Auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 01.02.2006 abgeändert und die Berufung zugelassen. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens folgen der Kostenentscheidung in der Hauptsache. Dem Kläger wird für das Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt O, F beigeordnet.
Gründe:
Streitig in der Hauptsache ist die Höhe der dem Kläger nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) zustehenden Heizkosten.
Wegen des Tatbestandes wird zunächst Bezug genommen auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils.
Mit Urteil vom 01.02.2006 hat das Sozialgericht die Beklagte verurteilt, dem Kläger ab dem 01.10.2005 weiterhin die mietvertraglich vereinbarten Heizkostenpauschale von 65,99 EUR (statt 44, 30 EUR) zu zahlen. Unangemessenheit von Heizkosten liege nur bei unsachgemäßer Bedienung der Heizanlage oder verschwenderischem Heizverhalten vor. Die von der Beklagten der Beurteilung der Angemessenheit zu Grunde gelegte Dienstwohnungsverordnung (DWVO) des Bundesministeriums der Finanzen sei als Grundlage der Beurteilung der Angemessenheit nicht geeignet. Zwar lägen die tatsächlichen Kosten auch über den maßgeblichen Werten des ortsnächsten (Aachener) Heizspiegels. Angesichts der vom Kläger geschilderten baulichen Verhältnisse ergäben sich aber keine Anhaltspunkte für unwirtschaftliches Verhalten. Die mietvertraglich vereinbarten Abschlagszahlungen seien daher angemessen.
Zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde vom 08.03.2006 hat die Beklagte darauf hingewiesen, sie mache die DWVO ausnahmslos zur Grundlage ihrer Entscheidungen. Das Verwaltungsgericht Sigmaringen habe mit Urteil vom 04.02.1999 (2 K 1203/97) entschieden, dass die DWVO bei der Bemessung einmaliger Leistungen für Heizung herangezogen werden könne. Die Beklagte übernehme die Werte auch nicht pauschal, sondern berücksichtige zum einen die Entwicklung der Preise auf dem Energiemarkt und zudem Angaben in von den Vermietern ausgefüllten Mietbescheinigungen über Alter und Zustand der Wohnungen. Die sich daraus ergebenden Werte lägen – auf den jeweiligen Isolierungszustand der Wohnung bezogen – etwa über dem Betriebs- und Heizkostenspiegel des Deutschen Mieterbundes. Das Sozialgericht mache es sich zu einfach, wenn es die Verbrauchswerte des vergangenen Jahres heranziehe, ohne zu wissen, ob der Kläger verschwenderisch oder unwirtschaftlich geheizt habe. Ihre in tausenden Fällen praktizierte Verfahrensweise zur Feststellung der Angemessenheit von Heizkosten im Sinne des § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II bedürfe der grundsätzlichen gerichtlichen Überprüfung.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 01.02.2006 zuzulassen.
Der Kläger beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Er hält eine grundsätzliche Bedeutung nicht für gegeben. Im Übrigen habe die Beklagte bereits den Zustand und das Alter der Wohnung nicht zutreffend erfasst bzw. erfassen können, weil die Angaben in der Mietbescheinigung z.T. nicht zuträfen bzw. Besonderheiten schlichtweg nicht berücksichtigt worden seien.
II.
Die gemäß § 145 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Beschwerde ist begründet. Das Sozialgericht hat die Berufung nicht zugelassen. Sie bedarf der Zulassung, da der Wert des Beschwerdegegenstandes 500 EUR nicht übersteigt (Bewilligungszeitraum: 01.10.2005 – 31.03.2006). Entgegen der nicht näher begründeten und allein aus einer Korrektur der ursprünglichen Rechtsmittelbelehrung ersichtlichen Auffassung des SG ist die Berufung zuzulassen.
Dies ergibt sich aus § 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache.
Der Begriff der Angemessenheit von Heizkosten ist im SGB II nicht definiert (vgl. Lang in: Eicher/Spellbrink, SGB II, § 22 RdNr. 6). Von der Verordnungsermächtigung des § 27 Nr. 2 SGB II hat der Verordnungsgeber bisher keinen Gebrauch gemacht. Die Rechtsprechung der Sozialgerichte hat sich bisher – soweit ersichtlich – weit überwiegend in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes mit der Frage befassen müssen, wie der unbestimmte Rechtsbegriff durch den Rechtsanwender auszufüllen ist. Der Senat hat sich in einem Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes bereits für eine stark einzelfallbezogene Betrachtungsweise ausgesprochen (vgl. Beschluss des Senats vom 24.05.2006 – L 20 B 84/06 AS ER; vgl. auch Lang, a.a.O., § 22 RdNr. 46; Berlit in: LPK-SGB II, § 22 RdNr. 51). In dem genannten Verfahren war Antragsgegnerin wie in weiteren nicht streitig beendeten Verfahren die hiesige Beklagte, die sich wie hier auf die Werte der DWVO mit jeweiliger Möglichkeit der Berücksichtigung von Besonderheiten durch Vergabe von Mängelpunkten nach den Angaben in Mietbescheinigungen berufen hat.
Der unbestimmte Rechtsbegriff der Angemessenheit von Heizkosten und die hierzu durch die Beklagte grundsätzlich praktizierte Verfahrensweise bedürfen der sozialgerichtlichen Überprüfung. Der Rechtssache misst der Senat daher grundsätzliche Bedeutung bei.
Das Verfahren wird als Berufungsverfahren fortgesetzt (§ 145 Abs. 5 SGG).
Die Prozesskostenbewilligung ergibt sich aus § 119 Abs. 1 Satz 2 Zivilprozessordnung und erstreckt sich auch auf das Berufungsverfahren (vgl. Meyer-Ladewig in: Meyer-Ladewig u. a., SGG, 8. Auflage, § 145 RdNr. 12).
Die Entscheidungen sind unanfechtbar (§ 177 Sozialgerichtsgesetz [SGG]).
Erstellt am: 14.06.2006
Zuletzt verändert am: 14.06.2006