Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 20.11.2009 wird zurückgewiesen. Die Klage gegen den Bescheid vom 12.01.2011 wird abgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, welche Beiträge ab 01.01.2009 vom Kläger für die Aufstockungsversicherung mit Mehrleistungsanspruch zu zahlen sind.
Der am 00.00.1934 geborene Kläger ist bei der Beklagten aufgrund des Bezugs einer Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung (2009: 1216,48 Euro) in der Krankenversicherung der Rentner (KVdR) gegen das Risiko Krankheit versichert. Im Rahmen dieser Versicherung besteht für den Kläger eine Aufstockungsversicherung mit Mehrleistungsanspruch (Zwei-Bett-Zimmer-Behandlung und Chefarzt-Betreuung). Diese Mehrleistungen bei Krankenhausbehandlung sah die Satzung der Beklagten in der seinerzeit geltenden Fassung aufgrund der Ermächtigung in § 2 Abs. 1 der Verordnung über den weiteren Ausbau der knappschaftlichen Versicherung vom 19.05.1941 (Reichsgesetzblatt I S. 287) vor. Für Mitglieder der KVdR war neben dem allgemeinen Beitragssatz bis zum 31.12.2008 ein Beitragssatz von 4,5 % zu entrichten. Aufgrund dieser Regelung zahlte der Kläger zuletzt für den Monat Dezember 2008 einen Beitrag in Höhe von 54,74 Euro für den Mehrleistungsanspruch.
Anlässlich der Einführung eines einheitlichen Beitragssatzes für sämtliche Krankenkassen mit Wirkung ab 01.01.2009 und der damit verbundenen Errichtung des Gesundheitsfonds wurde das Mehrleistungssystem beendet. Es besteht nur noch für Mitglieder, die bereits zum 31.03.2007 Mehrleistungen in Anspruch nehmen konnten. Dementsprechend ordnet § 173 Abs. 2 a des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) an, das § Abs. 1 der Verordnung über den weiteren Ausbau der knappschaftlichen Versicherung nicht für Versicherte gilt, die nach dem 31.03.2007 Versicherte der Beklagten werden. Die Beklagte änderte daraufhin ihre Satzung (Beschluss der Vertreterversammlung vom 14.11.2008 – Genehmigung durch das Bundesversicherungsamt durch Bescheid vom 19.12.2008) und führte zur Finanzierung ihres Mehrleistungsanspruchs mit Wirkung ab dem 01.01.2009 ein Prämiensystem ein. Nach der Neufassung des 59 Abs. 5 der Satzung bestimmt sich die Prämienhöhe bei Rentnern, Rentenantragstellern sowie Mitgliedern ab Vollendung des 65. Lebensjahres nach den Einkommensverhältnissen der Versicherten. Hierbei hatte die Beklagte 500,- Euro-Staffeln festgelegt (Anlage 11 zu § 59 Abs. 5 der Satzung). Die Beklagte wies ihre Versicherten mit einem Rundschreiben aus November 2008 auf die bevorstehenden Änderungen hin. Der Kläger entschied sich für die uneingeschränkte Fortführung seines Mehrleistungsanspruchs im Rahmen der Aufstockungsversicherung.
Durch Bescheid vom 28.01.2009 stellte die Beklagte gegenüber dem Kläger die Höhe der für den Mehrleistungsanspruch zu zahlenden Prämie mit 77,11 Euro gemäß der Anlage 11 zu § 59 der Satzung fest.
Den dagegen unter dem 25.02.2009 eingelegten Widerspruch wies die Beklagte durch den Widerspruchsbescheid vom 27.05.2009 zurück.
Dagegen hat der Kläger am 06.04.2009 Klage vor dem Sozialgericht Duisburg erhoben.
Zur Begründung der Klage hat der Kläger vorgetragen, die Erhöhung der Prämie für den Mehrleistungsanspruch sei rechtswidrig; für ihn, der bereits am 31.03.2007 Anspruchsberechtigter hinsichtlich des Mehrleistungsanspruchs gewesen sei, bestehe Bestandsschutz. Insbesondere sei die Bemessung der Prämie nach Altersgruppen und Einkommensklassen rechtswidrig.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Prämienbescheides vom 28.01.2009 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 27.05.2009 zu verurteilen, seine Beiträge zum Mehrleistungssystem weiterhin auf der Basis von 4,5% vom Bruttorentenbetrag zu berechnen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen. Sie hat die angefochtenen Bescheide für rechtmäßig gehalten.
