Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 26.08.1997 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Gewährung von Altersruhegeld unter Anerkennung von in Rumänien zurückgelegten Beitragszeiten. Streitig ist insoweit lediglich noch die frühere Zugehörigkeit des Klägers zum deutschen Sprach- und Kulturkreis (dSK).
Der am …1925 in Borsa bei Maramuris (Rumänien) geborene Kläger ist jüdischer Abstammung und anerkannter Verfolgter im Sinne des Bundesentschädigungsgesetzes (BEG). Bis zum Jahre 1944 lebte er in seinem Geburtsort. Dort besuchte er von 1932 bis 1938 oder 1939 die Volksschule. Vom …1944 bis zum …1945 war er nationalsozialistischen Verfolgungsmaßnahmen ausgesetzt. Für diese Zeit hat er wegen eines Freiheitsschadens eine Entschädigung erhalten. Im Dezember 1946 wanderte er nach Israel aus und erwarb die israelische Staatsangehörigkeit.
Am 07.06.1990 beantragte der Kläger die Gewährung von Altersruhegeld. Er gab unter Vorlage schriftlicher Erklärungen der Zeugen … und … an, von … 1940 bis … 1944 als Sägereiarbeiter in der staatlichen Holzsägerei in …, Rumänien, versicherungspflichtig gearbeitet zu haben. In dem Fragebogen zur Zugehörigkeit zum dSK erklärte der Kläger, bis zur Auswanderung Deutsch und Rumänisch in Wort und Schrift beherrscht zu haben. Die Frage, ob er im Herkunftsland die jiddische Sprache gesprochen habe, verneinte er. Im persönlichen Lebensbereich (in der Familie) habe er immer überwiegend die deutsche Sprache verwendet. Außerhalb der Familie sei ab 1933 überwiegend die rumänische Sprache gebraucht worden. Seine Eltern hätten im persönlichen Lebensbereich ebenfalls überwiegend Deutsch gesprochen. Darüber hinaus hätten sie die rumänische und ungarische Sprache beherrscht. Auf der Rückseite des von dem Kläger ausgefüllten Fragebogens befindet sich ein handschriftlicher Lebenslauf in deutscher Sprache.
Die Beklagte zog daraufhin vom Amt für Wiedergutmachung in Saarburg die über den Kläger und die Zeugin … geführten Entschädigungsakten bei.
Ferner veranlasste sie eine Sprachprüfung des Klägers, die am 01.09.1992 beim Israelischen Finanzministerium in Tel Aviv durchgeführt wurde. Dort gab der Kläger an, er habe bis zum Beginn der Verfolgung bzw. bis zur Auswanderung mit Familienangehörigen und Bekannten Deutsch, daneben Rumänisch gesprochen. Unterrichtssprache in der Volksschule, die er von 1932 bis 1938 besucht habe, sei Rumänisch gewesen. In seinem abschließenden Bericht führte der Sprachprüfer aus, der Kläger spreche Deutsch fließend und ungezwungen und lese Deutsch mit vollem Verständnis. Allerdings beherrsche er die deutsche Schriftsprache nicht. Der Kläger sei in einer kinderreichen armen Familie aufgewachsen. Bücher seien selten gekauft worden. Er und seine Geschwister hätten lediglich die Volksschule besucht und schon im frühen Alter zum Erhalt der Familie beitragen müssen. Zusammenfassend kam der Sprachprüfer zu dem Ergebnis, dass der Kläger bis zur Verfolgung dem dSK überwiegend angehört habe.
Die Zeugen … und … erklärten auf Anfrage schriftlich, dass im Elternhaus des Klägers Deutsch als Muttersprache gesprochen worden sei. Der Zeuge … erklärte darüber hinaus, der Kläger habe im persönlichen Lebensbereich überwiegend Deutsch gesprochen. Die Zeugin … erklärte, mit dem Kläger nur Deutsch gesprochen zu haben.
Das Israelische Finanzministerium teilte unter dem 23.04.1995 mit, der Kläger habe im Rahmen des 1960 angestrengten Verfahrens auf Bewilligung einer Rente nach dem israelischen Gesetz für Invaliden der NS-Verfolgung die hebräische und jiddische Sprache als Muttersprache angegeben.
