Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Sozialgerichts Köln vom 22.02.2012 aufgehoben. Der Antrag der Antragstellerin auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt. Kosten haben die Beteiligten einander in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Streitig ist die einstweilige Verpflichtung des Antragsgegners, einen Mietrückstand der Antragstellerin auszugleichen bzw. dieser hierzu ein Darlehen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) zu gewähren.
Die 1977 geborene Antragstellerin lebte bis 16.01.2012 mit ihren 2001, 2005, 2007 und 2009 geborenen Kindern C, B, M und P in einer Wohnung unter der Anschrift C 0a, 50000 L. Sie bezogen als Bedarfsgemeinschaft von dem Antragsgegner Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II.
Am 14.11. bzw. 18.11.2011 beantragte die Antragstellerin bei dem Antragsgegner ein Darlehen zur Tilgung von Mietrückständen gegenüber ihrem Vermieter, dem WC1, in Höhe von 951,20 Euro. Mit weiterem Schreiben vom 13.12.2011 beantragte sie die Übernahme der Heiz- und Nebenkostenabrechnung des Vermieters für den Nutzungszeitraum 2010 in Höhe von 1.905,53 Euro und zeigte an, dass sie hinsichtlich der Richtigkeit der Berechnungen Einwendungen geltend gemacht habe.
Mit Schreiben vom 12.01.2012 kündigte der WC1 der Antragstellerin gem. § 543 Abs. 2 Nr. 3 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) wegen eines Mietrückstandes von zwischenzeitlich 3.481,26 Euro fristlos und forderte die Räumung zum 03.02.2012.
Am 13.01.2012 hat die Antragstellerin beim Sozialgericht (SG) Köln einen Eilantrag auf Ausgleich des Mietrückstandes, hilfsweise auf Darlehensgewährung gestellt, damit die Wohnung ihr und den Kindern erhalten bleiben könne.
Am 16.01.2012 sind die Kinder der Antragstellerin vom Jugendamt entzogen worden. Hiergegen hat die Antragstellerin am 24.01.2012 Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zur Rückführung der Kinder beim Amtsgericht Kerpen – Familiengericht – gestellt. Gegen den vom Amtsgericht Kerpen erlassenen Beschluss ist nach derzeitigen Kenntnisstand eine Beschwerde beim OLG Köln anhängig.
Auf Bitte des Sozialgerichts hat der WC1 die Frist zur Räumung der Wohnung bzw. zur Zusage des vollständigen Ausgleichs des Mietkontos mit Schreiben vom 01.02.2012 bis zum 15.02.2012 verlängert und auf eine telefonische Anfrage vom 14.02.2012 mitgeteilt, dass bis zur Erhebung der Räumungsklage noch eine weitere Woche zugewartet werden könne.
Das SG hat den Antragsgegner mit Beschluss vom 22.02.2012 verpflichtet, der Antragstellerin ein Darlehen in Höhe von 1.575,73 Euro zur Tilgung der bei dem WC1 als Vermieter entstandenen Mietrückstände der Grundmiete durch Überweisung unmittelbar an den Vermieter zu gewähren. Ein entsprechender Anordnungsanspruch ergebe sich aus § 22 Abs. 8 SGB II. Im vorliegenden Fall sei eine Notwendigkeit zur Schuldenübernahme gegeben, da die Antragstellerin eine drohende Wohnungslosigkeit hinreichend glaubhaft gemacht habe. Der Vermieter habe allein aufgrund des Einwirkens durch das Gericht davon abgesehen, die Räumungsklage bereits zu erheben. Es sei auch nicht davon auszugehen, dass eine unangemessene Wohnung erhalten werden solle, weil zumindest nicht ausgeschlossen erscheine, dass die Kinder der Antragstellerin wieder zugeführt würden. Ein der Darlehensgewährung entgegenstehendes missbräuchliches Verhalten der Antragstellerin mit gezielter Herbeiführung von Mietrückständen sei zumindest nach den im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes vorliegenden Tatsachen nicht erkennbar. Hinsichtlich der bestehenden Schulden aus der Nebenkostenabrechnung in Höhe von 1.905,53 Euro sei ein Anordnungsgrund nicht hinreichend glaubhaft gemacht. Wie sich insbesondere aus dem Schreiben des Vermieters vom 18.01.2012 ergebe, werde die fristlose Kündigung allein auf die bestehenden Mietschulden in Höhe von 1.575,73 Euro gestützt, so dass bei Ausgleich dieses Betrages davon auszugehen sei, dass an der fristlosen Kündigung nicht festgehalten werde.
