützung seines Begehrens legte er u.a. eine Unfallmeldung an die Staatliche Versicherungsanstalt aus Juni 1966 vor. Darin hatte der Kläger angegeben, er habe zu Hause an einem Geschossblindgänger manipuliert, der explodiert sei. Mit Bescheid vom 11.04.1994 lehnte der Beklagte den Antrag unter Berufung auf § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) ab.
Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein, den der Beklagte am 08.07.1994 zurückwies. Er führt u.a. aus, eine materiell-rechtliche Unrichtigkeit der früheren Entscheidungen habe nicht festgestellt werden können. Es sei vielmehr zutreffend entschieden worden, dass der am 06.11.1965 erlittene Unfall keine unmittelbare Kriegseinwirkung im Sinne der Bestimmungen des BVG darstelle. Der Kläger habe keinerlei Tatsachen glaubhaft gemacht, die zur Anwendung des § 44 SGB X Anlass geben könnten. Es müsse somit bei der bisherigen Entscheidung verbleiben.
Mit der am 29.09.1994 vor dem Sozialgericht Münster erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren weiterverfolgt. Er hat dargelegt, zur Zeit des Unfalles sei er minderjährig gewesen und habe die Gefährlichkeit des Blindgängers nicht erkannt. Er habe versucht, die gesammelten Waffen und Munitionen auseinanderzunehmen. Dabei sei Munition explodiert. Er sei als Minderjähriger für seine Handlungen nicht verantwortlich gewesen.
Das Sozialgericht hat die Beurteilungsbögen aus der Zeit von 1957 bis 1965 sowie das Abschlusszeugnis vom 19.06.1965 der Volksschule über den Kläger beigezogen sowie eine Auskunft des Bezirksgerichtes in Tschenstochau eingeholt.
Mit Urteil vom 26.09.1996 hat das Sozialgericht ohne mündliche Verhandlung die Klage abgewiesen.
Im Falle des Klägers sei die Unmittelbarkeit der nachträglichen Kriegseinwirkung i. S. d. § 5 Abs. 1 Buchst. e) BVG nicht gegeben, da der Kläger die gefährliche Munition an sich genommen habe, obwohl er ihre Gefährlichkeit wegen seiner Einsichtsfähigkeit erkennen mußte.
Gegen das am 14.12.1996 zugestellte Urteil hat der Kläger am 23.12.1996 Berufung eingelegt.
Ergänzend trägt er vor, der Mangel an ausgebildetem Kritizismus, ungestillte Neugierde sowie die Bedingungen der Umwelt, d.h. das unbewachte Herumliegen von Munition, habe zu seinem Unfall am 06.11.1965 geführt.
Zur Stützung seines Begehrens hat er Fotografien über den Fundort der Munition, ein Protokoll über die Besichtigung des Fundortes am 23.03.1999, eine Bescheinigung der Oberförsterei Koszean, eine Erklärung von Herrn C. sowie ein undatiertes und nicht unterschriebenes Schreiben seines Vaters an die ZUS vorgelegt.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 26.09.1996 abzuändern und den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 11.04.1994 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 08.07.1994 und unter Rücknahme des Bescheides vom 28.01.1972 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 10.08.1973 zu verurteilen, ihm wegen der Folgen der Schädigung vom 06.11.1965 Teilversorgung nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend. Die Unmittelbarkeit der Kriegseinwirkung sei dadurch beseitigt worden, daß die Gefahrenquelle durch die Mitnahme der Munition durch den Kläger dem kriegseigentümlichen Gefahrenbereich entzogen worden sei. Auch habe zum Unfallzeitpunkt der kriegseigentümliche Gefahrenbereich i.S.d. § 5 Abs. 1 Buchst. e BVG nicht mehr fortbestanden, da 20 Jahre nach Ende des 2. Weltkrieges seitens der polnischen Behörden die Rechtspflicht bestanden habe, auf Gefahren, die von der herumliegenden Munition ausgehe, durch Aufstellen von Warn- und Verbotsschildern hinzuweisen oder das Gebiet abzusperren. Dies hätten die polnischen Behörden in dem von Munition durchseuchten Waldgebiet bei K. unterlassen. Das Unterlassen der polnischen Behörden sei insoweit als überragende Bedingung gegenüber der fortwirkenden kriegseigentümlichen Gefährlichkeit anzusehen.