Das Sozialgericht hat die Klage durch Urteil vom 20.11.2009 abgewiesen. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe Bezug genommen
Gegen das ihm am 16.01.2010 zugestellte Urteil hat der Kläger bereits am 15.12.2009 Berufung eingelegt.
Er wiederholt sein Vorbringen aus dem erstinstanzlichen Verfahren und ergänzt: Er als Rentner werde gegenüber den aktiven Mitglieder durch die Verpflichtung, eine wesentlich höhere Prämie zahlen zu müssen, verfassungswidrig benachteiligt; dies stelle einen Verstoß gegen Art. 3 des Grundgesetzes (GG) dar.
Während des laufenden Streitverfahrens hat die Beklagte die Prämienhöhe durch den Bescheid vom 12.01.2011 auf 90,22 Euro (ohne den Prämienzuschlag für den mit versicherten Angehörigen) festgesetzt.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 20.11.2009 zu ändern und den Bescheid vom 26.01.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.05.2009 sowie den weiteren Bescheid vom 12.01.2011 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend.
Die Beklagte hat den Bescheid vom 28.01.2009 hinsichtlich des Monats Januar 2009 und den Bescheid vom 12.01.2011 hinsichtlich des Monats Januar 2011 aufgehoben.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird verwiesen auf den übrigen Inhalt der Streitakten sowie der Verwaltungsakten der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung und die Klage sind unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Denn der Kläger wird durch die angefochtenen Bescheide nicht i.S.d. § 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beschwert.
Gegenstand des Verfahrens ist nicht nur der Bescheid vom 26.01.2009 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 27.05.2009, sondern darüber hinaus auch der Bescheid vom 12.01.2011, mit dem die Beklagte die ab 01.01.2011 zu zahlende Prämie auf 90,22 Euro erhöht hat. Dieser Bescheid ist gemäß § 96 SGG Gegenstand des Verfahrens geworden, weil er für die Zeit ab 01.01.2011 eine neue Regelung – die Erhöhung der von dem Kläger zu entrichtenden monatlichen Prämien von 77,11 Euro auf 90,22 Euro – trifft und insofern den Bescheid vom 28.01.2009 geändert hat.
Der angefochtene Bescheid vom 26.01.2009 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 27.05.2009 findet seine Rechtfertigung in § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Diese Regelung bestimmt: Soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Eine Änderung in den rechtlichen Verhältnissen ist eingetreten, wenn die rechtliche Grundlage des Verwaltungsaktes geändert worden ist und der Änderung Geltung für den Verwaltungsakt zukommen soll. Derartige Änderungen können durch Gesetzesänderungen, Änderungen von Rechtsverordnungen und Satzungen sowie sonstiger – für den Erlass des Verwaltungsaktes bedeutsamer – Rechtsquellen verursacht werden (Schütze in: v. Wulffen, SGB X, 7. Aufl. 2010, § 48, Rdn. 10 m.w.N.). Wesentlich ist die Änderung, wenn der Verwaltungsakt nach den nunmehr eingetretenen rechtlichen Verhältnissen so, wie er ergangen ist, nicht mehr erlassen werden durfte (vgl. Schütze in: v. Wulffen, SGB X, 7. Aufl. 2010, § 48, Rdn. 12 m.w.N.). Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt.
Formelle Rechtmäßigkeit ist gegeben. Insbesondere hat die Beklagte den Kläger gemäß § 24 Abs. 1 SGB X angehört. Denn die Beklagte hat die Versicherten – also auch den Kläger – mit ihrem Rundschreiben aus November 2008 über die bevorstehenden Änderungen in Kenntnis gesetzt und insbesondere darüber informiert, dass ab 01.01.2009 für die Mehrleistung eine individuelle Prämie nach Einkommensklassen zu zahlen ist.
