Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 11. August 1994 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Dem Kläger werden anteilige Gerichtshaltungskosten in Höhe von 500,– DM und die Hälfte der von der Beklagten zu zahlenden Pauschgebühr nach § 192 SGG auferlegt. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt Versichertenrente wegen Berufsunfähigkeit.
Der am 1949 geborene Kläger betreibt seit dem 25. April 1972 als selbständiger Fleischermeister ein Fleischerfachgeschäft, in dem neben einer wechselnden Anzahl von Beschäftigten seine Ehefrau und sein Sohn mitarbeiten. Da neben war er in der Zeit von 01. April 1987 bis zum 31. August 1991 versicherungspflichtig in einem Radio- und Fernsehgeschäft wöchentlich ca. 13 Stunden damit beschäftigt, im Verkauf, bei Lagerarbeiten, beim Einräumen, Anliefern und Antennenbau auszuhelfen. Sein Versicherungsverlauf hat sich in der Vergangenheit wie folgt gestaltet:
01. April 1963 bis 31. Dezember 1971 Pflichtbeiträge zur Rentenversicherung der Arbeiter; 01. Dezember 1973 bis 31. Mai 1983 Beiträge zur Handwerkerversicherung mit Unterbrechungen; 01. Januar 1984 bis 31. März 1987 freiwillige Beiträge zur Rentenversicherung der Arbeiter; 01. April 1987 bis 01. Mai 1991 Pflichtbeiträge zur Rentenversicherung der Angestellten.
Der Kläger ist im April 1991 am linken Schultergelenk operiert worden. Wegen der verbleibenden Bewegungseinschränkung beantragte er am 16. Oktober 1991 Rente wegen Berufsunfähigkeit. Die Beklagte holte von dem Orthopäden Dr. S. das Gutachten vom 10. Dezember 1991 ein, worin als Diagnose eine Versteifung des linken Schultergelenkes ausgeprägten Grades und eine leichtgradige Bewegungseinschränkung des rechten Schultergelenkes mitgeteilt wird und der Gutachter der Auffassung ist, der Kläger könne noch weiter als Fleischermeister und ansonsten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ohne Überkopfarbeiten vollschichtig beschäftigt sein. Mit Bescheid vom 20. Januar 1992 lehnte die Beklagte den Rentenantrag ab. Den am 30. Januar 1992 erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Bescheid vom 30. April 1992 zurück. Zur Begründung führte sie aus, der Kläger könne die zuletzt versicherungspflichtig verrichtete Beschäftigung als Verkäufer im Radio- und Fernseheinzelhandel, auf die es allein ankomme, noch ohne wesentliche Beeinträchtigung vollschichtig verrichten.
Mit der hiergegen am 05. Juni 1992 erhobenen Klage hat der Kläger weiter die Auffassung vertreten berufsunfähig zu sein. Beim ihm sei der Beruf des Fleischers/Fleischermeisters der "bisherige Beruf". Weder diese Tätigkeit noch die des Fleischtelefonverkäufers könne er, wie die vorgelegte Bescheinigung des Orthopäden B. vom 21. September 1992 ausweise, mit seinen gesundheitlichen Einschränkungen verrichten. Die Verkäufertätigkeit im Radio- und Fernseheinzelhandel habe er nur nebenberuflich ausgeübt. Er hat beantragt,
den Bescheid vom 20. Januar 1992 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 30. April 1992 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm ab 01. November 1992 Rente wegen Berufsunfähigkeit zu zahlen.
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.
Das Sozialgericht hat von Radio-H. in N. die Arbeitgeberauskunft vom 03. Oktober 1992, Befund- und Behandlungsberichte von Dr. Sch. und dem Orthopäden B. eingeholt und den Orthopäden Priv.-Doz. Dr. S. mit einer Begutachtung des Leistungsvermögens des Klägers beauftragt. In dem Gutachten vom 01. September 1993 werden folgende Diagnosen aufgeführt:
Schultergelenksteilsteife links, geringgradige bewegungsabhängige Schmerzhaftigkeit im rechten Schultergelenk, Übergewichtigkeit und Hypercholesterinämie. Der Sachverständige hat die Auffassung vertreten, der Kläger könne noch vollschichtig bei mäßiger Belastung des linken Schultergelenks bis zu schwere körperliche Arbeiten im Gehen, Stehen, Sitzen oder wechselweise im Gehen, Stehen und Sitzen mit weiteren sich aus dem Gutachten ergebenden Einschränkungen verrichten. Er könne deshalb unter Berücksichtigung dieser Einschränkungen noch als Metzgermeister und Abteilungsleiter einer Fleischwarenabteilung oder als Verkäufer in der Fleischbranche tätig sein.