Die Beigeladene hat sich dem Vorbringen und dem Antrag des Beklagten angeschlossen.
Der Senat hat eine Auskunft der ZUS über den beruflichen Werdegang und Rentenbezug des Klägers eingeholt und die Allgemeinen Versicherungsbedingungen Jugendlicher in Schulen und anderen Institutionen im Rahmen von Unfallfolgen der staatlichen Versicherungsanstalt beigezogen.
Er hat die Zeugen G B, M N und E B im Wege der Rechtshilfe durch das Rayongericht in L. vernommen. Wegen des Ergebnisses wird auf die Sitzungsniederschrift vom 11.09.1998 Bezug genommen. Anschließend hat der Senat Auskünfte vom Bundesarchiv/Militärarchiv in Freiburg, dem Bundesamt für Wehrtechnik und Beschaffung, dem Kampfmittelräumdienst der Bezirksregierung Köln, des staatlichen Archivs in Kattowice, der Kreispolizeibehörde und der Bezirksstaatsanwaltschaft in L. sowie die Akte des Beklagten über Herrn J C und eine Stellungnahme des Auswärtigen Amtes der Bundesrepublik Deutschland eingeholt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichts- und Beschädigtenakten des Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat hat trotz des erheblichen Verfahrensmangels des erstinstanzlichen Urteils von der Zurückverweisung der Streitsache abgesehen. Das Urteil ist ohne mündliche Verhandlung ergangen, obwohl zum Zeitpunkt seines Erlasses am 26.09.1996 die Einverständniserklärung der Beteiligten zur Entscheidung ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) verbraucht und damit unwirksam war. Die Einverständniserklärung gemäß § 124 Abs. 2 SGG bezieht sich nur auf die nächste Entscheidung und wird durch jede nachfolgende abschließende Sachentscheidung des Gerichtes, die die Entscheidung wesentlich sachlich vorbereitet, u.a. durch Maßnahmen nach § 106 Abs. 1 Nrn. 1 bis 5 SGG verbraucht (vgl. BSG Urteil vom 22.09.1977, 10 RV 79/76, SozR 1500 § 124 SGG Nr. 2; Urteil vom 15.12.1994, 4 RA 34/94). Da das Sozialgericht nach Eingang der beiden Erklärungen Unterlagen über den schulischen Werdegang des Klägers beigezogen (§ 106 Abs. 3 Nr. 2 SGG) und Auskünfte von den polnischen Behörden eingeholt (§ 106 Abs. 3 Nr. 3 SGG) hat, ist der Verbrauch der Einverständniserklärungen eingetreten. Jedoch ist eine Zurückverweisung der Streitsache gemäß § 159 SGG aus Gründen der Prozeßökonomie unter Wahrung des rechtlichen Gehörs nicht geboten gewesen.
Die zulässige Berufung ist unbegründet.
Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.
Der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig. Dem Kläger steht kein Anspruch auf Zahlung einer Kriegsentschädigung nach dem BVG gegenüber dem Beklagten zu.
