Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Münster vom 18. Dezember 1997 wird zurückgewiesen. Die Klage gegen die Bescheide des Beklagten vom 21. Januar 1998 und 28. Mai 1998 wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch für das zweitintanzliche Verfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist, ob dem Kläger eine höhere Versorgungsrente als nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 30 v.H. entweder wegen einer Verschlimmerung der Schädigungsfolgen oder wegen früherer fehlerhafter Bescheide zusteht. Insbesondere ist umstritten, ob Kiefer- und Zahnschäden, Durchblutungsstörungen am rechten Bein und Sprunggelenksveränderungen schädigungsbedingt sind.
Der am 27.04.1912 geborene Kläger leistete vom 01.05.1940 bis Kriegsende Wehrdienst ab und wurde am 16.06.1945 aus englischer Gefangenschaft entlassen. Am linken Oberarm wurde er am 08.10.1941 leicht verwundet. Schwere Verletzungen erlitt er am 02.04.1942 durch Granatsplitter am rechten Bein und am Gesäß. Auf seinen Antrag vom 17.02.1949 stellte die zunächst zuständige LVA Westfalen mit Bescheid vom 24.02.1950 und der Beklagte sodann durch Umanerkennungsbescheid vom 12.02.1952 als Schädigungsfolge "Ausgedehnte Narben am Gesäss und am rechten Oberschenkel und Unterschenkel mit Stauungserscheinungen" fest und gewährte eine Versorgungsrente nach einer MdE um 40 v.H … Durch Neufeststellungsbescheid vom 18.08.1952 reduzierte der Beklagte die MdE aufgrund einer Nachprüfung von Amts wegen auf 30 v.H … Im Einspruchsverfahren holte der Beklagte ein neurologisches Gutachten ein. Der Gutachter konnte keine Nervenverletzungen feststellen und bewertete die MdE mit 30 v.H … Der Einspruch wurde mit Bescheid vom 16.04.1953 zurückgewiesen. Wiederholte Neufeststellungsanträge vom 19.11.1965, 21.12.1967, 09.07.1968, 28.01.1970 und 28.10.1980 wurden durch Bescheide vom 23.06.1966, 25.01.1968, 17.12.1968, 31.03.1970 und 22.05.1981 bestandskräftig zurückgewiesen. Ein Petitionsverfahren im Jahre 1984 blieb gleichermaßen erfolglos.
Am 05.06.1996 machte der Kläger erneut schädigungsbedingte Ge sundheitsstörungen (Schmerzen in der rechten Körperhälfte, Herzrhythmusstörungen) als Schädigungsfolge geltend. Nach Einholung einer gutachterlichen Stellungnahme seines beratenden Arztes lehnte der Beklagte den Antrag durch Bescheid vom 18.10.1996 ab. Als nichtschädigungsbedingte Leiden bezeichnet der Beklagte Herzkreislaufschäden, eine cerebrovaskuläre Insuffizienz, Wirbelsäulenleiden, Emphysembronchitis, Krampfadern und ein postthrombotisches Syndrom. Der Widerspruch des Klägers blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 21.03.1997).
Mit der hiergegen gerichteten Klage hat der Kläger sein Begehren weiter verfolgt. Er hat ausführlich die nach seiner Verwundung durchgeführte ärztliche Behandlung beschrieben; er sei nie ohne Schmerzen gewesen; am rechten Unterschenkel leide er an Stauungen, Verhärtungen und Schmerzen. Auch seine Zahnbeschwerden seien Schädigungsfolge, denn während des Wehrdienstes sei beim ihm eine Zahnentzündung entstanden; die Zähne hätten gezogen werden müssen. In der Folgezeit hätte er immer wieder Zahnentzündungen gehabt.
Der Kläger hat sinngemäß beantragt,
den Bescheid des Beklagten vom 18.10.1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.03.1997 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, ihm ab Juni 1996 eine Versorgungsrente nach einer MdE um 100 v.H. wegen Verschlimmerung der anerkannten Schädigungsfolgen und Hinzutretens weiterer Schädigungsfolgen zu gewähren.
Der Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hat an seiner Entscheidung festgehalten.