Mit Bescheid vom 04.08.1995 lehnte die Beklagte die Gewährung von Altersruhegeld mit der Begründung ab, dass der Kläger keine in der deutschen Rentenversicherung anrechenbaren Zeiten zurückgelegt habe. Die behaupteten Beitragszeiten seien nicht auf die Wartezeit anzurechnen, weil der Kläger unter Berücksichtigung seiner Angaben beim Amt für Invalidenrehabilitation sowie der Tatsache, dass er die deutsche Schriftsprache nicht beherrsche, nicht glaubhaft gemacht habe, in dem nach § 20 des Gesetzes zur Regelung der Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts in der Sozialversicherung (WGSVG) bzw. § 17a Fremdrentengesetz (FRG) maßgeblichen Zeitpunkt dem dSK angehört zu haben.
Zur Begründung seines gegen diesen Bescheid fristgerecht eingelegten Widerspruchs machte der Kläger geltend, dass das Nichtbeherrschen der deutschen Schriftsprache nicht die Ablehnung der Zugehörigkeit zum dSK rechtfertige. Bezüglich seiner Angaben im Verfahren für Invalidenrehabilitation erklärte er, dass ihm seinerzeit von dem zu ständigen Amt nahegelegt worden sei, Deutsch als Muttersprache nicht anzugeben.
Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 30.11.1995 zurückgewiesen.
Mit seiner am 13.12.1995 beim Sozialgericht Düsseldorf erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren weiterverfolgt und auf das positive Ergebnis der Sprachprüfung verwiesen.
Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom …1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom …1995 zu verurteilen, unter Zugrundelegung einer Pflichtbeitragszeit von Juli 1940 bis März 1944 und einer sich anschließenden Ersatzzeit Altersruhegeld zu bewilligen.
Die Beklagte hat erstinstanzlich beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat die Auffassung vertreten, dass der Kläger zwar die behauptete Beitragszeit von … 1940 bis … 1944 sowie diverse Ersatzzeiten, nicht hingegen seine frühere Zugehörigkeit zum dSK glaubhaft gemacht habe.
Im Rahmen der Beweisaufnahme hat das Sozialgericht vom Amt für Wiedergutmachung in Saarburg die Entschädigungsakten bzgl. des Klägers, seiner Schwester …, geb. am …1930, sowie seiner Ehefrau …, die er 1957 geheiratet hatte, beigezogen.
Aus der die Schwester des Klägers betreffenden Entschädigungsakte ergibt sich, dass diese in einer eidesstattlichen Erklärung vom …1965 angegeben hat, vor dem Krieg mit ihren Eltern und neun Geschwistern in … gewohnt zu haben. Ihr Vater sei Angestellter gewesen und sein Einkommen habe es ermöglicht, der Familie ein sorgenloses Leben bieten zu können. Eine Frau namens … bestätigte in dem Verfahren der Schwester in einer eidlichen Erklärung vom …1965, dass der Vater von … Angestellter war und die Familie dank seines Einkommens in geordneten Verhältnissen lebte.
Ferner hat das Sozialgericht eine Auskunft der Heimatauskunftsstelle Rumänien beim Landesausgleichsamt Bayern eingeholt. Danach bekannten sich anlässlich der Volkszählung im Jahr 1930 von insgesamt 11.230 Einwohnern … ca. 8.000 zum rumänischen, ca. 2.500 zum jüdischen und 106 zum deutschen Volkstum. Als Muttersprache hätten damals ca. 8.000 Personen Rumänisch, 2.500 Jiddisch und 96 Deutsch angegeben. Im Jahre 1941 hätten sich von 12.294 Einwohnern … ca. 8.200 als Rumänen, 2.200 als Juden und 29 als Deutsche bezeichnet. Ca. 9.000 Einwohner hätten als Muttersprache Rumänisch, ca. 2.300 als Mutter sprache Jiddisch und 31 als Muttersprache Deutsch angegeben. In der Gemeinde … und Umgebung habe es niemals Lehranstalten mit deutscher Unterrichtssprache, deutschsprachige Vereine oder deutsche Gottesdienste gegeben.
Anfragen an den Internationalen Suchdienst und das Finanzministerium in Tel Aviv bzgl. des Klägers, seiner Schwester und seiner Ehefrau über deren Angaben im Rahmen des Verfahrens nach dem Gesetz über die Invaliden der NS-Verfolgung ergaben keine neuen Erkenntnisse.