Nach § 64 Abs. 1 BVG erhalten Deutsche und deutsche Volkszugehörige, die ihren Wohnsitz in Polen haben – wie der Kläger -, grundsätzlich Versorgung wie Berechtigte im Geltungsbereich des BVG. Auf Antrag erhält gemäß § 1 Abs. 2 Buchst. a BVG derjenige, der durch eine unmittelbare Kriegseinwirkung eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat, wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen der Schädigung Versorgung. Dabei müssen der versorgungsrechtlich geschützte Tatbestand, die gesundheitliche Schädigung sowie die Schädigungsfolgen nachgewiesen werden, d.h. sie müssen mit vernünftige Zweifel ausschließender Wahrscheinlichkeit feststehen. Zur Anerkennung des Kausalzusammenhanges zwischen dem versorgungsrechtlich geschützten Tatbestand und der gesundheitlichen Schädigung genügt die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhanges, d.h. es muß mehr dafür als dagegen sprechen, daß die unmittelbare Kriegseinwirkung i.S. einer zumindest annähernd gleichwertigen Bedingung ursächlich für die gesundheitliche Schädigung gewesen ist. Ist – wie im vorliegenden Fall – bereits ein ablehnender Bescheid über die Anerkennung von Schädigungsfolgen und einer schädigungsbedingten Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) erteilt worden, so ist dieser aufzuheben, wenn und soweit die Voraussetzungen des § 44 SGB X erfüllt sind. Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht gegeben.
Gemäß § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein eine Sozialleistung ablehnender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, daß bei seinem Erlaß das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist. Diese Bestimmung ermöglicht ein Abweichen von der Bindungswirkung sozialrechtlicher Verwaltungsakte.
Der ablehnende Bescheid vom 28.01.1972 i.d.F. des Widerspruchsbescheides vom 10.08.1973 ist rechtmäßig.
Der Anspruch des Klägers auf Kriegsentschädigung gemäß §§ 1 Abs. 1 Buchst. a, 5 Abs. 1 Buchst. e, 7 Abs. 1 Nr. 2 BVG ist nicht schon gemäß § 7 Abs. 2 BVG ausgeschlossen. Danach wird das BVG auf Kriegsopfer nicht angewendet, die aus derselben Ursache einen Anspruch auf Kriegsopferversorgung gegenüber einem fremden Staat besitzen. Wegen der Folgen des Unfalles am 06.11.1965 besitzt der Kläger keinen Versorgungsanspruch gegen das polnische Kriegsopfersystem. Er bezieht vom polnischen Staat wegen Invalidität eine Rente nach der Invaliditätsgruppe III gemäß der Verordnung des Gesetzes vom 23.01.1968 über die allgemeine Versorgung von pensionsberechtigten Angestellten und Familien. Eine Rente aus der Versorgung der Kriegsopfer- und Militärinvaliden sowie deren Familienangehörigen ist ihm nicht zuerkannt worden. Die kapitalisierte Rente aus der Versicherung Jugendlicher in Schulen und anderen Institutionen im Rahmen von Unfallfolgen stellt keine Leistung i.S.v. § 7 Abs. 2 BVG dar. Rechtsgrund für diese Rentenzahlung ist kein Versorgungsanspruch des Klägers gegenüber dem polnischen Staat, vielmehr beruht die Rentenzahlung auf einem Versicherungsvertrag (§ 13 der Allgemeinen Versicherungsbedingungen), der zwischen der staatlichen Versicherungsanstalt und der Schule des Klägers (§ 3 der allgemeinen Versicherungsbedingungen) abgeschlossen worden war.
Ein Anspruch des Klägers auf Kriegsopferentschädigung ist nach Auffassung des Senates nicht gegeben, weil der Ursachenzusammenhang zwischen einer unmittelbaren Kriegseinwirkung und der gesundheitlichen Schädigung des Klägers nicht erwiesen ist.
Der Kläger erlitt am 06.11.1965 durch die Explosion von Munition eine gesundheitliche Schädigung in Form von Verletzungen an beiden Oberschenkeln und am Bauch, eine Zertrümmerung der linken Handwurzel sowie eine Verletzung des Dünndarms.
Die Explosion der Munition stellt eine unmittelbare Kriegseinwirkung i.S.d. § 1 Abs. 2 Buchst. a BVG dar.
