Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 25.01.2006 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um Insolvenzgeld (Insg).
Der am 00.00.1957 geborene Kläger war bei der Firma P GmbH in B (Arbeitgeber) beschäftigt. Mit Beschluss des Amtsgerichts (AG) Aachen vom 01.08.2002 (Az. 19 IN 760/02) wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Arbeitgebers eröffnet. Wegen offener Arbeitsentgeltansprüche bezogen der Kläger sowie weitere 27 Mitarbeiter des Arbeitgebers Insg für die Zeit vom 01.05. bis 31.07.2002 (Aufwendungen der Bekalgten insgesamt 168.947,80 EUR). Nachdem ein Insolvenzplan (vom 30.05.2003 in der Fassung vom 30.06.2003) in Kraft getreten war, hob das AG mit Beschluss vom 16.07.2003 das Verfahren gem. § 258 Abs. 1 der Insolvenzordnung (InsO) auf. Der Kläger war durchgehend weiter beschäftigt, das Arbeitsverhältnis wurde nicht beendet.
Da die Verpflichtungen aus dem Insolvenzplan nicht mehr eingehalten werden konnten, wurde am 03.03.2005 nochmals die Eröffnung des Insolvenzverfahrens beantragt. Mit Beschluss vom 02.05.2005 (Az. 91 IN 26/05) eröffnete das AG erneut das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Arbeitgebers.
Unter Hinweis auf diesen Beschluss beantragte der Kläger am 12.05.2005 auch erneut Insg wegen offener Entgeltansprüche für die Zeit vom 01.02.2005 bis 01.05.2005.
Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 24.05.2005 mit der Begründung ab, die erneute Eröffnung des Insolvenzverfahrens sei deswegen kein neues Insolvenzereignis, da der Insolvenzplan nicht erfüllt und somit die Zahlungsfähigkeit des Arbeitgebers nicht wiederhergestellt worden sei. Somit bleibe als Insolvenzereignis allein der Beschluss vom 01.08.2002 maßgeblich. Ein Fall von § 183 Abs. 2 Sozialgesetzbuch – Drittes Buch Arbeitsförderung – (SGB III) liege ebenfalls nicht vor, denn die vorherige Beantragung und Bewilligung von Insg zeigten, dass der Kläger Kenntnis von dem Insolvenzereignis gehabt habe.
Seinen am 14.06.2005 erhobenen Widerspruch begründete der Kläger damit, er habe noch bis Januar 2005 Gehaltszahlungen vom Arbeitgeber erhalten. Somit habe keine fortwährende Zahlungsunfähigkeit vorgelegen. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Bescheid vom 07.10.2005 zurück. Sie führte aus, bereits der Umstand, dass ab Februar 2005 offenbar keine Zahlungen an die Arbeitnehmer mehr erfolgt seien, spreche gegen eine wiederhergestellte Zahlungsfähigkeit des Arbeitgebers.