Gegen den ihm am 23.02.2012 zugestellten Beschluss hat der Antragsgegner am selben Tag Beschwerde eingelegt und die Aussetzung der Vollziehung gem. § 199 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beantragt. Letzterem Antrag ist mit Beschluss des Senatsvorsitzenden vom 29.02.2012 stattgegeben worden. Der Antragsgegner ist der Auffassung, dass die Verpflichtung zur Erbringung eines Darlehens in Höhe von 1.575,73 Euro die Gefahr des Wohnungsverlustes weder ausschließe noch reduziere, da der Vermieter einen "vollständigen Ausgleich" des Mietrückstandes gefordert habe. Eine vollständige Übernahme der Mietschulden komme aber bereits deshalb nicht in Betracht, weil die Rechtmäßigkeit der Nebenforderungen derzeit – auch nach Auffassung der Antragstellerin – als ungeklärt anzusehen sei. Im Übrigen seien die Kosten der Wohnung auch unangemessen und die Wohnung daher nicht erhaltenswert. Die Antragstellerin wohne derzeit allein in der 96 qm großen Wohnung und es sei unklar, ob und wann die Kinder zu ihr zurückkehren würden. Für die Verpflichtung zur Übernahme von Schulden könne nicht lediglich die Möglichkeit der Rückkehr genügen. Schließlich liege auch eine Räumungsklage bislang nicht vor, so dass nach der aktuellen Rechtsprechung des Landessozialgerichts ohnehin noch nicht von einem Anordnungsgrund ausgegangen werden könne.
Auf den Hinweis der Berichterstatterin, dass eine Eilbedürftigkeit bei Verfahren um Kosten der Unterkunft nach der ständigen Rechtsprechung auch des erkennenden Senats erst dann bestehe, wenn eine Räumungsklage anhängig sei, hat die Antragstellerin mitgeteilt, dass sie nicht beim Vermieter anrufen und diesen bitten könne, Räumungsklage einzureichen. Dies sei eine schwer hinnehmbare Rechtsprechung, weil sie darauf abziele, Kosten zu produzieren, die ggf. vermeidbar seien, Probleme nicht löse und mit anderen Entscheidungen anderer Senate der Landessozialgerichte in der Bundesrepublik nicht in Einklang zu bringen sei. Notfalls werde das Bundesverfassungsgericht angerufen. Es sei auch zu berücksichtigen, dass allein das rechtswidrige Verwaltungshandeln des Antragsgegners den fristlosen Kündigungsgrund erst geschaffen habe. Im Verfahren des Eilrechtsschutzes müsse es für die Annahme von Eilbedürftigkeit genügen, wenn der Vermieter allein aufgrund der Bitte des Sozialgerichts noch keine Räumungsklage erhoben habe.
Der Antragsgegner beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts Köln vom 22.02.2012 zu ändern und den Antrag der Antragstellerin auf Ausgleich der Mietrückstände, hilfsweise Gewährung eines Darlehens, abzulehnen.
Die Antragstellerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie sieht den angefochtenen Beschluss als zutreffend an.
Zu den weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Prozessakten und der vom Antragsgegner übersandten Verwaltungsakten Bezug genommen. Dieser ist Gegenstand der Beratung gewesen.
II.
Die Beschwerde ist zulässig und begründet. Das Sozialgericht hat den Antragsgegner zu Unrecht im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, der Antragstellerin ein Darlehen in Höhe von 1.575,73 Euro zur Tilgung der beim WC1 als Vermieter entstandenen Mietschulden zu gewähren.
Die Antragstellerin hat keinen Anspruch auf einstweilige Verpflichtung des Antragsgegners zur Gewährung eines entsprechenden Darlehens.