Das Sozialgericht Münster hat über die beim Kläger vorliegenden Gesundheitsstörungen, deren Ursache und die schädigunsgedingte MdE Beweis erhoben. Zunächst hat es einen Arztbericht über eine stationäre Behandlung des Klägers vom 26.02. bis 12.03.1997 beigezogen. Danach werde die "bekannte kriegsbedingte Peronaeus-Parese rechts" durch ein L5/S1-Wurzelreizsyndrom überlagert. Sodann hat das Sozialgericht ein chirurgisches Gutachten des Prof. Dr. Z. vom 21.10.1997 eingeholt. Dieser Sachverständige hat als Schädigungsfolge bezeichnet: ausgedehnte Narbenbildungen über dem rechten Bein im Bereich der Streck- und Beugeseite des Unterschenkels, in der Kniekehle und entlang der Beugeseite des Oberschenkels; weitere Narben seien über der rechten und teilweise auch der linken Gesäßhälfte vorhanden. Die Bewegungseinschränkung im rech ten oberen Sprunggelenk und die Muskelminderung des rechten Beines seien ebenfalls Schädigungsfolge. Daneben bestünden schwerwiegende schädigungsunabhängige Gesundheitsstörungen; nachgewiesen seien ein degeneratives LWS-Syndrom mit rechtsseitiger Lumboischialgie und Peronaeus-Teillähmung, Durchblutungsstörungen des rechten Beines und Zeichen einer Lungen- und Herzinsuffizienz. Eine wesentliche Änderung sei nicht eingetreten. Die jetzigen Befunde würden denen aus dem Gutachten vom 30.07.1952 entsprechen. Es bestünden weiterhin ausgedehnte Narbenbildungen; nicht mehr feststellbar seien die Stauungserscheinungen am rechten Bein, jedoch eine Muskelminderung im Seitenvergleich. Die schädigungsbedingte Bewegungseinschränkung im rechten oberen Sprunggelenk sei allerdings seinerzeit nicht erwähnt worden; sie sei indes weder als wesentlich noch als Verschlimmerung zu werten. Die MdE sei weiter mit 30 vH einzuschätzen.
Das Sozialgericht hat sich den Feststellungen und Wertungen des Sachverständigen angeschlossen und die Klage durch Gerichtsbescheid vom 18.12.1997 abgewiesen.
Diese Entscheidung greift der Kläger mit der Berufung an. Ihm stehe eine höhere Rente zu. Die bei ihm vorliegenden Gesundheitsstörungen seien auf den Wehrdienst zurückzuführen. Zudem sei er als Maler bzw. Malermeister infolge der schädigungsbedingten Schmerzen, Stauungserscheinungen und Verhärtungen sowie der Operationsnarben und Erfrierungsfolgen jahrelang nicht voll einsatzfähig gewesen. Deswegen sei er schon mit 55 Jahren erwerbsunfähig geschrieben worden. Die bei ihm vorliegenden Zahn- und Kieferschäden seien gleichermaßen Schädigungsfolge.
Auf einen weiteren, am 02.09.1997 gestellten Antrag hat der Be klagte durch Bescheid vom 21.01.1998 entschieden, dem Kläger stehe keine höhere Versorgungsrente zu. Angesichts des Gutachtens des Prof. Dr. Z. stehe fest, daß keine wesentliche Verschlimmerung der Schädigungsfolgen eingetreten sei. Die Zahnbeschwerden seien nicht auf kriegseigentümliche Verhältnisse zurückzuführen. Nach Beiziehung einer versorgungsärztlichen Stellungnahme erteilte der Beklagte unter dem 28.05.1998 einen weiteren Bescheid, mit dem er es ablehnte, frühere Bescheide zurückzunehmen und Zahn- und Kieferschäden als Schädigungsfolge anzuerkennen.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
1. den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Münster vom 18.12.1997 abzuändern,
2. die Bescheide vom 21.01.1998 und 28.05.1998 aufzuheben, und
3. den Bescheid vom 18.10.1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31.03.1997 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, bei ihm im Wege der Neufeststellung bzw. im Rahmen eines Zugunstenverfahrens – Sprunggelenksveränderungen rechts, – Durchblutungsstörungen des rechten Beines, – Zahn- und Kieferschäden
als weitere Schädigunsgfolgen anzuerkennen und ihm unter Berücksichtigung eines besonderen beruflichen Betroffenseins eine Versorgunsgrente nach einer MdE um 100 v.H. zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Münster vom 18.12.1997 zurückzuweisen sowie die Klage gegen die Bescheide vom 21.01.1998 und 28.05.1998 abzuweisen.