Mit Einverständnis der Beteiligten hat das Sozialgericht die Klage mit Urteil vom 26.08.1997 ohne mündliche Verhandlung im wesentlichen mit der Begründung abgewiesen, dass der Kläger seine frühere Zugehörigkeit zum dSK nicht glaubhaft gemacht habe. Er sei mehrsprachig aufgewachsen, habe aber nicht überwiegend die deutsche Sprache verwendet, da er nicht Deutsch schreiben könne. Im übrigen habe die von der Heimatauskunftsstelle eingeholte Auskunft ergeben, dass in dem Heimatort des Klägers im Jahre 1930 nur 96 Personen und im Jahre 1941 nur 31 Personen Deutsch als Muttersprache verwendeten.
Gegen das ihm am 17.09.1997 zugestellte Urteil hat der Kläger am 14.10.1997 Berufung eingelegt. Er hat ergänzend vorgetragen, entgegen seinen Angaben im Rahmen der Sprachprüfung die deutsche Schriftsprache zu beherrschen. Er habe damals das Gegenteil behauptet, weil er sich geschämt habe, fehlerhaft zu schreiben. Er habe nur die Volksschule besuchen dürfen und bereits im frühen Alter begonnen zu arbeiten. Sein Vater habe ihm beigebracht, Deutsch zu lesen und zu schreiben. Obwohl er eine Schule mit rumänischer Unterrichtsprache besucht habe, könne er auch diese Sprache nicht mehr schreiben, denn er habe seit Ausbruch des Krieges weder Deutsch noch Rumänisch geschrieben.
Zur Stützung seines Begehrens hat der Kläger einen kurzen, handschriftlichen Text in deutscher Sprache sowie diverse ärztliche Unterlagen über seinen Gesundheitszustand vorgelegt. Dieser erschwere ihm das Anfertigen von Schriftproben zusätzlich. Im Übrigen habe die gesamte Bevölkerung Borsas die deutsche Sprache beherrscht.
Der Kläger hat schriftsätzlich sinngemäß beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 26.08.1997 aufzuheben und nach dem Klageantrag zu erkennen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hat das angefochtene Urteil für zutreffend gehalten.
Mit Urteil vom 11.11.1998 hat der Senat die Berufung zurückgewiesen, weil keine auf die Wartezeit anrechenbaren Versicherungszeiten vorhanden seien. Nach dem Gesamtergebnis der Ermittlungen bestehe keine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür, dass der Kläger zu Beginn der Verfolgung im April 1944 dem dSK angehört habe. Für die Zugehörigkeit zum dSK sei der Gebrauch der deutschen Sprache von ausschlaggebender Bedeutung, wobei zum Beherrschen der Sprache auch das Lesen und Schreiben gehöre. Ob der Kläger zum Zeitpunkt des Verfolgungsbeginns die deutsche Sprache auch in Schriftform beherrscht habe, sei zweifelhaft. Möglichkeiten, die durch die Angaben des Klägers insoweit aufgetretenen Widersprüche zu klären, seien nicht erkennbar. Hierauf komme es jedoch nicht entscheidend an, weil andere gewichtige Gesichtspunkte gegen eine Zugehörigkeit des Klägers zum dSK sprächen. Aufgrund der durchlaufenen, nicht ganz einfachen Schulausbildung sei davon auszugehen, dass er die rumänische Sprache in Wort und Schrift beherrscht habe. Dies spreche dafür, dass Kultur und Weltbild dem Kläger durch die rumänische Sprache zumindest in dem gleichen Umfang wie durch die deutsche Sprache vermittelt worden seien. Es erscheine glaubhaft, dass er von Seiten seines Elternhauses deutschsprachigen Einflüssen ausgesetzt gewesen sei; doch sei davon auszugehen, dass diese Einflüsse im Laufe der Zeit bis zum Verfolgungsbeginn immer geringer geworden seien. Umstände, die den Kläger weiter am Gebrauch der deutschen Sprache hätten festhalten lassen, seien weder ersichtlich noch vorgetragen worden. Die Erklärungen der Zeugen P … und F … stellten nur auf den Sprachgebrauch im Elternhaus ab. Es könne aber nicht unberücksichtigt bleiben, dass der Kläger als Heranwachsender selbstverständlich auch den sprachlichen Einflüssen der Umgebung ausgesetzt gewesen sei. Auch wenn seine Eltern oder Großeltern noch dem dSK angehört hätten, sei dies aufgrund der geschilderten Umstände für den Kläger nicht mit der erforderlichen überwiegenden Wahrscheinlichkeit anzunehmen.