Nach § 86b Abs. 2 S. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung we¬sentlicher Nachteile nötig erscheint. Das von Antragstellerseite geltend gemachte Recht (sog. Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit, d.h. die Dringlichkeit, die Angelegenheit sofort vor einer Entscheidung in der Hauptsache vorläufig zu regeln (sog. Anordnungsgrund), sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 S. 4 SGG in Verbindung mit § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO)). Glaubhaftmachung bedeutet, dass die tatsächlichen Voraussetzungen eines geltend gemachten Umstands als überwiegend wahrscheinlich dargelegt werden (vgl. BSG, Beschluss vom 08.08.2001, B 9 V 23/01 B Rn 5 in SozR 3-3900 § 15 Nr. 4).
Ob ein Anordnungsanspruch vorliegt, ist in der Regel durch summarische Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache zu ermitteln. Können ohne die Gewährung von Eilrechtsschutz jedoch schwere und unzumutbare Nachteile entstehen, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären, ist eine abschließende Prüfung erforderlich (BVerfG, Beschluss vom 12.05.2005, 1 BvR 569/05 Rn 24 f. in Breith 2005, 803). Liegt ein Anordnungsanspruch nicht vor, ist ein schützenswertes Recht zu verneinen und der Eilantrag abzulehnen. Hat die Hauptsache hingegen offensichtlich Aussicht auf Erfolg, ist dem Eilantrag stattzugeben, wenn die Angelegenheit eine gewisse Eilbedürftigkeit aufweist. Bei offenem Ausgang muss eine umfassende Folgenabwägung, die die grundrechtlichen Belange des Antragstellers umfassend einstellt, erfolgen (BVerfG, a.a.O.; vgl. auch Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl. 2008, § 86b Rn 29, 29a).
Die besondere Eilbedürftigkeit, die den Anordnungsgrund kennzeichnet, ist zu bejahen, wenn dem Antragsteller bei Versagung des einstweiligen Rechtsschutzes eine erhebliche, über Randbereiche hinausgehende Verletzung in seinen Rechten droht, die durch eine der Klage stattgebende Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr beseitigt werden kann, es sei denn, dass ausnahmsweise überwiegende, besonders gewichtige Gründe entgegenstehen (BVerfG, Beschluss vom 16.05.1995, 1 BvR 1087/91 Rn. 28 in BVerfGE 93, 1 ff.).
Hiervon ausgehend sind vorliegend die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung hinsichtlich der begehrten Übernahme von Mietrückständen nicht erfüllt. Dabei kann dahinstehen, ob ein Anordnungsanspruch bereits dann angenommen werden kann, wenn eine Prognose zum Ob und ggf. zum Wann der Rückführung der Kinder nach der derzeitigen Aktenlage nicht möglich ist und der Erhalt der Wohnung für die Antragstellerin allein wegen Unangemessenheit nicht in Betracht kommt.
Jedenfalls hat die Antragstellerin einen Anordnungsgrund nicht glaubhaft gemacht. In einem auf die Gewährung laufender Leistungen für Unterkunft und Heizung gerichteten Verfahren ist ein Anordnungsgrund regelmäßig erst dann gegeben, wenn konkrete Wohnungslosigkeit droht (ständige Rechtsprechung des erkennenden Senats, vgl. z.B. Beschluss vom 13.01.2012 – L 12 AS 2084/11 B ER; Beschluss vom 25.11.2011 – L 12 AS 1831/11 B E; ebenso z.B. LSG NRW, Beschluss vom 02.05.2011 – L 6 AS 2215/10 B; Beschluss vom 27.11.2008 – L 9 B 183/08 AS ER). Dies ist grundsätzlich nicht bereits dann der Fall, wenn eine Kündigung des Vermieters wegen Mietverzugs ernsthaft erwartet werden muss oder bereits vorliegt oder der Vermieter eine Räumungsklage angedroht hat. Allein diese Umstände begründen zwar die Vermutung, dass womöglich in näherer oder weiterer Zukunft Wohnungslosigkeit drohen könnte; sie führen hingegen in der Regel nicht dazu, dass der Leistungsberechtigte bereits mit konkreter, d.h. tatsächlich und ernsthaft (kurz) bevorstehender Wohnungslosigkeit rechnen muss. Solch konkrete Wohnungslosigkeit droht regelmäßig dann, wenn der Vermieter Räumungsklage erhoben hat (ständige Rechtsprechung des erkennenden Senats vgl. z.B. Beschluss vom 13.01.2012 – L 12 AS 2084/11 B ER; Beschluss vom 21.12.2011 – L 12 AS 1469/11 B ER m.w.N.; LSG NRW Beschluss vom 12.01.2012 – L 19 AS 1781/11 B ER; weitergehend LSG Berlin-Brandenburg Beschluss vom 25.11.2010 – L 5 AS 2025/10 B ER: erst bei Räumungsandrohung), weil der Mieter einer Wohnung nach den gesetzlichen Bestimmungen des Zivilprozessrechts (zwangsweise) erst dann aus der Wohnung gewiesen werden kann, wenn der Vermieter einen vollstreckbaren Räumungstitel gegen ihn erworben hat (§ 704 Zivilprozessordnung). Bei (bloßer) Kündigung oder Klageandrohung ist in der Regel noch nicht ausreichend klar, ob der Vermieter tatsächlich zu einer Räumung als letztem Mittel der Wahl greifen würde oder ob Kündigung bzw. Klageandrohung nicht vielmehr (zunächst) dem Zweck dienen, den Mieter mit höchstem Nachdruck zur Erfüllung seiner Mietpflichten zu bewegen. Die Erhebung einer Räumungsklage hingegen indiziert – insbesondere auch im Hinblick auf den hierfür regelmäßig vom Vermieter zunächst zu entrichtenden Kostenvorschuss – dessen ernsthafte Absicht, den Mieter wegen der Mietschulden tatsächlich auch zwangsweise aus der Wohnung zu entfernen bzw. entfernen zu lassen. Erhebt der Vermieter des Leistungsberechtigten gegen diesen – zu Recht – eine Klage auf Räumung des Wohnraums nach §§ 543 Abs. 1, Abs. 2 S. 1 Nr. 3, 569 Abs. 3 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), so kann der Räumungstitel vom Leistungsberechtigten nicht mehr verhindert werden, wenn es diesem nicht gelingt, die Rückstände gem. § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB entweder selbst auszugleichen oder eine Verpflichtung des Leistungsträgers zum Ausgleich zu erlangen. Anders als noch vor Klageerhebung ist nach Rechtshängigkeit der Klage kein weiteres aktives Handeln des Vermieters mehr erforderlich, um einen Räumungstitel und damit die Berechtigung zu erlangen, Wohnungslosigkeit des Mieters unmittelbar herbeizuführen (vgl. auch LSG NRW Beschluss vom 16.09.2010 – L 6 AS 949/10 B ER). Entsprechend droht ab diesem Zeitpunkt ernsthaft und konkret zeitnah absehbar für den Leistungsberechtigten der Verlust des Mietobjekts, wenn nicht eine Befriedigung des Vermieters innerhalb von 2 Monaten ab Rechtshängigkeit der Räumungsklage (§ 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB) erfolgt. Diese drohende Konsequenz spiegelt auch die Vorschrift des § 22 Abs. 9 SGB II in der Fassung des Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des SGB II und SGB XII vom 24.03.2011 wider, die aus diesem Grund eine Mitteilungspflicht der Amtsgerichte an die Leistungsträger über entsprechende Klageeingänge normiert. Weigert sich der Leistungsträger, die Befriedigung des Vermieters vorzunehmen, so würde ohne Eilentscheidung des Gerichts über die Frage der Eintrittspflicht eine Räumung möglich und damit Nachteile für den Leistungsberechtigten eintreten, die im Hauptsacheverfahren nicht mehr behoben werden könnten. Bis zu einer solchen Räumungsklage ist es dem Leistungsberechtigten aus den o.g. Gründen hingegen zumutbar, zunächst ein Hauptsacheverfahren zu betreiben. Eine besondere Eilbedürftigkeit vor Rechtshängigkeit einer Räumungsklage ergibt sich auch nicht daraus, dass der Leistungsberechtigte die Kosten des gegen ihn angestrengten zivilgerichtlichen Räumungsverfahrens nach dem Veranlassungsprinzip auch dann zu tragen hat, wenn der Leistungsträger im sozialgerichtlichen Eilverfahren zur vorläufigen Befriedigung des Vermieters verpflichtet wird. Bei diesen Kosten handelt es sich nicht um Nachteile, die sich im Hauptsacheverfahren nicht wieder gutmachen ließen. Hat der Leistungsträger die Zahlung der ausstehenden Mieten rechtswidrig verweigert, so ist er im Hauptsacheverfahren auf Antrag des Leistungsberechtigten zur Zahlung dieser Mieten und darüber hinaus zur Übernahme der dem Leistungsberechtigten durch die Leistungsverweigerung entstandenen weiteren Kosten, d.h. konkret der Kosten des zivilgerichtlichen Räumungsverfahrens zu verurteilen. Dies entspricht der im Sozialversicherungsrecht als Ausdruck eines allgemeinen Rechtsgedankens geltenden Pflicht zur Erstattung der Kosten, die im Fall rechtswidriger Leistungsablehnung angefallen sind (vgl. Löns/Herold-Tews/Boerner, SGB II, 3. Aufl. 2011, § 22 Rn 128 unter Verweis auf BSG Urteil vom 17.06.2010 – B 14 AS 58/09 R Rn 21 – BSGE 106, 190).