Er hält die Entscheidung des Sozialgerichts für zutreffend.
Der Senat hat Beweis erhoben und hierzu eine Stellungnahme des Prof. Dr. Z. vom 21.04.1998 aufgrund einer ergänzenden Untersuchung des Klägers eingeholt. Sodann hat der Senat ein kiefer- und gesichtschirurgisches Gutachten von Dr. Dr. N. vom 05.10.1998 nach Aktenlage fertigen lassen. Auf den Inhalt dieser Gutachten wird verwiesen.
Hinsichtlich des Sach- und Streitstandes im übrigen nimmt der Senat Bezug auf den Inhalt der Gerichtsakte, den beigezogenen Verwaltungsvorgang des Beklagten sowie die über den Kläger geführte Schwerbehindertenakte. Der Senat hat ferner aus den Handakten des Beklagten Auszüge aus den früheren Verfahrensakten des SG Münster zu den Aktenzeichen S 12a V 33/69 und S 12a V 123/70 zur Streitakte genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte trotz Ausbleibens des Klägers aufgrund einseitiger mündlicher Verhandlung entscheiden. Die Beteiligten sind zum Termin mit dem Hinweis geladen worden, daß auch im Fall ihres Ausbleibens verhandelt und entschieden werden kann.
I.
Die Klage gegen die Bescheide vom 21.01.1998 und 28.05.1998 ist zulässig, indessen nicht begründet.
1.
Diese Bescheide sind gem. §§ 96, 153 Abs. 1 SGG Gegenstand des Berufungsverfahrens geworden.
a) Der Bescheid vom 21.01.1998 ist ein ergänzender Bescheid, der sich auf eine vom Kläger behauptete Verschlimmerung der Schädigungsfolgen unter Berücksichtigung der Zahnschäden bezieht und diese verneint. Zwar wird hierdurch weder ein früherer Bescheid abgeändert noch ersetzt, gleichwohl steht dies der Anwendung des § 96 SGG nicht entgegen. Die Vorschrift ist grundsätzlich unter dem Gesichtspunkt der Prozeßökonomie weit auszulegen; sie ist entsprechend anzuwenden, wenn der neue Bescheid mit dem Streitgegenstand in einem Zusammenhang steht und der Grundgedanke des § 96 SGG die Einbeziehung rechtfertigt. Danach sind auch ergänzende Bescheide der Vorschrift zuzurechnen (vgl. Meyer-Ladewig, SGG, 5. Auflage, § 96 Rdn. 4 m.w.N.; a.A.: 6. Senat des BSG, zB Urteil vom 07.02.1996 – 6 RKa 61/94 – und LSG Niedersachsen vom 21.06.1996 – L 7 Ar 211/95 – in NZS 1997, 47 f). Dies gilt umso mehr, als eine positive Entscheidung des Beklagten den angefochtenen Bescheid vom 18.10.1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.11.1996 jedenfalls mit Wirkung ab Antragstellung ersetzt hätte. Denn Grundlage des Versorgungsrechtsverhältnisses wäre nunmehr der neue, positive Bescheid. Demgemäß kann für den Fall, daß – wie hier – ein Verschlimmerungsantrag abgelehnt wird, nichts anderes gelten. Zwar wird der Bescheid vom 18.10.1996 weder abgeändert noch ersetzt, indessen steht der negative Bescheid in einem derart engen inhaltlich-sachlichen Zusammenhang mit dem Streitgegenstand, daß eine Einbeziehung in das Streitverfahren über § 96 SGG kraft Gesetzes erfolgt.
b) Der Bescheid vom 28.05.1998 verneint eine Fehlerhaftigkeit früherer, bestandskräftiger Bescheide und lehnt damit gleichermaßen eine höhere Versorgungsrente ab. Ein positiver Bescheid nach § 44 SGB X würde das Dauerrechtsverhältnis zwischen dem Kläger und der Beklagten auf eine neue Grundlage stellen. Der angefochtene Bescheid vom 18.10.1996 würde hiervon unmittelbar betroffen, denn würden ihm vorhergehende Bescheide zugunsten des Klägers geändert, müßte auch dieser Bescheid geändert werden. Wird demgegenüber – wie hier – eine Zugunstenregelung abgelehnt, steht auch dieser (negative) Bescheid in einem engen inhaltlich-sachlichen Zusammen hang mit dem Streitgegenstand und rechtfertigt, vergleichbar einem negativen Bescheid nach § 48 SGB X (dazu soeben), die Einbeziehung in das anhängige Streitverfahren.