Auf die Revision des Klägers hat das Bundessozialgericht (Az: B 13 RJ 59/99 R) das Urteil des Senats mit Urteil vom 23.03.2000 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen. In den Entscheidungsgründen ist ausgeführt, dass die Tatsachenfeststellungen des Senats keine abschließende Beurteilung zu der Frage erlaubten, ob die damalige Beherrschung und der Gebrauch der deutschen Sprache durch den Kläger ausreichten, um ihn dem dSK zuzurechnen. So bedürfe es im Hinblick auf die mangelnden Schreibkenntnisse des Klägers näherer Feststellungen darüber, ob für ihn überhaupt eine Möglichkeit bestanden habe, die deutsche Schriftsprache zu erlernen. Auch fehlten nähere Feststellungen zur Beherrschung und Verwendung der deutschen Sprache im Übrigen. Allein der Umstand, dass der Kläger außerhalb des Elternhauses die rumänische Sprache benutzt haben möge, stehe der Zugehörigkeit zum dSK nicht unbedingt entgegen. Dies gelte vor allem dann, wenn eine nur kleine deutsche Minderheit im fremdsprachigen Umfeld gelebt habe und der Kläger von daher bei den Kontakten zu diesem Umfeld auf den Gebrauch der fremden Sprache angewiesen gewesen sei. Andererseits könne vorliegend im Hinblick auf den von der Heimatauskunftsstelle mitgeteilten geringen Bevölkerungsanteil, der sich im Heimatort des Klägers zum deutsche Sprachtum bekannt habe, allein aus dem Beherrschen der deutschen Sprache nicht zwingend auf die Zugehörigkeit zum dSK geschlossen werden.
Der Kläger fühlt sich durch die Ausführungen des Bundessozialgerichts in seiner Auffassung bestätigt und beantragt,
die Beklagte unter Änderung des Urteils des Sozialgerichts Düsseldorf vom 26.08.1997 und Aufhebung des Bescheides vom 04.08.1995 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 30.11.1995 zu verurteilen, ihm Altersruhegeld auf den Rentenantrag vom …1990 unter Anerkennung von Fremdbeitragszeiten von … 1940 bis … 1944 und eventuell bestehende Verfolgungsersatzzeiten vom …1944 bis …1945, vom …1945 bis …1946 und am …1947 nach einer eventuell erforderlichen Nachentrichtung nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Senat hat ergänzend die Zeugen … und … ( …) … im Wege der Rechtshilfe durch das israelische Friedensgericht in Tel Aviv vernehmen und den Kläger anhören lassen.
Der Kläger hat dort ausgesagt, er habe Deutsch lesen und schreiben können. Darüber hinaus habe er Rumänisch schreiben und lesen und Ungarisch sprechen können. Die deutsche Sprache habe er von seinen Eltern gelernt. Außerdem habe er Deutsch in der Schule und von den deutschen Einwohnern in … gelernt. Die Unterrichtssprache in der Schule sei Rumänisch gewesen. Deutsch sei dort als zweite Sprache unterrichtet worden. Im Elternhaus habe er hauptsächlich die deutsche Sprache gesprochen, außerdem auch Rumänisch. Hausaufgaben habe er auf Rumänisch und Deutsch gemacht. Auch seine Geschwister hätten die deutsche und rumänische Sprache beherrscht. Mit seinen Freunden habe er hauptsächlich Deutsch und außerdem Rumänisch, mit den Nachbarn und Bekannten Deutsch, Rumänisch und in geringerem Maße auch Ungarisch gesprochen. Schriftliche Aufzeichnungen privater Natur habe er in rumänischer und deutscher Sprache verfasst.
Der Zeuge F … hat erklärt, ebenso wie der Kläger die Volksschule in Borsa besucht zu haben. Die Unterrichtssprache sei damals Rumänisch gewesen. Der Kläger habe in der deutschen Sprache Privatunterricht erhalten. Er (der Zeuge) habe Deutsch bei dem gleichen Privatlehrer gelernt wie der Kläger. Er wisse nicht, ob die deutsche Sprache auch im Rahmen des Unterrichts an der Schule gelehrt worden sei, weil er die höheren Klassen nicht erreicht habe.
