Auf die Beschwerde der Antragsteller wird der Beschluss des Sozialgerichts Detmold vom 02.05.2008 geändert. Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid vom 19.03.2008, der die Leistungen für die Antragstellerin zu 2) für den Zeitraum vom 01.04.2008 bis zum 30.06.2008 absenkt, wird angeordnet. Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid vom 19.03.2008 wird angeordnet, soweit dieser die Regelleistung der Antragstellerin zu 2) ab April 2008 um mehr als 31 EUR absenkt. Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen. Kosten sind im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
Die Beschwerde gegen den Beschluss des SG vom 02.05.2008 ist teilweise begründet.
I.
Das Sozialgericht (SG) hat zu Recht den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt, soweit die Antragsteller die Verpflichtung der Antragsgegnerin, die Leistungen für Unterkunft und Heizung in tatsächlicher Höhe, die Nachzahlung der Nebenkosten für 2007 und die Mietschulden zu übernehmen, begehren.
Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint (Regelungsanordnung). Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt das Bestehen eines Anordnungsanspruchs, d. h. des materiellen Anspruchs, für den vorläufiger Rechtsschutz begehrt wird, sowie das Vorliegen eines Anordnungsgrundes, d. h. die Unzumutbarkeit voraus, bei Abwägung aller betroffenen Interessen die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten. Können ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen entstehen, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären, sind die Erfolgsaussichten der Hauptsache nicht nur summarisch, sondern abschließend zu prüfen. Scheidet eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren aus, ist auf der Grundlage einer an der Gewährung eines effektiven Rechtsschutzes orientierten Folgenabwägung zu entscheiden (BVerfG, Beschluss vom 12.05.2005 – 1 BvR 569/05 -, BVerfGK 5, 237 = NVwZ 2005, Seite 927).
Ein Anordnungsanspruch ist nicht glaubhaft gemacht. Zur Begründung verweist der Senat auf die zutreffenden Ausführungen des SG, die er sich nach Prüfung zu eigen macht (§ 142 Abs. 2 Satz 3 SGG).
In Bezug auf die von den Antragstellern geltend gemachte Übernahme der tatsächlichen Kosten der Unterkunft und Heizung ergibt sich auch keine andere Beurteilung unter Berücksichtigung des Vortrages im Beschwerdeverfahren. Danach hat die Vermieterin das Mietverhältnis nach § 543 Abs. 1 und 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) fristlos gekündigt, zur Räumung bis zum 15.06.2008 aufgefordert und vorsorglich ergänzend das Mietverhältnis fristgerecht zum 31.08.2008 gekündigt. Zwar ist nach diesem Vortrag davon auszugehen, dass ein Anordnungsgrund glaubhaft gemacht ist. Ein Anordnungsanspruch ist jedoch nicht gegeben. Die Übernahme der tatsächlichen Kosten der Unterkunft kann auch nicht auf § 22 Abs. 5 SGB II gestützt werden. Danach können, sofern Leistungen für Unterkunft und Heizung erbracht werden, auch Schulden übernommen werden, soweit dies zur Sicherung der Unterkunft gerechtfertigt ist. Sie sollen übernommen werden, wenn dies gerechtfertigt und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Denn eine Übernahme von Mietschulden aufgrund aufgelaufener Mietrückstände und einer darauf bezogenen fristlosen Kündigung kommt dann nicht in Betracht, wenn der Vermieter zu erkennen gibt, dass er kein Interesse mehr an der Fortsetzung des Mietverhältnisses hat. Denn in diesem Fall ist die Übernahme der Mietrückstände nicht geeignet, drohende Wohnungslosigkeit zu vermeiden (Lang/Link in Eicher/Spellbrink, Komm. zum SGB II, 2. Aufl. 2008, § 22 Rn. 109; LSG Hessen, Beschluss vom 26.10.2005 – L 7 AS 65/05 ER -). Die Vermieterin hat am 28.05.2008 einer Fortsetzung des Mietverhältnisses ausdrücklich widersprochen. Zudem kommt eine Übernahme der tatsächlichen Kosten für die Unterkunft und Heizung über die Regelung des § 22 Abs. 5 SGB II auch deswegen nicht in Betracht, da über diese Regelung nicht letztendlich die Sicherung einer nicht angemessenen Unterkunft und damit eine Aushebelung der Regelung des § 22 Abs. 1 SGB II vorgenommen werden soll (LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 22.04.2008 – L 5 B 510/08 AS ER -; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 14.01.2008 – L 26 B 23/07 AS ER -; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 21.02.2007 – L 7 AS 22/07 ER -).