Als unmittelbare Kriegseinwirkung gelten u.a. nach § 5 Abs. 1 Buchst. e BVG nachträgliche Auswirkungen kriegerischer Vorgänge, die einen kriegseigentümlichen Gefahrenbereich hinterlassen haben. Solche Auswirkungen liegen u.a. vor, wenn militärische Explosionskörper infolge kriegseigentümlicher gefährlicher Umstände an frei zugänglichen Orten ungeschützt und dem Zugriff jedermann zugänglich herumliegen (vgl. BSG, Urteil vom 11.04.1985, Az.: 4b/9a RV 21/84, m.w.N). Ein zeitlicher oder örtlicher Zusammenhang mit dem Kriegsgeschehen muß nicht vorhanden sein. Der Senat sieht es als erwiesen an, daß es sich bei dem am 06.11.1965 explodierten Kampfmittel um einen militärischen Gegenstand gehandelt hat, der nicht durch friedensmäßige Übungen, sondern durch kriegerische Einwirkungen von Soldaten während des 2. Weltkrieges am Fundort zurückgelassen worden ist. Ausgehend von den Angaben des Klägers über die Herkunft und den Fundort des Kampfmittels hat das explodierte Kampfmittel an einem frei zugänglichen Ort ungeschützt und dem Zugriff jedermanns ausgesetzt herumgelegen und stammt aus einem kriegerischen Vorgang – Sprengung des Munitionslagers -, so daß beim Auffinden des Kampfmittels ein kriegseigentümlicher Gefahrenbereich für den Kläger bestanden hat. Die Angaben des Klägers im Überprüfungsverfahren, wonach er das später explodierte Kampfmittel der deutschen Wehrmacht aus dem 2. Weltkrieg, das aus einem gegen Ende des 2. Weltkrieges gesprengten deutschen Munitionslager stammt, im Wald bei W. gefunden hat, sind glaubhaft. Diese Angaben stimmen überein mit den Bekundungen des Klägers und seines Vaters in dem Anfang der 70er Jahre durchgeführten Verwaltungsverfahren beim Beklagten sowie gegenüber dem polnischen Versicherungsträger, wonach der Kläger durch die Explosion eines "Blindgängers", der aus einem Munitionslager der deutschen Wehrmacht aus dem 2. Weltkrieg stammt, im Wald von W. verletzt worden ist. Die vom Senat eingeholten Auskünfte der polnischen Behörden bestätigen diese Angaben. Die zuständige Polizei- und Forstbehörde hat mitgeteilt, daß das Waldgebiet um K. durch eine Konzentration von Blindgängern der deutschen Armee aus dem 2. Weltkrieg erheblich belastet sei. Diese Belastung führte zu einer mehrtägigen Kampfmittelräumaktion der Pioniere der polnischen Armee 1998 sowie zu mehreren Unfällen von Jugendlichen durch das Sammeln der Blindgänger. Nach Erkenntnissen der polnischen Behörden – gestützt auf die Angaben der heimischen Bevölkerung – stammen die Blindgänger aus einem gegen Ende des 2. Weltkrieges gesprengten Munitionslager der deutschen Wehrmacht. Ebenfalls haben die Zeugen N und B bekundet, daß die deutsche Wehrmacht im 2. Weltkrieg im Waldgebiet um K. ein Munitionslager eingerichtet hatte, in dessen Nähe nach dem Krieg Kinder und Jugendliche Blindgänger gesammelt hätten. Des weiteren handelt es sich nach den Feststellungen der Abteilung der Waffen- und Ballistikuntersuchung des Zentralen kriminalistischen Laboratoriums der Hauptkommandantur der Polizei in Warschau bei den vom Kläger übersandten Splittern und Resten von Munitionshülsen und -patronen für das Geschütz Kaliber 20 mm Mauser aus deutscher Produktion 1940, die nach Auskunft des Bundesamtes für Wehrtechnik und -beschaffung von der deutschen Wehrmacht im 2. Weltkrieg verwandt worden seien. Nach Angaben des Klägers sind die untersuchten Splitter ihm 1968 operativ aus dem Oberschenkel entfernt worden. Anlaß an der Richtigkeit dieser Angaben des