Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Sozialgerichts Köln vom 12.02.2015 wird zurückgewiesen. Der Antragsgegner trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin für das Beschwerdeverfahren.
Gründe:
Die zulässige Beschwerde des Antragsgegners und Beschwerdeführers ist unbegründet. Das Sozialgericht hat den Antragsgegner zu Recht dazu verpflichtet, der Antragstellerin ab dem 10.12.2014 bis zum 31.05.2015 vorläufige Regelleistungen zu gewähren.
Die Antragstellerin hat ab Eingang des Eilantrags beim Sozialgericht am 10.12.2014 unter Berücksichtigung ihrer grundrechtlichen Belange nach Folgenabwägung einen Anspruch auf Gewährung vorläufiger Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in der Form des Regelbedarfs.
Der Senat nimmt diesbezüglich zur Vermeidung von Wiederholungen nach eigener Prüfung der Sach- und Rechtslage zunächst auf die zutreffenden Ausführungen des Sozialgerichts in dem angefochtenen Beschluss Bezug (§ 142 Abs. 2 Satz 3 SGG) und verweist ergänzend auf seinen Beschluss vom 16.04.2015 in dem Verfahren L 2 SF 94/15 ER, mit dem der Antrag auf Aussetzung der Vollstreckung aus der einstweiligen Anordnung vom 12.02.2015 abgelehnt worden ist.
Der Senat geht insbesondere weiterhin davon aus, dass Eilbedürftigkeit im Sinne eines Anordnungsgrundes vorliegt, weil die Antragstellerin glaubhaft vorgetragen und durch Kontoauszüge belegt hat, über kein ausreichendes eigenes Einkommen sowie Vermögen zur Sicherung ihres Lebensunterhalts zu verfügen.
Ob ein Anordnungsanspruch vorliegt, vermag der Senat im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nicht abschließend zu entscheiden. Im vorliegenden Verfahren spricht aber viel dafür, dass der von der Antragstellerin glaubhaft gemachte grundsätzliche Leistungsanspruch gem. § 20 SGB II nicht gem. § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II ausgeschlossen ist. In einem solchen Fall ist anhand einer Folgenabwägung zu entscheiden, die die grundrechtlichen Belange der Antragstellerin umfassend berücksichtigt (BVerfG Beschlüsse vom 12.05.2005 – 1 BvR 569/05 juris Rn. 25, vom 06.02.2013 – 1 BvR 2366/12 juris Rn. 2 f. und vom 06.08.2014 – 1 BvR 1453/12 juris Rn. 9 f.).
Die Antragstellerin hält sich zum Zwecke der Arbeitssuche in der Bundesrepublik auf und erfüllt damit als polnische Staatsangehörige die Tatbestandsvoraussetzungen des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II. Es bestehen aber erhebliche Zweifel daran, dass der Leistungsausschluss in ihrem Fall europarechtskonform ist, weil sie durch die in der Vergangenheit von ihr ausgeübten Tätigkeiten eine Verbindung zum Arbeitsmarkt hergestellt hat.
Die Antragstellerin hält sich bereits seit 2011 in der Bundesrepublik Deutschland auf. Sie war hier in der Zeit vom 01.04.2012 bis zum 31.08.2012 versicherungspflichtig sowie vom 25.10.2012 bis zum 15.08.2013 als Serviererin vollzeitig und versicherungspflichtig beschäftigt. Im Juli und August 2014 erzielte sie Einkünfte aus einer geringfügigen Beschäftigung in Höhe von monatlich 80,- Euro. Seit Januar 2015 übt sie erneut eine angemeldete geringfügige Beschäftigung aus. Der Nettoverdienst für Februar 2015 betrug 67,37 Euro und für März 70,77 Euro. Die Antragstellerin hat darüber hinaus glaubhaft gemacht, sich regelmäßig im Gastronomiebereich um Arbeitsstellen beworben zu haben, und ist seit Juli 2014 bei der Agentur für Arbeit L als arbeitsuchend gemeldet.
Die Antragstellerin gehört damit zu einem Personenkreis, der mit dem den Vorlagebeschluss des Bundessozialgerichts (BSG) vom 12.12.2013 (EuGH-Vorlage – B 4 AS 9/13 R in Sachen B, juris) betreffenden Personenkreis vergleichbar ist. Auch die dortigen Klägerinnen waren in verschiedenen kürzeren Beschäftigungen von weniger als einem Jahr tätig und im Anschluss daran arbeitsuchend. Für diesen Personenkreis der EU-Ausländer, die bereits in den Arbeitsmarkt eingetreten sind und sich nunmehr (erneut) auf Arbeitsuche befinden, kann aber unter Berücksichtigung der Schlussanträge des Generalanwalts in dem Verfahren B (EuGH, Schlussanträge vom 26.03.2015, C-67/14, Celex-Nr. 62014CC0067, juris)) ein automatischer Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II gegen das Unionsrecht verstoßen. Bei ihnen muss individuell geprüft werden, ob durch eine konkrete Beschäftigungssuche (weiterhin) eine Verbindung zu dem Aufnehmemitgliedstaat besteht.
Da der Senat im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nicht abschließend beurteilen kann, ob die von der Antragstellerin glaubhaft gemachte Arbeitssuche hierzu als ausreichend angesehen werden kann, hierfür aber – auch unter Berücksichtigung der jedenfalls zeitweise ausgeübten geringfügigen Tätigkeiten einiges spricht -, ist im Rahmen der Folgenabwägung eine einstweiligen Regelung zugunsten der Antragstellerin zu treffen. Ohne die beantragten Leistungen drohen ihr existentielle Nachteile, die sie aus eigener Kraft nicht abwenden könnte. Demgegenüber hat der Antragsgegner "nur" finanzielle Nachteile zu erwarten, wenn die Antragstellerin im Hauptsacheverfahren mit ihrem Begehren nicht durchdringen sollte. Der Antragstellerin sind daher zu Recht vorläufige Leistungen in Höhe des Regelbedarfs bewilligt worden. Da die von ihr für die Monate Januar und Februar 2015 erzeilten Verdienste für eine geringfügige Aushilfstätigkeit von ca. 70,- Euro noch deutlich unterhalb des allgemeinen Grundfreibetrages bei Erwerbstätigkeit nach § 11b Abs. 2 Satz 1 SGB II liegen, hat der Senat davon abgesehen, den Beschluss des Sozialgerichts insoweit abzuändern und diese Beträge als Einkommen zu berücksichtigen.
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Erstellt am: 27.05.2015
Zuletzt verändert am: 27.05.2015