Die Beschwerde der Kläger gegen den Beschluss des Sozialgerichts Detmold vom 16.05.2012 wird zurückgewiesen.
Gründe:
I.
Die Kläger wenden sich gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe für ihre Klage auf Gewährung von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch – Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) ohne Anrechnung von Elterngeld nach dem Bundeselterngeldgesetz (BEEG).
Die Kläger zu 1) und 2) sind irakische Staatsbürger, Inhaber einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 2 des Aufenthaltsgesetzes (Kl. 1) bzw. § 30 des Aufenthaltsgesetzes mit Gestattung einer Erwerbstätigkeit (Kl. 2). Sie leben in Bedarfsgemeinschaft mit ihren gemeinsamen Kindern, den Klägern zu 3) bis 6). Sie beziehen Leistungen nach dem SGB II, die ihnen mit Bescheid vom 03.12.2010 für die Zeit vom 01.01.2011 bis 30.06.2011 unter Anrechnung des für den Kläger zu 6) bezogenen Elterngeldes – nach Abzug einer Versicherungspauschale – als Einkommen der Klägerin zu 2) bewilligt wurden.
Dieser hatte die Stadt C – Elterngeldkasse – mit Bescheid vom 10.09.2010 für die Betreuung ihres am 00.00.2010 geborenen Kindes, des Klägers zu 6), für die Zeit vom 06.09.2010 bis zum 05.03.2011 i.H.v. 375,00 EUR, für den Folgezeitraum bis zum 05.09.2011 i.H.v. 300,00 EUR monatlich Elterngeld bewilligt.
Gegen die Anrechnung des Elterngeldes als Einkommen der Klägerin zu 2) haben die Kläger durch ihren Prozessbevollmächtigten am 28.12.2010 Widerspruch eingelegt, der Beklagte diesen – nach Erteilung eines Änderungsbescheides vom 18.02.2011 wegen veränderter Unterkunftsaufwendungen – mit Bescheid vom 16.03.2011 zurückgewiesen und mit weiterem Änderungsbescheid vom 26.03.2011 die Höhe der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts rückwirkend zum 01.01.2011 angepasst.
Die am 19.04.2011 erhobene Klage, für die Prozesskostenhilfe begehrt wird, haben die Kläger durch ihren Prozessbevollmächtigten mit verfassungsrechtlichen Bedenken hinsichtlich der Anrechnung von Elterngeld auf Leistungen der Grundsicherung nach dem SGB II begründet.
Mit Beschluss vom 16.05.2012, auf dessen Begründung Bezug genommen wird, hat das Sozialgericht den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wegen fehlender hinreichender Erfolgsaussicht der beabsichtigten Rechtsverfolgung nach §§ 73a des Sozialgerichtsgesetzes (SGG), 114 der Zivilprozessordnung (ZPO) abgelehnt.
Gegen den am 29.05.2012 zugestellten Beschluss haben die Kläger am 29.06.2012 Beschwerde eingelegt, jedoch trotz Ankündigung und mehrfacher Erinnerung nicht begründet.
Zu Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde ist unbegründet.
Zu Recht hat das Sozialgericht den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung nicht die hierfür erforderliche hinreichende Erfolgsaussicht i.S.v. §§ 73a SGG, 114 ZPO aufweist.
Die Klage ist – nach summarischer Prüfung – unbegründet.
Den Klägern stehen für den streitigen Zeitraum vom 01.01.2011 bis 31.05.2011 auch unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, wonach bei einem Streit um höhere Leistungen grundsätzlich alle Anspruchsvoraussetzungen dem Grunde und der Höhe nach zu prüfen sind (vgl. dazu BSG Urteil vom 06.04.2011 – B 4 AS 119/10 R = juris Rn.32 m.w.N.), keine höheren Leistungen zu. Bedenken gegen die Höhe des vom Beklagten ermittelten Bedarfs der Kläger sind nach summarischer Prüfung weder im Hinblick auch die übernommen Kosten für Unterkunft und Heizung noch im Hinblick auf die zugrunde gelegten Regelbedarfe ersichtlich und werden auch nicht geltend gemacht.
Zu Recht hat der Beklagte auch das bezogene Elterngeld abzüglich einer Versicherungspauschale in Höhe von 30,00 EUR als Einkommen berücksichtigt.
Gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II in der hier maßgeblichen Fassung sind im Rahmen der Gewährung von Leistungen nach dem SGB II als Einkommen Einnahmen in Geld oder Geldeswert abzüglich der nach § 11b SGB II abzusetzenden Beträge mit Ausnahme der in § 11a SGB II genannten Einnahmen zu berücksichtigen.