Im vorliegenden Fall ist eine Räumungsklage von der Antragstellerin bisher nicht behauptet worden. Vielmehr hat sie geltend gemacht, dass es nicht ihr bzw. ihrer Bevollmächtigten zugemutet werden könne, beim Vermieter anzurufen und diesen um eine entsprechende kostenproduzierende Maßnahme zu bitten. Fehlt es aber an einer Räumungsklage, so kann ein Anordnungsgrund damit nicht als glaubhaft angesehen werden.
Soweit die Antragstellerin die Auffassung vertritt, dass eine Eilbedürftigkeit hier deshalb anzunehmen sei, weil der Vermieter die angedrohte Räumungsklage (allein) aufgrund einer Bitte des Sozialgerichts aufgeschoben habe, so vermag dies nicht zu einem anderen Ergebnis zu führen. Allein die Androhung einer Räumungsklage begründet – wie bereits ausgeführt – noch keine konkrete, d.h. tatsächlich und ernsthaft (kurz) bevorstehende Wohnungslosigkeit, weil der Vermieter für eine Räumung einen vollstreckbaren Räumungstitel benötigt, den er erst nach der tatsächlichen Erhebung der Räumungsklage erlangen kann. Nach Auffassung des erkennenden Senats trägt das Erfordernis einer Räumungsklage für Bedarfe der Unterkunft, die im Rahmen von Eilverfahren geltend gemacht werden, dem Bedürfnis nach einer klaren Regelung unter Abwägung der Interessen des Antragstellers am Erhalt der Wohnung einerseits und der Notwendigkeit, nur solche Verfahren als eilbedürftig vorzuziehen, bei denen ansonsten nicht wieder gut zu machende Nachteile entstünden, Rechnung. In diese Abwägung sind wie oben erläutert auch die – von der Antragstellerin angesprochenen – durch die Räumungsklage entstehenden Kosten einbezogen worden.
Soweit die Antragstellerin geltend macht, die Mietrückstände müssten bereits deshalb vom Antragsgegner ausgeglichen werden, weil er es gewesen sei, der mangels rechtzeitigen Ausgleichs den Kündigungsgrund herbeigeführt habe, ist dies gleichfalls im vorliegenden Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes unbeachtlich. Scheitert die Gewährung von Eilrechtsschutz am fehlenden Anordnungsgrund, kann die eventuelle Rechtswidrigkeit der Leistungsverweigerung (allein) im Hauptsacheverfahren zur Überprüfung gestellt werden.
Ob es für die Antragstellerin in einer auf die Zukunft gerichteten gesamtwirtschaftlichen Betrachtung sinnvoll ist, den Eilantrag nach einer ggf. erhobenen Räumungsklage trotz der erheblichen – weit über die Hauptmietkosten hinausgehenden – Mietrückstände erneut zu stellen, wird diese unter Berücksichtigung einer sorgfältigen Prüfung durch ihre Bevollmächtigte zu entscheiden haben.
Die Kostenentscheidung folgt aus der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Der Beschluss ist nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht anfechtbar (§ 177 SGG).
Erstellt am: 05.04.2012
Zuletzt verändert am: 05.04.2012