Klägers zu zweifeln, sind nicht ersichtlich. Aus den ärztlichen Unterlagen über die Behandlung und Begutachtung des Klägers nach dem Unfall vom 06.11.1965 ergibt sich, daß der Kläger durch die Explosion des Kampfmittels u.a. an den Beinen verletzt worden ist, Geschoßsplitter in den Beinwunden verblieben sind, die 1967, 1968, 1973 sowie 1977 operativ entfernt worden sind. Zweifel an den Angaben des Klägers über die Herkunft der Splitter könnten nur insoweit bestehen, als der Vater des Klägers zunächst in dem Schreiben vom 27.02.1969, adressiert an den Beklagten, die Explosion einer "Eierhandgranate" angegeben hat bzw. in dem Schreiben vom 06.10.1968, adressiert an das Deutsche Rote Kreuz, berichtet hat, daß der Kläger durch eine "Granate-Eierhandgranate" verletzt worden sei. Hinsichtlich der Korrektheit der Angaben des Vaters ist aber zu berücksichtigen, daß der Vater zum Zeitpunkt der Explosion am Unfallort nicht anwesend gewesen ist, also das explodierte Kampfmittel nicht gesehen, sondern nur vom Hörensagen gekannt hat. Auch hat der Vater des Klägers gegenüber der staatlichen Versicherungsanstalt im Rahmen des Anerkennungsverfahrens angegeben, daß der Kläger durch die Explosion einer Munition, die aus dem Magazin der deutschen Wehrmacht stamme, verletzt worden sei.
Entgegen der Auffassung des Beigeladenen ist durch den Transport des Kampfmittels vom Fundort nach Hause durch den Kläger der Gefahrenbereich nicht aufgehoben worden, da die Verlagerung eines Kampfmittels an einen anderen Ort – selbst durch den Verunglückten – nicht die Verbindung mit dem eigentlichen Kriegsgeschehen löst (vgl. BSG Urteil vom 26.08.1971, 9 RV 386/70; vom 15.08.1967, 10 RV 140/65; Urteil vom 10.11.1960, 9 RV 367/59).
Die nachträglichen Auswirkungen von kriegerischen Vorgängen – hier die Sprengkraft der aufgefundenen Munition -, sind vorliegend nicht wesentlich , d.h. i.S. einer annähernden gleichwertigen Bedingung für die Verletzung des Klägers, mitursächlich gewesen. Die Explosion der Munition wurde durch die Gefährlichkeit der Munition (Sprengkraft), das eigene Verhalten des Klägers sowie der Verletzung der Verkehrssicherungspflicht der Behörden des polnischen Staates verursacht.
Nach Angaben des Klägers gegenüber den polnischen Versicherungsträgern und in dem hier anhängigen Verfahren ist die Explosion durch eigenes Hantieren an der Munition – Versuch einer Zerlegung – ausgelöst worden. Das Hantieren eines Jugendlichen an einem Kampfmittel ist nach gefestigter Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) nur dann als wesentliche Bedingung für eine Explosion zu bewerten, wenn der Jugendliche die Gefährlichkeit des Sprengkörpers objektiv und subjektiv erkennen und auch nach dieser Erkenntnis hätte handeln können (vgl. BSG-Urteil vom 26.08.1971, 9 RV 386/70; Urteil vom 10.06.1955, 10 RV 390/54, BSGE 1, 72 ff.). In diesem Zusammenhang hat das Bundessozialgericht in der Entscheidung vom 04.11.1985, 4 b/9 a RV 21/84, ausgeführt, es gehe davon aus, daß bei Jugendlichen, die dem Kindesalter entwachsen seien, nach Erreichen eines bestimmten Lebensalters angenommen werden könne, es sei nunmehr eine Verantwortungsreife eingetreten, die ein gefährliches Hantieren mit Spengkörpern als neue und überragende Ursche der Explosion ansehen lasse, so daß der zunächst kriegseigentümliche Gefahren bereich als nicht mehr wesentlich dahinter zurücktrete, wobei im Regelfall einem 15/2jährigen eine solche Verantwortungsreife noch nicht anzuerkennen sei.