Mit Urteil vom 11. August 1994 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des Urteils wird Bezug genommen.
Mit der am 12. September 1994 gegen das ihm am 24. August 1994 zugestellte Urteil eingelegten Berufung verfolgt der Kläger sein Rentenbegehren weiter. Er wiederholt sein bisheriges Vorbringen und teilt erneut mit, daß die H. Versicherungs-AG auf der Grundlage des Gutachtens des Orthopäden Dr. Z. vom 04. Dezember 1991 ihm eine Rente wegen Berufsunfähigkeit zugestanden habe. Von der Tätigkeit des Metzgers/Metzgermeisters sei auszugehen, nicht von der des Verkäufers, die er nur nebenberuflich und nicht vollwertig ausgeübt habe. Nach Vorlage eines Berichtes des Orthopäden M. vom 24. April 1995 ist ein Befund- und Behandlungsbericht von diesem Arzt vom 13. Dezember 1995 eingeholt und der Orthopäde Dr. M. mit einer Begutachtung des Klägers beauftragt worden. In dem Gutachten vom 13. November 1996 stellt der Sachverständige schwere degenerative Veränderungen am linken Schultergelenk, ausgeprägte degenerative Veränderungen am linken Akromioclaviculargelenk, ein Impingement-Syndrom rechtes Schultergelenk sowie leichte degenerative Veränderungen der Halswirbelsäule fest und vertritt die Auffassung, daß der Kläger noch leichte Arbeiten im Gehen, Stehen, Sitzen sowie wechselweise im Gehen, Stehen und Sitzen in geschlossenen Räumen und unter Witterungsschutz mit weiteren sich aus dem Gutachten ergebenden Einschränkungen vollschichtig verrichten könne.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 11. August 1994 abzuändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 20. Januar 1992 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 30. April 1992 zur Gewährung der Berufsunfähigkeitsrente ab November 1991 zu verurteilen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie ist der Auffassung, daß der Kläger bei der zugrunde zu legenden letzten versicherungspflichtig ausgeübten beruflichen Beschäftigung noch nicht berufsunfähig oder erwerbsunfähig sei.
Der weiteren Einzelheiten wegen wird Bezug genommen auf den Inhalt der Streitakte sowie der den Kläger betreffenden Verwaltungsakte der Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet.
Das Sozialgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Weder der Bescheid vom 20. Januar 1992 noch der Widerspruchsbescheid vom 30. April 1992 sind rechtswidrig. Der Kläger ist durch diese Verwaltungsentscheidungen deswegen nicht beschwert. Er hat keinen Anspruch auf Rente wegen Berufsunfähigkeit.
Unter Beachtung der Übergangsvorschrift des § 300 Abs. 2 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB VI) sind noch die Regelungen des Angestellten- Versicherungsgesetzes (AVG) anzuwenden, obwohl sie Ende des Jahres 1991 außer Kraft getreten sind. Der Kläger begehrt die Bewilligung einer Rente ab November 1991.
Berufsunfähig ist ein Versicherter nach § 23 Abs. 2 Satz 1 AVG, dessen Erwerbsfähigkeit infolge von Krankheit oder anderen Gebrechen oder Schwäche seiner körperlichen oder geistigen Kräfte auf weniger als die Hälfte derjenigen eines körperlich und geistig gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten herabgesunken ist. Dabei umfaßt der Kreis der Tätigkeiten, nach dem die Erwerbsfähigkeit eines Versicherten zu beurteilen ist, alle Tätigkeiten, die seinen Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihn unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs seiner Ausbildung sowie seines bisherigen Berufs und der besonderen Anforderung seiner bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können (§ 23 Abs. 2 Satz 2 AVG).