c) Der Kläger ist zur Wahrung des rechtlichen Gehörs darauf hinzuweisen, daß der neue Bescheid Gegenstand des Verfahrens geworden ist. Das ist hinsichtlich des Bescheides vom 21.01.1998 mit Verfügung vom 09.03.1998 geschehen. Soweit es den Bescheid vom 28.05.1998 anlangt, konnte auf einen ausdrücklichen Hinweis (§ 106 SGG) verzichtet werden. Die Rechtsbehelfsbelehrung des Bescheides ist eindeutig und zutreffend. Zudem ist dem Kläger dieser vom Be klagten vorgelegte Bescheid ohnehin nochmals unter dem 30.06.1998 vom Gericht nebst weiteren Unterlagen zur Kenntnis zugeleitet worden. Damit war hinreichend klar, daß dieser Bescheid Gegenstand des Streitverfahrens geworden ist.
2. Der Beklagte hat es zu Recht mit Bescheid vom 28.05.1998 abgelehnt, vorangehende Bescheide zurückzunehmen. Die Voraussetzungen des § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X sind nicht erfüllt. Sowohl der Bescheid vom 18.08.1952 als auch nachfolgende, höhere Versorgungsleistungen ablehnende Bescheide sind nicht unrichtig im Sinn dieser Vorschrift.
a) Die beim Kläger bestehenden Zahnschäden (völliger Zahnverlust und Atrophie beider Kiefer) sind keine gesundheitliche Schädigung im Sinn des § 1 BVG.
aa) Schon der schädigende Tatbestand ist nicht nachgewiesen. Eine Primärschädigung hat nicht vorgelegen. Der Verlust von drei Zähnen während des Krieges ist nicht auf unmittelbar einwirkende Verletzungshandlungen zurückzuführen. Die vorhandenen Unterlagen belegen derartiges nicht; auch der Kläger hat dies nicht behauptet. Viel mehr meint der Kläger, schlechte Ernährung bzw. Fehlernährung während des Krieges seien die Ursache für den Zahnverlust. Die Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz (1996) führen unter Nr. 103 aus, daß bei der Wehrmacht die Ernährung während des Wehrdienstes ordnungsgemäß und im allgemeinen auch in gewissen Zeitabständen eine geeignete Behandlung sichergestellt war. Ausgehend hiervon wäre der insoweit allein in Betracht kommende schädigende Tatbestand "wehrdiensteigentümliche Verhältnisse" in § 1 Abs. 1 BVG zu verneinen. Dies schließt es allerdings nicht aus, daß im Einzelfall aufgrund besonderer Umstände doch eine Fehlernährung wehrdiensteigentümlich zu einer Schädigung geführt hat. Der Senat ist dem nachgegangen, hat dies indessen auch mittels des Sachverständigengutachtens von Dr. Dr. N. nicht bejahen können. Ausgehend von den überzeugenden Darlegungen dieses Sachverständigen stellt der Senat vielmehr fest, daß der Entstehungsprozeß eines kariösen Defekts an menschlichen Zähnen ein typischer Langzeiteffekt des bakteriellen Stoffwechsels des Zahnbelags ist und in entscheidendem Maß von der Substratzufuhr, insbesondere von Kohlenhydraten, abhängt. Die vom Kläger beschriebene unzureichende Nahrungsaufnahme, die sich eher auf Stärke (Brot, Reis und Teigwaren) statt auf Kohlenhydrate bezog, wirkte kariesverhindernd. So weit der den Kläger behandelnde Zahnarzt die Auffassung äußert, zwischen der Entfernung erhaltungswürdiger Zähne und der Unterkieferatrophie bestehe ein ursächlicher Zusammenhang, ist dem nicht zu folgen, denn nach den eigenen Angaben des Klägers ist der von ihm behaupteten Zahnentfernung im Jahre 1941 eine Zahnschmerzphase vorausgegangen, so daß insoweit schon vor 1941 ein Zahnschaden vorgelegen hat. Somit verbleibt als denkbarer Schädigungstatbestand allein, daß 1941 nicht die notwendigen chirurgisch-endodontischen zahnerhaltenden Maßnahmen durchgeführt worden sind. Ermittlungen hierzu sind nicht geboten. Zum einen ist eine Entfernung von drei Zähnen im Jahre 1941 – wie dargestellt – durch keinerlei Unterlagen belegt. Unterstellt der Senat zugunsten des Klägers diese Behauptung als zutreffend, so führt das nicht weiter. Denn nunmehr müßte ermittelt werden, in welchem Umfang die entfernten Zähne geschädigt waren, inwieweit chirurgisch-endodontische zahnerhaltende Maßnahmen nach damaligen zahnmedizinischem Kenntnisstand möglich und im konkreten Fall indiziert waren. Daß derartige Ermittlungen von vornherein und offenkundig keinen Er folg haben können, bedarf keiner Erörterung.