Der angefochtene Bescheid ist inhaltlich hinreichend bestimmt. Zwar wird insbesondere im Bereich des SGB II und SGB XII die Auffassung vertreten, dass im Falle der Rücknahme eines rechtswidrigen Bewilligungsbescheides im Verfügungssatz der betreffende Bescheid ausdrücklich zu benennen ist. Allerdings handelt es sich hier nicht um eine Rücknahme nach § 45 SGB X. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass der Kläger deutlich erkennen konnte, ab welchem Zeitpunkt welche Prämie von ihm verlangt wird und dies – wie sich dem geführten Schriftverkehr und dem Ablauf des Widerspruchsverfahrens entnehmen lässt – auch tatsächlich erkannt hat. Dies reicht in Konstellationen der vorliegenden Art für die Annahme eines hinreichend bestimmten Änderungsbescheides aus.
Auch materiell ist der angefochtene Bescheid nicht zu beanstanden.
Bedenken gegen die formelle Rechtmäßigkeit der durch Satzung für die Zeit ab 01.01.2009 beschlossenen Ausgestaltung des Mehrleistungssystems bestehen nicht. Die Vertreterversammlung der Beklagten hat die Satzungsänderung am 14.11.2008 beschlossen (§§ 33a Abs. 1 Satz 1, 31 Abs. 1 Satz 1 SGB IV). Das BVA als Aufsichtsbehörde hat die Satzung durch Bescheid 19.12.2008 genehmigt. Die Satzungsänderung wurde sodann öffentlich bekannt gemacht.
In den rechtlichen Verhältnissen, die dem Erlass des Beitragsbescheides unter der Geltung des bis zum 31.12.2008 in Kraft befindlichen Rechts zu Grunde lagen, ist mit der Neugestaltung der Finanzierung des Mehrleistungssystems durch § 59 Abs. 5 der Satzung i.V.m. den Anlagen 10 und 11 eine Änderung eingetreten, die es der Beklagten gestattet hat, die mit den angefochtenen Bescheiden geltend gemachten monatlichen Prämien zu erheben. Diese – letztlich auf § 173 Abs. 2a SGB V beruhende – Satzungsänderung mit Wirkung vom 01.01.2009 unterliegt keinen materiell-rechtlichen Bedenken. Denn die Satzungsregelungen verstoßen nicht gegen Grundrechte des Klägers.
Ein Verstoß gegen Art. 14 Abs. 1 GG (Eigentumsgarantie) ist nicht gegeben. Das Vermögen als solches ist durch Art. 14 Abs. 1 GG nicht gegen die Auferlegung öffentlich-rechtlicher Geldleistungspflichten geschützt, soweit es dadurch nicht zu einer grundlegenden Beeinträchtigung der Vermögensverhältnisse kommt. Diese Gefahr besteht hier nicht, weil es der Kläger selber in der Hand hat, seine Teilnahme am Mehrleistungssystem zu beenden. Vor dem Hintergrund, dass der Kläger bei einer monatlichen Prämie von 77,11 Euro im Jahr 2009 mit einem umgerechneten Beitragssatz von ca. 6,3 % zur Finanzierung ihres Mehrleistungsanspruchs herangezogen wird, ist es zwar offensichtlich, dass dies nicht unerhebliche Mehrbelastungen für ihn mit sich bringt. Zu berücksichtigen ist jedoch, dass pflichtversicherte Rentner bereits nach der bis zum 31.12.2008 geltenden Rechtslage einen Beitragssatz von 4,5 % zu tragen hatten. Dass die nunmehr von dem Kläger geforderte Prämie, für die er auch eine Gegenleistung in Form von Leistungen (Zweibettzimmer und Chefarztbehandlung) erhält, die üblicherweise nicht zum Leistungsgegenstand der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) gehören, keine erdrosselnde Wirkung entfaltet, liegt damit auf der Hand.
Ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG liegt ebenfalls nicht vor. Zwar werden durch die Satzungsregelungen die Prämien für Rentner, Rentenantragsteller und Mitglieder ab Vollendung des 65. Lebensjahres anders – und in der Regel höher – als für erwerbstätige Mitglieder vor Vollendung des 65. Lebensjahres berechnet. Dies findet aber seine sachliche Rechtfertigung darin, dass diese Personengruppe typischer Weise in höherem Maße Leistungen stationärer Krankenhausbehandlung in Anspruch nimmt und damit höhere Kosten als erwerbstätige Mitglieder verursacht. Diesem Umstand durfte die Beklagte durch die entsprechenden Satzungsregelungen Rechnung tragen. Schliesslich ist auch die Staffelung der Einkommensgruppen (in 500 Euro – Schritten nicht zu beanstanden. Es ist sachgerecht, dass die Beklagte insbesondere den ersten beiden Einkommensgruppen – relativ – hohe (im Vergleich zu den folgenden Einkommensgruppen) Prämien zugeordnet hat, weil den Mehrleistungen "Chefarztbehandlung" und "Zweibettzimmer" grundsätzlich zunächst einmal eine gewisse, bedeutsame Gegenleistung in Form der Prämie gegenüber gestellt werden muss. Dabei ist zu berücksichtigen, dass das Solidaritätsprinzip hier – wenn überhaupt – nur ganz geringe Wirkungen entfalten kann, weil es sich bei den Mehrleistungen nicht um medizinisch notwendige Leistungen im Sinne des § 12 SGB V handelt. Inbesondere dieser Gesichtspunkt erfordert es gerade nicht, dass dem Kläger zu Lasten Versicherter mit höherem Einkommen eine preiswertere Teilnahme am Mehrleistungssystem ermöglicht wird. Ferner konnte die Beklagte sich vor dem Hintergrund der Rechtsentwicklung der letzten Jahrzehnte auch bei der Prämienbildung im Mehrleistungssystem von dem Grundgedanken leiten lassen, erwerbstätige – in der Regel jüngere – Krankenversicherte von der Finanzierung eines höheren Aufwandes für Rentner zu entlasten und die Rentner entsprechend ihrem Einkommen verstärkt zur Finanzierung heranzuziehen. Das Bestreben einer Entlastung der jüngeren versicherten Generation ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (vgl. BVerfG SozR 4-2500 § 248 Nr. 3, juris Rdn. 39; SG Dortmund, Urteil vom 26.01.2011 – S 8 KN 243/09 KR, juris Rdn. 30, jeweils m.w.N.).
Die neu strukturierte Finanzierung des Mehrleistungssystems verletzt nicht Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem rechtstaatlichen Grundsatz des Vertrauensschutzes. Die von dem Kläger beanstandeten Regelungen greifen zwar mit Wirkung für die Zukunft in ein öffentlich-rechtliches Versicherungsverhältnis ein und gestalten dieses auf der beitragsrechtlichen Ebene zum Nachteil für die betroffenen Versicherten um (sog. unechte Rückwirkung). Solche Regelungen sind verfassungsrechtlich grundsätzlich zulässig und genügen dem rechtsstaatlichen Vertrauensschutzprinzip, wenn das schutzwürdige Bestandsinteresse des Einzelnen die gesetzlich verfolgten Gemeinwohlinteressen bei der gebotenen Interessenabwägung nicht überwiegt (BVerfG SozR 4-2500 § 248 Nr. 3, juris Rdn. 43).
Die Beklagte hat dem Grundsatz des Vertrauensschutzes bereits dadurch hinreichend Rechnung getragen, dass sie das Mehrleistungssystem für diejenigen Versicherten, die daran bereits am 31.03.2007 teilgenommen haben, aufrecht erhalten hat (vgl. auch BT-Drucks. 16/3100, S. 157). Überdies ist das Vertrauen der Versicherten auf den Fortbestand einer günstigen Rechtslage zwar in der Regel hoch einzuschätzen (BVerfG SozR 4-2500 § 248 Nr. 3, juris Rdn. 44; BVerfGE 103, 392 = SozR 3-2500 § 240 Nr. 39). Ein schutzwürdiges Vertrauen auf den Fortbestand der für die Versicherten im Vergleich zum aktuellen Prämiensystem günstigeren Beitragsregelung bestand jedoch nicht. Sowohl Gesetz- als auch Satzungsgeber haben in der GKV in der Vergangenheit wiederholt Änderungen hinsichtlich der Beitragspflichten angeordnet (vgl. BSG, Urteil v. 10.05.2006 – B 12 KR 21/05 R -, juris Rdn. 35). Angesichts dessen konnte der Kläger nicht darauf vertrauen, dass das Mehrleistungssystem im Hinblick auf die zu entrichtenden Beiträge bzw. Prämien unverändert bestehen bleibt.