Nach § 11 Abs. 3a SGB II in der aufgrund des Gesetzes zur Einführung des Elterngeldes vom 5. Dezember 2006 (BGBl I 2748) vom 1. Januar 2007 bis zum 31. Dezember 2010 geltenden Fassung wurde jedoch abweichend von den Absätzen 1 bis 3 lediglich der Teil des Elterngeldes, der die nach § 10 des Gesetzes zum Elterngeld und zur Elternzeit (Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz – BEEG) anrechnungsfreien Beträge übersteigt, in voller Höhe berücksichtigt. § 10 BEEG normierte in seiner vom 1. Januar 2007 bis zum 31. Dezember 2010 geltenden Fassung einen anrechnungsfreien Betrag in Höhe von 300,00 EUR. In dieser Höhe blieben Leistungen nach dem BEEG im Rahmen des SGB II anrechnungsfrei (vgl. zur Rechtslage bis zum 31.12.2010, Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen Urteil v. 25.05.2011 – L 13 AS 90/09).
Durch Artikel 14 des Haushaltsbegleitgesetzes 2011 (HBeglG 2011) vom 09.12.2010 (BGBl I 1885) ist dem § 10 BEEG mit Wirkung vom 01.01.2011 folgender Absatz 5 angefügt worden:
"Die Absätze 1 bis 4 gelten nicht bei Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch, dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch und § 6a des Bundeskindergeldgesetzes. Bei den in Satz 1 bezeichneten Leistungen bleibt das Elterngeld in Höhe des nach § 2 Absatz 1 berücksichtigten durchschnittlich erzielten Einkommens aus Erwerbstätigkeit vor der Geburt bis zu 300 Euro im Monat als Einkommen unberücksichtigt. In den Fällen des § 6 Satz 2 verringern sich die Beträge nach Satz 2 um die Hälfte."
Zur Begründung hat der Bundesrat ausgeführt (BR-Drs. 532/10, S. 61 f.):
"Die Aufhebung der Anrechnungsfreiheit des Elterngeldes beim Bezug von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch – SGB II – (Arbeitslosengeld II), nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch – SGB XII – und nach § 6a des Bundeskindergeldgesetzes – BKGG – (Kinderzuschlag) trägt dem Umstand Rechnung, dass der Bedarf des betreuenden Elternteils und der des Kindes im System der Grundsicherung durch die Regelsätze und die Zusatzleistungen, gegebenenfalls einschließlich des Mehrbedarfszuschlags für Alleinerziehende, umfassend gesichert ist und dem betreuenden Elternteil eine Erwerbstätigkeit nicht zugemutet wird. Die vorübergehende Übernahme der Betreuung des Kindes wird daher auch in diesen weitergehenden Leistungssystemen unterstützt. Die Berücksichtigung des Elterngeldes bei der Berechnung der genannten Leistungen ist daher auch in den Wirkungen vertretbar. Bei der Berechnung der Leistungen nach dem SGB II, dem SGB XII und nach § 6a BKGG wird grundsätzlich jedes Einkommen angerechnet. Insofern ist die Freistellung von bestimmten Einnahmen, wie zum Beispiel Elterngeldzahlungen, jeweils besonders rechtfertigungsbedürftig. Eine solche Rechtfertigung ist etwa bei den Erwerbstätigenfreibeträgen gegeben, mit denen ein Anreiz zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit gewährleistet werden soll. Die vollständige Berücksichtigung des Elterngeldes im System der Grundsicherung vermeidet gerade auch im Vergleich der Berechtigten untereinander die Relativierung der durch die Erwerbstätigenfreibeträge bezweckten Anreizwirkung. und führt damit auch zu einer stärkeren Konturierung des differenzierten Anreiz- und Unterstützungssystems in der Grundsicherung."
Durch Artikel 15 HBeglG 2011 wurde entsprechend § 11 Abs. 3a SGB II aufgehoben.
In der Gesetzesbegründung (BT-Drs 17/3030, S. 49) heißt es hierzu:
"Nach § 10 Absatz 5 des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes (BEEG) in der ab dem 1. Januar 2011 geltenden Fassung werden das Elterngeld und vergleichbare Leistungen der Länder sowie die nach § 3 BEEG auf das Elterngeld angerechneten Leistungen bei der Berechnung der Leistungen nach dem SGB II (Arbeitslosengeld II), dem SGB XII (Sozialhilfe) und § 6a des Bundeskindergeldgesetzes (Kinderzuschlag) in vollem Umfang berücksichtigt. Die im SGB II enthaltene besondere Regelung zu den den anrechnungsfreien Anteil dieser Leistungen übersteigenden Beträgen verliert damit ab Inkrafttreten der Neuregelung im BEEG am 1. Januar 2011 ihre Bedeutung und ist deshalb aufzuheben."