bb) Soweit der Kläger meint, seine Zahnschäden seien auf unzureichende Verhältnisse in der Gefangenschaft zurückzuführen, behauptet er eine Schädigung im Sinn des § 1 Abs. 2 Ziff. b) BVG. Die Anhaltspunkte (1996) gehen in Nr. 103 davon aus, daß in der Gefangenschaft in vielen Fällen weder eine ordnungsgemäße Ernährung noch eine geeignete Behandlung sichergestellt war. In solchen Fällen können mangelnde Zahnpflegemöglichkeiten und auch eine alimentäre Dystrophie eine Karies oder eine Parodontopathie mitverursacht haben. Unterstellt der Senat zugunsten des Klägers, daß in der Gefangenschaft nur eine unzureichende Mundhygiene möglich war, hat dies dennoch nicht zu den behaupteten Zahnschäden geführt. Denn der Kläger war nur kurze Zeit (bis zum 16.06.1945) in englischer Gefangenschaft. Massive Ernährungsstörungen sind insoweit nicht behauptet und nicht belegt. Im übrigen kommen Karies oder Parodontopathie als Schädigungsfolge nur in Betracht, wenn Fehlbelastungen (zB schlecht verheilte Kieferbrüche) oder schwere endokrine Störungen (zB schwer einstellbarer Diabetes mellitus) als Schädigunsgfolge anerkannt sind. Daran fehlt es.
cc) Der Senat stellt nach alledem auf der Grundlage der Ausführungen des Sachverständigen Dr. Dr. N. und unter Berücksichtigung der Anhaltspunkte 1996 fest, daß die seit 1968 bekannte (schädigungsunabhängige) Zahnlosigkeit des Klägers allein für die Atrophie des Ober- und Unterkiefers ursächlich ist.
b) Auch die Sprunggelenkseinschränkung am rechten Bein ist keine Schädigungsfolge und rechtfertigt deswegen keinen Zugunstenbescheid nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Zwar hat der Sachverständige Prof. Dr. Z. in seinem dem Sozialgericht vorgelegten Gutachten zunächst die Auffassung vertreten, diese Störungen seien auch schädigungsbedingt. Auf Nachfrage des Senats hat er allerdings in der ergänzenden Stellungnahme vom 21.04.1998 eingeschränkt, daß die Bewegungseinschränkung am rechten oberen Sprung gelenk auch durch die seit den 60er Jahren bestehende Peronaeuslähmung hervorgerufen worden sein könne. Dem folgt der Senat, denn der Kläger hat erstmals 1967/1968 über Beschwerden des Sprunggelenks geklagt, mithin zu einem Zeitpunkt, als die Peronaeuslähmung, die ihrerseits schädigungsunabhängig ist, bedeutsam geworden ist. Angesichts dieser Sachlage ist der Beweis, daß die früheren Bescheide fehlerhaft im Sinn des § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X waren, nicht erbracht.