Zwar sind mit der Teilnahme am Mehrleistungssystem insbesondere für Rentner, Rentenantragsteller und Versicherte, die das 65. Lebensjahr vollendet haben, nicht unerhebliche finanzielle Mehrbelastungen verbunden. Allerdings hat die Beklagte eine einkommensabhängige Staffelung der Prämien vorgenommen und hierdurch der finanziellen Leistungsfähigkeit der Versicherten in ausreichendem Maße Rechnung getragen. Im Übrigen kann diesen Belastungen durch Beendigung der Teilnahme am Mehrleistungssystem begegnet werden, zumal es sich bei den versicherten Leistungen (Zweitbettzimmer und Chefarztbehandlung) nicht um i.S.d. §§ 2 Abs. 4, 12 Abs. 1 SGB V notwendige Leistungen der GKV handelt. Nachdem das Mehrleistungssystem geschlossen wurde und nur noch für diejenigen Mitglieder fortgesetzt wird, die daran bereits zum 31.03.2007 teilgenommen haben, wird der Mitgliederkreis (Rentnerquote: mehr als 50 % – Schriftsatz der Beklagten vom 28.02.2011) immer kleiner und älter. Um dieses System aufrecht erhalten zu können, ist es nicht zu beanstanden, im Rahmen einer typisierenden Betrachtung die Morbidität von Rentnern sowie die daraus resultierende höhere Leistungsinanspruchnahme zu berücksichtigen und diese Aspekte bei der Kalkulation der Prämien zu berücksichtigen. Dieser Gesichtspunkt der Finanzierbarkeit des nunmehr geschlossenen Systems überwiegt das Interesse der Versicherten an der Beibehaltung eines lediglich beitragsfinanzierten – i.d.R. mit geringeren finanziellen Lasten verbundenen – Mehrleistungssystems.
Die Beklagte war nicht verpflichtet, Übergangsregelungen zu treffen. Das BVerfG hat im Bereich der Krankenversicherung bereits in der Vergangenheit Gesetze mit unechter Rückwirkung ohne Übergangsregelungen auch dann gebilligt, wenn diese mit erheblichen Belastungen für die Versicherten verbunden waren (vgl. nur BVerfGE 69, 272; BVerfGE 103, 392).
Gleiche Erwägungen gelten für den gemäß § 96 Abs. 1 SGG zum Gegenstand des Rechtsstreits gewordenen Bescheid vom 12.01.2011, der seine Rechtfertigung ebenfalls in § 48 Abs. 1 SGB X findet, nachdem die Beklagte § 59 der Satzung sowie die Anlagen 10 und 11 mit Wirkung vom 01.01.2011 neu gefasst hat.
Zwar hat die Beklagte den Kläger vor Erlass dieses Bescheides nicht gemäß § 24 Abs. 1 SGB X angehört. Eine Anhörung war jedoch entbehrlich, weil nach Auffassung des Senats die Voraussetzungen den § 24 Abs. 2 Nr. 4 SGB X erfüllt sind. Danach kann von einer Anhörung abgesehen werden, wenn Allgemeinverfügungen oder Verwaltungsakte in größerer Zahl erlassen werden sollen. Dies ist dann gegeben, wenn Verwaltungsakte nach Art, Form und Inhalt im Wesentlichen gleich sind und die Rechte der Adressaten ausschließlich nach einer für alle identischen Rechtsänderungsformel betroffen sind (etwa dann, wenn die durch Satzung bestimmten Beiträge für sämtliche freiwilligen Versicherten einer Krankenkasse angehoben werden – vgl. Mutschler in: Kasseler Kommentar, § 24 SGB X, Rdn. 28 m.w.N. zur Rspr. des BSG).
Die für sämtliche Mitglieder des Mehrleistungssystems einheitliche Rechtsänderungsformel ergibt sich hier insbesondere aus der Neufassung der Anlage 11 der Satzung, die die zu entrichtenden Prämien nach einheitlichen Kriterien regelt. Denn die Prämienstaffeln sind für alle Mitglieder schematisch und unabhängig von deren konkret-individuellen Verhältnissen anzuwenden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Angesichts des lediglich geringen Obsiegens des Klägers kam eine Kostenbeteiligung der Beklagten nicht in Betracht (Rechtsgedanke des § 92 Abs. 2 ZPO).
Der Senat hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).
Erstellt am: 15.05.2012
Zuletzt verändert am: 15.05.2012