Auf Grundlage dieser zum 01.01.2011 in Kraft getretenen Änderungen hat der Beklagte somit zu Recht das Elterngeld in voller Höhe – abzüglich der Versicherungspauschale von 30,00 EUR – als Einkommen abgezogen (so auch LSG NRW, Beschluss vom 04.01.2012 – L12 AS 2089/11 B).
Die von den Klägern geltend gemachten Einwände greifen nicht durch.
Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der Neuregelungen bestehen – unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur leistungsmindernden Anrechnung von Kindergeld auf Leistungen nach dem SGB II (vgl. BVerfG Nichtannahmebeschluss vom 11.03.2010 – 1 BvR 3163/09 = NJW 2010, 1803 f. = juris) – nicht. Insbesondere ist Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem rechtsstaatlichen Grundsatz des Vertrauensschutzes (vgl. hierzu etwa BVerfG Beschluss vom 22.05.2001 – 1 BvL 4/96 = BVerfGE 103, 392 ff. = juris Rn. 39) nicht verletzt. Gesetzesänderungen, die – wie vorliegend – mit Wirkung für die Zukunft in bestehende Rechtspositionen eingreifen, sind verfassungsrechtlich grundsätzlich zulässig und genügen dann dem rechtsstaatlichen Vertrauensschutzprinzip, wenn das schutzwürdige Bestandsinteresse des Einzelnen die gesetzlich verfolgten Gemeinwohlinteressen bei der gebotenen Interessenabwägung nicht überwiegt (BVerfG Urteil vom 23.11.1999 – 1 BvF 1/94 = BVerfGE 101, 239 ff. = juris Rn 96; BVerfG Beschluss vom 22.05.2001 – 1 BvL 4/96 = BVerfGE 103, 392 ff. = juris Rn 39 ff.). Die vom Gesetzgeber avisierte "stärkere Konturierung des differenzierten Anreiz- und Unterstützungssystems in der Grundsicherung" (BR-Drs. 532/10, S. 62) genügt diesen Anforderungen auch.
Auch das Gleichheitsgebot des Art. 3 GG ist durch die Regelung und die Anwendung der Norm durch den Beklagten nicht verletzt. Eine Verletzung läge nur dann vor, wenn der Gesetzgeber eine Gruppe von Normadressaten anders als eine andere behandelt, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen. Hierbei ist er bei der Ordnung von Massenerscheinungen jedoch grundsätzlich berechtigt, typisierende und pauschalierende Regelungen zu treffen, ohne allein wegen der damit verbundenen Härten gegen den allgemeinen Gleichheitssatz zu verstoßen (st. Rspr. des BVerfG, vgl. BVerfG Beschluss vom 22.05.2001 – 1 BvL 4/96 = BVerfGE 103, 392 ff = juris Rn 39 ff mwN). Eine nach vorstehenden Kriterien willkürliche Ungleichbehandlung von wesentlich Gleichem liegt hier nicht vor. Hinsichtlich der Zahlung des Elterngeld werden alle elterngeldberechtigten Personen ebenso gleichbehandelt, wie hinsichtlich der Anrechnung der Leistungen auf das SGB II aller mit ihren Kindern in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen (vgl. LSG NRW Beschluss vom 04.01.2012 – L 12 AS 2089/11 B).
Eine Verletzung des Grundrechts nach Art. 6 Abs. 1 GG, der Ehe und Familie unter den besonderen Schutz des Staates stellt, durch die Anrechnung des Elterngeldes ist ebenfalls nicht ersichtlich (vgl. BVerfG Nichtannahmebeschluss vom 11.03.2010 – 1 BvR 3163/09 = NJW 2010, 1803 f; vgl. dazu auch SG Marburg Urteil vom 12.08.2011 – S 8 AS 169/11).
Nach alledem ist die von den Klägern aufgeworfene Rechtsfrage der Verfassungswidrigkeit sowohl durch Wortlaut und Gesetzesmaterialien als auch die in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts entwickelten Rechtsgrundsätze geklärt (vgl. bereits Beschlüsse des Senats vom 02.04.2012 – L 19 AS 57/12 B und vom 18.04.2012 – L 19 AS 2012/11 B).
Kosten des Beschwerdeverfahrens nach Ablehnung von Prozesskostenhilfe sind entsprechend § 127 Abs. 4 ZPO nicht zu erstatten.
Dieser Beschluss ist endgültig, § 177 SGG.
Erstellt am: 20.12.2012
Zuletzt verändert am: 20.12.2012