Der Kläger habe Deutsch sprechen, lesen und schreiben können. Darüber hinaus habe er Rumänisch, Ungarisch und Jiddisch sprechen können. Mit seinen Eltern und Geschwistern habe der Kläger hauptsächlich Deutsch, daneben auch Jiddisch gesprochen. Die Geschwister des Klägers untereinander hätten im Elternhaus hauptsächlich Deutsch und außerdem Jiddisch gesprochen. Der Kläger habe Deutsch und Jiddisch sprechende Freunde gehabt und mit jedem in dessen eigener Sprache gesprochen. Mit Nachbarn habe er Deutsch, Rumänisch, Jiddisch und Ungarisch gesprochen, je nachdem, welche Sprache diese gesprochen hätten.
Die Zeugin P … W … hat erklärt, in der gleichen Straße gewohnt zu haben wie die Familie des Klägers. Im Elternhaus des Klägers sei Deutsch gesprochen worden. Seine Eltern und Geschwister hätten Deutsch lesen und schreiben können. Wie umfangreich die Kenntnisse der Geschwister gewesen seien, wisse sie allerdings nicht. Ob der Kläger Deutsch habe lesen und schreiben können, wisse sie nicht. Im weiteren Verlauf der Vernehmung hat sie insoweit jedoch angegeben, sich lediglich daran zu erinnern, dass er in deutscher Sprache gelesen habe. Auch wisse sie nicht, ob der Kläger außer Deutsch noch andere Sprachen habe sprechen können. Sie könne sich nicht erinnern, in welcher Sprache sich der Kläger im Elternhaus sowie mit Freunden, Schulkollegen, Nachbarn und sonstigen Personen verständigt habe.
Die darüber hinaus beabsichtigte Vernehmung der Zeugin L … P … konnte nicht erfolgen, weil diese nicht ausfindig gemacht werden konnte.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten, der beigezogenen Streitakten des Bundessozialgerichts – Az: B 13 RJ 59/99 R) -, der Verwaltungsakten der Beklagten sowie der Entschädigungsakten bzgl. des Klägers und der Zeugin L … P … verwiesen. Diese sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet.
Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten vom 04.08.1995 und 30.11.1995 sind rechtmäßig. Die Beklagte hat zutreffend entschieden, dass dem Kläger kein Anspruch auf Altersruhegeld zusteht.
Der Rentenanspruch des Klägers richtet sich noch nach den Vorschriften der Reichsversicherungsordnung (RVO) in der bis zum 31.12.1991 geltenden Fassung, weil der Kläger auch Leistungen für die Zeit vor dem 01.01.1992 (Inkrafttreten des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuchs – SGB VI -) begehrt und den entsprechenden Rentenantrag bereits vor diesem Zeitpunkt gestellt hat (vgl. § 300 Abs.2 SGB VI).
Gemäß dem danach anzuwendenden § 1248 Abs.5 RVO erhält Altersruhegeld ein Versicherter, der das 65. Lebensjahr vollendet und die Wartezeit nach § 1247 Abs.7 S.3 RVO erfüllt hat. Auf die Wartezeit werden neben Beitragszeiten auch Ersatzzeiten angerechnet (§ 1250 Abs.1 Buchst. a und b RVO).
Eine Anrechnung der vom Kläger in Rumänien zurückgelegten Versicherungszeiten nach §§ 15, 16 Fremdrentengesetz (FRG) kommt nicht in Betracht. Nach §§ 15, 16 FRG sind ausländische Beitrags- und Beschäftigungszeiten nur für diejenigen Personen zu berücksichtigen, die in § 1 FRG aufgeführt sind oder die dem dort genannten Personenkreis gemäß § 17 a FRG oder § 20 WGSVG gleichzustellen sind.