Der "bisherige Beruf" des Versicherten richtet sich nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts – BSG – ausschließlich nach der pflichtversicherten Beschäftigung, der sich der Versicherte zuletzt auf Dauer zugewandt hatte (vgl. z.B. BSG vom 13. März 1986 – 5 b RJ 14/85 – in SozR 2-2200 § 1246 Nr. 134 m.w.N.). Zuletzt versicherungspflichtig war der Kläger vom 01. April 1987 bis zum 01. Mai 1991 als Aushilfe im Verkauf, bei Lagerarbeiten und beim Antennenbauer in einem Radio- und Fernsehgeschäft etwa 13 Stunden die Woche beschäftigt. Diese Beschäftigung hat der Kläger in der vorbezeichneten Zeit stets geringfügig über der Versicherungsfreigrenze und deshalb 38 Monate lang versicherungspflichtig verrichtet.
Als "bisheriger Beruf" kommt nicht der eines Fleischers oder eines selbständigen Fleischermeisters in Betracht. Für den Kläger sind während seiner Beschäftigung als Fleischer oder auch als Fleischermeister noch Pflichtbeiträge zur Rentenversicherung der Arbeiter bis zum 31. Dezember 1971 entrichtet worden. Danach war er mit Unterbrechungen vom 01. Dezember 1973 bis zum 31. Mai 1983 in der Handwerkerversicherung pflichtversichert. Vom 01. Januar 1984 bis zum 31. März 1987 zahlte er zur Rentenversicherung der Arbeiter nur noch freiwillige Beiträge, nachdem er durch den Abschluß wohl des privaten Versicherungsvertrages mit der H. Versicherungs AG, aus dem ihm nach seinen Angaben nun eine Rente wegen Berufsunfähigkeit zufließt, freiwillig aus der Pflichtversicherung der Handwerker ausgeschieden war. Nach dem Versicherungsverlauf sind zuletzt vor dem 01. Januar 1984 Pflichtbeiträge für den Kläger zur Rentenversicherung entrichtet worden. Die freiwilligen Beiträge können in diesem Zusammenhang nicht berücksichtigt werden (vgl. BSG a.a.O.). Es verbleibt deshalb dabei, daß zuletzt Pflichtbeiträge für den Kläger zur Angestelltenversicherung für seine Tätigkeit als Verkaufsaushilfe entrichtet worden sind.
Bei einer Dauer einer pflichtversicherten Beschäftigung von 38 Monaten kann nicht die Rede davon sein, sie sei nur vorübergehend verrichtet worden. Vielmehr ist davon auszugehen, daß diese in Teilzeit verrichtete Hilfstätigkeit auf Dauer angelegt war und nur wegen der im April 1991 erforderlich werdenden Schulteroperation beendet worden ist. Anhaltspunkte dafür, daß diese Arbeit nur vorübergehender Art hätte sein sollen, sind weder aus den Akten zu entnehmen noch vom Kläger selbst behauptet worden. Hinweise darauf, daß der Kläger seine Hilfstätigkeit nicht auch als solche vollwertig verrichtet hätte, sind in den Akten nicht zu finden. Ein solcher Anhaltspunkt ist auch nicht in der Arbeitgeberauskunft vom 03. Oktober 1992 enthalten. Darin ist zwar die Frage 10.: Gilt bzw. galt der Kläger bei der Verrichtung der zuletzt überwiegend ausgeübten Tätigkeit als vollwertige Arbeitskraft mit "nein" aber auch mit der Ergänzung "Aushilfe" beantwortet worden. Mit dieser Antwort hat der Arbeitgeber deutlich gemacht, daß der Kläger bei seiner Arbeit im Radio- und Fernsehgeschäft nicht die volle Arbeitsleistung eines Verkäufers, eines Radio- und Fernsehmechanikers oder eines Antennenbauers erbracht habe, da er – der Kläger – nur Aushilfe – ohne entsprechende fachausgerichtete Ausbildung – gewesen ist. Die Tatsache, daß der Kläger diese Beschäftigung nur stundenweise und nicht vollschichtig ausgeübt hat, ändert nichts daran, daß er diese aushelfende Arbeit, für die er allein eingestellt worden war, auch vollwertig verrichtet hat. Einen Erfahrungssatz des Inhalts, daß nur in voller Schicht auch vollwertig gearbeitet werden kann, kennt der Senat nicht. Vielmehr kann auch stundenweise vollwertige Arbeit geleistet werden.