Dagegen hat der Kläger am 14.10.2005 vor dem Sozialgericht (SG) Aachen Klage erhoben und ergänzend ausgeführt, es sei vor dem 02.05.2005 sogar zu einer Gehaltserhöhung gekommen. Im Übrigen ließen bereits die Bestellung eines anderen Insolvenzverwalters und die Vergabe eines neuen Aktenzeichens erkennen, dass ein neues Insolvenzereignis eingetreten sei.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 24.05.2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 07.10.2005 zu verurteilen, ihm Insolvenzgeld für die Zeit vom 02.02.2005 bis zum 01.05.2005 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Mit Urteil vom 25.01.2006 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Kläger habe keinen Anspruch auf Insg infolge des Beschlusses des AG Aachen vom 02.05.2005. Der Beschluss des AG vom 02.05.2005 sei kein Insolvenzereignis iSd § 183 Abs 1 Nr. 1 SGB III. Ein neues Insolvenzereignis trete nach der Rechtsprechung des BSG nicht ein, solange die auf dem vorherigen Insolvenzereignis beruhende Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers andauere. Zahlungsunfähigkeit liege solange vor, wie der Arbeitgeber wegen eines nicht nur vorübergehenden Mangels an Zahlungsmitteln nicht in der Lage sei, seine fälligen Geldschulden im Allgemeinen zu erfüllen, und dementsprechend die Zahlungen einstelle. Sie ende nicht schon dann, wenn der Schuldner einzelne Zahlungsverpflichtungen wieder erfülle. Neue Ansprüche auf Insg entstünden nach der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens nicht mehr, unabhängig davon, ob und wie lange das Unternehmen bis zur Betriebseinstellung fortgeführt werde. Allein wegen der Aufhebung des Eröffnungsbeschlusses und der Durchführung des Insolvenzplanverfahrens (§ 258 Abs. 1 InsO) sei noch nicht von einer Wiedererlangung der Zahlungsfähigkeit des Schuldners auszugehen. Hier habe der Arbeitgeber des Klägers die Zahlungsfähigkeit nicht zwischenzeitlich wiedererlangt. Die Fortführung des Insolvenzplanverfahrens impliziere, dass der Arbeitgeber eine vollumfängliche Zahlungsfähigkeit gerade noch nicht wiedererlangt hat. Erst recht müsse dies für den Fall einer unvollständigen Erfüllung des Insolvenzplans und Eröffnung eines neuen Insolvenzverfahrens gelten, die ein Wiederaufleben sämtlicher gestundeter und erlassener Forderungen zur Folge habe. Ein Anspruch des Klägers ergebe sich auch nicht aus § 183 Abs. 1 Satz Nr. 1, Abs. 2 SGB III, wonach der Insg-Anspruch für die dem Tag der Kenntnisnahme des Insolvenzereignisses vorausgehenden drei Monate des Arbeitsverhältnisses u.a. dann bestehe, wenn der Arbeitnehmer in Unkenntnis eines Insolvenzereignisses weitergearbeitet habe. Ein Insolvenzplanverfahren schaffe keinen entsprechenden Vertrauenstatbestand. Einem Arbeitnehmer müsse – im Rahmen der sog. Parallelwertung in der Sphäre juristischer Laien – klar sein, dass mit der Zahlungsfähigkeit seines Arbeitgebers etwas nicht stimme, wenn dieser (irgend-)einem insolvenzrechtlichen Verfahren unterworfen ist. Der Kläger habe Kenntnis von dem Insolvenzplanverfahren gehabt. Er habe bereits aufgrund des amtsgerichtlichen Beschlusses vom 01.08.2002 Insg erhalten. Daher bestehe kein schutzwürdiges Vertrauen in die Zahlungsfähigkeit seines Arbeitgebers.
Das Urteil ist dem Kläger am 31.01.2006 zugestellt worden. Am 03.02.2006 hat er dagegen Berufung eingelegt. Zur Begründung führt er folgendes aus: Es sei zu berücksichtigen, dass hier immerhin über einen Zeitraum von gut 24 Monaten die Gehälter der jeweiligen Arbeitnehmer anstandslos und ohne Zahlungsverzug gezahlt worden seien, die Angestellten sogar noch eine Gehaltserhöhung bekommen hätten. Bei einem derartigen Zeitraum von gut 2 Jahren müsse, angenommen werden, dass aus der Sicht eines juristischen Laien und Arbeitnehmers sehr wohl von einer vollständigen Wiederherstellung der Zahlungsfähigkeit ausgegangen werden könne. Im Gegensatz zu den Ausführungen des Sozialgerichts Aachen sei daher sehr wohl ein Vertrauenstatbestand hinsichtlich der Wiedererlangung der Zahlungsfähigkeit des Arbeitgebers geschaffen worden. Im Übrigen sei nach der Eröffnung des 1. Insolvenzverfahrens aus dem Jahre 2002 dem Arbeitgeber der Zuschlag für die Planung und architektonische Begleitung eines Großprojektes in Aachen erteilt worden. Hierbei handele es sich um einen Auftrag mit einem Architektenhonorar von jenseits einer Million Euro. Dies stelle einen derart großen Auftrag dar, dass alle Arbeitnehmer davon ausgehen konnten und durften, dass schon alleine dieser Auftrag zur Deckung der Arbeitslöhne ausreichen würde.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 25.01.2006 zu ändern und nach dem erstinstanzlichen Antrag zu erkennen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das Urteil des SG für zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungaskten der Beklagten. Diese Akten waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet.
Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen, denn der Bescheid der Beklagten vom 24.05.2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 07.10.2005 ist rechtmäßig. Es besteht kein Anspruch des Klägers auf Insolvenzgeld für die Zeit vom 02.02.2005 bis 01.05.2005.
Anspruch auf Insg hat nach § 183 Abs. 1 Satz 1 SGB III ein Arbeitnehmer, der bei Eintritt eines Insolvenzereignisses für die vorausgehenden drei Monate des Arbeitsverhältnisses noch Ansprüche auf Arbeitsentgelt hat. Zu den Insolvenzereignissen rechnet § 183 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB III die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Arbeitgebers. Zwar hat das Amtsgericht am 02.05.2005 das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Arbeitgebers eröffnet, jedoch hat das SG zutreffend entschieden, dass die Sperrwirkung der Insolvenzeröffnung vom 01.08.2002 dem Insg-Anspruch des Klägers entgegensteht.
Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des BSG schon zum Konkursausfallgeld, dass ein neues Insolvenzereignis nicht eintritt und folglich auch keine Ansprüche auf Insg ausgelöst werden können, solange die auf einem bestimmten Insolvenzereignis beruhende Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers andauert (vgl BSG SozR 3-4300 § 183 Nr 3 Rz. 14 mwN). Zahlungsunfähigkeit liegt solange vor, wie der Gemeinschuldner wegen eines nicht nur vorübergehenden Mangels an Zahlungsmitteln nicht in der Lage ist und andauernd aufhört, seine fälligen Geldschulden im Allgemeinen zu erfüllen. Die Zahlungsunfähigkeit endet nicht schon dann, wenn der Schuldner einzelne Zahlungsverpflichtungen wieder erfüllt. Neue Ansprüche auf Insg, etwa wegen Betriebseinstellung, entstehen nach der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens nicht mehr, unabhängig davon, ob und wie lange das Unternehmen bis zur Betriebseinstellung fortgeführt wird, sowie, ob Arbeitsverhältnisse neu begründet und diese unter Umständen über mehrere Jahre bestehen (BSG SozR 3-4300 § 183 Nr 3 Rz. 14 mwN).
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist nicht der Beschluss des Amtsgerichts über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens vom 02.05.2005, sondern allein der Eröffnungsbeschluss vom 01.08.2002 das für die Anwendung des § 183 SGB III maßgebende Insolvenzereignis gewesen. Das mit dem Beschluss vom 01.08.2002 zunächst eingeleitete Insolvenzverfahren war im Hinblick auf einen rechtskräftig bestätigten Insolvenzplan zwar aufgehoben worden. Das SG hat jedoch zu Recht entschieden, dass allein wegen dieser Aufhebung des Insolvenzverfahrens und Durchführung des Insolvenzplanverfahrens nicht von einer Wiedererlangung der Zahlungsfähigkeit des Schuldners auszugehen ist. Die materiell-rechtlichen Wirkungen des Insolvenzplanes betreffen nämlich nur die am Insolvenzplanverfahren Beteiligten, dh. den Schuldner, die Insolvenzgläubiger und die Absonderungsberechtigten. Zudem sind die Wirkungen des Plans nicht endgültig, sondern halten nicht mehr an, wenn der Schuldner gegenüber einem Gläubiger mit der Erfüllung des Plans erheblich in Rückstand gerät (§ 255 Abs 1 Satz 1 InsO). Die mit der Einführung von Insolvenzplanverfahren verfolgten Zielsetzungen rechtfertigen es nicht, das Insolvenzplanverfahren dadurch zu begünstigen, dass den Gläubigern durch die wiederholte Zuerkennung von Insg-Ansprüchen ein Sondervorteil verschafft wird (ausführlich BSG SozR 3-4300 § 183 Nr 3 Rz. 16 ff.).