Diese Voraussetzungen erfüllt der Kläger nicht. Er fällt nicht unter die in § 1 FRG aufgeführten Personen, ist insbesondere kein Vertriebener. Eine Anwendung der §§ 15, 16 FRG über § 17a FRG bzw. § 20 WGSVG kann schon deshalb nicht erfolgen, weil der Kläger nicht im Sinne der § 4 Abs.1 FRG, § 3 Abs.1 WGSVG glaubhaft gemacht hat, zum Zeitpunkt des Verlassens des Vertreibungsgebietes bzw. des Verfolgungsbeginns dem deutschen Sprach- und Kulturkreis angehört zu haben.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (vgl. z.B. Urteile vom 10.03.1999 – B 13 RJ 87/97 R – und vom 11.05.1999 – B 13 RJ 11/99 R – m.w.N.) kommt es für die Zugehörigkeit zum dSK vorrangig auf die Sprache an. Danach kann ein Verfolgter bei Mehrsprachigkeit dem dSK zugerechnet werden, wenn er die deutsche Sprache wie eine Muttersprache beherrscht und sie in seinem persönlichen Lebensbereich, der in erster Linie die Sphäre von Ehe und Familie, aber auch den Freundeskreis und Berufsbereich umfasst, überwiegend verwendet hat.
Unter Zugrundelegung des positiven Ergebnisses der im Jahre 1992 beim Israelischen Finanzministerium durchgeführten Sprachprüfung geht der Senat davon aus, dass der Kläger die deutsche Sprache in dem hier maßgeblichen Zeitpunkt jedenfalls in mündlicher Form wie eine Muttersprache beherrscht hat. Fraglich ist jedoch, ob seine nur unzulänglichen Kenntnisse der deutschen Schriftsprache eine Zugehörigkeit zum dSK zulassen und ein überwiegender Gebrauch der deutschen Sprache im persönlichen Lebensbereich glaubhaft gemacht worden ist.
Allerdings gehört das Beherrschen der deutschen Schriftsprache nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (vgl. z.B. Urteil vom 10.03.1999 – B 13 RJ 83/98 R -) nicht zu den objektiven Mindestanforderungen einer Zugehörigkeit zum dSK. Maßgeblich ist vielmehr eine Gesamtwürdigung der Umstände des Einzelfalles. Danach kommt es insbesondere auf den Bildungsgrad des Verfolgten und – wie das Bundessozialgericht vorliegend erneut festgestellt hat – darauf an, ob eine zumutbare Möglichkeit bestand, die deutsche Schriftsprache zu erlernen.
Nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens bezweifelt der Senat jedoch, dass der Kläger keine Möglichkeit hatte, die deutsche Schriftsprache zu erlernen. Zwar gab es in Borsa ausweislich der Auskunft der Heimatauskunftsstelle keine deutsche Volksschule. Der Versuch des Klägers zu erklären, aus welchen Gründen er die deutsche Schriftsprache nicht im privaten Bereich erlernen konnte, lässt jedoch Zweifel aufkommen. Sein Vortrag, in einer armen Familie aufgewachsen zu sein, in der selten Bücher gekauft worden seien und in der er und seine Geschwister schon im frühen Alter zum Erhalt der Familie hätten beitragen müssen, steht nämlich den Angaben seiner Schwester P … K … in deren Entschädigungsverfahren entgegen. Diese hat dort im Jahre 1965 – bestätigt durch eine eidliche Erklärung von Rachel Kulwarski – in einer eidesstattlichen Erklärung angegeben, ihr Vater sei Angestellter gewesen und sein Einkommen habe es ermöglicht, der Familie ein sorgenloses Leben zu bieten. Darüber hinaus lässt sich der Erklärungsversuch des Klägers auch nicht mit den Angaben des Zeugen F … in Einklang bringen, der im Rahmen seiner persönlichen Vernehmung ausgesagt hat, ein Privatlehrer habe dem Kläger Deutschunterricht erteilt.
Entscheidend ist jedoch, dass jedenfalls nicht festgestellt werden kann, dass der Kläger in dem hier maßgeblichen Zeitpunkt die deutsche Sprache mündlich im familiären und persönlichen Lebensbereich überwiegend verwendet hat.