c) Auch die Behauptung des Klägers, er sei beruflich besonders betroffen, weil er mit 55 Jahren schädigungsbedingt aus dem Erwerbs leben ausgeschieden sei, trägt die Berufung nicht. Die Frage einer beruflichen Betroffenheit war bereits Gegenstand des 1968 eingeleiteten Verwaltungsverfahrens bzw. des nachfolgenden Gerichtsverfahrens S 12a V 33/69. Dazu hat das Sozialgericht Münster bereits in seinem Urteil vom 31.07.1972 auf der Grundlage des Gutachtens des Chirurgen Dr. W. und des Nervensarztes Dr. N. ausgeführt, daß der Kläger wegen seiner Schädigungsleiden in der Ausübung seines Berufes als Malermeister nicht besonders beruflich betroffen sei. Daß er seit dem 01.06.1968 von der LVA Westfalen eine EU-Rente beziehe, könne zu keiner anderen rechtlichen Beurteilung führen, da die eingeschränkte Leistungsfähigkeit auf Nichtschädigungsleiden beruhe. Der Senat hat keinen Anlaß, dies nunmehr anders zu beurteilen. Ausweislich der Gutachten der Sachverständigen Dr. N. und Dr. W. bestanden seinerzeit eine schädigungsunabhängige Peronaeusschwäche, eine leichte Arthrose im Kniegelenk sowie degenerative Veränderungen an der Wirbelsäule, außerdem stärkere Herzschmerzen, Luftnot, Gedächtnisstörungen so wie Leber- und Gallenbeschwerden. Der behandelde Psychiater benannte als erwerbsmindernde Faktoren weiter multifaktorielle Störungen, die wahrscheinlich primäre Persönlichkeitsmerkmale und charakterologische Eigentümlichkeiten seien, sowie Veränderungen infolge einer vorzeitigen Hirnarteriosklerose. Auch die Kurunterlagen aus April 1968 und von 1970 belegen, daß bei dem Kläger Kreislaufstörungen, Herzbeschwerden, Leber – und Magenbeschwerden sowie seit 1967 die Peronaeuslähmung am rechten Bein bestanden und er zudem infolge von Herzrhythmusstörungen nicht kurfähig war. Gegenüber diesen Feststellungen ist nichts wesentlich Neues bekannt geworden. Der Kläger macht weiterhin die Folgen seiner Granatsplitterverletzung für seinen herabgesetzten Gesundheitszustand verantwortlich. Anlaß für eine weitergehende Überprüfung besteht sonach nicht. Die früheren Bescheide sind zur Überzeugung des Senats auch unter dem Gesichtspunkt einer besonderen beruflichen Betroffenheit nicht zu beanstanden.
3. Die Berufung ist unbegründet, soweit der Kläger höhere Versorgungsleistungen auf der Grundlage einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse (§ 48 SGB X) begehrt. Hierüber hat der Beklagte mit Bescheid vom 18.10.1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.11.1996 negativ entschieden. Das Sozialgericht hat die hiergegen gerichtete Klage durch Gerichtsbescheid vom 18.12.1997 abgewiesen. Diese Entscheidung ist nicht zu beanstanden, denn der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig und beschwert den Kläger nicht. Gegenüber den Feststellungen im letzten positiv-bindenden Bescheid vom 18.08.1952 ist eine wesentliche Änderung im Sinn des § 48 SGB X nicht eingetreten. Die Beweiserhebung hat ergeben, daß der schädigungsbedingte Zustand heute in ähnlicher Form wie seinerzeit besteht. Ausgehend von den Untersuchungen des Sachverständigen Prof. Dr. Z. ist festzustellen, daß weiterhin ausgedehnte Narbenbildungen am rechten Bein und am Gesäß vorhanden sind. Die in den 60er Jahren vorhandenen Schwellungen sind nicht mehr feststellbar. Die Muskelminderung hat sich nicht verstärkt. Die schädigungsbedingte MdE ist auch nach den Anhaltspunkten 1983 und 1996 zureffend mit 30 v.H. bewertet. Die Schädigungsfolgen sind nicht so ausgeprägt wie beim Verlust eines Beines im Unterschenkel (MdE 50 vH; AHP 1996 S. 148) oder dem einseitigen Teilverlust eines Fußes mit guten Stumpf (MdE 40 vH, AHP 1996 S. 149). Werden die beim Kläger bestehenden Muskelverluste und Behinderungen ins Verhältnis gesetzt, so entspricht eine MdE von 30 vH dem schädigungsbedingten Leidenszustand.
Nach alledem können Klage und Berufung des Klägers keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 183 und 193 SGG.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.
Erstellt am: 15.08.2003
Zuletzt verändert am: 15.08.2003