II.
Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen den Sanktionsbescheid vom 19.03.2008 gegenüber der Antragstellerin zu 2) (wiederholtes Meldeversäumnis) ist begründet.
Nach § 86b Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGG kann das Gericht in der Hauptsache auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Der Widerspruch der Antragstellerin zu 2) gegen den Bescheid vom 19.03.2008 hat keine aufschiebende Wirkung. Denn hier entfällt die nach § 86a Abs. 1 S. 1 AGG grundsätzlich gegebene aufschiebende Wirkung des Widerspruchs nach § 86a Abs. 2 Nr. 4 SGG in Verbindung mit § 39 Nr. 1 SGB II.
Die Erfolgsaussicht des Antrags beurteilt sich nach dem Ergebnis einer Interessenabwägung zwischen dem privaten Interesse der Antragstellerin, vom Vollzug des Verwaltungaktes verschont zu bleiben und dem Interesse der Allgemeinheit an der sofortigen Vollziehung. Hierbei sind neben einer allgemeinen Abwägung der Folgen bei Gewährung bzw. Nichtgewährung des vorläufigen Rechtsschutzes auch die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache von Bedeutung (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Komm. zum SGG, 8. Auflage 2005, § 86b Rn. 12c ff.)
Die hiernach anzustellende Interessenabwägung geht zu Lasten der Antragsgegnerin. Die Antragsgegnerin hat wegen der "wiederholten Pflichtverletzung – Aufforderung des zuständigen Trägers, sich bei ihm zu melden" – die Regelleistung der Antragstellerin zu 2) vom 01.04.2008 bis zum 30.06.2008 um 20 % abgesenkt. Es bestehen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des gegenüber der Antragstellerin zu 2) am 19.03.2008 ergangenen Sanktionsbescheides. Denn nach dem Aktenvermerk von Frau E liegt nach einer Mitteilung von Frau L eine psychiche Erkrankung bei der Antragstellerin zu 2) vor, die dazu führt, dass diese nicht mehr Haus verlässt und nunmehr von Seiten der Antragsgegnerin zur Abklärung des Erkrankungsbildes der sozialpsychologische Dienst eingeschaltet werden soll. Somit ergeben sich konkrete Anhaltspunkte dafür, dass ein wichtiger Grund nach § 31 Abs. 2 SGB II vorliegt.
Soweit der weitere Bescheid vom 19.03.2008, mit welchem die Regelleistung der Antragstellerin zu 2) geregelt wird, diese Absenkung für den Zeitraum von April bis Juni 2008 umsetzt, d.h. die Leistungshöhe um 62,00 EUR absenkt, ist dieser insoweit rechtswidrig. Die aufschiebende Wirkung ist insoweit anzuordnen.
Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen den Sanktionsbescheid vom 19.03.2008 gegenüber dem Antragsteller zu 3) (Beschränkung des Arbeistslosengeldes II auf die Leistung nach § 22 SGB II) ist unbegründet. Zur Begründung wird auf die Ausführungen des SG verwiesen, die der Senat sich nach Prüfung zu eigen macht (§ 142 Abs. 2 S. 3 SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Der Beschluss ist mit der Beschwerde nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Erstellt am: 07.12.2009
Zuletzt verändert am: 07.12.2009