Die eigenen Angaben des Klägers sind nicht geeignet, den überwiegen den Gebrauch der deutschen Sprache im persönlichen Lebensbereich glaubhaft zu machen. Dieser hat zwar angegeben, im persönlichen Lebensbereich überwiegend Deutsch gesprochen zu haben. Seinen Angaben kommt insbesondere vor dem Hintergrund der Aussage des Zeugen F … jedoch keine entscheidende Überzeugungskraft zu. Der Zeuge F … hat im Rahmen seiner Vernehmung nämlich bekundet, der Kläger habe neben Deutsch, Rumänisch und Ungarisch auch Jiddisch gesprochen, während der Kläger selbst diese Sprache im gesamten Rentenverfahren nicht erwähnt hat. Im Rentenantrag hat er insoweit angegeben, bis zu seiner Auswanderung Deutsch und Rumänisch gesprochen zu haben. Auch im Rahmen seiner persönlichen Anhörung vor dem Friedensgericht in Tel Aviv hat er die jiddische Sprache nicht erwähnt und lediglich erklärt, Deutsch, Rumänisch und ein wenig Ungarisch gesprochen zu haben. In dem Fragebogen zur Zugehörigkeit zum dSK hat er die Frage, ob er im Herkunftsland Jiddisch gesprochen habe, sogar ausdrücklich verneint.
Die Zweifel des Senats an der Erklärung des Klägers, die jiddische Sprache nicht verwendet zu haben, verstärken sich noch aufgrund der Zusammensetzung der Bevölkerung in seinem Heimatgebiet. Unter Zugrundelegung der Auskunft der Heimatauskunftsstelle ist der Kläger in einem jiddisch-sprachigen Gebiet aufgewachsen. Ausweislich dieser Auskunft haben bei den Volkszählungen in den Jahren 1930 und 1941 nur sehr wenige Einwohner Deutsch als Muttersprache genannt. Hingegen hat ein erheblicher Teil Jiddisch als Muttersprache angegeben.
Vor diesem Hintergrund gewinnen auch die Angaben des Klägers gegen über der israelischen Rentenbehörde im Jahre 1960, seine Muttersprache sei Hebräisch und Jiddisch, an Bedeutung. Die nach dem Vortrag des Klägers im Rentenverfahren bewusste Wahrheitswidrigkeit dieser Angabe gegenüber den Behörden des eigenen Staates mag zwar angesichts der damals herrschenden Umstände für den Kläger opportun gewesen sein. Nach dem Gesamtergebnis der in diesem Rechtsstreit durchgeführten Beweisaufnahme sind jedoch keine Gründe ersichtlich, dass den jetzt im deutschen Rentenverfahren gemachten Angaben des Klägers zu seinem eigenen Sprachgebrauch ein höherer Beweiswert zu kommen soll als den damaligen Erklärungen.
Schließlich sind auch die Aussagen der Zeugen … und … zur Glaubhaftmachung des überwiegenden Gebrauchs der deutschen Sprache durch den Kläger nicht geeignet.
Die Aussage der Zeugin … ist insoweit unergiebig. Die Zeugin konnte sich weder daran erinnern, in welcher Sprache sich der Kläger im Elternhaus verständigte, noch konnte sie Angaben darüber machen, welche Sprachen der Kläger gegenüber Freunden, Schulkollegen, Nachbarn und sonstigen Personen verwendete.
Der Zeuge F … hat zwar im Rahmen seiner Vernehmung erklärt, der Kläger habe in seinem Elternhaus mit den Eltern und Geschwistern hauptsächlich Deutsch gesprochen. Es fehlen jedoch Angaben darüber, ob er sich auch mit Freunden und Bekannten im privaten Bereich überwiegend in der deutschen Sprache verständigt hat. Unter Berücksichtigung der aufgezeigten Zweifel an den eigenen Angaben des Klägers vermag im Übrigen allein die Aussage des Zeugen … eine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür, dass der Kläger die deutsche Sprache im persönlichen Bereich überwiegend verwendet hat, nicht zu begründen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG. Veranlassung, der Beklagten die dem Kläger entstandenen außergerichtlichen Kosten für das Revisionsverfahren aufzuerlegen, bestand nicht, weil die Klage letztlich erfolglos geblieben ist. Im Hinblick auf die unvollständigen Angaben des Klägers zu seinem Sprachgebrauch vermögen auch Billigkeitserwägungen eine (teilweise) Kostenerstattung nicht zu rechtfertigen.
Anlass, die Revision zuzulassen, bestand nicht, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs.2 SGG nicht erfüllt sind.
Erstellt am: 14.08.2003
Zuletzt verändert am: 14.08.2003