Vorliegend kann entgegen der Auffassung des Klägers auch nicht aufgrund des Verlaufs des Insolvenzplanverfahrens davon ausgegangen werden, dass der Arbeitgeber seine Zahlungsfähigkeit wiedererlangt hat, wie es das BSG grundsätzlich für möglich zu halten scheint (BSG SozR 3-4300 § 183 Nr 3 Rz 21). Zwar ist der Insolvenzplan hier etwa 1 ½ Jahre eingehalten worden, bevor der Arbeitgeber seine Verpflichtungen aus dem Plan nicht mehr erfüllen konnte. Jedoch kann hieraus noch nicht der Schluss gezogen werden, dass er wieder uneingeschränkt in der Lage gewesen ist, seine fälligen Geldschulden im Allgemeinen zu erfüllen, wie es die Rechtsprechung fordert. Hiergegen spricht bereits die erhebliche Belastung durch Ansprüche der Beklagten aus übergegangen Entgeltanspüchen in Folge der Zahlung von Insolvenzgeld an die Arbeitnehmer für die Zeit vom 01.05.2002 bis 31.07.2002. Allein diese Forderungen beliefen sich auf 168.947,80 EUR. Während des Insolvenzplanverfahrens wurde lediglich ein Betrag in Höhe von 21.827,53 EUR getilgt. Hinzukommen dürften weitere nicht unerhebliche Verbindlichkeiten gegenüber anderen Gläubigern, die einer wieder eingetreten Zahlungsfähigkeit entgegenstehen. Nach Auffassung des Senats kann Zahlungsfähigkeit im Insolvenzplanverfahren vor der Planerfüllung, die geeignet wäre, die Sperrwirkung eines Insolvenzereignisses aufzuheben, nur in sehr seltenen Ausnahmefällen eintreten, etwa, wenn kurz vor dem Ende der Laufzeit des Planes oder wenn die wirtschaftliche Situation des Arbeitgebers sich so verbessert hat, dass dieser die dem Insolvenzplan zugrunde liegenden Masseverbindlichkeiten auch sofort erfüllen könnte. Eine solche Konstellation liegt hier nicht vor.
Der Kläger vermag einen Anspruch auf Insg auch nicht aus § 183 Abs 2 SGB III herzuleiten. Denn diese Regelung verschiebt – in der besonderen Situation der Weiterarbeit in Unkenntnis eines eingetretenen Insolvenzereignisses – allein den Insolvenzgeldzeitraum. Sie beschreibt aber nach ihrer systematischen Stellung kein weiters Insolvenzereignis, dass einen Anspruch auf Insg auslösen könnte. Die Insolvenzereignisse ergeben sich abschließend aus § 183 Abs. 1 SGB III. Daher bleibt es bei dem – einzigen – hier vorliegenden Insolvenzereignis, nämlich der Eröffnung des Insolvenzverfahrens durch Beschluss des AG vom 01.08.2002. Ein Anspruch auf Insg aufgrund dieses Insolvenzereignisses ist dem Kläger aber bereits (für die Zeit vom 01.05.2002 bis 31.07.2002) durch bindenden Bescheid zuerkannt worden. Für die Verschiebung des Insolvenzgeldzeitraum auf das Jahr 2005 bleibt deshalb kein Raum, unabhängig davon, ob der Kläger subjektiv möglicherweise darauf vertraut hat, ein neues Insolvenzereignis sei eingetreten und er auch deshalb seine Arbeitsleitung weiter erbracht hat. Soweit für die Weiterarbeit des Klägers eine falsche Information der Beklagten maßgebend gewesen sein sollte, mag ein Schaden des Klägers über einen Amtshaftungsanspuch ausgleichbar sein. Ein solcher ist aber nicht Streitgegenstand dieses Rechtsstreits. Die Entscheidung über Amtshaftungsansprüche obliegt im Übrigen der ordentlichen Gerichtsbarkeit.
Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 183, 193 SGG.
Der Senat hat die Revision zugelassen, weil er der Streitsache grundsätzliche Bedeutung zumisst.
Erstellt am: 19.10.2006
Zuletzt verändert am: 19.10.2006