Das Sozialgericht ist zutreffend davon ausgegangen, daß sich aus dem Alter des Klägers zum Zeitpunkt der Explosion – 15 Jahre und fast drei Monate – alleine sich dessen Verantwortungsreife noch nicht ableiten läßt. Nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens ist der Senat zu der Auffassung gelangt, daß der Kläger die Gefährlichkeit des Kampfmittels objektiv und subjektiv hätte erkennen und auch nach dieser Erkenntnis hätte handeln können, also über die erforderliche Verantwortungsreife verfügt hat. Zwar hat es sich bei dem explodierten Kampfmittel nicht um eine typische Waffe, wie ein Gewehr oder Karabiner gehandelt, sondern eher um ein schwer erkennbares Kampfmittel, dessen Gefährlichkeit nach Auskunft des Kampfmittel-Räumdienstes der Bezirksregierung Köln aufgrund der Größe (Daumengröße) oft verkannt wird. Jedoch hat der Kläger – ausgehend von seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung – zum Zeitpunkt des Sammelns der Muniton gewußt, daß es sich bei dem aufgefundenen Kampfmittel um eine im 2. Weltkrieg verwandte Munition gehandelt hat, die aufgrund ihres unversehrten Zustandes noch nicht explodiert und damit objektiv gefährlich ist. Er hat auch aufgrund seiner guten intellektuellen Fähigkeiten, die nicht nur durch den bis November 1965 absolvierten schulischen Werdegang – erfolgreicher Abschluß der Volksschule, Beginn einer Lehre zum Facharbeiter -, sondern auch durch den nach den schweren Verletzungen getätigten beruflichen Werdegang – Ablegung des Abiturs und Durchführung eines Studiums, langjährige Tätigkeit als Grundschullehrer – dokumentiert sind, und seinem technischen Verständnis, daß sich aus der Note "gut" für die Fächer Physik (Schuljahr 1963/64 und 1964/65) und Chemie (Schuljahr 1964/65) sowie der Besuch der Berufsschule mit dem Ziel "Grubenelektriker" ableiten läßt, in der Lage gewesen, subjektiv die Gefährlichkeit seines Handelns – Hantieren an einem mit Sprengstoff versehenen Kampfmittel – zu erkennen. Dagegen spricht auch nicht die Tatsache, daß der Kläger 20 Jahre nach Kriegsende keine Kenntnis über die Wirkungsweise von Kampfmitteln aus eigener Erfahrung gehabt hat und auch nicht konkret, z.B. durch Hinweise der Eltern oder Lehrer, Hinweis- oder Warnschilder, über die Gefährlichkeit seines Handelns aufgeklärt worden ist. Der Kläger hat selbst in der mündlichen Verhandlung eingeräumt, daß ihm bewußt gewesen sei, daß sein Handeln – Sammeln von Kriegsmaterial – verboten gewesen sei und seine Eltern die Lagerung und den Versuch der Zerlegung von Munition im Haus nicht geduldet, vielmehr die gesammelte Munition konfisziert hätten. Auch hat der Kläger über eine genügende Verantwortungsreife verfügt, sein Handeln zu unterlassen. Dies folgt nach Auffassung des Senates, ausgehend von den Angaben des Klägers in der mündlichen Verhandlung, schon aus seiner Handlungsweise. Der Kläger hat zielgerichtet ca. 20 Stück Munition gesammelt, nach Hause transportiert, vor seinen Eltern versteckt und die Munition, bei der ein Gewinde sichtbar gewesen ist, zur Erforschung des Mechanismus ausgewählt. Die Zielgerichtetheit des Handelns sowie die Kenntnis des Klägers über das Verbot des Sammelns von Kriegsmaterial läßt auf die erforderliche Verantwortungsreife des Klägers schließen, wobei der Senat auch mitberücksichtigt, das Neugier sowie Faszination das Handeln des Klägers mitbestimmt haben. Der Kläger spricht aber selbst von dem "Reiz der verbotenen Früchte", er hat sich also bewußt über bestehende Verbote hinweggesetzt. Dabei ist auch zu berücksichtigen, daß das zuständige polnische Strafgericht den Kläger strafrechtlich zur Verantwortung gezogen hat und zumindest von einem fahrlässigen Verhalten des Klägers ausgegangen ist.