Bei dieser Sach- und Rechtslage muß davon ausgegangen werden, daß der Kläger als Hilfskraft im Verkauf bei Lagerarbeiten und beim Antennenbau tätig gewesen ist. Als solcher ist er innerhalb des Mehrstufenschemas, das das BSG entwickelt hat, in die unterste Gruppe, die der Ungelernten, allenfalls in die zweitniedrigste, die Gruppe der bis zu einem Jahr Angelernten einzustufen. Als solcher ist er nach der Entscheidung des Großen Senats des BSG vom 19. Dezember 1996 – GS 1/95 -, dem die Rechtsprechung vornehmlich des 5. Senates des BSG – vgl. SozR 3-2200 § 1246 Nr. 50 – voraufgegangen ist, ohne Benennung einer Verweisungstätigkeit auf den allgemeinen Arbeitsmarkt zu verweisen.
Nach allem hat der Kläger mit seinem Begehren keinen Erfolg haben können.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 183, 193, 192 SGG.
Der Senat hat es für angemessen erachtet, dem Kläger Gerichtshaltungskosten in Höhe von 500,– DM und eine halbe Pauschgebühr als Mutwillenskosten aufzuerlegen. Nach der Vorschrift des § 192 SGG kann das Gericht einen Beteiligten, wenn dieser, dessen Vertreter oder Bevollmächtigter durch Mutwillen, Verschleppung oder Irreführung dem Gericht oder einem Beteiligten Kosten verursacht hat, diese im Urteil ganz oder teilweise auferlegen. Diese Vorschrift stellt einen notwendigen Ausgleich für die grundsätzliche Kostenfreiheit des Verfahrens vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit dar. Mutwillen im Sinne dieser Vorschrift liegt vor, wenn ein Beteiligter einen Prozeß weiterbetreibt, obwohl die Rechtsverfolgung aussichtslos ist, der Beteiligte dies subjektiv weiß und wenn er entgegen besserer Einsicht von der weiteren Prozeßführung keinen Abstand nimmt (vgl. Meyer/Ladewig SGG m.E., 5. Aufl., Rdnr. 3 zu § 192). Das Vorliegen dieser Voraussetzungen hat der Senat in dem hier zu entscheidenden Fall bejaht. Wie sich aus den vorstehenden Darlegungen ergibt, hängt die Entscheidung des Rechtsstreites allein davon ab, welche vom Kläger verrichtete Beschäftigung als der "bisherige Beruf" anzusehen ist. Dieses Problem ist bereits höchstrichterlich entschieden. Darauf, insbesondere die Entscheidung des BSG vom 13. März 1986 – 5b RJ 14/85 -, die genau zu diesem Rechtsproblem in einem nahezu identisch gelagerten Rechtsstreit ergangen ist, sind der Kläger und sein Prozeßbevollmächtigter schon vor der mündlichen Verhandlung hingewiesen worden. Gleichwohl hat es der Prozeßbevollmächtigte abgelehnt, den Rechtsstreit durch Rücknahme der Klage oder der Berufung zu beenden. Er hat vielmehr auf einer streitigen Entscheidung des Rechtsstreits durch den Senat bestanden. Daß sich der Prozeßbevollmächtigte mit der zitierten Rechtsprechung kritisch auseinandergesetzt hätte, kann dem Berufungsvorbringen nicht entnommen werden. Wenn er dann als bevollmächtigter Rechtsanwalt, dessen Sachkunde und Einsichtsfähigkeit der Senat aufgrund dieser Eigenschaft unterstellt, auf einer Entscheidung des Rechtsstreits beharrt, obwohl er über die Aussichtslosigkeit des geltend gemachten Begehrens belehrt worden ist, hat er zur Überzeugung des Senats entgegen besserer Einsicht gehandelt. Sein Verhalten muß sich der Kläger zurechnen lassen.
Die Höhe der durch das mutwillige Verhalten des Klägers bzw. seines Prozeßbevollmächtigten entstandenen Kosten hat der Senat in entsprechender Anwendung des § 287 der Zivilprozeßordnung (ZPO) geschätzt. Er hat den bestimmten Betrag in Höhe von 500,– DM für angemessen gehalten.
Der Senat hat dem Kläger ferner die Hälfte der Gebühr als Mutwillenskosten auferlegt, die der Beklagten dadurch entstanden sind, daß die Streitsache durch Urteil erledigt werden mußte (vgl. §§ 184, 186 Abs. 1 SGG).
Es hat kein Anlaß bestanden, die Revision zuzulassen; denn die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG sind nicht erfüllt.
Erstellt am: 10.08.2003
Zuletzt verändert am: 10.08.2003