Selbst wenn entgegen der Auffassung des Senates unterstellt wird, daß wegen der fehlenden Verantwortungsreife das Verhalten des Klägers nicht als überragende Bedingung für die Auslösung des Kampfmittels zu werten ist, ist die fortwirkende kriegseigentümliche Gefahrenslage, für die die Beigeladene haftet, nicht als annähernd gleichwertige Ursache für die Verletzungen des Klägers anzusehen. Nach Auffassung des Senates überwiegt die Verletzung der Verkehrssicherungspflichten durch den polnischen Staat bei Abwägung der Bedingungen die Haftung der Beigeladenen für die fortwirkende kriegseigentümliche Gefährdungslage. Die Beigeladene hatte nach Kriegsende keine Befugnis, auf polnischem Staatsgebiet die Gefährlichkeit eines mit Munition belasteten Gebietes für die Bevölkerung festzustellen, abzuschätzen und geeignete Sicherungsmaßnahmen zu treffen. Ihr hat insbesondere jegliche Möglichkeit gefehlt, durch entsprechende Aufklärung, z.B. Aufstellen von Warn- und Hinweisschildern, Aufklärung in den Schulen, auf das Verhalten von Jugendlichen beim Umgang mit gefundenem Kriegsmaterial einzuwirken. Vielmehr ist der polnische Staat aufgrund seiner Territorialhoheit für die Sicherheit der sich in seinem Hoheitsgebiet aufhaltenden Personen verantwortlich, wobei er zum Zeitpunkt der Explosion – 20 Jahre nach Kriegsende – auch die Verantwortlichkeit für die Sicherung eines mit Munition belasteten Gebietes auf seinem eigenen Staatsgebiet übernommen hatte. Nach der Konsilidierung der Nachkriegssituation ist der polnische Staat 1965 in der Lage gewesen, die Bevölkerung durch geeignete Maßnahmen, wie z.B. das Aufstellen von Warn- und Hinweisschildern auf konkrete Gefährdungslagen aufgrund eines mit Munition belasteten Bodens hinzuweisen. Dies haben die polnischen Behörden unterlassen, obwohl sich nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens im Waldgebiet bei W. erhebliche Mengen von Munition leicht auffindbar im Boden befinden und damit eine erhebliche Gefahrenquelle für die Bevölkerung darstellen. Aus den Bekundungen des Klägers und der Zeugen sowie den Auskünften der zuständigen Behörden ergeben sich keine Hinweise, daß die Behörden vor der Verletzung des Klägers Vorbeugungs- oder Sicherungsmaßnahmen ergriffen haben. Hinzukommt, daß nach Angaben des Vaters sowie nach Auskunft der zuständigen Polizeibehörden 1965 das Sammeln von Munition in dem betroffenen Waldgebiet bei Jugendlichen üblich gewesen und es im Zeitraum um 1965 im Kreis L. es zu mehreren Unfällen von Jugendlichen als Folge von Explosionen von Kampfmitteln gekommen ist, somit Handlungsbedarf der zuständigen Behörden bestanden hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Der Senat hat die Revision wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Streitsache gemäß § 160 Abs. 2 SGG zugelassen.
Erstellt am: 15.08.2003
Zuletzt verändert am: 15.08.2003